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ALTERED STATES Page 14

by Paddy Chayefsky


  Hier waren selbst die Physiker geteilter Meinung. Sproule sah die ganze Sache als einen Fall von Wellengruppen-Reduktion. Murdoch war ein theoretischer Physiker, eigentlich sogar eher Mathematiker, und ihn faszinierte vor allem die Tatsache, dass Jessup irgendwie in seine Vergangenheit zurückgekehrt war. Für ihn waren da mehrere Erklärungen denkbar, aber am besten gefiel ihm die Vorstellung, Jessup sei in eine Gödel-Zeitbahn geraten.

  Gödel, ein Kollege Einsteins, hatte die Zeit nicht so sehr als eine Dimension betrachtet, sondern als riesige geschlossene Ringe, deren kleinster Radius der Radius des Universums war.

  »Nehmen wir einfach mal eine Handvoll Partikel in einem bestimmten raum-zeitlichen Gebiet und schicken sie auf die Bahn«, erklärte Murdoch. »In einem Gödel-Universum kann ich erklären, weshalb jemand zur selben Zeit und Struktur zurückkehrt. Es gibt bestimmte Kurven - angenommen, man bleibt immer auf derselben Zeitlinie - , die ganz unter der Herrschaft der raum-zeitlichen Beschleunigung stehen. Ist man auf dem gleichen Energieniveau und hält dieses Niveau konstant, dann muss man zum gleichen Ereignis zurückkommen. Aber man braucht dazu eine ungeheure Beschleunigung, eine wirklich schon phantastische Beschleunigung.«

  Die Theorie vom Gödel-Universum hatte natürlich einen Schönheitsfehler, wie Sproule aufzeigte: Jessup hätte, als er in seinem vormenschlichen Zustand durch Boston gestreift war, die ganze Stadt mit in sein eigenes Raum-Zeit-Kontinuum hineingesaugt, und das war natürlich nicht gesehenen.

  Wie die anderen liebte Jessup Spekulationen um ihrer selbst willen, und er hatte den Nachmittag genossen. Emily gegenüber räumte er jetzt ein, dass die Physiker einen anderen Begriff von Bewusstsein hatten als er. Für sie war es eine besondere Kraft, die von einer bestimmten Person ausgeübt wurde. Jessup sah das Bewusstsein als eine kosmische Kraft, vielleicht sogar als die kosmische Kraft. Unser Universum war vor über zwanzig Milliarden Jahren durch eine Explosion entstanden, eine gewaltige Wasserstoffexplosion, und es stiebt immer noch mit über 140 Millionen Kilometern pro Stunde nach allen Seiten auseinander. Es gab also einen Anfang, und es würde auch ein Ende geben. Na gut, aber was war vorher, und was kommt danach? Wo kam dieser ursprüngliche Wasserstoff her? Wenn man will, kann man das natürlich einen göttlichen Schöpfungsakt nennen, meinte Jessup, aber er selbst betrachtete unser Universum lieber als die andere Seite eines schwarzen Lochs von einem früheren Universum.

  Kurz gesagt, es musste eine noch frühere Kraft geben, die den Wasserstoff zur Explosion gebracht und all die anderen Naturkräfte ins Leben gerufen hatte, Nuklearkräfte, Gravitation und Elektromagnetismus. Kräfte erschaffen sich nicht selbst, sie müssen erschaffen werden. Diese schöpferische Urkraft war für Jessup das Bewusstsein. Man konnte sie natürlich Gott nennen, aber es gab da einen Unterschied. Das Bewusstsein war keine rein verstandesmäßige oder spirituelle Größe; es war im phänomenologischen Sinne vorhanden; ein greifbares Ding, in das man eindringen, das man verändern konnte. Jessup glaubte wirklich daran, dass er dieses Bewusstsein »angezapft» hatte und dass dieser Vorgang sich demonstrieren ließ. Er hatte nicht die geringste Ahnung, wie es ihm gelungen war. Es gab so viele Variablen.

  Unter diesen Gesprächen zog sich das Essen hin, bis den Kindern endlich der Kopf auf den Tisch sank.

  Jessup brachte sie alle nach Cambridge zurück.

  Er war immer noch in bester Stimmung, und es gab einen weichen, warmen Augenblick, wo er behutsam vorschlug, die Nacht über zu bleiben; aber Emily machte ihm gleich klar, dass sie so etwas für unvernünftig hielt. Sie hatte sich ein Jahr lang bemüht, von Jessup loszukommen, aber ihre unterdrückten Gefühle waren durch die Ereignisse des vergangenen Wochenendes wieder aufgerissen und bloßgelegt worden, und der Gedanke, dass sein Einfluss auf sie immer noch so groß war, gefiel ihr gar nicht. Sie hatte geglaubt, sich mit der Vorstellung der Scheidung versöhnt zu haben, und manchmal sagte sie sich sogar schon, es sei für sie wohl so das Beste. Sie war entschlossen, die Tatsache der Trennung nicht durch Sex wieder zu verwischen.

  Sie schickte ihn heim, schaltete das Licht aus und saß dann allein in dem dunklen Wohnzimmer. Sie versank in ihr Unglück, und in das Gefühl ihres Elends mischte sich Wut, Wut über Jessup, der ihre Gefühle so grausam geschunden hatte, Wut über sich selbst, weil sie es zugelassen hatte. Aber diese Gründe konnten ihre augenblickliche Stimmung noch nicht ganz erklären. Sie spürte Hysterie hinter ihren aufgerissenen Gefühlen lauem, und als sie ihren ganzen Willen zusammennahm, erkannte sie, dass diese drohende Hysterie Angst war. Sie versuchte, diese Angst zu erkennen, aber ihr Gehirn, das sonst so diszipliniert arbeitete, versagte den Dienst. Sie hatte einfach Angst vor dieser Angst. Sie ging mit dieser Angst ins Bett, sie ging sogar schlafen, um ihr zu entkommen, aber als sie so dalag auf ihrer Matratze, die nur über einen einfachen Sprungrahmen gelegt war, und daran dachte, dass sie endlich einen Bettkasten kaufen sollte, um nicht immer so nah am Boden zu liegen, drang diese Angst plötzlich in sie ein, wurde sichtbar, erkennbar, und da wusste sie, was es war. Sie fürchtete sich davor, dass Jessups groteske, wahnsinnige, unglaubliche Geschichte, er habe sich für kurze Zeit in ein hominides Wesen verwandelt, wahr sein könnte, und dass sie, gnade ihr Gott, anfing ihm zu glauben, dass sie ihm wahrscheinlich sogar von Anfang an geglaubt hatte.

  Es war unmöglich, jetzt zu schlafen.

  Sie stand auf und wanderte ziellos in der dunklen Wohnung umher, blieb in der Tür zum Kinderzimmer stehen und betrachtete die schlafenden Kinder; sie versuchte sich einzureden, es sei nur eine von diesen nächtlichen Paniken, die manchmal vorkommen, und am Morgen würde sich alles wieder ordnen. Und dabei wusste sie doch, dass es nicht so war, dass etwas Entsetzliches im Gang war, dem sie nicht ausweichen konnte.

  Es war noch vor eins, also rief sie Jessup an. »Ich bin in einer Art Panik, Eddie. Ich muss mit dir sprechen.«

  »Ich bin gleich da«, sagte er.

  Sie wartete am Fenster, bis sie ihn kommen sah, und ging zur Tür, um ihm zu öffnen. Er war kaum in den dunklen Flur eingetreten, als sie sagte: »Ich weiß gar nicht, wie ich das ausdrücken soll, aber ich fange an zu glauben, dass das, was letzten Freitag mit dir passiert ist, doch nicht einfach nur eine Halluzination war. Ich hab' irgendwie das Gefühl, dass doch wirklich was passiert ist, irgendeine genetische Verwandlung. Ich weiß nicht, warum ich das gegen jeden gesunden Menschenverstand glaube, aber ich tu es. Und jetzt bin ich entsetzt, richtig entsetzt, verstehst du, erstarrt.«

  »Das bin ich auch«, sagte er.

  Sie gingen zum Wohnzimmer und blieben auf der Schwelle, am Rand des Lichtkegels, stehen.

  »Ich will nicht, dass du nächste Woche dieses Experiment machst«, sagte sie.

  »Wir müssen herausfinden, was wirklich passiert ist, Emily.«

  »Ich möchte doch nur, dass du damit aussetzt, bis wir etwas mehr über diese Vorgänge wissen und damit das Risiko herabsetzen können.«

  »Es ist unmöglich, diese Sache im Vorhinein zu verstehen«, sagte er. »Es ist etwas Einmaliges, unerklärlich, und wir können uns nur von dem Geschehen selbst zurücktasten. Erst müssen wir sicher sein, dass es tatsächlich passiert ist, und dann können wir uns zurückarbeiten und nach dem Wie und Warum fragen.«

  »Du verstehst überhaupt nicht, was ich sagen will.«

  »Oh doch. Du machst dir Sorgen um mich, und das versteh ich. Ich wünschte, ich könnte dich beruhigen, aber mir ist selbst himmelangst. Wir haben es mit lauter Unbekannten zu tun. Wir wissen nicht, was beim letzten Mal passiert ist, und wir wissen nicht, was beim nächsten Mal los sein wird. Abzusehen ist lediglich, dass es etwa vier Stunden dauern wird, was es im Übrigen auch sein mag. So jedenfalls ist es von Anfang an gewesen.«

  Sie standen im Schatten am Eingang des Zimmers, ihre Blicke hingen aneinander, und sie versuchten, sich vernünftig über monströse Absurditäten zu verständigen.

  »Es könnte sein, dass du dir irreversible genetische Schäden zufügst«, sagte sie schließlich.

  »Ich glaube nicht, dass das irgendwas mit Genetik zu tun hat, nicht einmal mit Evolution oder einem anderen Begriff von Leben. Was passiert ist - wenn es passiert ist -, ist
biologisch gesehen unmöglich. Ich habe eine halluzinatorische Erfahrung irgendwie ins Körperliche umgesetzt, und trotz dieser Verkörperlichung war es ein psychisches Geschehen. Wir sind hier jenseits von Masse und Materie, sogar jenseits von Energie. Wir sind hinter das erste Molekül zurück, hinter die erste Sekunde der Zeit. Wir sind bis zum ersten Gedanken vorgedrungen, zum ersten bewussten Gedanken, zum reinen Bewusstsein der Schöpfung. Deshalb glaube ich nicht, dass so etwas wie eine genetische Schädigung eintreten kann. Aber ich kann dir natürlich nicht versprechen, dass nichts Schlimmes passieren wird; ein Astronaut kann seiner Frau auch nicht versprechen, dass er nicht im Weltall verschwinden wird, wenn er sich am Ende seiner Seidenschnur vom Raumschiff entfernt. Aber ich muss es wissen, Emily. Ich muss wissen, ob es passiert ist, und wenn es passiert ist, warum. Etwas ganz Außerordentliches hat sich ereignet, und ich muss wissen, warum und wie. Du bist Wissenschaftlerin, du musst das doch verstehen.«

  »Ich weiß nur, dass ich deine Frau bin und dass ich furchtbare Angst habe.«

  »Du trägst keinerlei Verantwortung. Es gibt nichts, was du tun kannst, um mich davon abzuhalten, das Experiment nächste Woche zu wiederholen. Dazu ist die Sache zu aufregend, zu ungeheuerlich.«

  »Ich habe das Gefühl, dass etwas Grauenhaftes passieren wird.«

  »Alles deutet darauf hin, dass nichts Irreversibles passieren wird. Es hat nie länger als vier Stunden gedauert, und ich war danach immer vollständig wiederhergestellt. Es hat niemals auch nur die Andeutung irgendwelcher Schädigungen gegeben.«

  »Ich versuche dir zu sagen, dass ich dich liebe!«

  »Das weiß ich. Und ich versuche dir zu sagen, dass wir es hier mit etwas so Ungeheurem zu tun haben, dass ich es nicht einfach ignorieren oder abbrechen kann. Von diesem Zug können wir einfach nicht mehr abspringen! Wir öffnen hier vielleicht eine black box, die all unsere Vorstellungen von Raum und Zeit vom Tisch fegt! Vielleicht besitzen wir sogar das Verbindungsstück zu einem anderen Universum! Um Gottes willen, Emily, du musst doch wissen, was ich fühle!«

  Natürlich wusste sie es. In seiner Lage wäre sie nicht weniger besessen gewesen. Irgendwie beruhigte dieses Eingeständnis sie. Sie setzte sich in den weichen Sessel unter der Lampe. »Ja, ich weiß, was du fühlst«, sagte sie, »und ich will auch nicht mehr mit dir darüber streiten. Es ist schon sehr spät. Willst du nicht heute Nacht hier bleiben? Ich könnte Gesellschaft brauchen.«

  Er blickte vom schattigen Teil des Zimmers zu ihr herüber. »Du hast vorhin gesagt, du wolltest unsere Situation nicht verwirren.«

  Sie lächelte gequält. »Ich wüsste nicht, wie ich noch verwirrter werden sollte, als ich schon bin, und ich könnte gerade jetzt ein bisschen Liebe und Trost gut vertragen. Du bleibst doch, oder?«

  »Du weißt, wie gern ich das möchte«, sagte er.

  Am Freitag, dem 30. April, schien das Wetter abends einen möglichst schauerlichen Rahmen für das, was bevorstand, abgeben zu wollen. Regen peitschte durch die Straßen, und immer wieder tauchten Blitze den Gebäudekomplex der Medical School in bleiches Licht, rollte dumpf der Donner. Parrish erreichte den Tankraum gegen Viertel vor sechs. Er trug seinen langen weißen Arztkittel und rollte eine Untersuchungsliege vor sich her, an der er einen Infusionshalter aus der Unfallstation befestigt hatte. Auf dieser Liege klapperten allerlei Gerätschaften herum, Instrumente und Behälter für Gewebeproben, eine Präparationsausrüstung, eine Nikon und eine Videokamera mit Aufzeichungsgerät. Rosenberg war schon da und half ihm, die Liege in den Tankraum zu rollen. Er hatte wieder seine Flugzeugtasche mit den Röhren, Gläsern, Spritzen und den verschiedenen Drogen und Chemikalien mitgebracht, außerdem seinen tragbaren EEG-Apparat, den er schon angeschlossen hatte, und zwei Schwanenhals-Stehlampen. Mit all diesen Sachen war der Raum schon ziemlich vollgestopft.

  »Gibt's denn hier genug Steckdosen?« fragte Parrish.

  »Aber sicher«, gab Rosenberg zurück. Er untersuchte die Videokamera. »Mit so was hab' ich noch nie gearbeitet.«

  »Einfach durchgucken und laufen lassen, gar nichts dabei.«

  Grunzend setzte Parrish sich auf den Boden und lehnte sich mit angezogenen Knien gegen die Schalldämpfungswand. Rosenberg holte ein Fläschchen mit Natrium-Amytal aus seiner Tasche und begann es zu mischen.

  »Wenn's hart auf hart kommt«, sagte er, »dann kriegt er eine Siebenhundertfünfzig-Milligramm-Portion, ist dir das recht?«

  Parrish, der ausdruckslos ins Leere gestarrt hatte, fragte: »Was meinst du mit hart auf hart?«

  »Wenn es passiert.«

  »Mmh«, brummte Parrish.

  Emily und Jessup kamen zwanzig Minuten zu spät. Der Toyota hatte gestreikt, und sie mussten ein Taxi nehmen. Sie waren völlig durchnässt - Emily kam mit einem tropfenden Regenschirm herein, den sie immer noch schüttelte.

  »Packt euren Kram doch in den Monitorraum«, knurrte Parrish, »hier ist der Schlamassel groß genug.«

  Jessup verschwand mit Emilys und seinem Mantel im Kontrollraum.

  Emily blieb bei der Untersuchungsliege stehen und zeigte auf die Infusionsflasche. »Was ist denn da drin?«

  »Nur ein bisschen D5E«, sagte Rosenberg und schob die Liege und die Lampen an eine Wand. »Wir haben uns gedacht, dass wir ihm für den Anfang erst mal eine tüchtige Portion Natrium-Amytal verpassen. Das reicht für ungefähr zwanzig Minuten. Und wenn er wieder wach wird, hängen wir ihn einfach an den Amytaltropf.«

  Jessup kam vom Kontrollraum zurück und war schon dabei, sein Hemd auszuziehen. »Hört mal«, sagte er, »wenn die Sache klappt und ich als Anthropoid aus dem Tank komme, dann werde ich ein sehr primitives Bewusstsein haben. Wenn ihr mich also sedieren wollt, dann solltet ihr es tun, solange ich noch im Tank bin. Wenn es diesmal klappt, dann werde ich etwa einen Meter zwanzig groß sein und bis zur Hüfte im Wasser stehen. Ich werde es nicht einfach haben, aus dem Tank herauszukommen, aber wenn ich es mal geschafft habe, dann müsst ihr mich erst wieder einfangen und überwältigen. Versucht also, mich schon im Tank zu erwischen, dann gibt es am wenigsten Schwierigkeiten.«

  »Okay«, sagte Rosenberg.

  Jessup ging zurück in den Überwachungsraum. Parrish schnaubte wütend. »Also das sage ich euch, wenn er als Affe aus dem Tank kommt, dann geh ich gleich rüber in die Nervenklinik und liefere mich selbst ein.«

  Das war um fünf nach sechs. Zwanzig Minuten später ging Jessup in den Tank, und sie löschten die Deckenbeleuchtung. Sie saßen jeder für sich in dem halbdunklen Raum an die weichen Schallisolierungsplatten der Wände gelehnt, nur noch die grauen Gesichter waren zu erkennen. Mit der Zeit wurde es ihnen langweilig, sie verfielen in dumpfes Schweigen, das nur gelegentlich von leise gemurmelten Bemerkungen unterbrochen wurde.

  Hin und wieder ging Parrish zum Tank, öffnete die Klappe im Deckel und schaute nach Jessup. Von unten aus dem schwarzen Viereck starrte Jessups Gesicht ausdruckslos herauf wie ein Gipsrelief, eingesunken in ein Kissen aus Schwärze.

  So zog die dunkle, stille Nachtwache hin. Sie gingen abwechselnd auf die Toilette oder einfach nur auf den Gang hinaus, um die Spannung ein wenig zu mildem, und jedes Mal kamen sie mit der Frage zurück: »Ist was passiert?«

  Es geschah nichts.

  Manchmal stand einer von ihnen plötzlich auf, um einfach nur die Beine zu strecken. Irgendwann unterbrach Emily das Schweigen, und ihre Stimme klang angstvoller, als sie selbst erwartet hatte: »Hört mal - können wir das denn nicht irgendwie noch anhalten? Ich kriege langsam richtig Angst. Ich meine, was tun wir eigentlich hier? Wir fummeln mit seiner ganzen genetischen Struktur herum. Ich finde, wir sollten jetzt damit aufhören. Wir sollten es abbrechen! Kann man jetzt noch abbrechen, Arthur?«

  Parrish, der an der Videoausrüstung herumgespielt hatte, ging zum Tank hinüber und hob den Deckel. Die weiße Maske von Jessups Gesicht lag in friedlicher Stille in der Schwärze des Tanks.

  »Sollen wir ihn runterholen, Arthur?«

  »Nur, wenn er es selbst will; soll ich mal versuchen?«

  Er stand auf, ging in den Überwachungsraum, drückte die Sprechtaste und sagte: »Wie geht's, Eddie?«

  Er wartete auf die Antwort,
aber es kam keine.

  Kurz vor halb zehn kam Parrish von seinem dritten Gang zur Toilette zurück. »Was passiert?«, fragte er die beiden Schattengestalten, die rechts neben dem Tank an der Wand saßen.

  »Nein«, brummte Rosenberg.

  Parrish hob wieder die Klappe vom Tank und schaute hinein, aber diesmal sah er nicht Jessups weißes Gesicht. Diesmal blickte er in die schlafende Maske eines gorillaähnlichen Gesichts mit schwarzer, glänzender Haut. Dieses Gesicht hatte fast keine Stirn, das Schädelhaar hing fast bis auf den kräftigen Wulst über den Augen herab. Die Gesichtsbehaarung war feiner als sonst bei Affen und bedeckte die Ohren nur zum Teil. Die Kiefer sprangen stark hervor, und hinter den vorgestülpten, geöffneten Lippen waren gelbe, aber sehr menschliche Zähne zu sehen. Die Augen wirkten selbst geschlossen eher menschlich als affenähnlich - größer und nicht so tief eingesunken. Hals, Schultern und was an von der Brust sehen konnte, war von einem feinen, kurzen Fell bedeckt.

  Parrish starrte wie vor den Kopf geschlagen auf dieses grauenhafte Bild.

  »Oh Scheiße«, seufzte er.

  Rosenberg blickte auf.

  Parrish stand stumm am Tank und starrte in das schwarze Viereck.

  »Niemals, niemals«, sagte er kaum hörbar, »können wir das hier auf einer physikalischen Ebene erklären.« Er blickte auf und begegnete Rosenbergs fragendem Blick. »Hast du deine Injektion fertig, Arthur? Er hat doch gesagt, wir sollen sie ihm geben, solange er noch im Tank ist.«

  Das Wesen in dem schwarzen Viereck unter ihm öffnete langsam die Lider, und darunter kamen tückische, kleine, rote Augen zum Vorschein.

  »Himmelarsch«, sagte Parrish, »bring die verdammte Spritze her.«

  Rosenberg war sofort auf den Beinen, die Spritze in der Hand.

 

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