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Faded Duet 2 - Faded - Wenn alles stillsteht

Page 16

by Julie Johnson


  »Das reicht!«, bellt Ryder. »Verschwinden Sie von hier.«

  Linden und York schleifen sie, ohne auch nur eine weitere Sekunde zu zögern, davon. Dieses Mal wehrt sie sich und dreht sich herum, um mir in die Augen zu schauen, bevor sie sie in die Menge und fort aus meinem Leben zerren.

  »Du hättest dich mit mir einigen sollen, Felicity.« Ihr Grinsen ist furchterregend. »Nun wirst du dich mit ihm auseinandersetzen müssen.«

  Noch lange nachdem sie aus meinem Sichtfeld verschwunden ist, hallen die Worte in meinen Ohren nach.

  Carly reicht mir eine Tasse Kamillentee. Die ganze Band hat sich in dem kleinen Bereich des Busses versammelt, der als Küche und Esszimmer dient. Sie sind unheimlich still, während sie zusehen, wie ich einen brühend heißen Schluck Tee trinke. Das einzige Geräusch ist das leichte Rumpeln des Busses unter uns, während wir durch die dunkle Nacht über den Highway fahren. Mit jedem Kilometer, den wir zwischen uns und L. A. legen, fühle ich mich sicherer.

  »Ihr könnt damit aufhören, mir nicht von der Seite zu weichen«, murmle ich. »Ich werde nicht zusammenbrechen oder aus der Tournee aussteigen.«

  Ich werde nicht mehr davonlaufen.

  Überraschenderweise ist Lincoln derjenige, der das Schweigen bricht. »Wir sind nicht hier, weil wir uns Sorgen machen, dass du von Bord gehen könntest, Felicity. Wir sind hier, weil man sich um seine Freunde kümmert, wenn sie in Schwierigkeiten stecken.«

  Mein Lächeln ist schwach, aber warm. »Danke, Linc.«

  »Du musst mir nicht danken.« Er zuckt mit den Schultern, steht auf und geht in den hinteren Bereich des Busses, wo sich sechs luxuriöse Schlafkojen befinden. »Ich werde jetzt schlafen gehen. Und wenn ich aufwache, heißt es ›Viva, Las Vegas‹, Leute.«

  Er zwinkert uns zu und verschwindet den Gang hinunter.

  Aiden schickt sich an, ihm zu folgen, aber irgendetwas lässt ihn innehalten. Auf seinem Gesicht liegt ein unlesbarer Ausdruck, als er sich herumdreht und in meine Richtung kommt. Sein plötzlicher Richtungswechsel hat bereits dafür gesorgt, dass ich die Augen weit aufgerissen habe, doch sie werden noch größer, als er sich nach unten lehnt und mir einen unerwarteten Kuss auf die Stirn drückt.

  »Morgen sieht alles anders aus«, sagt er einfach.

  Meine Augen brennen, als er davongeht und mich allein mit Carly und Ryder in der Küche zurücklässt. Erstere sitzt neben mir auf einer üppigen Ledercouch und kaut besorgt auf ihrer Unterlippe herum. Letzterer lehnt an der Wand und scheint in Gedanken verloren zu sein, die ich nicht mal ansatzweise entschlüsseln kann.

  »Wir sollten alle versuchen, ein wenig Schlaf zu bekommen.« Ich stelle die Tasse ab und stehe auf. »Ich muss dieses Kleid ausziehen und mir das Make-up vom Gesicht waschen.«

  Carly springt auf. »Ich helfe dir dabei.«

  »Carly, es geht mir gut.«

  »Ich habe nie etwas anderes behauptet.«

  »Du hast es nicht gesagt, aber du behandelst mich, als wäre ich zerbrechlich. Ich bin nicht aus Glas. Ich gehe selbstständig ins Bett, seit ich vier bin. Ich werde sehr gut ohne deine Hilfe zurechtkommen.«

  »Schätzchen …«

  »Ich will nicht mehr darüber reden, okay?« Ich schließe die Augen. »Ich will einfach nur ins Bett kriechen und vergessen, dass es passiert ist.«

  Sie sagt kein Wort. Sie beugt sich einfach nur vor und zieht mich in eine warme Umarmung.

  »Wofür war das denn?«, frage ich, als wir uns voneinander lösen.

  »Brauche ich einen Grund, um meine beste Freundin zu umarmen?«

  Ich lache leise. »Ich schätze nicht.«

  »Ich werde eine Koje für mich beanspruchen, die so weit wie möglich von Lincolns Schnarchen entfernt liegt.« Carly schaut zwischen mir und Ryder hin und her. »Ihr zwei … solltet euch ein wenig ausruhen.«

  Sie dreht sich um, um zu gehen, und plötzlich löst die Vorstellung, zum ersten Mal seit unserem Streit vor dem Konzert mit Ryder allein zu sein, Panik in mir aus.

  »Carly …«

  Zu spät. Sie ist bereits halb den Gang hinunter und verschwindet in dem kleinen Bad neben den Kojen. Ich stehe mit Ryder im dämmrigen Licht der Küche, und mein Herz ist so sehr von widersprüchlichen Gefühlen erfüllt, dass kaum Platz für sie alle ist. Nach unseren hitzigen Worten, dem Konzert und dem Auftauchen meiner Mutter … kann ich meine Gefühle kaum noch auseinanderhalten.

  »Ich schätze, ich werde auch schlafen gehen«, murmle ich.

  Er brummt unverbindlich, macht aber keine Anstalten, seinen Platz an der Wand zu verlassen.

  Ich mache ein paar Schritte in Richtung des Gangs und verringere dabei den Abstand zwischen uns. Er kommt nicht auf mich zu, aber ich spüre seinen Blick auf meiner Haut wie ein physisches Gewicht. Er betrachtet die Umrisse meines Körpers, als würde er sich vergewissern wollen, dass ich immer noch dastehe.

  Meine Füße geraten ins Straucheln.

  Ich hebe den Blick und schaue ihm in die Augen.

  Meine Stimme zittert, als ich spreche.

  »Danke, Ryder.«

  Er wird sogar noch starrer, falls das möglich ist. »Du musst mir nicht danken, Felicity.«

  Ich ziehe angesichts der Härte in seiner Stimme die Augenbrauen hoch. »Warum nicht? Du hast mich da draußen gerettet.«

  »Es ist meine Schuld, dass sie überhaupt hier war.« Das Flüstern klingt abgehackt und ist so leise, dass ich seine Worte kaum verstehen kann.

  »Was meinst du damit?« Mein Herz pocht heftiger. »Inwiefern ist das deine Schuld?«

  »Sie wusste nur wegen dieser Tournee, wie sie dich finden konnte. Weil ich dich zurück in dieses Leben gezerrt habe.«

  Ich schaue in sein Gesicht und betrachte die Falten, die die Schuldgefühle darauf hinterlassen haben. Der Schmerz in seinen Augen ist so groß, dass ich kurz innehalten muss.

  »Zuerst einmal hast nicht du mich zurückgezerrt, Ryder. Das war Route 66.« Ich seufze und fahre mit den Händen durch mein Haar. »Und zweitens ist das nicht meine erste Konfrontation mit meinen Eltern. Bei Weitem nicht. Warum habe ich damals bei unserer ersten Begegnung in Nashville wohl einen gefälschten Ausweis benutzt? Ich versuche schon seit einer Ewigkeit, ihnen zu entkommen. Ich wusste, dass es riskant sein würde, hierher zurückzukehren.«

  »Vielleicht. Aber ich bin derjenige, der dich damals überhaupt erst ins Rampenlicht gezerrt hat. Wenn du mir nie begegnet wärst … wärst du in Sicherheit.«

  »Ryder …« Meine Stimme bleibt mir im Hals stecken, als ich sein Gesicht betrachte. Ich will auf ihn zugehen, bis dieser Abstand zwischen uns aufgehoben ist. Ich will spüren, wie er die Arme um mich legt und mich dicht an seine Brust zieht.

  Früher dachte ich mal, dass seine Arme der sicherste Ort auf der ganzen Welt wären.

  »Du kannst nicht die ganze Schuld auf dich nehmen. Als wir das Angebot für diesen Plattenvertrag erhielten, hätte ich Nein sagen können. Ich hätte gehen können. Aber das tat ich nicht.« Ich zucke mit den Schultern. »Ich traf meine eigenen Entscheidungen. Ich entschied mich für dieses Leben.«

  Ich entschied mich für dich.

  Er starrt mich an, und der Ausdruck auf seinem Gesicht ist von so viel Sehnsucht erfüllt, dass ich beinahe vor ihm auf die Knie falle und ihn anflehe, dafür zu sorgen, dass ich all die Gründe, warum wir nicht zusammen sind, und all die falschen Entscheidungen, die uns auseinandergebracht haben, vergesse.

  Nur für heute Nacht. Nur für ein paar Stunden in seinen Armen.

  Aber das tue ich nicht. Das kann ich nicht. Nicht in einem Bus voller Leute, die überall um uns herum sind. Nicht wenn ich weiß, dass morgen im hellen Licht des Tages alles wieder anders sein wird.

  »Gute Nacht, Felicity«, sagt er zaghaft.

  »Gute Nacht, Ryder«, flüstere ich ebenso zaghaft.

  Keiner von uns rührt sich.

  Du hast Gute Nacht gesagt.

  Warum bewegst du dich nicht? Und warum tut er es nicht?

  Ich sehe ihn über den einen
Meter Entfernung, der zwischen uns liegt, an und frage mich, warum sich dieser Abstand so groß anfühlt. Und er erwidert meinen Blick, und plötzlich leuchtet eine ganze Galaxie aus vollkommen anderen Sehnsüchten in seinen Augen auf.

  Ich bin nicht sicher, wer sich zuerst bewegt. Ich kann es nicht mit Gewissheit sagen. Ich weiß nur, dass wir auf einmal Brust an Brust dastehen und sich unser Atem in der Luft zwischen unseren Gesichtern vermischt. Ich strecke mich ihm entgegen, als er die Lippen senkt und …

  Die Badezimmertür schwingt mit einem Knall auf.

  Das Geräusch lässt uns erschrocken voneinander zurückweichen wie zwei Pferde, die an der Startlinie vor einem Pistolenschuss scheuen. Wir wirbeln herum und sehen, wie Carly in einem Schlafshirt, das ihr bis zur Hälfte der Oberschenkel reicht, in den Gang eilt. Als sie uns entdeckt, verzieht sie das Gesicht zu einer reumütigen Miene.

  »Tut mir leid!«, zischt sie in einem viel zu lauten Flüsterton. Dann steigt sie in ihre Koje, die gegenüber von Aidens in der unteren Reihe liegt, und zieht den Vorhang zu. »Beachtet mich gar nicht!«

  Doch der Moment ist zerbrochen wie Glas.

  Mit pochendem Herzen wende ich den Blick ab und schlucke schwer, um wieder einen einigermaßen klaren Kopf zu bekommen.

  »Okay. Tja. Dann gute Nacht.«

  Er erwidert nichts, als ich die Küche verlasse und mir im Gehen meine Reisetasche von der Couch schnappe. Ich schließe die Badezimmertür hinter mir und verriegele sie, bevor ich etwas wirklich Dummes tun kann. Etwas, das meine Nervenenden vor schierer Vorfreude in Schwingungen versetzt, während ich mein Kleid ausziehe und in mein dünnes Nachthemd schlüpfe. Etwas, das meine Knie weicher als Butter werden lässt, während ich am Waschbecken stehe und mir den roten Lippenstift vom immer noch kribbelnden Mund wische.

  Als ich wieder in den Gang hinaustrete, ist das Licht aus. Meine Atemzüge gehen viel zu schnell, während ich darauf warte, dass sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnen. Als ich endlich wieder etwas erkennen kann, entdecke ich Ryder nirgendwo. Das einzige Geräusch, das ich hören kann, ist Lincolns gleichmäßiges Schnarchen, das hinter dem Vorhang zu meiner linken ertönt. Ich verstaue meine Tasche in einem leeren Gepäckfach und steige schnell in die Koje über Carlys hinauf. Die Sprossen der eingelassenen Leiter fühlen sich unter meinen nackten Füßen kalt an.

  Erst einige Augenblicke später, als ich bereits warm eingepackt unter der Decke liege, höre ich, wie Ryder endlich von der Küche aus durch den Gang geht und sich im Bad einschließt. Ich mache die Augen zu und versuche zu schlafen, aber ich bin immer noch hellwach, als er in die Koje über Aidens klettert – direkt gegenüber von meiner. Ich höre das Rascheln von Laken auf nackter Haut und spüre, wie mein Mund trocken wird.

  Tu so, als würdest du schlafen.

  Wag es ja nicht, ihn anzuschauen.

  Doch ich habe längst jegliche Vernunft aufgegeben und öffne ganz leicht die Augen. Er liegt auf der Seite, hat den Kopf auf eine Hand gestützt und beobachtet mich. Unsere Blicke finden sich trotz der Dunkelheit sofort. Mir fällt auf, dass sein Atem ebenso unregelmäßig geht wie meiner, während die Zeit stillzustehen scheint.

  In seinen Augen liegt ein Versprechen, dass er mir noch nicht geben kann. In meinen liegt eine Entschuldigung, die ich noch nicht aussprechen kann.

  Keiner von uns sagt ein Wort, während wir dort liegen und uns einfach nur ansehen. Wir machen auch keinerlei Anstalten, die Vorhänge unserer Kojen zuzuziehen. Wenn der schmale Gang zwischen uns nicht wäre, könnte ich mir fast einreden, dass wir nebeneinander im selben Bett liegen. Nach allem, was heute passiert ist, ist das ein beruhigender Gedanke.

  Der Bus rollt immer weiter in Richtung Osten, und der gleichmäßige Rhythmus lullt mich mit jeder Umdrehung der Räder ein bisschen mehr ein, sodass ich dem Schlaf immer näher komme. Als sich mein Herzschlag beruhigt hat und meine Augen zu schwer geworden sind, um sie auch nur noch einen Moment länger offen zu halten, gebe ich endlich nach.

  Ryders Blick hält mich fest und ist das Letzte, was ich wahrnehme, bevor ich einschlafe.

  16. KAPITEL

  Ryder

  »Alter! Steh auf!«

  Linc trommelt mit der Faust gegen meine Koje, und ich reiße die Augen auf. Der Bus bewegt sich nicht mehr. Grelles Licht strömt durch die getönten Scheiben am Ende des Gangs. Ich blinzle, während ich die leere Koje mir gegenüber betrachte.

  Sie ist bereits weg.

  Ich setze mich auf und stoße mir den Kopf am Dach des Busses. »Verdammt.«

  Lincoln griemelt.

  Ich werfe ihm einen finsteren Blick zu. »Wie spät ist es?«

  »Kurz nach neun.«

  »Wann sind wir hier angekommen?«

  »Vor etwa zwei Stunden.«

  Ich springe aus meiner Koje. »Und warum hast du mich nicht geweckt?«

  »Weil ich nicht weiß, wie man die Toten aufweckt.« Er zuckt mit den Schultern. »Du sahst total fertig aus. Wie ein Zombie. Da dachten wir uns, dass wir dich besser schlafen lassen. Warum machst du deswegen so einen Aufstand?«

  Ich schaue wieder zu ihrer leeren Koje.

  »Ah.« Da begreift er, was los ist. »Wegen Felicity.«

  Ich spanne den Kiefer an.

  »Spar dir die Grimassen.« Er schmunzelt. »Sie ist bei Carly. Sie haben bereits im Hotel eingecheckt. Wir haben schicke Zimmer mit Blick auf den gesamten Strip.«

  Das Hotel könnte mir nicht gleichgültiger sein. Momentan besteht meine einzige Priorität darin, sie zu finden, und dafür zu sorgen, dass es ihr nach dem, was sie gestern mit ihrer Mutter erleben musste, gut geht.

  Als ich gestern Abend aus dem Gebäude trat, wusste ich sofort, wer die von Drogen benebelte Frau, die Felicity am Arm gepackt hatte, sein musste. Ich hatte mich noch nie zuvor so schnell in Bewegung gesetzt, um an ihre Seite zu gelangen. Und ich hatte auch noch nie diesen Ausdruck gesehen, der auf Felicitys Gesicht lag. Sie wirkte so klein und hilflos und unterdrückt, als sie da stand, während ihre Mutter allerlei schreckliche Dinge zu ihr sagte.

  Undankbare Hure.

  Gemeine Diebin.

  Du bist nichts Besonderes.

  Wer könnte dich schon lieben?

  Ich hätte diese Frau mit bloßen Händen erwürgen können, aber wenn ich das vor den versammelten Paparazzi getan hätte, wäre ich vermutlich wieder verhaftet worden.

  Gott, kein Wunder, dass Felicity sich in den ganzen Jahren so abgeschottet hat. Gegen ihre Familie wirkt meine Familie regelrecht harmlos.

  Ich nehme deinen zu Wutanfällen neigenden Alkoholikervater und erhöhe um eine drogensüchtige, gewalttätige Mutter.

  Ich ziehe mir schnell eine Jeans und ein T-Shirt an, fahre mit den Händen durch mein vom Schlaf zerzaustes Haar, setze eine Sonnenbrille auf und schlinge mir meine Tasche über die Schulter.

  »Wo ist Aiden?«, frage ich, als ich endlich fertig bin.

  »Er wartet draußen. Wir dachten uns, dass wir dich mit zum Frühstück schleppen.«

  Ich schmunzele. »Hast du Angst, dass euch alle für ein Paar halten werden, wenn ihr allein loszieht?«

  Linc grinst breit. »Bitte. So viel Glück hätte er gern.«

  Wir lachen beide und treten aus dem Bus in den hellen Sonnenschein hinaus. Es ist neun Uhr früh, aber in Vegas herrscht bereits brütende Hitze. Der Asphalt um uns herum flimmert, während wir über den Parkplatz zu der Terrasse des Hotels gehen, wo Aiden in einem schmalen Schattenstreifen sitzt und eine Zigarette raucht. Linden und York lungern ein paar Meter entfernt herum und halten als unsere schweigsamen Schatten die Augen offen, während Touristen im Hotel ein- und ausgehen. Ich senke den Kopf und hoffe, möglichst lange unerkannt zu bleiben.

  »Ihr habt ja ganz schön lange gebraucht«, sagt Aiden, als er uns entdeckt. Er tritt die Zigarette mit dem Absatz seines Schuhs aus. »Was habt ihr da drin gemacht? Euch herausgeputzt?«

  »Ich habe mich nur für dich hübsch gemacht.« Ich klimpere mit den Wimpern in seine Richtung.

  Er versetz
t mir einen Stoß gegen den Arm. »Kommt schon. Ich verhungere. Neben dem Pool gibt es ein Restaurant.«

  »Speck mit Ausblick auf Bikinis.« Linc grinst. »Dein Vorschlag gefällt mir.«

  Als wir die klimatisierte Lobby betreten, übergebe ich meine Tasche an einen bereitstehenden Pagen und drücke ihm einen frischen Zwanziger in die Hand, bevor er davoneilt. Das Hotel ist opulent und übertrieben eingerichtet – das Dekor ist in üppigen Rottönen und schimmernden goldenen Verzierungen gehalten, und an jeder Decke prangen Fresken. Wir passieren einen protzigen Dekobrunnen, der mit den Abbildern antiker römischer Kaiser versehen ist, und bahnen uns dann einen Weg durch die zahllosen Reihen aus Spielautomaten, die Neuankömmlinge in das angrenzende Kasino locken sollen, bevor sie überhaupt eingecheckt haben.

  Hier geht es zu wie im Zoo, und wir sind die verdammten Tiere.

  Als wir endlich das Restaurant finden, ist fast eine Stunde vergangen, und wir sind alle vollkommen ausgehungert. Eine Mitarbeiterin führt uns zu einem Tisch im Schatten, von dem aus man einen Blick auf die weitläufige Anlage aus Badelagunen mit Wasserfällen direkt darunter hat. Diese Anlage als Pool zu bezeichnen, ist, als würde man die Niagarafälle einen Bach nennen. Dieser Ort hat so gewaltige Ausmaße, dass man unmöglich alles auf einmal aufnehmen kann. Schwärme schöner Frauen versammeln sich in Grüppchen und halten Mimosas in den Händen, während sie über die Anlage schlendern und zwischen importierten Palmen und kitschigen pseudorömischen Säulen umherspazieren. Sie erinnern mich an die tropischen Vögel draußen vor Graysons Baumhaus in Oahu. Sie zwitschern und putzen sich heraus, um potenzielle Partner anzulocken.

  Lincoln stößt ein schamloses Knurren aus, als eine Blondine in einem Sarong am Pool unter uns vorbeischlendert.

  »Habt ihr die Möpse von der ge…?«

  Ein lautes Räuspern unterbricht Lincs geschmacklose Bemerkung. Wir alle schauen auf und stellen fest, dass unser Kellner eingetroffen ist.

  »Was kann ich Ihnen bringen?«, fragt er ausdruckslos und sieht dabei so aus, als wäre er lieber an jedem anderen Ort des Planeten als hier, um uns zu bedienen.

  »Lasst uns eine Flasche köpfen, ja?«, schlägt Linc mit hoffnungsvollem Blick vor.

 

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