Faded Duet 2 - Faded - Wenn alles stillsteht
Page 18
Immer noch kein Ryder.
Ich spiele meine Rolle mit Leichtigkeit, da ich viel Übung darin habe, meine Schutzwälle aufrechtzuerhalten. Aber die ganze Zeit über ruft mein Herz in meiner Brust nach dem unverzichtbaren Teil, der in unserer Wildwood-Gleichung fehlt.
Wo bist du?
Wo bist du?
Wo bist du?
Was er mit seiner Zeit anfängt, wenn wir nicht zusammen auf der Bühne stehen, geht mich nichts mehr an. Tatsächlich war das eine meiner ersten Bedingungen, als ich einwilligte, mit auf diese Tournee zu kommen: getrennte Unterbringungen, damit ich ihn auf Abstand halten kann.
Ich frage mich, warum das aufgehört hat, eine unabdingbare Notwendigkeit zu sein. Ich frage mich, wann ich angefangen habe, mich nach seiner Anwesenheit zu sehnen, statt ihm aus dem Weg zu gehen. Und ich bin nicht in der Lage, die Tränen zurückzuhalten, die mir in die Augen treten, als ich endlich allein bin und meine Schluchzer mit einem Badezimmerhandtuch dämpfe, um Carly nicht aufzuwecken, die nebenan schläft.
Es tut mir leid.
Es tut mir leid.
Es tut mir leid.
Ich wünschte, du hättest mich das sagen lassen.
Am nächsten Tag haben wir unseren ersten Soundcheck am Veranstaltungsort – einem riesigen Amphitheater, das zu unserem Hotel gehört. Ich stehe am Mikro und beobachte, wie die Mitarbeiter jeden Bolzen im Laufsteg überprüfen und sicherstellen, dass sich die Plattform richtig dreht und ohne Probleme nach unten gefahren werden kann. Ehrlich gesagt bin ich ziemlich beeindruckt, dass sie einen so großen Teil unserer Bühne in so kurzer Zeit aufgebaut haben. Wenn sie in diesem Tempo weitermachen, werden sie so schnell fertig sein, dass uns vor dem Konzert morgen Abend noch jede Menge Zeit bleibt.
Diese Arena bietet Sitzplätze für knapp zwanzigtausend Personen und ist damit deutlich kleiner als das Rose Bowl. Trotzdem werde ich ein wenig nervös, wenn ich auf all die leeren Sitze hinausschaue. Wenn ich ehrlich bin, könnte diese Nervosität allerdings eher damit zu tun haben, dass ich Ryder beim Auftritt sehen werde. Seit dem Zwischenfall am Pool sind mehr als vierundzwanzig Stunden vergangen, und meine Unruhe treibt mich fast in den Wahnsinn.
Wie habe ich bloß zwei Jahr überlebt, ohne zu wissen, wo er war und was er machte?
Ich kenne die Antwort auf diese Frage: Ich bin mit offenen Augen schlafgewandelt und hatte auf Autopilot geschaltet. Aber jetzt bin ich wieder hellwach, und meine Nerven und Synapsen stehen seinetwegen förmlich in Flammen. Er ist immer irgendwo in meinen Gedanken und lungert wie ein Geist in meinem Hinterkopf herum. Und so sehr ich es auch versuche, ich kann ihn nicht vertreiben
Ich werfe Aiden einen Blick zu und ziehe die Augenbrauen hoch, um auf diese Weise die Frage zu stellen, die ich nicht laut aussprechen will.
Er zuckt mit den Schultern. »Ich bin nicht sein verdammter Babysitter.«
Ein paar Minuten später hören wir, wie die Backstagetür aufschwingt. Als Ryder die Bühne betritt, schnappt sich Lincoln seine Trommelstöcke und spielt einen leisen spöttischen Trommelwirbel auf seinem Schlagzeug. Er senkt die Stimme und liefert eine perfekte Radiomoderatorimitation ab.
»Meine Damen und Herren, ich präsentiere Ihnen Mr Ryder ›Wenn du noch mal zu spät kommst, bist du für uns gestorben‹ Woods!«
Er schlägt auf die Becken, um seine Aussage zu unterstreichen.
Ich unterdrücke ein Lachen.
»Tut mir leid«, murmelt Ryder und nimmt seinen Platz am Mikro neben meinem ein. Ich werfe ihm einen Blick zu, und meine ganze Belustigung verpufft augenblicklich. Er sieht furchtbar aus – unter seinen Augen prangen dunkle Ringe, als hätte er nicht geschlafen. Auch wenn ich den Gedanken zu verdrängen versuche, kommt mir sofort in den Sinn, dass er womöglich wieder Drogen nimmt.
»Alles in Ordnung?«, ruft Aiden, der eine ähnlich nervöse Miene zur Schau stellt.
»Es geht mir gut.« Ryder schraubt seinen Mikrofonständer ein paar Zentimeter höher. »Lasst uns einfach loslegen.«
Er schaut mich nicht an, während wir all die Licht- und Mikrofontests durchführen und diverse Male das Intro zu »Orbit« spielen, damit die Tontechniker die Lautsprecher einstellen können. Irgendwann geben sie uns das Okay, bis zum Refrain weiterzuspielen. Wir wechseln uns mit den Textzeilen ab und sind perfekt aufeinander eingestimmt.
»Now we’re dancing in circles«, singt Ryder mit seiner rauen Stimme. »Trapped in this orbit …«
»No use fighting fate«, übernehme ich. »Consider this my forfeit.«
Unsere Stimmen verschmelzen miteinander und wechseln sich ab wie in einem Tanz.
»You’re the break in my voice, the corner of my mind …«
»I’m the tear in your eye, the love you left behind …«
Wie passend, dass ich plötzlich selbst Tränen in den Augen habe, während ich den Text singe. Die Worte fließen unaufhaltsam aus mir heraus, während Aidens treibende Bassklänge hinter uns die perfekte Untermalung bilden.
Ryder bemerkt meinen stummen Zusammenbruch nicht, den Blick nach vorn gerichtet, während er die nächste Zeile singt. »You’re the eye of my storm, a short burst of sun …«
Die Tränen rinnen nun über meine Wangen und sammeln sich in meinen Mundwinkeln. Ich versuche, meinen Part zu singen, aber die Worte bleiben mir im Hals stecken, und der Text klingt elendig, als er über meine Lippen kommt.
»If I thought you’d listen …« Meine Stimme bricht ganz furchtbar. »I’d tell you to run.«
Das Schluchzen bricht unkontrollierbar aus mir heraus – ein privater Laut, der an die Öffentlichkeit dringt, als mein Mikrofon ihn durch die Arena hallen lässt.
Lincs Schlagzeug verstummt.
Aidens Finger erstarren.
Ryder dreht den Kopf in meine Richtung, aber ich wende mich ab, bevor sich unsere Augen treffen können. Stattdessen findet mein geröteter Blick Aidens schockierte Miene.
»Tut mir leid«, flüstere ich und wische mir die Tränen mit dem Glockenärmel meines Sommerkleids weg. »Ich bin nur … Gebt mir eine Minute. Okay?«
Er nickt ernst.
Ohne ein weiteres Wort verlasse ich die Bühne. Ich habe fast die Tür zum Backstagebereich erreicht, als ich Schritte höre. Gleich darauf folgt ein Geräusch, das unverkennbar nach einem Raufen klingt.
Ich erstarre mit der Hand an der Klinke.
»Geh mir aus dem Weg.« Ryder.
»Gib ihr eine Minute.« Linc. »Siehst du nicht, dass sie aufgewühlt ist?«
»Entweder du bewegst dich jetzt freiwillig oder ich werde dich dazu zwingen, Travers.«
»Ist das eine Drohung, Woods?«
»Ein verdammtes Versprechen.«
»Ihr verhaltet euch beide wie Idioten.« Aiden. »Gib ihr ein wenig Zeit, Ry. Damit sie sich sammeln kann. Sie war …« Er räuspert sich. »Ich habe sie noch nie so gesehen. Ich habe sie noch nie weinen sehen, selbst nach dem Zwischenfall mit ihrer Mutter letztens nicht.«
Ich will nicht mehr zuhören. Ich will nicht mehr hören, wie sie über das Spektakel reden, das ich gerade veranstaltet habe. Ich drücke die Tür auf, gehe in den Flur hinaus und auf die leeren Garderobenräume zu. Morgen wird hier die totale Hektik herrschen, aber im Augenblick ist es vollkommen ruhig, während ich mich in eine Abstellkammer schleiche, in mich zusammensacke und mich so klein mache, wie es nur eben geht. Ich kauere mich zusammen und presse die Wirbelsäule gegen ein Regal voller Kabel und diverser Tontechnikausrüstung.
Ich presse meine Handkanten gegen meine Augen und hoffe, dass ich so den Fluss der dummen Tränen stoppen kann, die über meine Wangen rollen. Aber sie scheinen nicht versiegen zu wollen, selbst nachdem ich fünf Minuten lang Atemübungen gemacht habe.
Das ist so viel schwerer, als ich gedacht hätte. Ich habe das Gefühl, jeden Tag ein wenig mehr den Verstand zu verlieren. Meine Seele schält sich, während ich mich zwinge, meine scharfen Kanten in eine perfekte runde Form zu pressen, die mir Route 66 zur Verfügung gestellt hat.
Lächle. Verbeuge dic
h. Posiere.
Verhalte dich so, als würdest du ihn lieben.
Verhalte dich so, als würde es dir nicht schwerfallen, ihn zu lieben.
Ich will aus dieser Tournee aussteigen und nie wieder zurückschauen, bevor ich mich vollkommen verliere. Ich will nach Hause. Aber das kann ich nicht – ich habe kein Zuhause.
Nur ein leeres Häuschen am Rande der Zivilisation.
Nur ein leeres Stück Land, auf dem einst eine Villa stand.
Aber ich habe kein Zuhause. Nicht mehr.
Weil ich zugelassen habe, dass mein Zuhause kein Ort, sondern ein Mann ist. Und nun, da diese Liebe nicht mehr besteht, treibe ich ziellos umher wie eine wandelnde Heimatlose, die keinen Ort hat, an den sie gehen kann, um sich auszuruhen.
Das Klopfen ist so leise, dass ich es beinahe nicht gehört hätte. Er wartet nicht auf eine Aufforderung einzutreten – er kennt mich gut genug, um zu wissen, dass ich keine aussprechen werde. Die Tür öffnet sich und lässt Licht herein, als er über die Schwelle tritt. Er setzt sich ein paar Schritte von mir entfernt auf den Boden. Ich hocke nach wie vor zusammengekauert da, habe die Knie an meine Brust gezogen und meine Stirn auf die Kniescheiben gelegt. Er tritt die Tür mit dem Fuß zu, sodass uns erneut Dunkelheit umfängt.
»Hey.«
Es ist das erste Wort, das ich seit einer Ewigkeit von ihm höre. Es flackert über meine Haut wie ein Stromschlag.
»Hey«, flüstere ich elendig. »Gib mir einfach eine Sekunde, ich komme gleich wieder zurück …«
»Das brauchst du nicht. Ich habe Linc und Aiden gesagt, dass sie gehen sollen. Wir sind für heute fertig.«
Ich behalte den Kopf zwischen meinen Armen vergraben. »Aber der Soundcheck …«
»Wir werden morgen früh wieder herkommen und dafür sorgen, dass alles bereit für den Auftritt ist. Das ist keine große Sache, Felicity.«
Er ist so nett zu mir, dass ich am liebsten schon wieder losheulen würde.
»Also, willst du mir erzählen, was eben mit dir los war?« Er zögert kurz. »Ich weiß, dass die Situation zwischen uns nicht ideal ist …«
Meine Stimme ist zaghaft. »Es ist nicht nur das.«
»Okay. Was dann?«
»Ich glaube nicht, dass ich dir das erzählen kann.«
»Warum nicht?«
»Wir reden in letzter Zeit kaum noch über belanglose Dinge, von Geheimnissen ganz zu schweigen.«
»Ich verstehe.« Er seufzt, als würde das Gewicht der ganzen Welt auf seinen Schultern lasten. »Aber, Felicity … Bevor wir ein Paar wurden, waren wir Freunde. Früher haben wir uns alles erzählt.«
»Ich weiß«, flüstere ich am Boden zerstört.
»Wenn du einen Freund brauchst …« Er schluckt hörbar. »Wenn du jemanden zum Reden brauchst, jemanden, der dich nicht verurteilt oder drängt oder dir vorschreibt, was du tun sollst … einfach nur jemanden, der zuhört … dann kann ich diese Aufgabe für dich übernehmen. Ich kann das für dich sein.«
Ich halte inne. »Ein Freund?«
»Ein Freund.« Er holt tief Luft. »Rede mit mir, Felicity. Erzähl mir, was dich so bedrückt.«
Die Dunkelheit schwillt vor unausgesprochenen Empfindungen. Ich verdränge sie, spüre aber, wie sie auf meiner Haut verweilen wie Spinnweben, lange nachdem sie aus der Luft verschwunden sind, während ich nach den richtigen Worten suche.
»Ich fühle mich so verloren, Ryder«, flüstere ich schließlich. »Ich habe das Gefühl, als wüsste ich nicht einmal mehr, wer ich bin. Ich versuche so sehr, all diese einzelnen Teile zusammenzuhalten, um die Felicity Wilde zu sein, die die Welt sehen will … und trotzdem habe ich das Gefühl, dass ich ständig alle enttäusche. Die Plattenfirma, die Band, die Fans …«
Dich.
»Das ist doch Unsinn«, murmelt er. »Die Plattenfirma verdient mit dieser Tournee so viel Geld, dass sie dir vor ihrem Büro ein Denkmal errichten wird. Und was Linc und Aiden angeht, die sind nicht gerade gefühlsduselige Typen, aber sie würden beide ihr Leben für dich riskieren, wenn es notwendig wäre. Und die Fans vergöttern dich. Sie kommen scharenweise, um ein Autogramm von dir zu erhalten, und stehen stundenlang an, um ein Selfie mit dir zu machen.«
»Carly hat mir gezeigt, was sie online schreiben.« Ich schaue ruckartig auf. Meine Augen haben sich langsam an die Dunkelheit gewöhnt, sodass ich mehr Einzelheiten erkenne. »Dass ich der Grund bin, warum du damals die Kontrolle verloren hast. Dass mein Weggang der Grund für deinen Absturz war.« Eine weitere Träne rollt über meine Wange, während ich mich an seine Worte vor unserem ersten Konzert erinnere.
Du hast mich verlassen.
Du hast mir das Herz aus der Brust gerissen.
Ich hatte keine Ahnung, ob du lebst oder tot bist.
Das ist das Schlimmste an all diesen #FelicityIstEinMiststück-Kommentaren. Die Angst, dass sie letztendlich zutreffen könnten.
Ryder fährt mit einer Hand über seine Bartstoppeln – eine alte nervöse Angewohnheit. »Du darfst nicht auf Internet-Trolle hören, Baby. Sie würden sich zu allem hinreißen lassen, nur um ein kleines bisschen mehr Aufmerksamkeit zu erhalten.«
»Das ist mir schon klar. Aber der Gedanke, dass mich vollkommen fremde Menschen hassen, wenn mich eh schon so viele Menschen in meinem persönlichen Umfeld hassen …«
Seine Miene verfinstert sich vor Wut. »Wovon redest du?«
»Als meine Oma starb …« Meine Stimme bricht, da ich über den Verlust immer noch nicht hinweg bin. »Sie hinterließ mir alles. Jeden Cent. All ihre Gitarren. Ihr Grundstück außerhalb von Nashville. Alles. Das hat den Rest meiner Verwandten ziemlich verärgert. Von meinen Eltern habe ich nichts anderes erwartet … Aber Omas Anwalt erzählte mir, dass er Gegenforderungen von allen erhalten habe. Von meiner Cousine Devyn, von meiner Tante Kim … Von Verwandten, von denen ich nicht einmal wusste. Sie alle kommen mit Fackeln und Mistgabeln und Anwälten bewaffnet aus dem Unterholz gekrochen, um Omas Testament anzufechten. Sie behaupten, dass ich sie dazu missbraucht hätte, um mir Millionen von Dollar zu erschleichen.«
»Felicity, diese Leute verdienen es nicht, als Familie bezeichnet zu werden«, knurrt Ryder. »Deine Tante hat dich nie beschützt. Sie hat sich nie vor dich gestellt, um deinen Eltern Einhalt zu gebieten, oder auch nur einen Finger gerührt, um dich zu verteidigen, es sei denn, es diente ihren eigenen Zwecken. Wenn sie das Testament anfechten wollen, dann lass es sie ruhig versuchen.« Er beugt sich ein wenig näher zu mir hin. »Deine Mutter lag völlig falsch. Ich habe deine Großmutter kennengelernt. Ich habe euch beide zusammen erlebt, und das, nachdem sie die meisten ihrer Erinnerungen verloren hatte. Diese Frau liebte dich mehr als alles andere auf der Welt. Sie wollte, dass du ihr Vermögen erbst. Nicht ihre Tochter. Du. Jeder halbwegs vernünftige Richter wird das erkennen und bei einer Verhandlung zu deinen Gunsten entscheiden.«
»Es geht nicht um das Geld«, flüstere ich. »Darum ging es nie. Nicht für mich.«
»Das weiß ich – und sie wusste das auch. Deswegen hat sie es dir hinterlassen.«
»Ich kann immer noch nicht glauben, dass sie nicht mehr da ist. Ich habe das Gefühl, dass ich nach dem vergangenen Jahr immer noch wie gelähmt bin. Ich hatte gerade erst wieder angefangen, ein wenig durchzuatmen, und jetzt …«
Ich weiß nicht, wie viele Verluste ich noch verkraften kann, bis ich zusammenbreche.
Eine vorsichtige Pause entsteht. Dann fragt Ryder: »Nach dem vergangenen Jahr?«
Ich atme scharf ein. Mir war nicht klar, dass ich diese Worte laut ausgesprochen hatte.
»Dich belastet noch etwas anders, Baby. Ich kann es klar und deutlich in deinen Augen sehen und … Ich habe einfach das Gefühl, dass du dich leichter fühlen würdest, wenn du es dir von der Seele redest.«
Er wartet geduldig und merkt, wie ich um Fassung ringe. Ich kämpfe mit den Worten und versuche, sie aus meiner Kehle zu befördern, wo sie dauerhaft festzuklemmen scheinen.
»Vergangenes Jahr …« Ich verstumme zitternd und fange noch mal von vorn an. »Vergangenes Jahr
…«
Doch so sehr ich es auch versuche, ich kann die Worte nicht aussprechen. Ich bin noch nie in der Lage gewesen, sie irgendjemandem gegenüber laut zuzugeben. Ich konnte nie über das Grab reden, an dem ich Monate vor Omas Beerdigung weinte.
Eine weitere abtrünnige Träne rollt über meine Wange. Ryder streckt eine Hand aus – offenbar ohne wirklich darüber nachzudenken – und wischt sie fort. Wir beide erstarren, als er mich berührt. Die winzige Perle aus Trauer bebt in der Luft zwischen uns auf seiner Fingerspitze. Ich beobachte sie eine Sekunde lang wie gebannt und frage mich, in welche Richtung sie rollen wird.
Das Endergebnis wird auf jeden Fall das gleiche sein.
Platsch.
Die Träne fällt zu Boden, und einen Herzschlag später werfe ich mich gegen seine Brust. Der Aufprall presst ihm die Luft aus der Lunge, doch er erholt sich fast augenblicklich. Er legt die Arme um mich – stark und sicher und warm –, während ich meinen Kopf an seine Halsbeuge schmiege und die Hände um seine Taille schlinge.
Es ist keine romantische Umarmung. Es ist reiner Trost in einem Moment der Schwäche. Es ist die Kapitulation nach einem langen Kampf, der Händedruck mit dem Feind an der belagerten Frontlinie.
Trotzdem fließen meine Tränen nun schneller, und mein ganzer Körper scheint zu jubilieren.
Zuhause.
Zuhause.
Zuhause.
18. KAPITEL
Ryder
Mein Puls hämmert so laut, dass ich kaum noch klar denken kann.
Sie ist dicht an meine Brust gedrückt, und jede ihrer Kurven schmiegt sich an mich. Es ist Folter und Glückseligkeit zugleich. Ich will mir diesen Augenblick für immer bewahren – das Gefühl von Felicity in meinen Armen, ihre salzigen Tränen, die auf meine Haut tropfen, ihre schlanken Finger, die sie in den Stoff meines T-Shirts gekrallt hat –, weil ich weiß, dass er nicht von Dauer sein wird.
Himmel und Hölle in Gestalt einer Frau.
Ich presse meinen Mund auf ihr Haar, schlinge die Arme noch fester um ihren Rücken und halte sie einfach fest. Es fühlt sich an, als würden wir bereits seit Stunden in dieser düsteren staubigen Abstellkammer sitzen.