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Never Too Close

Page 5

by Moncomble, Morgane


  »Ob er wohl glaubt, da kommt Limonade raus, oder was?«

  Loan presst die Lippen zusammen, um nicht zu lachen. Leider habe ich keine Zeit, mir das Ende des Films anzuschauen, denn mein bester Freund zieht mich zurück und schließt leise die Tür.

  »Hey! Ich wollte noch zusehen!«

  Er neigt den Kopf und versucht, mich mit seinem Blick zu tadeln – leider vergeblich.

  »Das habe ich bemerkt. Aber wir sind keine Voyeure.«

  »Sprich für dich selbst.«

  »Irgendwie ist es nicht richtig. Wir sollten ihre Privatsphäre respektieren.«

  »Sagt ausgerechnet der, der als Erster zur Tür rennt!«

  Dieses Mal lächelte er offen und verdreht die Augen. Er weiß, dass ich recht habe. Jedes Mal, wenn Zoé mit irgendeinem fremden Kerl nach Hause kommt, ist es wie ein Reflex. Wir wollen beide wissen, was für einen Fisch sie sich diesmal geangelt hat.

  »Hättest du etwa gern, dass dir jemand zusieht?«, startet er einen Gegenangriff und schlägt die Decke zurück.

  Ich hebe eine Augenbraue, um ihn zum Lachen zu bringen.

  »Wer weiß. Stört dich das?«

  Er wirft mir einen düsteren Blick zu, den ich hoheitsvoll ignoriere. Ich kuschle mich unter die Bettdecke. Er zieht seine Jeans aus, lässt sie auf dem Boden liegen und kriecht ebenfalls ins Bett. Seine Wärme erhöht die Temperatur unter der Decke sofort. Loan hat immer warme Haut, genau wie mein Vater. Und im Gegensatz zu mir. Ich werde ständig verscheucht, weil ich eiskalte Hände habe.

  »Mach doch, was du willst.«

  Die Tür zum anderen Zimmer fällt ins Schloss, ehe er seinen Satz beendet hat. Loan macht das Licht aus und lässt seufzend den Kopf auf sein Kissen sinken. Ich mag mir nicht vorstellen, was im Zimmer gegenüber vor sich geht, aber es lässt mir keine Ruhe. Ich flüstere ins Halbdunkel:

  »Ich hoffe, sie machen keine Sachen in meinem Bett …«

  Loan antwortet nicht. Wahrscheinlich denkt er über meine Worte nach. Es sei denn, er schläft schon. Ich sage mir immer wieder, dass ich mir Zoé und Monsieur Ich-quetsche-dir-die-Brüste-als-wären-es-Zitronen auf keinen Fall bildlich vorstellen darf, aber je mehr ich mir das einschärfe, desto weniger funktioniert es.

  Mit angewiderter Miene schnelle ich hoch wie eine Feder.

  »Oh Gott, stell dir bloß vor, sie machen Sachen in meinem Bett!«

  Mir ist übel. Ich schließe die Augen, als könnte ich so das Bild aus meinem Gehirn vertreiben. Mist, es wird sogar noch schlimmer.

  »Warum sollten sie es in deinem Bett treiben, wenn Zoé ihr eigenes hat?«, beruhigt mich Loan, ohne auch nur die Augen zu öffnen.

  »Keine Ahnung. Dieses Mädchen handelt nicht immer logisch.«

  Ich höre sein ersticktes Lachen. Er zieht an meinem Pferdeschwanz, damit ich mich wieder hinlege.

  »Halt den Mund und komm her.«

  Ich lege mich auf die Seite und lasse mich von seinen warmen Armen umfassen. Mit dem Rücken schmiege ich mich an seine Brust und nehme eine seiner Hände in meine. Nun spüre ich nur noch seinen Atem in meinem Nacken. Seine Beine und Finger verschränken sich mit meinen. Loan ist in letzter Zeit irgendwie zu meinem Anker geworden. Mit ihm an meiner Seite ist alles in Ordnung. Ich fühle mich sicher. Diese Macht über mich hat er seit jener ersten Nacht im Aufzug.

  Wir erzählen einander wirklich alles, zumindest behaupten wir das gern. Was mich betrifft, gibt es einige Dinge, die zu gestehen ich noch nicht bereit bin. Über meine Familie und meine Panikattacken. Nicht, weil ich ihm nicht vertraue, sondern weil ich keinen Sinn darin sehe, die Vergangenheit aufzuwühlen. Und ich weiß, dass er es versteht, denn ich bin sicher, dass auch er mir nicht alles erzählt. Ich weiß zum Beispiel nichts über seine Familie. Manchmal habe ich den Eindruck, als wären Jason und ich die Einzigen, die ihm nahestehen. Weil ich egoistisch bin, genügt mir das die meiste Zeit. Wenn ich aber darüber nachdenke, macht es mir schwer zu schaffen.

  »Ich habe schon sechs Kreationen fertig«, flüstere ich ihm zu, ehe ich einschlafe. »Ich bereite mich auf ein Vorstellungsgespräch bei Millesia vor.«

  Lieber rede ich darüber, als ihm von meinen Treffen mit Clément zu erzählen. Loan und ich sprechen nie über unser Liebes- oder Sexleben. Es ist wie ein stummer Pakt. Wir wissen einfach, dass es so richtig ist.

  »Bestimmt zerreißt du wieder alles«, murmelt er mit schläfriger Stimme.

  Ich lächle sanft in die Dunkelheit und spüre neue Energie. Ich erinnere mich noch an seine Reaktion, als ich ihm erzählt habe, dass ich feine Dessous nähe. Ein unvergesslicher Abend …

  3

  Ein Jahr zuvor

  Loan

  Erschöpft sitze ich nach einem langen Tag in der Feuerwache auf der Couch. Ich sehe Lucie, die mit mir redet, während sie ihren Mantel anzieht, aber ich höre nichts. Vor zwei Tagen hat sie sich die Haare machen lassen und sieht mit der neuen Frisur einfach toll aus. Ihr schwarzes Haar passt perfekt zu ihren grünen Augen. Sie ist so hübsch …

  Plötzlich bleibt sie stehen und schaut mich an. Sie verschränkt die Arme und verkneift sich ein Lächeln.

  »Du hast nichts von dem mitbekommen, was ich gerade gesagt habe, oder?«

  Ich lächle automatisch und mache eine entschuldigende Geste.

  »Musst du wirklich da hin?«, frage ich sie und ziehe sie an mich. »Du könntest sagen, dass du krank bist.«

  Sie macht große Augen, aber sie lässt mich gewähren. Sanft küsse ich sie und tue mein Bestes, um sie zu überzeugen. Lucie verschränkt ihre Zunge mit meiner, ihre Hand liegt auf meiner Wange. Ich kenne diese Lippen schon so lange, dass mir ihr Geschmack vertrauter ist als alles andere …

  »Aber natürlich, Loan. Ich habe heute Abend Bereitschaftsdienst. Es geht nicht anders.«

  Seufzend lasse ich meinen Kopf auf die Rückenlehne der Couch sinken. In letzter Zeit sehen wir uns immer seltener. Entweder habe ich Dienst in der Feuerwache oder sie hat Dienst im Krankenhaus. Lucie ist seit Kurzem Krankenschwester. Jason nennt uns »das barmherzige Samariterpaar«.

  »Ach übrigens, warum haben wir drei Päckchen Mehl im Schrank?«

  Scheiße.

  Ich hebe so hastig den Kopf, dass ich schuldbewusst wirke. Sofort habe ich mich wieder unter Kontrolle. Meine Reaktion irritiert mich selbst, schließlich habe ich mir nichts vorzuwerfen. Ich wollte nur Mehl im Haus haben, für den Fall, dass sie mich danach fragt.

  »Ich habe letzte Woche welches gekauft.«

  Lucie hört mir nur zerstreut zu. Sie konzentriert sich auf ihr Telefon. Endlich blickt sie auf und lächelt mich an.

  »Gut, ich bin dann weg. Bis morgen.«

  »Bis morgen. Ich liebe dich.«

  »Ich dich auch.«

  Als ihre Hand den Türgriff berührt, klingelt jemand. Sie blickt mich an, ich blicke sie an. Jason kann es nicht sein, denn er und Lucie können sich nicht ausstehen – sie hält ihn für pervers, während er sie prüde findet.

  Meine Freundin öffnet die Tür, und das Erste, was ich sehe, sind bernsteinfarbene, hell gesprenkelte Augen. Mehr brauche ich nicht, ich erkenne sie sofort. Ich stehe auf, um zu den beiden Frauen zu gehen, während Violette heftig errötet.

  »Guten Abend.«

  »Guten Abend«, antwortet Lucie. »Kann ich Ihnen helfen?«

  Violette verzieht das Gesicht und entschuldigt sich für die Unannehmlichkeit. Ich beschließe, einzugreifen.

  »Lucie, das ist Violette, unsere neue Nachbarin. Violette, das ist meine Freundin Lucie.«

  Sie reichen sich die Hand. Lucie lächelt höflich wie immer. Sie ist grundsätzlich nett zu allen. Leider sogar zu Menschen, die es nicht verdienen. Das ist ein Streitpunkt, über den wir uns wohl nie einigen werden.

  »Also ich muss jetzt zur Arbeit«, erklärt Lucie.

  Sie wünscht uns einen schönen Abend und zwinkert mir zu, ehe sie den Aufzug betritt. Ich lege meine Hand an die geöffnete Tür und konzentriere mich auf Violette. Sie trägt einen dicken, beigen Pulli
mit langen Ärmeln und einem riesigen Rollkragen. Er steht ihr gut, aber mir wollen die grünen Paillettenshorts einfach nicht aus dem Sinn. Männer sind doof.

  »Ich hab mich kaum getraut zu klingeln …«

  Ich runzle die Stirn und sehe, wie sie an ihren Ärmeln herumfummelt. Abgesehen von ihren erstaunlichen Augen sind es vor allem ihre Sommersprossen, die mich durcheinanderbringen. Sie sind nämlich nur über die Hälfte ihres Gesichts verteilt und hören an ihrer zierlichen Nasenspitze auf. Als hätte der liebe Gott während des Bestreuens plötzlich innegehalten. Es ist seltsam, aber es gefällt mir sehr.

  Es spiegelt perfekt wider, wie sie ist. Ungewöhnlich.

  »Mein Vater kommt mich morgen besuchen und ich wollte ihm einen Ananaskuchen backen. Das ist sein Lieblingskuchen.«

  Mir ist nach lächeln, aber ich verdränge es. Natürlich weiß ich sofort, was sie braucht. Mein Wunsch zu lächeln liegt auch daran, dass ich habe, was sie braucht. Ein Teil von mir, ein sehr, sehr verborgener Teil, ist froh, dass ich einkaufen war.

  Der Blick ihrer großen Augen ruht auf mir.

  »Ich brauche Mehl. Vielleicht kannst du mir aus der Patsche helfen.«

  »Warte, ich glaube, wir haben welches im Haus.«

  Was bin ich bloß für ein Idiot. »Ich glaube, wir haben welches«; ich hasse mich dafür, so was gesagt zu haben. Ich gehe in die Küche, öffne die entsprechende Schublade und hole eines der Päckchen heraus.

  »Bitte sehr.«

  »Oh, großartig!«, ruft sie und nimmt es entgegen. Ein fröhliches Lächeln legt sich auf ihre granatfarbenen Lippen. »Danke, Loan.«

  Etwas gezwungen erwidere ich ihr Lächeln. Sie sieht anders aus als in dieser Nacht im Aufzug. Sie ist ruhiger. Sie redet auch weniger. Seltsamerweise bin ich etwas enttäuscht.

  Aber plötzlich, als hätte sie meine Gedanken gelesen, wird sie wieder zur Violette des ersten Abends und zieht alle Register. Mit den Händen in den Taschen lausche ich ihr lächelnd. Es dauert gut drei Minuten, bis sie aufhört zu reden und ihren leicht geöffneten Lippen die letzten Worte entfliehen. Am liebsten würde ich diese Worte einfangen, damit sie sich nicht zurückhält.

  Sie verdreht die Augen.

  »Ich habe es wieder getan, oder?«

  »Was meinst du?«

  »Meine Lebensgeschichte erzählt.«

  »Willst du eine ehrliche Antwort?«

  »Wenn’s geht.«

  »Ja.«

  Irgendwie finde ich es total lustig. Sie beißt sich auf die Lippe und rümpft die Nase wie ein Kind.

  »Tut mir leid. Es ist nicht leicht, jeden Tag skurril zu sein.«

  Ich denke nur wenige Sekunden nach, ehe ich eine Entscheidung treffe.

  »Weißt du was, ich habe heute Abend nichts vor. Ich könnte dir helfen, Kisten auszupacken, während du deinen Kuchen backst. Du entscheidest.«

  Überrascht reißt sie die Augen auf. Ich hoffe inständig, dass sie annimmt. Ein bisschen Gesellschaft würde mir nicht schaden.

  »Warum nicht! Ich brauche starke Muskeln.«

  Perfekt. Ich schnappe mir die Schlüssel, trete hinaus in den Flur und lasse die Tür hinter mir ins Schloss fallen. Violette steht reglos da und drückt das Päckchen Mehl an ihr Herz. Nach längerem Schweigen kann ich nicht anders, als sie ein bisschen zu ärgern.

  »Gehen wir jetzt zu dir oder machen wir eine Pyjamaparty hier draußen auf dem Flur?«

  Sobald man Violettes Wohnung betritt, steht man schon im Wohnzimmer, das nur durch einen Tresen von der Küche getrennt ist. Auf dem Tresen thront ein Obstkorb, der Kühlschrank ist mit Fotos und Listen aller Art beklebt. Bei der Vorstellung, dass dieses Mädchen sich nichts merken kann, muss ich grinsen. Warum überrascht mich das nicht?

  »Willkommen in meiner Wohnung.«

  Alle Wände sind weiß, bis auf eine, die tatsächlich schwarz gestrichen wurde. Ich entdecke haufenweise herumliegende Klamotten; ein Kleid auf dem cremefarbenen Sofa, einen einsamen Stiefel unter dem Couchtisch und eine zusammengerollte Hose auf dem plüschigen Teppich.

  Violette folgt meinem Blick durch den Raum.

  »Ich habe heute nicht mit Besuch gerechnet«, sagt sie entschuldigend.

  Sie und ich sind definitiv sehr verschieden. Ich bin ein eher ordentlicher Mensch. Nicht übertrieben, aber sagen wir mal, ich mag es, wenn alles an seinem Platz ist. Seit ich klein war, musste ich lernen, alle Aspekte meines Lebens zu kontrollieren und keinen Raum für Überraschungen zu lassen. Violette hingegen … nun, ich würde sagen, sie ist der Inbegriff von Unberechenbarkeit.

  Sie verschwindet im Flur, um Sachen wegzuräumen, und ich nutze die Gelegenheit und sehe mir ihren Kühlschrank genauer an. Ich erkenne sie auf den meisten Bildern, obwohl sie da noch jünger ist. Sie posiert mit Fremden, meistens Mädchen. Auf anderen ist sie mit einem Mann mittleren Alters zusammen, wahrscheinlich ihrem Vater. Sie sieht ihm sehr ähnlich.

  Allerdings hat ihr Vater sehr dunkle Augen. Ich frage mich, ob sie ihre außergewöhnlichen Augen von ihrer Mutter geerbt hat oder ob sie einzigartig sind. Aber ich kann es nicht herausfinden, weil es kein einziges Bild von ihr mit ihrer Mutter gibt. Auf jedem Foto zeigt sie dieses verdammt ansteckende Lächeln. Ein Lächeln, das einen ganzen Raum mit Licht flutet und einen alle Sorgen vergessen lässt.

  »Magst du was trinken?«, fragt sie mich, als sie wiederkommt.

  »Nein danke, geht schon.«

  Sie zuckt die Schultern und schenkt sich ein Glas Orangensaft ein. Mir fällt auf, dass sie die Schuhe ausgezogen hat und mit nackten Füßen herumläuft.

  »Lucie wirkt sehr nett.«

  Ich blicke sie an und fühle mich beruhigt – wie jedes Mal, wenn ich Lucies Namen höre. Lucie ist viel mehr als nur sympathisch. Sie ist fantastisch.

  »Das ist sie.«

  »Seid ihr schon lang zusammen?«

  »Fast fünf Jahre. Wir kennen uns seit der Schulzeit.«

  Sie pfeift. Vermutlich bewundernd. Es stimmt, fünf Jahre sind schon eine Menge. Heute kann ich mir mein tägliches Leben ohne Lucie nicht mehr vorstellen. Sie ist mein tägliches Leben.

  »Wow … Und demnächst kommen Kinder und das Häuschen im Grünen?«, scherzt Violette.

  Ich lächle angespannt.

  »Lucie hasst das Landleben und ich will keine Kinder, also nein.«

  Sie scheint etwas enttäuscht zu sein, auch wenn sie alles tut, um es zu verbergen.

  »Magst du keine Kinder?«

  »Oh doch, im Gegenteil … Aber ich habe meine Gründe. Geht es um diese Kartons hier?«, frage ich, um das Thema zu wechseln. Ich zeige auf mehrere Kisten, die in der Nähe des Fernsehers aufgestapelt sind.

  »Ja.«

  Ich stelle sie zunächst einzeln nebeneinander. Kaum habe ich den ersten Karton geöffnet, als mir etwas zwischen den Beinen hindurchhuscht. Verblüfft blicke ich hinunter und entdecke eine Kugel aus weißem Pelz. Im ersten Reflex trete ich einen Schritt zurück und zerquetsche die Kugel dabei fast. Violette rettet sie und nimmt das Tier auf den Arm. Ich hebe eine Augenbraue.

  »Ich glaube, ich habe dir schon von Mistinguette erzählt.«

  »Die berühmte«, sage ich nickend und betrachte das Tierchen aus der Nähe.

  Das Kaninchen ist vollkommen weiß, abgesehen von der kleinen rosa Nase und den hellblauen Augen. Ich strecke eine Hand aus, um es zu streicheln, während es in Violettes Armen herumzappelt. Als ich ihm den Finger hinhalte, um es zu besänftigen, beißt es mich.

  Mit einer Grimasse ziehe ich die Hand zurück und reibe sie amüsiert an meiner Jeans.

  »Ich habe den Verdacht, dass sie und ich keine guten Freunde werden.«

  »Siehst du! Sie riecht den Serienmörder zehn Kilometer gegen den Wind.«

  Ich lächle und verdrehe die Augen, ehe ich mich wieder meiner Aufgabe widme. Ich beginne damit, alle Kisten zu öffnen, während Violette in der Küche herumhantiert. Währenddessen unterhalten wir uns. Ich erkläre ihr, dass Lucie oft nachts arbeitet und ich zu Hause bleibe und m
ir Serien anschaue. Wir entdecken eine gemeinsame Begeisterung für Game of Thrones und Outlander. Natürlich überlege ich, ob es jemanden in ihrem Leben gibt.

  Eine Stunde später wage ich es, ihr die Frage zu stellen.

  »Hast du keinen Freund?«

  Sie runzelt die Stirn, ohne mich anzusehen. Okay, vielleicht bin ich zu schnell vorgeprescht.

  »Wozu brauche ich einen Freund, wenn ich Mistinguette habe?«

  »Gute Frage. Zum Kuscheln unter der Bettdecke vielleicht?«

  »Mistinguette kuschelt mit mir im Bett«, entgegnet sie empört.

  »Nicht diese Art von Kuscheln. Zumindest hoffe ich das für dich«, ärgere ich sie.

  Ich spüre, wie sie erstarrt, und frage mich, ob ich zu weit gegangen bin.

  »Mach dir keine Sorgen um mich, Loan. In dieser Hinsicht habe ich alles, was ich brauche«, sagt sie mit fester Stimme, die keinen Raum für Widerspruch lässt.

  Ah. Okay. Verwirrt entscheide ich mich, nichts darauf zu antworten und mit dem Aufbau der Regale zu beginnen. Schon bald fällt ihr ein neues Gesprächsthema ein, worüber ich sehr froh bin.

  Es ist überraschend einfach, mit ihr zu reden. Violette gehört zu jenen großherzigen Menschen, die einen gleich mit offenen Armen empfangen und niemals mehr loslassen. Solche Leute sind gefährlich, weil sie einen, ohne es zu wollen, unter ihrer Kontrolle behalten. Und das Schlimmste dabei ist, dass man es genießt.

  Ich frage sie nach ihrem Modestudium. Während sie ihren Kuchen in den Ofen schiebt, offenbart sie mir, dass sie Karriere im Bereich Damenunterwäsche machen will. Moment! Was? Habe ich richtig gehört? Angesichts der Wirkung, die ihre Eröffnung auf mich hat, vermutlich schon.

  »Wirklich?«

  »Wirklich. Warum überrascht dich das?«

  »Ich weiß nicht.«

  Sie zwinkert mir geheimnisvoll zu, was mich zum Lächeln bringt. Ich liebe weibliche Dessous und kann nicht anders, als es sexy zu finden. Automatisch denke ich an Lucie und das, was sie unter ihrer Schwesterntracht trägt. Ich hoffe, dass ich wach werde, wenn sie nach Hause kommt …

 

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