Never Too Close

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Never Too Close Page 10

by Moncomble, Morgane


  Er kommt einen Schritt auf mich zu, wahrscheinlich um mir eine gute Nacht zu wünschen, doch im letzten Moment überlegt er es sich anders. Nur Sekunden später höre ich, wie er an der Tür stehen bleibt:

  »Violette?«

  »Ja?«

  Mein Herz schlägt wie wild. Will er, dass wir mehr Abstand halten? Will er, dass wir uns überhaupt nicht mehr sehen? Er schaut mir tief in die Augen und fragt leise:

  »Was ist mit Émilien vorgefallen?«

  Seine Frage erleichtert mich ungemein. Ich schenke ihm ein beschämtes Lächeln.

  »Ich war noch nicht bereit … und er war ungeduldig.«

  Sofort wird Loans Miene verschlossen, sein Blick verdunkelt sich und er ballt die Fäuste. Mir fällt auf, dass ich ihn noch nie wütend gesehen habe. Ich glaube auch nicht, dass er es in diesem Moment ist, denn jeder weiß, dass oberflächlich ruhige Menschen oft sehr zerstörerisch sind, wenn ihnen der Kragen platzt. Allerdings vermute ich, dass es ihm schwerfällt, sich zu beherrschen.

  Es vergeht eine Weile, ehe er zwischen den Zähnen hervorstößt:

  »Versuch zu schlafen. Ich komme morgen wieder.«

  Ich nicke, aber er wartet nicht auf meine Zustimmung, sondern dreht sich um und verschwindet.

  7

  Heute

  Violette

  Ich sollte zuhören. Ich weiß, dass ich es sollte, denn unsere Lehrerin spricht gerade über unsere Abschlussbenotung, und das ist sehr wichtig. Trotzdem spiele ich auf meinem Handy herum, ohne ihr Aufmerksamkeit zu schenken. Ich zähle darauf, dass Zoé mir später die wesentlichen Informationen weitergibt, aber als ich einen Blick schräg nach rechts werfe, sehe ich, dass sie schläft.

  Na super. Ich stoße ihr meinen Ellenbogen in die Rippen. Sie zuckt auf ihrem Stuhl zusammen.

  »Was ist?«

  »Du hast geschlafen.«

  »Ich weiß, dass ich geschlafen habe. Deshalb frage ich dich ja, warum du mich aufweckst!«

  »Ich habe mich darauf verlassen, dass du für mich aufpasst«, flüstere ich. Sie grinst und gähnt. Ich kann es ihr nicht verübeln, denn ich bin ebenfalls müde. Ich träume davon, nach Hause zu gehen und Game of Thrones zu schauen, bis ich nicht mehr denken kann.

  »Kannst du nicht selbst aufpassen?«

  »Ich unterhalte mich gerade mit Clément.«

  Wir haben uns heute den ganzen Tag geschrieben. Ich bin hin und weg von diesem Typen. Es wird ernst. Neulich waren wir abends im Freiluftkino. Einfach toll. Mein Outfit hat ihn so angemacht, dass wir den ganzen Abend rumgeknutscht haben. Auch wenn es mir peinlich ist, an den Film erinnere ich mich nicht.

  Als Zoé meine Antwort hört, wird sie plötzlich hellwach. Ein alles andere als unschuldiges Lächeln erscheint auf ihren Lippen. Mit dem Kopf in den Händen rückt sie näher.

  »Apropos Clément … Wie läuft es denn?«

  Ich runzle die Stirn, denn ich ahne, was kommt.

  »Super. Ich würde sogar sagen: mehr als super!«

  »Und hat Rotkäppchen endlich den Wolf gesehen?«

  Ich wusste es! Entnervt verdrehe ich die Augen und bedeute ihr, leiser zu sprechen. Die anderen Schüler beachten uns zwar nicht, aber ich will, dass das Gespräch an dieser Stelle endet.

  »Zoé, du treibst mich in die Enge.«

  »Wieso?«, gibt sie sich verblüfft.

  Plötzlich ist es mir peinlich. Es wäre gelogen, wenn ich behaupten würde, nicht darüber nachgedacht zu haben, seit ich Clément kenne. Ich bin schließlich kein Kind mehr. Allerdings …

  »Mit fünfzehn nimmt man sich vor, in einem Jahr mit seinem Freund zu schlafen, wenn es was Ernstes ist. Aber ich bin erwachsen. Was, wenn ich jetzt irgendwie Mist baue?«, flüstere ich kaum hörbar.

  Ich habe leise gesprochen und mich hinter den roten Haaren eines Mädchens in der dritten Reihe versteckt. Zoé tut es mir mit amüsierter Miene gleich. Sie muss mich für eine absolute Anfängerin … Schon klar. Ich bin eine Anfängerin.

  »Dabei kannst du keinen Mist bauen, Violette. Du musst dich beim ersten Mal nur hinlegen und es geschehen lassen. Die Arbeit erledigt er.«

  Tja, aber ich habe nicht wirklich Lust darauf, den toten Seestern zu spielen.

  »Mag sein. Aber du kennst mich. Wenn ich gestresst bin, endet es in einem Blutbad.«

  Sie kichert so laut, dass eine Schülerin genervt seufzt. Zoé hört es, dreht sich um und entschuldigt sich mit einem übertriebenen Lächeln. Dann wendet sie sich wieder mir zu und zischt: »Blöde Kuh!«

  »Zoé«, beharre ich. »Ein Blutbad, verstehst du?«

  »Na ja, das kann schon passieren. Vielleicht versuchst du nicht gleich in der ersten Nacht, ihm einen zu blasen. Man kann schließlich nie wissen …«

  »Zoé!«, jaule ich auf und schlage nach ihr.

  »PSSSSSST!«, kommt es von rechts.

  Meine beste Freundin prustet in ihren Ärmel. Ziemlich schnell tue ich dasselbe, weil ich das Lachen kaum noch unterdrücken kann.

  »Hör zu«, fährt Zoé schließlich fort. »Wenn du wirklich so viel Angst davor hast … mach es doch einfach mit jemand anderem. Das sage ich übrigens schon die ganze Zeit.«

  »Das Thema hatten wir doch schon, weißt du noch?«, erinnere ich sie und bin mir nicht (eigentlich ganz und gar nicht) sicher, ob ich überhaupt untreu sein möchte. »Ich kann mir nicht vorstellen, mich bei einem Typen gehen zu lassen, den ich gerade erst kennengelernt habe. Genau genommen … ich kann mir auch nicht vorstellen, mit einem Kerl zu schlafen, von dem ich weiß, dass er sich nur für meinen Körper interessiert.«

  »Deinen heißen Körper«, gibt Zoé zu bedenken und hebt einen Finger.

  Abweisend blicke ich sie an.

  »Frag einfach Ethan, er ist zurzeit solo.«

  Als ich den Namen unseres Kumpels höre, verziehe ich das Gesicht. Nein, das ist undenkbar. Ich mag ihn, aber um so etwas kann ich ihn nicht bitten. Wir stehen uns gleichzeitig nicht nah genug und doch zu nah. Hinzu kommt, dass Loan dann sicher krank vor Wut würde.

  Loan …

  Ich beiße mir auf die Lippen, als ich an die Nacht im Club zurückdenke. An unseren sinnlichen Tanz. Das wiederum erinnert mich an den Abend, an dem Loan mich versehentlich geküsst hat. Wenn ich an diesen ersten und einzigen Kuss zurückdenke, muss ich fast darüber lachen. Trotz eines leichten Unbehagens in den darauffolgenden Tagen hatten wir den kleinen Vorfall schnell vergessen.

  Eigentlich ist Zoés Idee gar nicht schlecht. Trotzdem kann ich einen Freund so etwas nicht fragen. Ehrlich gesagt habe ich nicht viele männliche Freunde. Ethan, Jason, Loan sind die einzigen. Ethan kann ich sofort streichen, denn er ist für mich wie ein Bruder. Und Sex mit dem Bruder geht gar nicht. Jason schließe ich ebenfalls aus, ohne auch nur darüber nachzudenken – ich hätte viel zu viel Angst, mir bei ihm die Syphilis zu holen.

  Was Loan angeht, so ist er eben Loan. Ich glaube kaum, dass die Frage sich stellt …

  Oder vielleicht …

  … im Gegenteil.

  Am Ende der Vorlesung folge ich Zoé zum Ausgang und versuche krampfhaft, an etwas anderes zu denken.

  Auf keinen Fall schlafe ich mit meinem besten Freund. Erstens, weil ich Clément damit untreu und das einer meiner schlimmsten Albträume wäre. Zweitens, weil ich erlebt habe, wohin es meine Eltern gebracht hat, als aus einer Freundschaft »mehr« wurde.

  Um nichts auf der Welt würde ich mich auf dieses Terrain wagen.

  Ich bin etwas nervös.

  Völlig normal, denn heute lerne ich Cléments Freunde kennen. Und so was sollte schließlich ein Meilenstein sein, oder? Clément sieht heute Abend umwerfend aus; er trägt Jeans und einen grauen Pullover mit V-Ausschnitt. Vor der Tür seines Kumpels Benjamin will er gerade klingeln, als er plötzlich innehält.

  »Du musst dir keine Sorgen machen, überhaupt keine. Sie werden dich lieben, Violette. Was sonst?«

  Ich wünschte, er hätte mich damit beruhigt, dass ihm ihre Zustimmung im schlimmsten Fall egal wäre. Stattdessen
küsst er mich. Ich werfe mich ihm in die Arme und schmiege mich an ihn. Natürlich müssen mir Zoés Worte ausgerechnet jetzt wieder in den Sinn kommen! Ich versuche, den Gedanken zu verbannen, hebe den Arm und will ihm durch die Haare streichen. Doch im letzten Moment neigt Clément den Kopf zur Seite.

  »Vorsicht, meine Frisur …«

  »Oh, entschuldige.«

  »Du siehst übrigens wunderschön aus.«

  Ich werde rot. Er klingelt. Ein Typ öffnet. Er wirkt gut gelaunt und hat die Hände voller Bierflaschen.

  »Du bist gekommen!«

  »Natürlich«, antwortet Clément und tritt ein. »Ben, das ist Violette.«

  Schüchtern folge ich ihm und lächle Benjamin zu. Er antwortet mit einem vagen Grinsen und reicht mir eine halb volle Flasche.

  »Danke.«

  Clément führt mich am Ellenbogen in ein überfülltes Wohnzimmer. Er scheint sich auszukennen, während ich mich mitziehen lasse. Auf dem Sofa im Wohnzimmer gibt es keinen Platz mehr. Es ist voll besetzt mit Typen, die sich unterhalten. Auf ihren Knien sitzen Mädchen, andere tanzen zu einem Song von Kanye West.

  Niemand beachtet uns, was mich in gewisser Weise beruhigt.

  »Komm, ich stelle dich den anderen vor.«

  Wir gehen nach hinten in die Küche, von der aus eine Tür zum Balkon führt. Zwei Mädchen und ein Typ stehen dort und rauchen. Als sie Clément sehen, heben sie zur Begrüßung ihre Flaschen.

  »Na endlich!«, ruft der Junge. Er hat rote Locken. »Wo zum Teufel hast du gesteckt?«

  »Ich musste Violette abholen«, antwortet Clément und begrüßt ihn mit Ghettofaust.

  »Wer ist Violette?«, fragt das Mädchen, als mein Freund sie auf die Wange küsst.

  »Das bin ich.«

  Unwillkürlich erstarre ich – die erste Überraschung. Es kam einfach raus. Clément lächelt und nimmt meine Hand, was mir sehr gefällt. Er hat recht, es gibt keinen Grund für Stress.

  »Violette, das sind Arnaud, Ninon und Alice.«

  Ich lächle ihnen zu und flüstere ein armseliges »Hallo«, das sie überhaupt nicht interessiert. Ninon ist groß und blond und diejenige, die gefragt hat, wer ich bin. Alice trägt einen braunen Bob und hat erstaunlich blaue Augen. Sie sind beide sehr hübsch. Wir frieren einige Minuten auf dem Balkon, während Clément und Arnaud über Männersachen reden.

  Geduldig warte ich ab, tue so, als würde ich ihnen zuhören und bemühe mich, das Getuschel von Alice und Ninon zu ignorieren. Ich weiß, dass sie über mich reden, aber ich beachte sie nicht. Es ist mir egal. Zumindest anfangs.

  Nachdem ich Clément gut zwei Stunden lang durch die Wohnung gefolgt bin und seinen Gesprächen gelauscht habe, stinkt es mir allmählich. Am meisten nerven mich die Mädchen, die vor Clément mit dem Hintern wackeln und sich zwischen ihn und mich setzen, um mit ihm zu reden. Sie schwänzeln einfach alle um ihn herum.

  »Violette?«

  Er steht vom Sofa auf und ich schaue ihn an.

  »Ich muss kurz mit Ben reden. Zwei Minuten. Ich bin gleich wieder da. Versprochen.«

  »Okay.«

  Irgendwann im Lauf des Abends nehme ich mir vor, allein mit den Leuten ins Gespräch zu kommen. Als einer der Jungs völlig dicht einen Witz über Flipperkugeln reißt (ich muss zugeben, dass ich nicht genau aufgepasst habe), entscheide ich mich, ins kalte Wasser zu springen:

  »Ich kenne auch einen! Wie beschäftigt man eine Blondine den ganzen Tag?«

  Ich warte auf ihre Antworten und blicke sie einen nach dem anderen an. Ihren blasierten Gesichtern kann ich entnehmen, dass sie nicht vorhaben, mir zu antworten. Schließlich erbarmt sich einer:

  »Keine Ahnung.«

  »Man gibt ihr ein Blatt mit der Aufschrift ›Bitte wenden‹ auf beiden Seiten«, gebe ich lächelnd zurück und bin ein wenig stolz auf mich.

  Bis auf einen Kerl mit vermutlich acht Promille im Blut lacht keiner von ihnen über meinen Witz. Ninon wirft mir einen schrägen Blick zu.

  »Oh, tut mir leid«, entschuldige ich mich sofort. »Natürlich wollte ich damit nicht sagen, dass alle Blondinen dumm sind. Ganz und gar nicht. Ich meine, es gibt dumme, wie überall, aber es gibt auch intelligente. In Wirklichkeit hat es nichts mit der Haarfarbe eines Menschen zu tun. Ich bin eigentlich nicht der Typ, der zweifelhafte Witze über solche Dinge macht, aber den hier fand ich lustig, also habe ich ihn erzählt, obwohl er ziemlich spießig ist … Und außerdem«, seufze ich, ehe ich zum Schluss komme: »Ich bin blond, also darf ich es.«

  Ich räuspere mich mit gekünsteltem Lächeln. Hätte ich mal lieber den Mund gehalten. Plötzlich erinnere ich mich an den Tag, als ich Jason kennengelernt habe. Loan und Lucie hatten sich gerade getrennt. Eines Abends kam Loan angezogen und rasiert aus seinem Zimmer, baute sich vor mir auf und fragte mit unbewegter Miene: »Kommst du mit?« Ich fragte ihn, wohin, und er sagte: »Ich möchte diesen Abend mit den Besten verbringen.« Die Besten waren Jason und ich.

  Jason verhielt sich von Anfang an ganz bezaubernd und lachte über meine Witze. Später, als ich mit Loan im Auto saß, wandte dieser sich an einer roten Ampel an mich und sagte: »Ich will am Mittwoch mit Jason und Ethan essen gehen. Jason meint, ich soll dich mitbringen. Was sagst du dazu?« Von diesem Moment an wusste ich, dass ich in die Clique aufgenommen war.

  »Entschuldigung … Wo ist die Toilette?«, frage ich den Typ neben mir.

  »Zweite Tür links.«

  Ich erhebe mich mit aller Würde, die ich noch aufbringen kann, und wage mich in den Flur. Als ich die zweite Tür öffne, finde ich ein Paar, das in der Wanne knutscht. Angewidert schließe ich die Tür. Ich habe immer so ein Glück … Das Handy in meiner Hand vibriert. Es ist eine Nachricht von Loan. Ich seufze und öffne auf der Suche nach einem ruhigen Winkel die nächste Tür.

  Wundersamerweise ist das Zimmer leer. Ich schließe die Tür und setze mich aufs Bett, um die Nachricht meines besten Freundes zu lesen. Als ich das Selfie sehe, das er von sich und Mistinguette aufgenommen hat, muss ich lachen. Loan verzieht das Gesicht zu einer unendlich traurigen Grimasse, während mein Kaninchen mit einem fast blasierten Blick den Kopf abwendet, als wolle es sagen: »Du nervst mich mit deiner Knipserei«. Die zugehörige Nachricht lautet: Hier gibt es jemanden, der dich vermisst.

  Ich: Sie scheint mich aber ganz und gar nicht zu vermissen.

  Loan: Wer behauptet denn, dass dieser Jemand Mistinguette ist?

  Ich: Oooh! Das ist aber liiieb!!!

  Loan: Okay, schon gut, hör auf.

  Ich: Ok …

  Ich: <3<3<3<3<3<3<3<3<3

  Loan: Ich vermisse dich plötzlich viel weniger.

  Als ich seine letzte Nachricht lese, muss ich wieder lachen. Ich will ihm gerade antworten, als die Tür zögernd geöffnet wird.

  »Da bist du ja«, seufzt Clément und schließt die Tür hinter sich. »Ich habe dich überall gesucht.«

  »Ja, da bin ich. Das war die eine Option, die andere wäre ein flotter Dreier in der Wanne gewesen.«

  Mein Freund hebt eine Augenbraue so unwiderstehlich, dass ich unwillkürlich lächeln muss. Schließlich setzt er sich neben mich und nimmt eine meiner Locken zwischen die Finger.

  »Entschuldige, ich habe dich ein wenig vernachlässigt … Das war nicht meine Absicht. Weißt du, ich bin wirklich froh, dass du mitgekommen bist. Ehrlich. Vor allem in diesem Kleid.«

  Mehr wollte ich gar nicht hören. Meine Wut verraucht, als er mich anlächelt. Schließlich muss er nicht den ganzen Abend an mir kleben.

  »Das hattest du mir bisher nicht gesagt«, murmle ich liebevoll.

  »Dann lass es mich wieder gutmachen.«

  Clément beugt sich über mich und greift nach meinem Gesicht, um mich zu küssen. Ich schlinge ihm die Arme um den Hals und erwidere seinen Kuss. Meine Zungenspitze streichelt seine. Er duftet nach Parfum und Zigaretten. Seine Hände wandern zu meiner Taille hinunter. Wir lassen uns auf die Kissen fallen. Mir wird plötzlich heiß. Als hätte Clément es gemerkt, schiebt er meine Haare zur Seite und dr
ückt mir seine weichen Lippen auf den Hals. Bei seiner Berührung erschaudere ich sanft und schließe die Augen. Sehr schnell wandern seine Hände unter mein Kleid. Da ich Strumpfhosen trage, begnügen sie sich damit, höher und höher zu streifen. Seine Finger berühren den Rand meines BHs und beschleunigen meinen Herzschlag.

  Plötzlich gerate ich in Panik. Ich weiß nicht, was ich mit meinen Händen, meinem Mund, meinem ganzen Körper anfangen soll. Ich lasse zu, dass er sich auf mich legt und mich auf die Schulter küsst, während ich mich frage, was hier eigentlich los ist. Mist, es wird in einer Katastrophe enden, das spüre ich.

  Als seine Hand schließlich unter meine Strumpfhose gleitet, ist der Moment gekommen – ich stoße ihn von mir. Wenn ich mich dabei nicht wohlfühle, braucht er gar nicht erst weiterzumachen.

  »Bitte noch nicht.«

  Die Hände auf den Knien landet Clément auf den Fersen. Er schaute mir ein paar Sekunden in die Augen, ehe er blass wird. Mein Herz hämmert, weil ich ahne, was er sagen wird. Und schon ist es so weit.

  »Vio … Bist du etwa … noch Jungfrau?«

  Ich weiß nicht warum, aber meine erste Reaktion ist, es zu leugnen.

  »Nein!«

  Warum sage ich Nein? Doch, ich bin noch Jungfrau. Na und? Ich hatte nie ein Problem damit. Klar, außer als ich einen Typen kennengelernt habe, der mit mir Schluss gemacht hat, weil ich noch nicht bereit war, und wenn mein derzeitiger Freund bei dem Gedanken, dass ich noch Jungfrau bin, kreidebleich wird … Irgendwann beginnt man zu zweifeln. Sichtlich erleichtert fährt sich Clément mit der Hand übers Gesicht.

  »Nicht, dass es mich gestört hätte, ich bin schließlich kein Arschloch«, meint er ernst. »Aber … es ist eine ziemliche Verantwortung und ich weiß nicht, ob ich der gewachsen wäre. Tut mir leid.«

  »Verstehe«, flüstere ich wie ein Roboter. Ich bin immer noch fassungslos.

  Natürlich verstehe ich nicht. Ehrlich gesagt verstehe ich nichts von dem, was vor meinen Augen abläuft. Ich schäme mich … schäme mich dafür, noch Jungfrau zu sein. Es ist tatsächlich das erste Mal in meinem Leben, dass mir das passiert. Ich erinnere mich an den Tag, an dem meine Freunde erfuhren, dass ich noch nie Sex hatte. Selbst Jason hat mir nach diesem Geständnis einen Heiratsantrag gemacht. Ausgerechnet Jason! Der Penis auf Beinen!

 

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