Wir sind der Sturm

Home > Other > Wir sind der Sturm > Page 25
Wir sind der Sturm Page 25

by Bichon, Sophie


  Mels Mund zog sich in die Breite. »Oh, das ist eine richtig süße Idee. Die beiden werden sich riesig freuen!«

  Lächelnd schlug sie vor, mir zu helfen, zumindest virtuell. Wir gingen zusammen die Fotos durch, Bild für Bild, und zu manchen erzählte ich die passende Geschichte. Eine Stunde später knotete ich die letzte Schnur mit Fotos an den Ästen fest und hing das Mobile schließlich an mein Bücherregal. Auf dem Weg zurück zum Bett stolperte ich fast über die Lichterketten, die vor ein paar Tagen von der Zimmerdecke gefallen waren und jetzt als wirrer Knoten neben der Kommode lagen. Ich seufzte. Ich vermisste meine Ersatzsterne, meinen eigenen Himmel, der nur mir allein gehörte und mich besser einschlafen ließ.

  »Und du möchtest mir nicht einmal einen klitzekleinen Hinweis geben, was mich am Samstag erwarten wird?!«, bettelte Mel, als ich wieder vor dem Laptop saß. Selbst auf dem Bildschirm wirkten ihre blaugrauen Augen in diesem Moment riesig, und ich war für den Bruchteil einer Sekunde versucht nachzugeben. Je näher Mels Junggesellinnenabschied rückte, desto häufiger versuchte sie, irgendetwas aus mir herauszubekommen. Was das anging, war sie fast so neugierig wie Trish, wenn nicht schlimmer. Zusammen mit Trish hatte ich den Abend geplant, weil niemand so gut darin war wie sie.

  Entschlossen schüttelte ich den Kopf, meine Locken ein Wirbeln in der Luft. »Vergiss es, Mel! Alles, was du wissen musst, ist, dass Talida dich um sechs abholen und für ein paar Stunden entführen wird, bis es losgeht.«

  Talida und Mel hatten sich am College kennengelernt, hatten dort sogar zusammen gewohnt und sich am Anfang nicht ausstehen können, weil sie auf denselben Kerl gestanden hatten. Inzwischen jedoch war sie ihre beste Freundin.

  Bei dem Gedanken an das, was Trish und ich in ruhigen Minuten während unserer Schichten im Firefly und an einigen Abenden hier in der WG geplant hatten, musste ich unwillkürlich grinsen. Bei der Erinnerung an die Stunden, die wir auf Pinterest gestöbert hatten.

  »Glaub mir, es wird dir gefallen.«

  »Wird Aiden sich ausziehen?«, fragte Mel mit einem unschuldigen Lächeln und beugte sich ein Stück näher an ihren Laptop heran .

  Ich verdrehte die Augen. »Kein Kommentar!«

  »Das ist kein eindeutiges Nein«, merkte sie zufrieden an.

  »Doch, das ist es.«

  »Spielverderberin!«

  Mel grinste mich frech an und unwillkürlich hatte ich ein Bild von Mary im Kopf. Ich musste laut loslachen, ein Kribbeln bis in die Fingerspitzen. Ich dachte, dass es genau das war, wofür ich meine Schwester so liebte: Dass sie mich immer zum Lachen brachte und mich weniger ernst sein ließ, dass es mit ihr so leicht war, sie in den richtigen Momenten aber die Ältere war, die die passenden Worte fand und mir half, meinen Weg im Leben zu gehen.

  »Danke übrigens«, sagte ich und erinnerte mich daran, wie Mel und ich die Lichter in den Himmel hatten steigen lassen. An dieses Gefühl der Schwere, das nach und nach einer ungewohnten Leichtigkeit gewichen war. Es war nicht so, dass die Erinnerungen und der Schmerz völlig verschwunden waren, doch die Bilder waren ruhiger, die Trauer leichter.

  »Dafür, dass ich bei euch bleiben konnte und du mich an diesem Tag aus dem Bett gescheucht hast und mit mir in die Berge gefahren bist. Ich habe das wirklich gebraucht«, sagte ich. »Ich merke jetzt erst, wie sehr.«

  »Das ist nichts, wofür du dich bedanken musst«, erwiderte Mel sanft. »Du bist meine kleine Schwester.« Damit war alles gesagt.

  »Wie geht es dir denn?« Eine vorsichtig gestellte Frage. »Ich meine wegen Paul. Habt ihr euch schon gesehen?«

  Der Moment, als unsere Fingerspitzen sich im Firefly berührt hatten und ich wie erstarrt gewesen war, schoss durch meinen Kopf. So viele ungesagte Worte, die zwischen uns standen, die sich von Tag zu Tag nur noch mehr anhäuften, immer bedrohlicher. Ich kann das jetzt nicht , hatte ich zu Paul gesagt, als er mir die Wahrheit erzählt hatte. Und jetzt, fast einen Monat später, dachte ich immer noch: Ich kann das jetzt nicht. Ich wusste beim besten Willen nicht, wo ich hätte anfangen und wo aufhören sollen, all meiner Worte beraubt.

  Es war nicht nur all das, was Paul mir auf der Lichtung offenbart hatte. Seit ich wieder zurück auf dem Campus war, hatte ich ihn kein einziges Mal mehr mit einer anderen Frau gesehen, und auch die Geschichten und Gerüchte, die um ihn und seine Sexabenteuer kursiert hatten, waren nach und nach verstummt. Jedes Mal, wenn wir uns kurz sahen, Begegnungen, die unvermeidbar waren, war Paul mir gegenüber freundlich, aber dennoch ungewohnt distanziert.

  Das war eine ganz neue Version von ihm. Nicht die, die sich von mir fernzuhalten oder mich zu verletzten versuchte, aber auch nicht die aus den Tagen und Wochen, in denen wir zusammen gewesen waren. Nicht der Herzensbrecher und nicht der Mann mit dem warmen Ausdruck in den Augen. Und jedes Mal, wenn ich Paul sah, dachte ich daran, wie ich nach dem Redstone Festival in seinen Armen gelegen, wie ich mich sicher und beschützt gefühlt hatte. Wie ich der Meinung gewesen war, ich würde ihm bestimmt immer noch etwas bedeuten. Und im gleichen Atemzug überrollten mich die Erinnerungen daran, wie sich einen Tag später auf dieser Lichtung alles geändert hatte. Ich wusste nicht, wie wir miteinander umgehen sollten, und noch weniger, wie wir mit dem umgehen sollten, was wir jetzt wussten. Paul schien sich dessen ebenso wenig sicher zu sein.

  »Es … Ich weiß es nicht. Ich weiß das alles deutlich kürzer als Paul. Ich … Ich brauche Zeit, um meine Gedanken und Gefühle zu ordnen. Um zu wissen, was ich sagen und tun möchte.«

  Mel nickte verständnisvoll. »Er ist übrigens hier gewesen«, sagte sie plötzlich.

  Mein Herz setzte für einen Moment aus. »Wie meinst du das, Er ist hier gewesen ?!«

  »So, wie ich es gesagt habe. Paul ist hier gewesen. Er stand am Freitag einfach vor der Tür. «

  Es dauerte einen Moment, bis ich begriff. Paul war bei ihr gewesen, in meiner Welt. Ich starrte auf den Bildschirm, auf Mel, die nachdenklich den Kopf schief legte, ganz so, als würde sie den Tag noch einmal Revue passieren lassen.

  »Okay«, sagte ich möglichst ruhig, doch meine Hände, die nervös durch meine Locken fuhren, verrieten mich. »Und was wollte er?«

  Mel schien einen Moment über meine Frage nachzudenken. Es schien, als wüsste sie nicht genau, was sie mir über diese Begegnung sagen sollte. Oder konnte.

  »Ich glaube, letztendlich ging es darum, dass Paul für sich ein paar Dinge klären und mit mir über Dads Tod sprechen wollte, über diesen Autounfall. Er meinte, es wäre nicht fair, nur das Gespräch mit dir zu suchen, weil ich genauso seine Tochter gewesen bin.« Ein entschlossener Ausdruck huschte über das Gesicht meiner Schwester. »Über alles andere werde ich nicht mit dir sprechen. Paul hat ja nicht mir geredet, damit ich dir alles erzähle, was er gesagt hat … Es ist nur … Ich glaube, er vermisst dich, Lou. Ich wollte einfach, dass du das weißt.«

  Ich schluckte. Wie konnte Paul mich vermissen? Vermisste er nicht vielmehr die Frau, die ich für ihn gewesen war? Sein Feuermädchen ? Wie konnte ich jemals wieder diese Person für ihn sein? Nein, es war nicht möglich, dass er mich vermisste, höchstens die Erinnerung an eine Version von mir. Oder schlimmer noch: die Idee von mir. Die Idee eines Mädchens, das letzten September in ihn hineingestolpert war und das er in diesem Moment zum ersten Mal gesehen hatte.

  Ich schluckte. »Ich glaube nicht, dass−«

  »Paul ist einer von den Guten, Louisa«, unterbrach mich Mel. »Vergiss das nicht. Und vergiss nicht, was er für dich gewesen und vielleicht immer noch ist.«

  Ich blinzelte, wusste nicht, was ich sagen sollte.

  »Außerdem mag Mary ihn«, schob Mel mit einem ernsten Ausdruck in ihren blaugrauen Augen hinterher. Und sie sagte das so ruhig und bestimmt, als wäre dieser Satz der Abschluss einer ausgeklügelten Reihe verschiedener Argumente, die sie vorgebracht hatte.

  »Sie mag ihn nur, weil er einen Bart hat«, erwiderte ich trocken.

  Bei diesen Worten saß ich ganz ruhig da. Doch in mir wütete ein Sturm aus widerstreitenden Gedanken und Gefühlen.

  Paul

  »Danke für eure Hilfe!«, sagte Trish und setzte sich auf Bowies Schoß. Strich dabei durch deren ki
nnlange schwarze Haare. Aiden und ich hatten ihr geholfen, ihre Sachen rüber in Bowies Wohnheim zu tragen, insgesamt aber gerade einmal eine Stunde gebraucht, weil es wirklich nicht besonders viel gewesen war. Trishs Kisten stapelten sich in dem schmalen Flur und in Bowies Zimmer, weil sie ihr eigenes später noch streichen wollte. Wir saßen in ihrer winzigen Küche um den Tisch mit den zusammengewürfelten Stühlen herum und aßen uns durch die Sachen aus dem Firefly, Reste, die Trish am Tag zuvor für heute eingepackt und mitgebracht hatte.

  »Für diesen Schokoladenkuchen würde ich so ziemlich alles tun, Summers! Tu dir also keinen Zwang an, wenn du demnächst nochmal umziehen möchtest«, sagte Aiden grinsend und schob sich genießerisch eine Gabel in den Mund, leckte sich anschließend die Krümel von den Lippen.

  Bowie musterte ihn mit schief gelegtem Kopf, begann dann laut zu lachen. »Die Art, wie du diesen Kuchen isst, hat etwas an sich, das wirklich nicht jugendfrei ist.«

  Trish verschluckte sich fast bei dem Versuch, gleichzeitig zu essen und zu lachen. Und dann setzte sie noch einen drauf: »Da draußen gibt es Frauen und Männer, die würden sich wünschen, dieser verdammte Kuchen zu sein. «

  »Keine Sorge, Paul: Die Art, wie du den Muffin auf deinem Teller grimmig anstarrst, ist auch ziemlich sexy«, warf Bowie ein und gab sich alle Mühe, mich ernst anzusehen. Doch das Glitzern in ihren Mandelaugen verriet sie.

  Ich rollte grinsend mit den Augen. Und Aiden und ich warfen uns einen Blick zu, der so viel hieß wie Die beiden auf einem Haufen, das wird das reinste Chaos: ein blöder Spruch nach dem nächsten und das Beste, was Trish passieren konnte.

  Bowies Wohnung war ein buntes, fröhliches Durcheinander. Wild zusammengewürfelte Möbel vor farbigen Wänden und liebevoll ausgewählte Details. Im Flur hing ein riesiges, eingerahmtes Plakat. You’ve gotta dance like there’s nobody watching, Love like you’ll never be hurt, Sing like there’s nobody listening, And live like it’s heaven on earth, stand in einer schnörkeligen Schrift darauf. An der oberen Ecke des Bildes war neben einem Bild von Trish und ihr eins der Polaroid-Fotos, die ich an ihrem Geburtstag im Heaven gemacht hatte, befestigt: Bowie inmitten ihrer Freunde und über das ganze Gesicht strahlend.

  Wir redeten noch eine Stunde lang wild durcheinander, und Gelächter füllte die kleine Küche aus. Alles war perfekt, ein warmes Kitzeln im Bauch, doch etwas fehlte: Louisa. Ich wusste nicht, wieso sie nicht hier war, ob es daran lag, dass sie keine Zeit hatte, oder ob sie es einfach nicht ertragen konnte, Zeit mit mir zu verbringen, auch wenn wir nicht allein miteinander wären. Doch ihre Abwesenheit war greifbar. Sie war inzwischen eine von uns. Louisa würde hier sitzen, sich ihre Locken aus dem Gesicht streichen und ein schönes Wort finden, das diesen Moment hier mit jeder Silbe und jedem Ton perfekt beschreiben würde. Sie würde über Bowies Sprüche lachen und sich gegen Trish lehnen. Seit sie letzte Woche auf den Campus zurückgekehrt war, hatten wir beide kein einziges Wort über das verloren, was ich ihr auf der Lichtung offenbart hatte, waren kein einziges Mal allein in einem Raum gewesen, bis auf den kurzen Augenblick, als ich mir im Firefly einen Kaffee geholt hatte .

  Trish war nach wie vor der Meinung, Louisa wäre nur wahnsinnig überfordert mit der Situation, womit sie recht haben mochte. Und doch war da mein scheiß Herz, das glaubte, dass sie mich mit Sicherheit hassen müsste. Ich hätte mit Louisa sprechen können, hätte es eigentlich tun müssen , doch ich wollte sie nicht bedrängen, immerhin hatte ich mehr Zeit gehabt, mich mit all dem auseinanderzusetzen als sie. Ich versuchte, mich zurückzuhalten, weil ich nicht wirklich wusste, wie ich mit ihr umgehen sollte, weil ich nicht einschätzen konnte, wie groß die aus meinen Wahrheiten errichtete Wand, die zwischen uns stand, tatsächlich war. Und jedes Mal, wenn wir uns für einen flüchtigen Moment sahen, versuchte ich die stille Sorge, die ich ihretwegen empfand, zu verbergen. Versuchte, ihr Raum zu geben.

  Nachdem Bowie und Aiden gegangen waren, sie zu einem Treffen mit ihrer Theater-Gruppe, er zu der Probe mit Goodbye April , legten Trish und ich den Boden ihres Zimmers mit Folie aus und klebten die Steckleisten ab, damit nichts mit Farbe volltropfte, sobald wir mit dem Streichen anfingen.

  »Ich finde es so mega cool, dass ich trotzdem mein eigenes Zimmer habe und wir hier einfach wie in einer WG wohnen«, sagte Trish.

  »Alles andere würde auch nicht zu euch passen«, sagte ich schmunzelnd. Zu gut erinnerte ich mich daran, wie sie sich in Bowie verliebt hatte, das Bad Chick, das Mädchen mit den frechen Sprüchen, das niemand wirklich halten konnte – niemand außer Trish. Verdammt, sie hatte geweint wegen ihr, sich von mir trösten lassen, als sie Liebeskummer gehabt hatte, weil Bowie einfach nicht zu kapieren schien, was da zwischen ihnen zu entstehen begann. Dass die beiden inzwischen so glücklich miteinander waren und jetzt sogar zusammenzogen, berührte mich. Wenn ich jemandem ein Happy End wünschte, dann Trish.

  »Aber nachts schlafen wir natürlich trotzdem in einem Bett.« Ein zweideutiges Lächeln .

  »Das Beste aus zwei Welten also.« Lachend öffnete ich den Eimer mit der mintgrünen Farbe.

  »Das Beste aus allen Welten!« Trishs Grinsen wurde breiter, das freche Funkeln in ihren grauen Augen intensiver. Sie verband ihr Handy mit dem kleinen Lautsprecher, den sie auf das Fensterbrett stellte. Sekunden später erfüllte Soul meets Body von Death Cab for Cutie das Zimmer, wehte Ton für Ton durch den Raum.

  »Eine Sache fehlt aber noch«, sagte sie und verschwand kurz in der Küche. Ihre blonden Haare waren zusammengebunden, als sie zurückkam, darauf thronte ein aus alten Zeitungen gefalteter Papierhut. Einen weiteren hielt sie in ihrer Hand.

  »Ähm … muss ich das Ding wirklich aufsetzen?«

  Trish nickte. »Das machen die in Filmen auch immer so, und das wird ja wohl einen Grund haben, oder?« Sie verschränkte die Arme vor der Brust. »Außerdem sieht es lustig aus!«, fügte sie hinzu.

  Ich verdrehte die Augen, griff dann aber nach dem Papierhut und setzte ihn mir auf, bevor ich mich wieder der Farbe widmete und alle Utensilien, die wir brauchen würden, neben dem Eimer verteilte.

  Ich griff nach der Walze und tauchte sie in die Farbe. Ein vorsichtiges Abstreifen am Abtropfgitter und die erste gestrichene Bahn. Eine Spur aus Mintgrün, die das langweilige Weiß des Zimmers, wie der blonde Zwerg es nannte, bald komplett schlucken würde.

  Trish bewegte sich im Takt der Musik, während sie sich der Wand mir gegenüber widmete, summte leise die Melodie mit. Wir arbeiteten uns an unserer jeweiligen Wand von links nach rechts, zwischen hellem Grün und stumpfem Weiß. Und wie auch bei meinem Job im Luigi’s kam ich nicht umhin festzustellen, wie befriedigend es war, etwas mit den eigenen Händen zu erschaffen. Fast schon meditativ. Etwas, das die Macht hatte, Gedanken zum Schweigen zu bringen. Und dabei hatte man am Ende das Ergebnis ganz klar vor Augen.

  »Du hast aufgehört, dich durch die Gegend zu vögeln«, stellte Trish plötzlich fest, und ich spürte ihren Blick in meinem Nacken, während ich mit dem Farbroller möglichst unbeirrt weiter über die Wand vor mir fuhr.

  »Stimmt«, erwiderte ich, weil Trish niemals locker lassen würde, wenn ich sie ignorieren würde.

  In der Nacht, in der ich mit Louisa geschlafen, an dem Tag, an dem ich ihr die Wahrheit gesagt hatte, hatte ich damit aufgehört, mich in diesen Bedeutungslosigkeiten zu verlieren, um den Schmerz in mir erträglicher zu machen. Es gab andere Dinge, die jetzt wichtig waren.

  »Und?«, sagte Trish gedehnt. »Bedeutet das, dass du …«

  »Das bedeutet überhaupt nichts, Summers«, fiel ich dem blonden Zwerg ins Wort. »Das bedeutet erst einmal nur, dass ich meinen Scheiß irgendwie hinkriegen muss.« Eine Wahrheit mit Leerstellen, und meine beste Freundin, die immer schon ein zu gutes Gespür für meine Empfindungen gehabt hatte, die wahrscheinlich jedes Detail zwischen den Zeilen erahnte. Manchmal war ich mir nicht sicher, ob ich sie dafür liebte oder sie mir deshalb unwahrscheinlich auf die Nerven ging.

  »Okay, aber, gibt es abgesehen davon vielleicht einen speziellen Grund dafür?!«, hakte sie nach. »Du weißt, dass du es mir sagen kannst, wenn es so ist.«

  Jetzt drehte ich mich doch zu Trish um. �
�Nein!«

  »Oh Gott, du bist heute wieder so super mürrisch«, sagte sie mit den Augen rollend und drehte dann die Musik lauter. »Du musst tanzen, Paul. Tanzen macht alles besser! Wenn man tanzt, dann kommt das Glück von ganz allein!« Und ohne meine Reaktion abzuwarten, begann Trish sich mit diesem bescheuerten Papierhut auf ihren Haaren und ihrem Farbroller in den Händen im Rhythmus der Musik durch ihr leeres Zimmer zu bewegen und den Text schief mitzusingen, die Arme von sich gestreckt.

  Ich machte keine Anstalten, mich ebenfalls lächerlich zu machen, immerhin trug ich schon diesen dämlichen Hut. Und doch musste ich bei Trishs Anblick lächeln. Auch wenn mein ganzes Leben Kopf zu stehen schien, gab es Dinge, die sich niemals ändern würden.

  Kopfschüttelnd wandte ich mich wieder der Wand in meinem Rücken zu, da griff Trish nach meiner freien Hand und versuchte, mich durch das Zimmer zu zerren und mich irgendwie zum Tanzen zu animieren. Aber das konnte sie wirklich sowas von vergessen! Stattdessen zielte ich mit der Farbwalze ohne Vorwarnung auf Trishs Gesicht und rollte einmal darüber. Die sprang kreischend zurück und starrte mich schockiert an. Und ich konnte gar nicht anders, als in schallendes Gelächter auszubrechen, wie sie da vor mir stand mit in die Hüften gestemmten Händen und einem Blitzen in den Augen, während die eine Hälfte ihres Gesichts grün glänzte. Ich konnte es mir nicht erklären, aber ich lachte und lachte.

  In der nächsten Sekunde tauchte Trish ihre Hände in den Farbeimer und rannte auf mich zu, schaffte es, mich an meinem Bart zu streifen und mir einen fetten Abdruck auf mein Shirt zu verpassen, die andere Hand landete samt Farbe auf der Wand in meinem Rücken.

  Und dann war Krieg. Wir gegeneinander, Mintgrün unsere Munition. Irgendwann traf Trish mich doch im Gesicht und ich packte sie, warf sie mir über die Schulter, damit sie endlich Ruhe gab. Doch sie zappelte so sehr herum, dass sie am Ende uns beide mit einem dumpfem Laut zu Boden riss. Ich stöhnte auf, als ich schmerzhaft auf dem Rücken landete, Trish auf mir und ihr Ellenbogen, der sich unangenehm in meinen Bauch bohrte.

 

‹ Prev