Wir sind der Sturm

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Wir sind der Sturm Page 27

by Bichon, Sophie


  Konnte ich in Paul jemals wieder den Mann sehen, in den ich mich so unwiderruflich verliebt hatte, ohne das Bild des siebzehnjährigen Jungen vor Augen zu haben, der mich aus dem brennenden Auto gezogen hatte? Und viel wichtiger: Würde er in mir jemals wieder mich sehen? Die wahrste Version meiner selbst, an deren Grund er schon fast von der ersten Sekunde an hatte blicken können? Oder würde ich immer das Mädchen bleiben, das in die Flammen hinter sich blickte und sich selbst nicht hatte retten können?

  »Vielleicht ist dann jetzt doch der Moment gekommen, in dem ihr beide endlich miteinander sprechen müsst, Lou. Das ist der einzige Weg, wie du herausfinden kannst, wie Paul zu all dem steht«, sagte Trish ernst, und ich sah das stille Verständnis in ihren grauen Augen. »Dieser Schwebezustand tut keinem von euch beiden gut. Ihr solltet das klären. Je früher, desto besser.«

  »Du könntest mir doch sagen, wie er dazu steht!«, schlug ich scherzhaft vor.

  Sie hob beide Hände und lachte auf. »Vergiss es, Süße. Selbst wenn ich irgendetwas wüsste, würde ich es dir nicht erzählen. Ich habe aus dieser Kusssache gelernt und werde mich nie wieder einmischen und versuchen, das Richtige zu tun, wenn es um euch beide geht. Das müsst ihr ohne mich hinkriegen.« Trishs Gesichtsausdruck wechselte unaufhaltsam zwischen zerknirscht und entschlossen.

  »Das ist so wahnsinnig erwachsen von dir«, sagte ich grinsend. »Ich bin beeindruckt.«

  Dann wurde Trish wieder ernst. Und ich auch .

  »Es gibt nur zwei Möglichkeiten. Du kannst Paul weiterlieben – und ich weiß ganz genau, dass du das tust – und mit ihm zusammen sein. Oder du liebst ihn im Stillen. Mehr Optionen hast du nicht, Lou. Die Frage ist also: Kannst du ohne ihn leben? Oder brauchst du ihn und kannst lernen, ihm wieder zu vertrauen?«

  Das war etwas, das nur ich allein wissen konnte.

  Trish bot mir die andere Hälfte ihres Muffins an, und wir aßen beide, während jede von uns für einen Moment ihren eigenen Gedanken nachhing – vielleicht war es aber auch derselbe Sturm, an den wir dachten.

  Talida stolperte in die Küche und runzelte verwirrt die Stirn, als sie Trish und mich auf dem Boden sitzen sah. »Was macht ihr denn hier?«, fragte sie, ließ uns jedoch gar keine Zeit, ihr zu antworten. Stattdessen griff sie nach unseren Händen und zog uns beide enthusiastisch nach oben. »Mel meinte, wir dürfen Jello Shots aus ihrem Bauchnabel trinken. Also los, los. Kommt schon! Das wird super lustig!«

  Paul

  Heute Filmabend bei uns?

  Es war Montag, und ich brauchte eine gute halbe Stunde, um Aiden auf diese Nachricht zu antworten, weil ich unsicher war, ob es tatsächlich eine gute Idee war, zu ihm in die WG zu gehen. Zu ihm und Louisa. Aber ich vermisste mein Feuermädchen, hatte letzte Woche den Entschluss gefasst, mich nicht länger von der Vergangenheit beherrschen zu lassen und uns aufzugeben. Vielleicht wäre ein Videoabend ein winziger Schritt in Richtung Normalität. Eine neue Form der Normalität, denn wirklich normal war schon lange nichts mehr.

  Aiden, Trish und ich entschieden uns für Green Book und hatten schon über die Hälfte des Films gesehen, als die Wohnungstür sich mit einem leisen Geräusch öffnete. Leise Schritte im Flur und Aiden, der den Film auf Pause stellte.

  »Lou?«, rief er in den Flur, aus dem ein Rumpeln zu hören war. Wahrscheinlich zog Louisa sich gerade Schuhe und Jacke aus. Dann das Geräusch des sich öffnenden und wieder schließenden Kühlschranks in der Küche, und Louisa streckte ihren Kopf durch Aidens angelehnte Zimmertür. Zerzauste orangefarbene Locken und Ozeanaugen, die mich überrascht musterten. Natürlich hatte sie nicht damit gerechnet, mich hier zu sehen. Schnell glitt ihr Blick weiter zu Trish, dann zu Aiden.

  »Ja?«

  »Möchtest du mitschauen?«, fragte Aiden, als wäre alles wie immer. Ich hielt den Atem an, fuhr mir plötzlich nervös über den Bart. »Wir schauen uns Green Book an.«

  Verdammt, wieso sollte sie plötzlich zustimmen, sich im gleichen Raum wie ich aufzuhalten? Wieso sollten wir beide etwas tun, dass uns letztendlich nur wehtat? In den letzten zwei Wochen hatten weder Aiden noch Trish vorgeschlagen, dass wir doch wieder einmal etwas zu viert machen könnten. Und doch war ich Aiden in diesem Moment dankbar, dass er fragte.

  Louisas Blick huschte zurück zu mir, dann wieder zu Aiden. Ein blauer Sturm an Gefühlen, von dem ich nicht einmal die Hälfte verstand.

  Lauf nicht weg, Louisa, renn nicht davon! Ich will wenigstens mit eigenen Augen sehen, dass es dir gut geht!

  Der Moment schien sich zu einer verdammten Ewigkeit auszudehnen, jeder einzelne Herzschlag dröhnte mir laut und pulsierend in den Ohren.

  »Ähm … ja, okay«, sagte Louisa. »Ich zieh mir nur schnell etwas anderes an und bin gleich wieder da!« Sie nickte, doch es wirkte so, als müsste sie nicht uns, sondern sich selbst davon überzeugen, dass das eine gute Idee war .

  Wenige Minuten später setzte sie sich zwischen Aiden und Trish aufs Sofa, und doch war ich mir ihrer Anwesenheit so bewusst, als wäre das ganze Zimmer mit ihr aufgeladen. Es war das erste Mal seit einer Ewigkeit, dass wir mehr als wenige Minuten im selben Raum verbrachten.

  Louisa sah sich mit uns zusammen die letzten zwanzig Minuten von Green Book an, danach entschieden wir uns für Breakfast Club. Wir alle hatten den Film schon mehrmals gesehen und unterhielten uns zwischendurch immer wieder leise darüber. Vor wenigen Monaten noch hätte Louisa Aiden und mich mit einem empörten Blitzen in ihren Ozeanaugen darauf hingewiesen, dass alles, was über mitgesprochene Dialoge hinausging, beim Filmesehen beinahe einem Verbrechen gleichkäme. Doch wir beide, wir redeten nicht miteinander, nicht wirklich.

  Einmal aber hörte ich Louisas helles Lachen, nachdem Trish sie in die Seite gestoßen und etwas vor sich hingemurmelt hatte. Und Gott, das war in diesem Moment mehr als genug: Ihr in den Nacken gelegter Kopf, das Schimmern ihrer Feuerlocken in dem schummrigen Licht von Aidens Zimmer und ihr Profil mit den von Sommersprossen übersäten Wangen und den in die Höhe gezogenen Mundwinkeln. Sie lachte dieses atemberaubende Lachen, von dem ich dachte, ich hätte es ihr genommen. Lachte ihr Feuerlachen. Ich hätte wegsehen sollen, doch ich konnte nicht. Gott, ich sollte mich wirklich zusammenreißen! Aiden und Trish – sie waren unser Puffer, unsere Absicherung, die neutrale Zone, in der wir uns bewegten. Sie waren die Wände eines Raums, in dem Louisa und ich zusammen und doch jeder für sich sein konnten.

  Louisa

  Draußen hing der Himmel voller Sterne, als ich nach Ende des Filmes aufstand und mich ins Bett verabschiedete. An Aidens Zimmertür hielt ich inne und drehte mich noch einmal um. Kopfschüttelnd beobachtete Trish Paul und Aiden, bevor sie sich wieder der Schüssel mit Popcorn auf ihrem Schoß widmete. Paul hatte Aiden lachend in den Schwitzkasten genommen wegen irgendetwas, das er gesagt hatte. Die dunklen Haare fielen ihm wirr in die Stirn, und er lachte, während Aiden erst einen Fluch ausstieß, sich dann aber mit einem zufriedenen Grinsen aus Pauls Griff befreite und sich mit vor der Brust verschränkten Armen wieder in die Polster sinken ließ. Paul aber lachte immer noch, laut und rau. Um seine dunklen Augen bildeten sich fächerförmige Lachfältchen. Ich schluckte und wandte mich ab, als ich seine Grübchen sah.

  In meinem Zimmer dauerte es mehrere Sekunden, bis zu mir durchdrang, was anders war. Ich machte kein Licht an, und doch erkannte ich die Umrisse meiner Möbel in einem sanften Schimmern, das Bett direkt unter dem Fenster, damit ich die Sterne sehen konnte. Die Lichterketten hingen wieder an der Decke, kreuz und quer verteilt, fast im selben Muster, in dem ich sie kurz nach meinem Einzug unter Aidens belustigten Blicken angebracht hatte. Er musste sie wieder aufgehängt haben, als ich im Firefly gewesen war. Und während ich unter dem warmen Licht im Bett lag und mir vorstellte, ich läge genauso irgendwo draußen in der Natur mit Wind, der mir um die Nase strich, und der Unendlichkeit des Himmels über mir, dachte ich daran, dass ich mich bei Aiden bedanken musste.

  Mir fielen die Augen zu. Doch bevor ich wegdämmerte, schossen mir erneut Trish Worte durch den Kopf.

  Kannst du ohne ihn leben? Oder brauchst du ihn und kannst lernen, ihm wieder zu vertrauen?

  Sternenlicht

 
17. KAPITE L

  Paul

  Ich genoss den Wind, der an meiner Jacke zerrte, die Unebenheiten der Straße unter mir, während die Bäume rechts und links an mir vorbeizogen. Vorbei am Lake Superior, dessen Blau in der Sonne glitzerte. Durch das Stück mit den Tannen hindurch, die das Licht schluckten, und wieder hinaus in die Helligkeit. Ich legte mich in die nächste Kurve und merkte erst jetzt, wie sehr ich das hier vermisst hatte. Genau deshalb war ich extra früher losgefahren, um meine erste Fahrt dieses Jahr voll auskosten zu können. Nicht auf direktem Weg ins Luigi’s, sondern eine Stunde lang nur der Highway und ich.

  Mit dem April kam das mildere Wetter. Und die Sonne, die immer häufiger und länger durch die Wolken brach und den Regen endgültig zu vertreiben schien. Endlich konnte ich wieder Motorrad fahren und war für die nächste Zeit nicht mehr darauf angewiesen, mir Aidens Auto zu leihen. Auch wenn ich das Geld, das in dieser Maschine steckte, für einen neuen Wagen hätte gebrauchen können, wollte ich sie unter keinen Umständen aufgeben. Wegen dieser atemberaubenden Art von Freiheit, dem Gefühl verdammter Schwerelosigkeit. Wahrscheinlich machte mich das unvernünftig, aber mein Motorrad während des Winters nicht nutzen zu können, hatte mich in den Wahnsinn getrieben. Ich brauchte das, brauchte diese Schnelligkeit – trotz der beiden beschissenen Autounfälle, von denen der eine mich traumatisiert, der andere fast das Leben gekostet hatte. Vielleicht hätten diese Erinnerungen mir Angst machen sollen, als ich im Rauschen des Windes beschleunigte und der gelbe Streifen in der Mitte immer schneller an mir vorbeizog, doch das taten sie nicht. Nicht mehr.

  »Sie wirkt auf jeden Fall ein bisschen lockerer«, meinte Aiden nachdenklich, während er hinter der Bar Gläser polierte, und nickte in Richtung des hellen Holztisches, an dem sich Luca und meine Mom gegenübersaßen, zwischen ihnen eine Cola für ihn, ein Weißwein für sie. Auf den dunkelgrünen Platzsets standen außerdem die beiden Pizzen, die ich gemacht und den beiden gerade gebracht hatte.

  Luca erzählte Mom etwas, das ihn wirklich begeistern musste. Seine Augen leuchteten und er riss immer wieder die Hände in die Höhe, um das Gesagte zu unterstreichen. Mom saß da und schien ihm zuzuhören, wirklich zuzuhören. Auf den ersten Blick war alles wie immer. Sie die elegante, reservierte Frau, die Beine übereinandergeschlagen, das honigblonde Haar in perfekte Wellen gelegt und die Lippen dezent geschminkt. Während Luca begann, die Pizza mit den Händen zu essen, schnitt sie sich mit Gabel und Messer fast schon lächerlich kleine Stücke ab.

  Doch seit unserem ersten Treffen in New Forreston vor einem Monat sah ich immer öfter die Frau, die sie früher gewesen war. Sie lachte für kurze Momente und redete fast so viel, wie sie es getan hatte, als sie und mein Vater noch glücklich miteinander gewesen waren – ein Zustand, an den ich mich kaum erinnern konnte. Sie zeigte Interesse an Lucas und meinem Leben, hatte letzte Woche sogar Katie kennengelernt und anschließend kein einziges schlechtes Wort über sie verloren, sondern betont, dass sie es schön fand, dass Luca und sie so verliebt ineinander waren. Sie hatte außerdem damit begonnen, sich regelmäßig bei mir zu melden. Nicht diese bedeutungsleeren Floskeln wie letztes Jahr auf der Karte, die zu meinem Geburtstag gekommen war, sondern echte Fragen zu meinem Leben. Sie hatte auch mehrmals auf das Mädchen angespielt, das mir so offensichtlich den Kopf verdreht hatte, mich gefragt, ob es das mit den Locken war, das mit Aiden und Trish im Krankenhaus gewesen war, aber während wir außer über Dad über alles andere sprachen, schwieg ich, wenn es um Louisa ging. Ich wollte sie zurück und unter keinen Umständen aufgeben, dessen war ich mir mehr als sicher. Doch ich würde erst darüber reden, wenn ich wusste, ob ich gescheitert war oder nicht.

  »Ja, ich schätze, sie gibt sich Mühe«, sagte ich zu Aiden, bevor ich wieder nach hinten in die Küche ging. Ich wollte nicht zugeben, dass mich das hier berührte. Die Tatsache, dass sie zusammen mit meinem kleinen Bruder hier vorbeikam, um einen Teil meines Leben zu sehen, einen Teil meiner Welt. Ich wollte nicht zugeben, dass es sich gut anfühlte, eine Mom zu haben. Gott, ich versuchte einfach mich selbst zu schützen, um am Ende nicht enttäuscht zu werden.

  In der nächsten Stunde vergaß ich fast, dass die beiden dort draußen saßen, verlor mich ganz und gar in dem Gefühl von Teig und Mehl zwischen meinen Fingern, war ganz konzentriert auf die Arbeit meiner Hände.

  »Es war wirklich köstlich«, sagte Mom und lächelte mich vorsichtig an, als ich mich am Ende meiner Schicht zu den beiden setzte. Es war seltsam, wie normal sich die Situation anfühlen konnte. Aber das war es, was Familien taten, oder? Zeit miteinander verbringen, füreinander da sein, einander zuhören.

  »Das freut mich«, sagte ich. »Und du, Kleiner? Hat es dir auch geschmeckt?«

  Luca sah sich mit einem Blitzen in den grünen Augen an. »Verdammt, Paul, wann hörst du endlich auf, mich so zu nennen?«, wollte er genervt wissen.

  »Hmm«, ich tat, als würde ich tatsächlich darüber nachdenken, »Vielleicht wenn du nicht mehr kleiner bist als ich?«

  »Das sind fünf Zentimeter, okay? Lass es einfach sein!«

  »Fünf Zentimeter sind fünf Zentimeter«, sagte ich grinsend und verschränkte die Arme vor der Brust. Wozu hatte man einen kleinen Bruder, wenn man ihn nicht ab und zu aufziehen konnte?

  Luca schnaubte. »Mom, sag ihm, er soll damit aufhören!«

  »Ernsthaft? Du spielst die Mom-Karte aus?«

  »Ich hab ja wohl keine andere Wahl«, verteidigte Luca sich, während Mom uns eindeutig amüsiert beobachtete.

  »Paul«, sagte sie schließlich und zupfte ihre Frisur zurecht. »Hör auf, deinen Bruder zu ärgern.«

  »Danke, Mom«, sagte Luca und grinste zufrieden. »Du bist sowieso viel cooler, seit du wieder mit Paul redest.«

  »Gott, ich bin zweiundzwanzig«, brummte ich. »Ich kann ihn ja wohl nennen, wie ich will.«

  Mom zog eine ihrer feinen Augenbrauen in die Höhe und ließ anschließend den Blick zwischen uns hin- und herwandern. Dann lachte sie, ein Funkeln in den Augen, fast so stark wie das der goldenen Ringe an ihren schmalen Fingern.

  Grinsend legte ich den Arm um Luca. »Erzähl uns doch lieber, was du an deinem Geburtstag machen willst, Kleiner. «

  Luca würde nächsten Monat sechzehn werden, das machte ihn so viel … erwachsener. Er war nicht mehr der Kleine , das wusste ich genauso gut wie er. Zwei Jahre und dann hätte er seinen Abschluss, würde mich nicht mehr brauchen – ich war mir nicht einmal sicher, ob er das jetzt noch tat. Luca würde seinen Weg gehen, und ich war so oder so stolz auf meinen Bruder

  »Oh Gott, Paul. Fick dich!«, sagte er und starrte mich finster an. Mom räusperte sich, und Luca sah betreten in ihre Richtung. »Sorry, Mom.« Ein fast nicht zu hörendes Murmeln.

  Ich sah von Mom zu Luca und wieder zurück. Und ich seufzte, weil sich das hier gleichzeitig so unerwartet schön und befreiend anfühlte.

  Louis a

  Vor dem Firefly ließ ich mir die Sonne ins Gesicht scheinen und wartete auf Aiden. Ich hätte auch schon reingehen können, doch ich hatte den ganzen Tag erst in meinen Vorlesungen und danach mit Bowie in der Bibliothek verbracht und atmete die frische Luft so tief wie nur möglich ein. Als Aiden zehn Minuten später auftauchte, natürlich wie immer zu spät, holten wir uns einen Kaffee und machten uns auf den Weg zu der Fakultät, in der Literatur gelehrt wurde. Im Untergeschoss lag die Redaktion der Storylines .

  Es war das erste Redaktionstreffen, an dem ich teilnehmen würde. Bisher hatte ich immer alles mit Aiden direkt abgesprochen und ihm die Texte geschickt, doch inzwischen fühlte ich mich bereit dafür, auch die anderen kennenzulernen und meine Worte mit ihnen zu teilen. Außerdem war Aiden nur während dieses Terms der Chefredakteur. Wenn es mir also wichtig war, weiterhin für die College-Zeitung zu schreiben, musste ich über meinen Schatten springen.

  Nebeneinander liefen wir über den Campus, die Becher in unseren Händen, den gewundenen Weg entlang, an Bäumen vorbei, die von Tag zu Tag mehr erblühten.

  »Ich finde es richtig cool, dass du heute mitkommst«, sagte Aiden und lächelte mich von der Seite an. »Die anderen freuen sich schon riesig auf dich.«

  Ich
nickte, sagte aber nichts, weil sich nun doch Nervosität in mir breitmachte, ein Kribbeln, welches von meinen Fingerspitzen ausging und sich auf jeden Zentimeter meiner Haut zu legen schien.

  »Du musst deswegen nicht aufgeregt sein, Lou«, meinte Aiden. »Erstens sind deine Texte einfach mega gut, und die Leute bei der Storylines sind all cool. Du musst dir also absolut keine Sorgen machen.«

  Und er behielt recht: Insgesamt waren wir nur zehn Leute, das machte es mir leichter. Es war schön und tat gut, mit Menschen in einem Raum zu sein, die Literatur nicht nur liebten wie man selbst, sondern die ebenso begeistert von Sprache und dem Schreiben eigener Texte waren. Wir redeten über die letzte Ausgabe des Terms, die Mitte April erscheinen würde, hielten einige organisatorische Details fest und einigten uns auf einen Tag, an dem wir uns alle treffen und den neuen Chefredakteur wählen würden.

  »Danke übrigens, dass du meine Lichterketten wieder angebracht hast«, sagte ich auf dem Weg nach Hause und hakte mich bei Aiden unter. Wir hatten uns seit dem Filmabend am Sonntag kaum gesehen und ich somit noch keine Gelegenheit gehabt, mich bei ihm zu bedanken. »Du bist wirklich der Beste«, fügte ich lächelnd hinzu.

 

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