Silver Crown - Forbidden Royals (German Edition)

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Silver Crown - Forbidden Royals (German Edition) Page 14

by Johnson, Julie


  Die Tür schwingt lautlos nach innen auf. Ich schaue von meiner Lektüre auf und bekomme fast einen Herzinfarkt, als ich die Frau sehe, die dort steht. Ihr perfekt frisiertes Haar wird von tropfenförmigen Ohrringen harmonisch ergänzt. Dazu trägt sie ein elegantes Kleid und Schuhe mit maßvollen Absätzen.

  »Octavia!« Ich setze mich so abrupt auf, dass mir das Buch aus der Hand fällt. Es landet mit einem dumpfen Aufprall auf dem Boden. »W… was führt dich hierher?«

  Sie zieht die Augenbrauen zusammen und mustert mich. Mein lavendelfarbenes Haar ist auf meinem Kopf zu einem unordentlichen Knoten zusammengebunden, mein Make-up unter meinen Augen verschmiert, und ich trage ein locker sitzendes T-Shirt und eine bequeme Freizeithose. Ich rappele mich hastig vom Bett auf und schiebe mir nervös eine Haarsträhne hinters Ohr. Es bedarf meiner ganzen Willenskraft, um nicht verschreckt zusammenzuzucken, als sie näher kommt. Ihre Absätze klackern unheilvoll auf dem glänzenden Parkettboden.

  »Wie ich sehe, hast du dich …« Sie schnieft grazil. »Eingelebt.«

  »Ja, Octavia. Ich meine, Ma’am. Madame . Äh … Hoheit? « Ich stammele erbärmlich. Lady Morrell wäre entsetzt, wenn sie erfahren würde, dass all ihre sorgsamen Lektionen umsonst gewesen sind.

  »Ich habe noch keinen Adelstitel erhalten.« In Octavias Miene liegt keinerlei Wärme. »Sobald ich nach Linus’ Krönung nächsten Monat offiziell zur Königsgemahlin ernannt werde, kannst du mich mit Eure Majestät ansprechen. Bis dahin …« Sie zieht die Augen noch enger zusammen. »Ehrlich gesagt bin ich nicht sicher, dass du mich überhaupt ansprechen musst. Aber wenn es sich während eines offiziellen Anlasses ni cht vermeiden lässt, solltest du mich Lady Lancaster oder Herzogin von Hightower nennen.«

  Gott, sie ist so kalt. Ich weiß nicht, was ich getan habe, um mich so schnell bei ihr unbeliebt zu machen – abgesehen davon, dass ich existiere –, aber plötzlich läuft mir trotz des prasselnden Kaminfeuers ein Schauer über den Rücken.

  Sie betrachtet meine Sachen, die überall herumliegen. Den halb leer gegessenen Teller mit Keksen, den Pullover, den ich vorhin getragen habe und der nun zerknüllt auf dem Lehnstuhl liegt, einen schweren Stapel mit Linus’ Büchern auf meinem Beistelltisch. Sie fährt mit dem Finger über den geprägten Buchdeckel des Bands, der ganz oben auf dem Stapel liegt. Als sie den Titel liest, huscht ein Anflug von Abscheu über ihr Gesicht.

  Könige und Königinnen: Das Erbe der Lancasters

  »Ich gehe davon aus, dass es einen Grund für diesen unerwarteten Besuch gibt«, sage ich mit falscher Freundlichkeit in der Stimme.

  »Gewiss.« Sie wendet sich wieder mir zu und verschränkt die Arme vor der Brust. »Linus hat mich darüber informiert, dass du zusammen mit unserer Familie an der Beerdigung teilnehmen wirst.«

  Ich habe den Eindruck, dass sie angesichts einer bevorstehenden Darmspiegelung erfreuter klingen würde.

  »Die Schneiderinnen werden morgen Mittag mit einer Auswahl an Kleidungsstücken für Chloe und mich herkommen. Mir wurde … geraten … dass ich dich dazu einladen soll.« Sie mustert mich von Kopf bis Fuß. »Da man sich offensichtlich nicht darauf verlassen kann, dass du dich selbst einkleiden kannst, werden wir etwas Angemessenes auswählen lassen.«

  Ich zucke zusammen, schaffe es aber, mir ein Lächeln abzuringen. »Wie freundlich. Ich versichere dir, dass ich mir etwas aussuchen werde, das …« Ich halte bedeutungsvoll inne, nur um sie zu verärgern. »Einer Königin würdig ist .«

  Sie spannt die Schultern an und kann ihre Empörung kaum verbergen. »Wunderbar.«

  »Tja, wenn das alles ist …« Ich werfe einen unmissverständlichen Blick in Richtung der Tür. Meine Botschaft könnte nicht deutlicher sein.

  Verschwinden Sie verdammt noch mal aus meinem Zimmer.

  »Noch nicht ganz.« Sie verzieht die Lippen zu einem schmalen Lächeln, das mir sehr viel mehr Angst einjagt als ihre bösen Blicke. »Es gibt noch eine Angelegenheit, die ich mit dir besprechen muss.«

  Ich ziehe die Augenbrauen hoch und warte.

  »Du hattest auf diesem Anwesen vor ein paar Tagen Besuch von einem Freund. Owen Harding. Ist das korrekt?«

  Ich erstarre. »Ja.«

  »Mr Harding hat die ursprünglichen Sicherheitsüberprüfungen bestanden, was ihm Zugang zu diesem Anwesen ermöglichte. Zum Glück habe ich persönlich darauf bestanden, dass die königliche Garde in Bezug auf seine Vergangenheit ein wenig gründlicher nachforscht.« Sie macht einen Schritt auf mich zu und behält den Blick die ganze Zeit über fest auf mich gerichtet. »Wir können nicht vorsichtig genug sein, wenn es um deine Sicherheit geht, nicht wahr?«

  Mein Herz pocht mit doppelter Geschwindigkeit in meiner Brust. »Ich weiß diese Sorge um mich wirklich zu schätzen, Octavia. Aber ich versichere dir, dass sie unnötig ist.«

  Ihr Lächeln wird breiter. »Leider muss ich dir da widersprechen. Die zweite Überprüfung ergab ein paar … nun ja, sagen wir … problematische Verbindungen in Mr Hardings Vergangenheit.« Sie schüttelt den Kopf und täuscht Bestürzung vor. »Wie es scheint, hat er Kontakt zu zahlreichen Monarchiegegnern. Vielleicht sogar zu einer radikalen Zelle von Anarchisten, die fest entschlossen sind, das Königshaus um jeden Preis zu stürzen.«

  Mein Mund klappt auf. »Wie bitte?«

  »Es ist zweifellos von Vorteil, dass wir bereits jetzt davon erfahren haben, bevor die Situation …« Sie hält inne. »Eskalieren konnte.«

  Ich bin mir nicht sicher, ob ich angesichts der vollkommenen Absurdität der Worte, die aus ihrem Mund kommen, lachen oder weinen soll. »Das soll wohl ein Scherz sein.«

  »Sicherheit ist eine ernste Angelegenheit, die wir nicht auf die leichte Schulter nehmen. Vor allem nicht unter den aktuellen Umständen.« Sie seufzt, als wäre sie furchtbar besorgt. »Keine Angst – wir brauchen nur noch ein paar weitere Beweise, dann sollten wir genug in der Hand haben, um ihn aus dem Verkehr ziehen zu lassen. Für immer.«

  Ich erstarre. »Nein.«

  »Oh doch. Es hängt lediglich davon ab, ob wir uns entschließen , weiter nachzuforschen. Verstehst du, was ich meine, Emilia?«

  Oh, ich verstehe dich nur zu gut, du herzlose Hexe.

  »Octavia, bitte …« Meine Stimme bricht. Mein Herz hämmert wie wild gegen meinen Brustkorb. »Owen gehört nicht zu irgendeiner Terrorzelle! Er ist kein Monarchiegegner. Ja, vielleicht hat er an ein paar friedlichen Protesten und ein oder zwei politischen Kundgebungen auf dem Universitätscampus teilgenommen … Aber er hat nie etwas getan, das auch nur ansatzweise illegal war, ganz zu schweigen von radikal .«

  »Dennoch«, murmelt sie selbstgefällig und siegessicher, »darfst du ihn nie wieder kontaktieren, weder persönlich noch sonst wie. Ich habe bereits dafür gesorgt, dass er auf der schwarzen Liste aller königlichen Anwesen und Veranstaltungen steht. Und keine Sorge, meine Liebe – falls er versuchen sollte, unerlaubt irgendwelchen Boden zu betreten, der sich im Besitz der Lancasters befindet – das Lockwood-Anwesen eingeschlossen –, werde ich persönlich dafür sorgen, dass er wegen Verschwörung gegen die Krone ins Gefängnis kommt.« Sie beugt sich vor und ihre Stimme klingt entschlossen. »Du musst wissen … dass ich alles tun werde, was nötig ist, um die Mitglieder meiner Familie zu beschützen. Ich hoffe, dass diese Maßnahmen Beweis genug sind.«

  »Das kannst du nicht tun«, flüstere ich und funkele sie hasserfüllt an. »Das kannst du nicht!«

  »Es ist bereits geschehen.«

  »Ich werde mit Linus reden!«, schnauze ich und trete vor. »Ich werde ihn dazu bringen, den Befehl rückgängig zu machen.«

  Sie lacht – sie wirft tatsächlich den Kopf in den Nacken und lacht mich aus, als wäre ich eine Marionette, deren Fäden sie in der Hand hält, während sie mich nach ihrer Pfeife tanzen lässt. »Dummes kleines Gör. Hast du wirklich gedacht, dass du ihm etwas bedeutest, nur weil er dir einen Nachmittag lang Gehör geschenkt hat? Dass er plötzlich eine Vaterfigur sein wird, nur weil er dir ein paar Bücher aufs Zimmer schickt und einen Erben braucht? Da liegst du falsch . Die einzige Person, die Linus Lancaster am Herzen liegt, ist Linus Lancaster. Du wirst schon noch selbst herausfinden, wie wenig du ihm bedeutest, sobald
eure Interessen nicht mehr übereinstimmen.«

  »Du liegst falsch«, ätze ich leise.

  »Tatsächlich?« Sie tritt noch näher an mich heran. »Die Wachen mögen sich Königsgarde nennen, aber jeder in diesem Haushalt gehorcht nur einer einzigen Person – mir . Nicht Linus, der sich mit seinen Manuskripten und seinen Notizen und seinen drolligen kleinen Teetreffen in sein Arbeitszimmer zurückzieht. Und ganz sicher nicht dir .« Sie maßregelt mich mit einem verächtlichen Schnalzen. »Nur zu. Fordere mich heraus, Kleines. Ich werde dafür sorgen, dass Owen Harding so schnell in einer königlichen Gefängniszelle landet, dass dir der Kopf schwirrt. Er wird nie wieder das Tageslicht sehen, es sei denn, ich erlaube es.«

  »So viel Macht hast du nicht.«

  »Lass es ruhig drauf ankommen«, droht sie. »Wenn du mit dieser Einschätzung falschliegst, kannst du nur dir selbst die Schuld geben.« Sie verzieht den Mund. »Oder aber … du triffst die klügere Entscheidung, indem du dich meinen Befugnissen nicht widersetzt. Du kannst dich von dieser lächerlichen Idee verabschieden, dass du aufgrund des Blutes, das durch deine Adern fließt, Anspruch auf irgendetwas anderes hast als das Leben, das du bereits kennst – in einem kleinen Haus und mit so gut wie keinen Zukunftsaussichten.«

  Plötzlich fällt es mir wie Schuppen von den Augen. Hier geht es gar nicht um Owen. Verdammt, hier geht es nicht mal um mich.

  Es geht um den Thron.

  Es geht um Macht .

  Es geht um diese Schreckschraube von Frau und all die Anstrengungen, die sie unternehmen wird, um Kontrolle über den Thron zu erhalten.

  Sie will Caerleon für sich haben , wird mir klar, und ich starre sie an. Es reicht ihr nicht, mich, ihre Kinder, ihre Angestellten oder ihren Ehemann zu manipulieren … Dieses elende Miststück will das ganze verdammte Land in Beschlag nehmen. Aber das darf nicht passieren! Sie darf nicht die Macht bekommen, das Leben von noch mehr Menschen zu kontrollieren und zu ruinieren.

  Eiserne Entschlossenheit erfüllt mich, verleiht mir Kraft und gibt mir ein neues Ziel. Auch wenn ich noch nicht genau weiß, wie ich es anstellen soll, so weiß ich doch eins mit Sicherheit: Ich werde sie aufhalten, bevor sie noch jemandem Schaden zufügen kann.

  Koste es, was es wolle.

  »Octavia«, sage ich mit einer Stimme, die ich kaum wiedererkenne. »Ich schlage vor, dass du gehst. Und zwar sofort.«

  Sie rührt sich nicht vom Fleck. Dafür genießt sie das hier viel zu sehr.

  »Verschwinde aus meinem Zimmer!«, schreie ich und spüre, wie mir meine Kontrolle entgleitet. »Du soziopathisches, narzisstisches Monster!«

  »Liebend gern.« Sie lächelt, als hätten wir gerade eine belanglose Unterhaltung geführt, dreht sich um und geht in Richtung Tür. »Die Kleideranprobe findet morgen statt. Um Punkt zwölf Uhr im großen Salon. Sei pünktlich.« An der Schwelle dreht sie sich noch einmal um. »Oder vielleicht nicht , wenn du gerne erleben möchtest, was passiert, wenn du dich meinen Anweisungen widersetzt.« Sie neigt nachdenklich den Kopf. »Owen hat zwei kleine Schwestern, nicht wahr? Bezaubernde Mädchen. Erst heute Nachmittag habe ich ein Foto von ihnen gesehen …«

  Ich atme so scharf ein, dass es sich anfühlt, als würde ein Rasiermesser von innen in meine Kehle schneiden.

  »Es wäre ein Jammer, wenn ihnen etwas zustoßen würde.«

  Der Hass, der in meinen Venen brodelt, fühlt sich heftiger an als alles, was ich je zuvor verspürt habe. Bevor ich weiß, wie mir geschieht, habe ich mich in Bewegung gesetzt – mit Tränen in den Augen und Zorn im Herzen stürme ich auf sie zu.

  »RAUS HIER!«, schreie ich so laut ich kann. Ich will ihr die Augen auskratzen. »SCHER DICH VERDAMMT NOCH MAL HIER RAUS! «

  »Gute Nacht«, erwidert sie nonchalant. Das Klappern ihrer Absätze hallt durch den Flur wie Pistolenschüsse. »Träum was Schönes.«

  Ich warte, bis sie außer Sichtweite ist. Dann drehe ich mich mit einem wütenden Brüllen um und schlage mit der ganzen Kraft, die ich besitze, gegen meine Tür. Ich lege all meine Wut in diesen Schlag – und breche mir dabei beinahe die Hand.

  »Verdammt!«, jaule ich, sacke auf den Fußboden und presse meine schmerzenden Finger an meine Brust. Ich lehne mich gegen die Tür zu meinem Zimmer, während Tränen über mein Gesicht strömen. Vor lauter Schmerz und Frustration bekomme ich kaum noch Luft. Octavias Drohungen hallen immer noch in meinem Kopf wider, als ich höre, wie die Tür direkt gegenüber meiner aufschwingt.

  Carter steht im Durchgang. Sein dunkles Haar ist vom Schlaf zerzaust, und er schaut mit besorgter Miene auf mich herunter. Er muss meine Schreie gehört haben und ist aus seinem Zimmer gekommen, um nachzusehen, was los ist. Ich hole tief Luft, doch es hat nichts mit meinen schmerzenden Fingerknöcheln zu tun, denn ich stelle fest, dass er barfuß ist und kein Hemd, sondern lediglich eine graue Jogginghose trägt, die tief auf seinen Hüften sitzt. Mein Mund wird ganz trocken, als ich seine Bauchmuskeln betrachte – ein perfekt gemeißelter Waschbrettbauch mit einem Streifen aus Haaren, der von seinem Bauchnabel immer tiefer nach unten führt …

  Gütiger Gott.

  Er kommt auf mich zu und macht nach zwei Schritten halt. Seine Miene verändert sich so schnell, dass ich all die Emotionen, die über sein Gesicht huschen, kaum ausmachen kann – Mitleid , Sorge , Begehren , Wut , Angst , Abscheu . Schließlich setzt er eine undurchschaubare Maske auf. Er macht einen Schritt zurück, woraufhin er mit dem Rücken gegen den Rahmen seiner Tür prallt. Für einen Augenblick denke ich, dass er wieder in seinem Schlafzimmer verschwinden wird, ohne ein Wort zu sagen. Und so bin ich vollkommen verblüfft, als er sich stattdessen auf den Boden sinken lässt, sodass er mir gegenübersitzt, seine langen Beine vor sich auf dem harten Boden des Flurs ausgestreckt.

  Er sagt kein Wort.

  Ich auch nicht.

  Wir sitzen einfach da – ich umklammere meine schmerzende Hand, er starrt mich an, als könnte er sich nicht entscheiden, ob er mich an seine Brust drücken oder mir die Tür vor der Nase zuschlagen will. Ich wische mir die Tränen von den Wangen. Doch es hat keinen Zweck, denn sobald ich meine verletzte Hand bewege, füllen sich meine Augen erneut mit Tränen.

  Verdammt, das tut weh.

  Carter räuspert sich. »Du solltest das besser kühlen.«

  Ich schaue zu ihm hoch und stelle fest, dass er im schummrigen Licht des Flurs eingehend meine Gesichtszüge betrachtet.

  »Es geht mir gut.«

  Er zuckt gleichgültig mit den Schultern.

  »Es war dumm«, murmle ich nach einer Weile. »Eigentlich weiß ich, dass es nichts bringt, seine Wut an Gegenständen auszulassen.«

  »Tja, Octavia hat diese Wirkung auf andere Menschen.« Er holt tief Luft, was dafür sorgt, dass sich seine Brustmuskeln zusammenziehen. Dann fährt er mit einer Hand durch sein Haar. »Als Teenager schlug ich in Hightower so viele Löcher in die Wände, dass man meine Gemächer als Gipssuite bezeichnete.« Er hält inne. »Weil die Handwerker …«

  »Ständig den Putz an deinen Wänden ausflickten«, murmle ich und spüre, wie ein Lächeln an einem meiner Mundwinkel zupft. »Volltreffer. «

  Er zieht die Augen zusammen und schaut mir direkt ins Gesicht. »Worum ging es bei dem Streit?«

  Ich starre auf seine nackten Füße. Aus irgendeinem Grund hat ihr Anblick auf mich eine noch hypnotischere Wirkung als der seiner Bauchmuskeln. Der adonishafte Lord Carter Thorne, ganz ohne seine perfekte maßgeschneiderte Anzughose und seine auf Hochglanz polierten Schuhe. Am Ende ist er doch nur ein einfacher Sterblicher.

  »Emilia?«

  Ich richte den Blick wieder auf sein Gesicht und kämpfe gegen die Röte an, die mir in die Wangen steigt. »Oh, das war nur eine ganz gewöhnliche Unterhaltung zwischen einer Frau und ihrer neuen Stiefmutter voll kaum verhüllter Drohungen, politischer Manöver und unverblümter Doppelzüngigkeit. Du weißt schon, das Übliche.«

  Er schnaubt leise. »Kommt mir bekannt vor.«

  Wir verfallen wieder in Schweigen und betrachten einander einfach nur. Im Flur ist es so still, dass ich jeden seiner gleichmäßigen Atemzüge hören kann. Ich strecke die Beine aus und versuche, eine bequemere Position einzunehme
n.

  »Owen«, sage ich schließlich.

  Er versteift sich.

  »Sie hat gedroht, Owen in Schwierigkeiten zu bringen.« Ich schlucke schwer. »Ich weiß, dass dich das nicht besonders interessieren wird, weil ihr beide euch letztens nicht gerade … gut verstanden habt.«

  Er brummt zustimmend.

  »Aber er ist mein bester Freund. Und jetzt …« Ich blinzle Tränen weg. »Sie hat Fotos von ihm auf einer Kundgebung gegen die Monarchie, die letzten Herbst auf dem Campus stattfand. Sie hat durchblicken lassen, dass … Nun ja, dass sie das Ganze sehr viel mehr aufbauschen kann. So als wäre er Mitg lied einer radikalen Splittergruppe, die die Monarchie im Visier hat.«

  »Ich kann nicht behaupten, dass es mich überraschen würde, wenn das tatsächlich so wäre, wenn man bedenkt, wie er über mich und Chloe gesprochen hat.«

  »Aber es ist nicht wahr!«, rufe ich, während mich erneut Wut überkommt. »Es ist nur …«

  »Octavia, die versucht, dich zu kontrollieren.«

  »Ja. Was ich absolut nicht verstehe. Selbst wenn ich meine Rolle je annehmen würde – was längst noch nicht entschieden ist –, wird sie die Königin sein. Sie steht in der Rangordnung über mir.«

  »Im Augenblick.«

  Ich ziehe die Augenbrauen hoch.

  Er fährt sich erneut mit einer Hand durch sein Haar. »Du hast königliches Blut. Sie hat ihren Status nur durch Heirat erhalten. Wenn sie Königin wird, wird es in erster Linie ein symbolischer Titel sein. Eine Königsgemahlin ist nicht das Gleiche wie eine amtierende Königin.«

  »Das ist mir klar.«

  »Glaub mir, ihr ist das auch klar. Sie weiß, dass sie hier nichts mehr zu melden hat, sobald Linus tot ist.« Der Blick seiner blauen Augen ist eindringlich. »Und Linus ist nicht mehr jung. Was bedeutet, dass nach seinem Tod nur eine Person übrig bleibt, die Anspruch auf den Thron hat.«

  »Ich«, murmle ich leise.

  »Du«, bestätigt er.

  Während wir einander anschauen, baut sich in der Luft zwischen uns wieder diese Anspannung auf, diese unausweichliche Elektrizität, die zwischen ihm und mir hin und her zuckt. Er ist ein paar Schritte von mir entfernt, aber ich schwöre, dass ich förmlich spüren kann, wie seine Wärme meine Haut berührt .

 

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