Enttäuscht blickte Hylei auf. Sie sah aufs Lager. Anschließend hinter sich, nach Atensul. Sie versuchte die anderen auszumachen. Sie konnte nicht alle auf den ersten Blick sehen, aber die, die sie sehen konnten, schienen genauso erstaunt zu sein, wie sie.
Schließlich bemerkte sie eine Bewegung im Lager. Eine einzelne Person bewegte sich noch zwischen den Zelten. Es war der Mann, den die beiden Priester gefoltert hatten. Wie er sich hatte befreien können, wusste Hylei nicht, aber offensichtlich war es ihm gelungen. Er ließ seinen Blick über den Wald streifen, bis er schließlich bei der Stelle, an der Pej gefallen war, verharrte. Zielgerichteter als zuvor lenkte er seine Schritte jetzt dorthin. Seine Füße fielen schwer auf den Boden und sein Rücken war von Schmerz und Erschöpfung gebeugt.
Schnell gab Hylei Handzeichen, dass Atensul und Martei die Umgebung sichern sollten. Im nu waren die beiden im Unterholz verschwunden. Sie selbst lief mit Rachul durch das Lager hinüber zu Michkul und Uen. Yari konnte sie immer noch nicht entdecken.
Als sie etwa zur Hälfte hindurchgelaufen waren, sah der Mensch endlich die beiden Feenlinge, die noch bei Pejs Leiche im Gebüsch warteten und inzwischen nur noch wenige Schritte von ihm entfernt waren. Er blieb stehen und erhob die Hand zum Gruß. Michkul und Uen starrten ihn nur an. Michkul fand nur selten Worte, und Uen waren sie durch den Tod ihres Bruders geraubt. Ruckartig lenkten sie ihre Blicke auf ihre Anführerin und Rachul, die ebenfalls auf sie zukamen. Als der Fremde bemerkte, dass er nicht mehr das Zentrum ihrer Aufmerksamkeit war, drehte er sich um. So konnte Hylei zum ersten Mal sein Gesicht erkennen. Er sah nicht besonders gut aus, selbst wenn man berücksichtigte, dass der blutige Schweiß seine Gesichtszüge verzerrte. Sein dunkles Haar hing in fettigen Strähnen bis zu seinem Kinn und umrandete das plumpe Gesicht. Er war nicht dick, aber wäre er es gewesen, sein Gesicht und sein Hals hätten keinen Platz mehr auf den Schultern gefunden. Sein Mund war wulstig und Hylei war sich nicht sicher, ob sich der Humor oder mehr die Lust an den schönen Dingen des Lebens in ihn hineingegraben hatten. Seine Augen waren klein. Aber Hylei war froh darüber, dass sie nicht größer waren, denn sie befürchte, dass sonst die scharfe Intelligenz dieser Augen aus ihnen herausgesprungen wäre, um jeden, der ihnen begegnete, anzufallen.
Hylei blieb einige Schritte von ihm entfernt stehen und fasste ihre Axt fester. Rachul blieb hinter ihr und deutete die Spitze seines Speeres auf den Fremden. Jener drehte seinen Kopf hin und her.
Nach ein paar weiteren schnellen Blicken verbeugte sich der Mann in Hyleis Richtung. Dabei entging ihr nicht sein selbstsicheres Lächeln. Sie konnte nicht begreifen, was er in dieser Situation zu lachen finden konnte, ab falls er wirklich derjenige war, der die Soldaten verbrannt hatte, dann hatte er Grund zur Selbstsicherheit.
"Ich bin Meister Thrael, Magister des Feuers und Lehrmeister von Meistern. Und ich bin euch zu Dank für meine Rettung verpflichtet." Die höfliche, aber auch überzogene Art des Mannes reizte Hylei. Sie fühlte sich nicht ernst genommen. Und vor allem empfand sie es als Unwürdig, dass sich der Mann ihnen gegenüber herablassend verhielt, nachdem sie gerade einen ihrer Freunde verloren hatten. Ihre Stimme war hart, als sie antwortete.
"An deiner Rettung lag uns nichts."
"Trotzdem muss ich euch danken, gleich, ob meine Rettung gewollt war, oder nicht."
"Warst du das mit den verbrannten Soldaten?"
"Und wenn ich es war? Erweist ihr mir dann mehr Freundlichkeit und nennt mir euren Namen?"
"Dann würdest du unsere Namen erst recht nicht erfahren."
"Ah, klug gedacht. Es ist erstaunlich, dass in der Welt so wenig von der Magie bekannt ist, jeder jedoch die Macht der Namen kennt. Ja, ich habe die Soldaten verbrannt. Es war mir sozusagen eine Freude, die Leute zu bestrafen, die mich gefangen genommen haben, nachdem ihr mir bereits die Möglichkeit genommen hattet, den ehrwürdigen Bruder Ilor zu töten."
Hylei war verdutzt. Sie war es nicht gewohnt, mit Menschen zu sprechen, die, wenn sie von vier bewaffneten Feenlingen umringt wurden, sich immer noch so verhielten, als wenn ihnen nichts geschehen könnte. Schlimmer noch, Thrael schien nicht einmal einen Gedanken daran zu verschwenden, dass ihm etwas geschehen könnte. Vielmehr machte er den Eindruck, die Situation vollkommen unter Kontrolle zu haben.
Michkul hatte bei den letzten Worten seine Haltung verändert und er glich jetzt wieder einer Stachelspinne, deren Stachel darauf wartete, zuzustechen. Auch Uen war kampfbereit und Hylei konnte an der Speerspitze neben ihr erkennen, dass Rachul ebenfalls am liebsten gleich zugestoßen hätte. Thrael fuhr unbeeindruckt fort.
"Es scheint mir, dass ich euch etwas schuldig bin."
"Es gibt nichts, was uns ein Mensch geben könnte."
"Ich glaube schon, dass ich etwas für euch hätte. Seht ihr, uns Magiern geht es ähnlich wie euch Feenlingen. Auch wir werden von den Priestern Veshtajoshs verfolgt. Und da wäre es doch nur vernünftig, wenn wir uns gegenseitig helfen würden."
"Wie ich schon sagte, es gibt nichts, was uns ein Mensch geben könnte. Wir wollen nur in Ruhe gelassen werden von euch."
"Und ich kann euch vielleicht die Möglichkeit geben, dass man euch niemals finden wird. Ich biete euch an, euch ein wenig Magie beizubringen."
Hylei schwieg für einen Moment. Magie! Daran hatte sie noch nie gedacht. Magie wäre die Waffe, die sie bräuchten, um endlich ohne Furcht vor der Entdeckung leben zu können. Es war ein sehr verlockendes Angebot, wenn es ehrlich gemeint war. Ihre Gedanken überschlugen sich. Dennoch störte Hylei etwas.
"Wir wollen nichts von euch, warum wollt ihr uns unbedingt etwas geben?"
Thrael lächelte.
"Da habt ihr mich ertappt. Ich bin sehr an euch interessiert. Man bekommt nur selten Feenlinge zu Gesicht aber ich brauche nicht einmal einen Zauber zu wirken, um zu sehen, dass ihr über ein größeres Talent für die Magie verfügt, als jeder Mensch, dem ich jemals begegnet bin. Es wäre einfach eine Schande, so viel Talent verkümmern zu lassen."
In diesem Moment kam Atensul mit ernstem Gesicht aus einem Gebüsch zu Hyleis Rechten. Thrael folgte Hyleis Blick und betrachtete den Neuankömmling interessiert. Atensul ging geradewegs zu seiner Anführerin und flüsterte ihr ins Ohr: "Yari."
Sie sahen sich in die Augen. Hylei konnte nur mühsam Furcht und Trauer aus ihrem Gesicht verbannen. Mit aller Festigkeit, die sie noch mustern konnte, befahl sie den drei anderen, den Magier zu bewachen, während sie und Atensul zu der Stelle hinübergingen, an der Yari lag. Als sie näher kamen, konnte sie das Blut sehen, dass über die Blätter um sie herum verspritzt worden war. Hylei kümmerte sich nicht darum. Sie kniete neben der Leiche nieder. Von anderen Gelegenheiten wusste sie, dass Kopfwunden stark bluteten. Die Erde um Yaris Oberkörper war in einem weiten Kreis dunkelrot eingefärbt. Ihre rechte Gesichtshälfte lag dem Boden zugewandt. Erst als Hylei ihren Kopf drehte, um die Augen zu schließen, sah sie die Wunde dort, wo zuvor ihr rechtes Auge gewesen war. Hylei schloss das verbliebene Auge, damit es sie nicht mehr anstarrte. Sie ahnte, dass sie dieses Bild noch oft in ihren Träumen verfolgen würde. Auch an Pejs Körper würde sie sich erinnern, aber Yari würde sie immer so ansehen, als wenn sie ihr die Schuld für ihren Tod geben wollte.
Eine einzelne Träne rann über Hyleis Wange. Mit einer hastigen Handbewegung wischte sie sie weg. Sie hielt ihren Kopf gesenkt. Ihre Gedanken brandeten gegeneinander. Auf der einen Seite versuchten ihr Verantwortungsbewusstsein und ihre Erfahrung als Bandenführerin ihre Aufmerksamkeit zu erringen, auf der anderen Seite ihre Schuldgefühle, ihre Trauer und ihr Todeswunsch. Aber keiner dieser Gedanken war stark genug, um sich vollständig denken zu lassen. Nur eins wusste sie in diesem Moment, dass sie sich am liebsten neben die Tote gelegt hätte, um dort für alle Zeit liegen zu bleiben. Aber am Ende konnte sie sich nicht einmal dazu durchringen.
"Martei und ich haben die Gegend erkundet und Martei hält weiterhin Wache, falls die Soldaten zurückkehren sollten."
Atensul wartete. Er meinte nachempfinden zu können, was Hylei jetzt durchmachte. Auch er hatte in seiner Zeit als Bandenführer Bandenmitglieder verloren. Man machte sich immer Vorwürfe, ob
man nicht ihren Tod hätte doch verhindern können. Trotzdem musste man weiter die Bande anführen und für die anderen stark sein. Darüber hinaus war er sich sicher, dass Hylei auch darunter litt, dass ihr eigensinniger und dummer Befehl schließlich zu diesen Toden geführt hatte. Atensul wusste sogar um Hyleis Todeswunsch, auch wenn er es niemals zugegeben hätte.
Dennoch hatte er keine Ahnung davon, was wirklich in ihr vorging.
"Was sollen wir jetzt machen, Hylei?"
Die Anführerin schreckte hoch und blickte ihn an. "Die beiden müssen begraben werden. Danach muss die Bande zurück in die Stadt und dem Rat Bericht erstattet werden." Ihre Stimme war wieder stark, auch wenn ihre Augen rot und ihre Lippen schmal blieben. "Ich werde die Bande verlassen. Ihr seid besser ohne mich dran."
"Nein, nein, nein. So einfach stiehlst du dich nicht aus der Verantwortung. Du bist die Anführerin, und deshalb wirst du uns weiter anführen, bis wir vorm Rat stehen." Atensuls Stimme war leise aber nachdrücklich und er machte einen Schritt auf sie zu.
"Ich werde nicht mit zurückgehen."
"Was?"
"Ich werde nicht mit zurückgehen. Ich gehöre nicht in die Stadt oder zu den anderen Feenlingen. Ich bin eine Gefahr für euch."
"Natürlich gehörst du zu uns ..."
"... schon weil ich ein Feenling bin? Du hättest mich damals sterben lassen sollen, dann wären Pej und Yari nicht tot. Das wäre ein Tausch gewesen, der sich gelohnt hätte. Und jetzt wirst du nicht einmal mehr auf mich aufpassen können." Hylei meinte ein kurzes Aufflackern von Furcht in Atensuls Augen gesehen zu haben, bevor er ihr antwortete.
"Du kannst nicht allein da hinaus. Man wird dich umbringen oder sogar foltern und dann wirst du die Stadt preisgeben." Seine rechte Hand griff nach ihr und faste sie an der Schulter. "Du weißt, dass ich dich nicht so einfach gehen lassen kann." Hylei wandte sich aus dem Griff.
"Und was willst du tun? Mich töten?" Mit einem Schritt brachte sie sich aus Atensul Reichweite und sah ihn an. "Oder willst du mich fesseln und den ganzen Weg zurückschleppen? Ich werde nicht allein sein und ich denke, dass ich sicher sein werde."
Atensul zögerte, er konnte nicht glauben, was er da hörte.
"Soll das heißen, dass du mit dem Menschen gehen willst?"
"Er kann mir viel beibringen. Und vielleicht kehre ich dann auch irgendwann in die Stadt zurück, um mein Wissen an andere weiterzugeben."
"Ich kann dich nicht gehen lassen."
"Warum? In der Stadt erwartet mich nur Erniedrigung. Ich dürfte nicht mehr auf die Jagd. Und vor allem würde ich nie mehr eine Bande führen können. Was soll ich in der Stadt?" In Gedanken fügte sie noch hinzu: "Warum sollte ich weiterhin mit euch Feenlingen zusammen sein, ich gehöre doch sowieso nicht dazu?"
Sie sah Atensul noch einmal in die Augen. Dann drehte sie sich um und ging zu Thrael zurück.
*
Die letzten vier Wochen waren gleichsam schnell und auch langsam für Ohnfeder vergangen. Die Tage waren aufregend wie wenige in ihrem Leben. Wenn sie morgens aufwachte, warf sie zuerst immer einen Blick auf den Hof hinaus, um zu sehen, ob ihre beiden Gäste schon für Unterhaltung sorgten. Denn immer neue Spiele hatte sich Shaljel für Streiter ausgedacht, die jener nach bestem können ausführte. Es hatte gedauert, bis Ohnfeder begriffen hatte, dass der große Wolf behänder und stärker war, als es bei diesen Spielen den Eindruck machte. Denn Shaljel war ein gemeiner Lehrmeister, der seinen Schüler immer nur Übungen machen ließ, die schwieriger waren, als alles, was er bisher vermochte. Daher waren die Übungen zumindest für alle, mit Ausnahme des Chuors, sehr lustig. Schließlich amüsiert nur wenig die Wesen der Welt so sehr, wie die Missgeschicke anderer, vor allem, wenn der andere so viel größer war. Streiter stolperte durch Parcours, die Shaljel für ihn aufgestellt hatte. Er ließ sich von Geschossen treffen, die von Shaljel geworfen wurden. Und er hackte an Zielen vorbei, die Shaljel in seinen Weg stellte.
Manchmal jedoch konnte Ohnfeder durch diese Tollpatschigkeit die Härte, Gewandtheit und Gefährlichkeit des Wolfskriegers sehen, vor allem wenn er früh am Morgen die gewaltige Kieferaxt noch locker gegen die Pfähle schwang, die er und Shaljel im Hof in die Erde gerammt hatten.
Aber nicht nur die Übungen des Chuor waren kurzweilig, auch sein ganzes Wesen und seine Andersartigkeit sorgten für viel Abwechslung in Ohnfeders Leben. Er war immer so höflich und zurückhaltend, doch ab und zu wusste er einige kluge und sogar ironische Dinge mit seinem eigenwilligen Akzent zu sagen. Und dann geschah es sogar, dass derjenige, der für die meiste Abwechslung und den größten Unsinn sorgte, für einen winzig kleinen Augenblick verstummte.
Hatte Ohnfeder ihren alten Freund an den wenigen Abenden, an denen er bei ihr zu Besuch gewesen war, schon für einen interessanten Erzähler und einen wundervollen Gesprächspartner gehalten, so war es kaum noch zu glauben, wie viele Geschichten er tatsächlich zu erzählen hatte. Sie konnten zwar nicht alle wahr sein, denn niemand konnte dies alles in einem Leben erlebt haben, aber fesselnd waren die Geschichten nichtsdestotrotz.
Zu all der Kurzweil trugen auch die Besucher bei, die sich nach etwa zwei Wochen sogar aus den Gebüschen trauten. Zuerst kamen nur die Alten und Besorgten, die mit ihrer gerechten Empörung über den Verstoß gegen jegliche Regeln für einige laute Worte, aber auch viel Gelächter Shaljels sorgten. Als nächstes waren Kinder aufgetaucht, die sich wohl den Chuor einmal hatten ansehen wollen. Sie waren im oder zumindest nahe bei den Büschen geblieben und immer, wenn sich Streiter genähert hatte, schreiend weggerannt. Auch Shaljel konnte die Kinder zum Weglaufen bringen, bei allen schaffte er es jedoch nie.
Langsam jedoch wurden die Tage, wenn Ohnfeder an die vielen Gespräche dachte, die sie mit ihren Nachbarn hatte führen müssen. Dabei hatte sich die Tonart, mit der man ihr und ihren beiden Gästen begegnet war, immer wieder geändert. Zuerst waren wütende Worte gesprochen worden, voller Sorge um den Bruch der Gesetze und um die eigene Sicherheit. Vor allem waren die Nachbarn und später die Ältesten besonders um Shaljels Ankündigung - oder war es eine Drohung? - besorgt, dass noch mehr Fremde kommen würden, besonders, da es sich um Menschen handeln sollte. Nebenbei war immerhin inzwischen auch herausgekommen, dass nicht nur einer, sondern gleich drei zu Ohnfeder kommen würden. Überraschenderweise hatte sich Erlfäller auf Ohnfeders Seite geschlagen und ihnen so vermutlich einige unangenehme Gespräche erspart. Erlfäller war seit dem denkwürdigen Abend des ersten Besuchs immer wieder zu Ohnfeders Hof gekommen, um mit Shaljel über religiöse Belange zu sprechen. Manchmal brachte er sogar seine Frau und Kinder mit. Diese Abende wurden sehr laut, aber am Ende ging Erlfäller immer mit in Denkfalten gelegter Stirn nach Hause, ohne einen Groll gegen Shaljel zu hegen.
Nachdem die Ältesten festgestellt hatten, dass sie mit ihrer Wut über den Bruch der Gesetze an Shaljels Witz und Sturheit abprallten und Ohnfeder mit diesen Belangen gar nicht erreichen konnten, versuchten sie die Moral der beiden anzusprechen. Schließlich war es, wenn schon nicht verboten, doch immerhin sehr ungehörig, dass eine Witwe mit einem jüngeren, unverheirateten Mann alleine in einem Haus zusammenlebte, ohne dass sie sich der Gemeinschaft erklärt hatten. Unglücklicherweise hatten die vielen Beobachter schnell mitbekommen, dass Streiter immer draußen schlief, Shaljel jedoch ab und zu im Haus. Ohnfeder hätte alles getan, um dieses Gerücht im Keim zu ersticken. Deswegen bekam Shaljel nach den ersten Beschwerden striktes Hausverbot für die Zeit nach Einbruch der Dunkelheit. Ohnfeders Gäste schliefen daraufhin jedoch nur noch einmal bei den Onren, denn schon am folgenden Abend stand eine neue Hütte auf dem Hof. Shaljel hatte sein Programm für Streiter nur leicht abändern müssen, und schon war aus dem Holzhacken für das Herdfeuer der nächsten drei Jahre ein Holzhacken für den Bau eines Hauses geworden. Die Pfähle, die Streiter für sein Waffentraining versenken musste, standen diesmal etwas symmetrischer. Und für die Geschicklichkeitsübungen wurden Waffen durch Handwerksgeräte ersetzt.
Natürlich war das Haus nicht perfekt. Die Fenster und der Eingang waren schief, der Boden nur mit Laub bedeckt. Aber es dauerte nicht lang, da hatten sie sich sogar eine kleine Einrichtung organisi
ert, obwohl Ohnfeder gestehen musste, dass sie nicht ganz begriff, wonach sie diese ausgesucht hatten. Es gab einen Tisch, und ein paar Stühle, aber immer, wenn sie die beiden in ihrer Hütte besuchte, saßen sie auf der Erde. Betten hatten sie sich nicht hingestellt, aber nach und nach den Boden ausgebaut und Matten geflochten. Von den Matten jedoch war immer nur eine in Benutzung, und Ohnfeder hatte eine starke Vermutung, wer von den beiden auf der Erde schlief.
Der Bau der Hütte hatte erneut zu vielen Besuchern geführt, die sich das wunderliche Gebäude ansehen wollten. Aber auch die Hüter der Tugend und Gesetze kehrten schon bald zurück. Diesmal wurden Bedenken über die Belastung geäußert, die Ohnfeder ohne Zweifel durch die ständigen Gäste erfahren musste. Nachdem sie darauf geantwortet hatte, dass sie durch die beiden besser versorgt sei, als all die Jahre zuvor, warfen die alten Männer ein, dass ihr Ansehen unter den Nachbarn sehr gelitten hätte. Ohnfeder hatte gelächelt und hatte ihnen von der großen Aufmerksamkeit berichtet, die sie seit geraumer Zeit erfuhr. Mehr als jemals zuvor.
Und so war es weitergegangen. Sie warfen ihr alles vor, nur um sie endlich dazu zu bringen, ihr unrecht einzusehen … Ohnfeder jedoch war so gelöst, dass ihr auf jeden Vorwurf eine Antwort einfiel. Sie hatte zu diesem Zeitpunkt lange genug mit Shaljel gesprochen und ihm zugehört, um zu wissen, wie sie mit den Dränglern umzugehen hatte. Erst als sie sie darauf hinwiesen, dass sie auch eine Verantwortung gegenüber den Zurückgebliebenen hätte, fiel ihr nichts mehr ein und sie blieb still. Auch die Ältesten waren für einen Moment still geblieben, hatten aber schnell ihre Chance erkannt. Ein wahrer Schwall an Vorwürfen und Gezeter hatte sich daraufhin über sie ergossen, den sie nur hatte ertragen können, weil Shaljel just in diesem Augenblick nach dem Abendessen gerufen hatte.
Feen Buch 1: Der Weg nach Imanahm Page 17