Feen Buch 1: Der Weg nach Imanahm
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„Ich weiß nicht. Irgendwie ... Na, dass wir hierher reiten, den Eingang finden und die Teufelsanbeter töten.”
„Aber genau das tun wir doch gerade.” Owithir musste schmunzeln. Er wusste genau, worauf der Akolyth hinaus wollte. Aber er wusste auch, dass die Suche der angenehmere Teil war. Er hatte schon zu oft gesehen, was es bedeutete, Teufelsanbeter zu töten, obwohl es auch für ihn das erste Mal war, dass es so viele auf einmal sein würden.
„Aber wir finden den Eingang einfach nicht.”
„Ich weiß, das Warten ist aufreibend. Nimm’s dir nicht so zu Herzen. Wir werden schon bald etwas finden. Ich denke ...”
In diesem Moment standen die beiden Inquisitoren von ihren Plätzen auf, um sich zu ihm zu begeben. Obwohl er immer vermied in ihre Richtung zu blicken, wusste er ganz genau, dass sie zu ihm wollten, und was sie vorhatten ihm zu befehlen. Genaugenommen stand es ihnen nicht zu, ihm etwas zu befehlen, war er ihnen von seinem eigenem eigenen Hohen Priester für diese Mission gleichgestellt worden, aber bisher hatte er sich nie dagegen gewährt. Mit dem neuen Bewusstsein um seine Stärke ihnen gegenüber und mit dem Funken Hoffnung wollte er ihnen diesmal jedoch den Wind aus den Segeln nehmen.
Er drehte langsam den Kopf zu ihnen hin und Beobachtete, wie sie hoch aufgerichtet, stolz und ehrfurchtgebietend auf ihn zu schritten.
„Ah, ich sehe, dass ihr genau denselben Gedanken gehabt habt, wie ich und mich daher darum bitten möchtet, dass ich den Spähern die Arbeit abnehme.”
Asandarun fing sich bedeutend besser als Jurgandiha, aber bei beiden konnte Owithir sehen, wie die Farbe das Gesicht verließ.
„Ich denke, ich werde allerdings nicht noch zwei der Späher mitnehmen, um in ein Haus einzubrechen und dort die Bewohner zu befragen.” Er hatte gerade erst diesen Gedanken bei Asandarun gelesen, genoss es jedoch, seinen Schrecken zu spüren, als jener sich darüber klar wurde.
„Ich werde stattdessen meditieren und auf die Führung der Götter vertrauen, die meinen Geist durch die Wildnis leiten werden, auf dass ich die Teufelsanbeter finden mag.”
„Gut, das ist vermutlich auch weniger auffällig. Mach das.”
„Ja, das werde ich, Dazu brauche ich jedoch viel Ruhe wahrscheinlich ist es besser, wenn ich mich vom Lager entferne, damit mich niemand stört. Kommst du Traldanka?” Damit stand auch Owithir auf und wandte sich mit seinem ganzen Körper den beiden Inquisitoren zu. Plötzlich stellte er fest, dass sie gar nicht so groß waren, wie er immer gedacht hatte. Oder vielleicht war er auch gewachsen.
Ohne sich zu verabschieden ging Owithir in Richtung des Dorfes, da er vermutete, dass das Versteck der Zauberer näher am Dorf liegen musste als das Lager der Priester. Traldanka folgte ihm, nachdem er sich noch mit gehörigem Respekt vor seinem Meister verbeugt hatte. Er war jetzt wieder etwas ängstlicher gegenüber Owithir, wagte aber nicht, der Anweisung zu widersprechen.
„Du brauchst keine Angst zu haben. Ich werde deine Gedanken nicht lesen und habe es bisher auch nicht getan. Aber bei deinem Meister und Meister Asandarun brauche ich mich nicht einmal anzustrengen, so sehr senden sie ihre Gedanken hinaus. Sie sind wohl der Meinung, dass ihre Überlegungen genauso wichtig sind, wie sie selbst.”
Ein unvorsichtiger Satz, aber Owithir fühlte sich, als wenn wirklich der Gott in ihn gefahren wäre, so wie man sich oft fühlt, wenn man einen selbstgewählten Konflikt mit fliegenden Fahnen gewonnen hat.
„Ist schon gut. Ich glaube euch. Aber ich habe Meister Jurgandiha noch niemals so ... ich weiß nicht ...”
„Verunsichert?”
„... ängstlich gesehen. Er hatte wirklich Angst vor euch. Ihr wart immer so zurückhaltend, habt eure Gabe niemals erwähnt. Aber jetzt habt ihr sie nicht nur verwendet, sondern sie sogar damit bedroht.”
„Ich habe sie nicht bedroht.”
„Sie fühlen sich aber bedroht, denke ich. Ich würde es, wenn ihr meine Gedanken gelesen hättet.”
„Du magst Recht haben, aber ich glaube, dass es ein Gefühl ist, dass sie viel zu selten spüren, und dass sie nur zu gern in anderen hervorrufen. Sie wollten mich genau um das bitten, was sie jetzt gerade am eigenen Leib erfahren haben und ich bin schließlich genau dazu hierhergekommen. Aber jetzt muss ich tatsächlich meditieren.”
Er setzte sich auf einen umgefallenen Stamm, nachdem er ihn mit dem Ärmel seines Überwurfes abgewedelt hatte.
„Ich bin mir nicht einmal sicher, ob ich es schaffen werde. Ich habe es bisher nur ein paar Mal in meiner Zelle versucht um rechtzeitig zu spüren, wann sie mich in die Befragungskammern holen wollten. Es hat aber nicht immer geklappt.”
Er stand noch einmal auf und betrachtete den Boden vor dem Baum.
„Ich glaube, es ist besser, wenn ich mich davor setze. Dann kann ich wenigstens nicht runterfallen.”
Owithir lachte ein wenig vor sich hin. Er wusste, dass er dringend ruhiger werden musste, aber das Gefühl, der Macht, das er für ein paar Sätze gespürt hatte, wirbelte immer noch durch seinen Geist. Nur mühsam konnte er seine Gedanken klären. Schließlich lehnte er sich zurück und begann zu beten, immer wieder dasselbe kurze gebet: „Aemavheas Gott über Leben und Tod, lenke mich.” Er hatte es gute zwanzig Mal gesprochen, als er endlich das Ziehen spürte, welches das Kommen von Aemavheas Macht ankündigte. Er schloss die Augen und sah dennoch: Traldanka, wie er vor ihm kniete, als ängstliches, kleines, blaues Licht, die Inquisitoren, der eine sitzend, der andere umhergehend, als rote und giftgrüne kräftige Leuchten. Einige Bewaffnete standen Wache oder liefen herum, aber sie interessierten Owithir nicht.
Immer weiter sah er sich um. Es war nicht leicht, durch die Augen Aemavheas zu blicken und hier draußen noch viel weniger. Im Tempel blickte er nur auf Räume und Gänge, die er Tag für Tag entlang ging, sah nur Menschen, die er immer wieder auch persönlich traf. Hier jedoch war so viel Leben ...
Die Bäume waren verwirrend, mit ihrem grünen Fließen. Aber die kleinen Bewegungen überall, die Tiere, an jedem Blatt, unter jedem Stein, in der Rinde, im Gebüsch. Er hatte gewusst, dass es überall Leben gab, wenn man nur danach suchte, aber dieses Krabbeln und Toben war beinahe zu viel für seinen kleinen Verstand und er wusste, dass die Demut, die er die ganze Zeit ob seiner Gabe gespürt hatte, ihm besser zu Gesicht stand als der Hochmut der letzten Minuten. Eine Zeit lang saß er nur da und blickte in ein Gebüsch mit allem, was sich darin bewegte, bis einer der Wächter durch seinen geistigen Sichtkreis schritt. Erst in diesem Moment konnte er sich losreißen und seine Gedanken weiter wandern lassen. Immer im Kreis versuchte er sich um den Punkt zu bewegen, wo er seinen Körper zurückgelassen hatte. Und bei jedem Umlauf ein wenig weiter nach außen. Es gelang ihm nicht besonders gut, denn er bemerkte mehrfach, dass er Stellen wiedersah, die er schon einmal besucht hatte. Es dauerte sehr lange und mit jedem Umlauf länger. Nach dem zehnten entschloss er sich, seine Strategie zu ändern. Er hätte sich gerne erst einmal ausgeruht, sah jedoch davon ab, da er fürchtete, dass Aemavheas seine Gabe nicht so leicht ein zweites Mal gewähren würde.
Er kam zu seinem Ausgangspunkt zurück und betrachtete sich einen Augenblick. Der Kopf war nach hinten und etwas zur Seite gekippt, die Arme hingen leblos herunter. Etwas Speichel rann sein Kinn herunter. Insgesamt kein sehr erfreulicher Anblick, aber er hatte sich noch nie besonders schön gefunden. Wenigstens waren die Haare noch recht kurz, auch wenn es Zeit wurde, sie wieder zu stutzen.
Als er sich abwandte, zuckte sein Körper einmal kurz und er sah wie sich Traldanka zu ihm herunterbückte. Owithir ging in Richtung des Dorfes. Er hatte sich schon mehrfach gefragt, ob er wirklich gehen musste, oder ob er auch fliegen könnte, oder wenigstens schweben. Nachdem er jetzt jedoch schon so lange durch die Augen des Gottes sah, wollte er nicht noch einmal übermütig werden. Vielleicht ein anderes Mal.
Als er am Dorf angelangt war, ging er erst einmal zu Imnes Hütte. Er wusste genau, wo sie war, so wie er wusste, wie seine Frau aussah, seine Kinder hießen oder wann sich das kleinste, Tali, den Finger gebrochen hatte. Es war erstaunlich, welche Gedanken Imne in seinem Tod noch durch den Kopf geschossen waren.
Vor der Tür blieb er stehen. Er hätte in dies
em Zustand einfach hindurch gehen können. Aber er war sich plötzlich nicht mehr sicher, ob er wirklich sehen wollte, was seine Taten und die der anderen Priester zurückgelassen hatten.
Er wandte sich ab.
Hätte er atmen können, er hätte einen resignierten Atemstoß von sich gegeben. Seine Umläufe begannen aufs Neue, diesmal mit dem Dorf als Mittelpunkt, wobei er um Imnes Haus einen Bogen machte. Es dauerte kleine Ewigkeiten, bis er auch nur aus dem Dorf heraus war und dabei meinte er, dass er sich schon schneller bewegte, als zuvor, gleichsam als wenn er rennen würde.
15 Umläufe, 25, 30.
Beim 31. Umlauf bemerkte er eine junge Frau, die eine Schubkarre schob. Sie war gekleidet wie eine Bäuerin, in dünne und erdfarbene Gewänder. Aber mit den Augen des Gottes sah Owithir etwas an ihr, dass er an keinem der wenigen Bauern, die er bisher auf diese Weise im Dorf gesehen hatte und auch an keinem der Priester bisher wahrgenommen hatte. Sie schien eine Kraft zu unterdrücken, die in ihr brodelte und nur darauf wartete, herausgelassen zu werden. Er hatte nicht gewusst, woran er einen Magier erkannt hätte, aber er war sich sicher, dass sie einer war.
Er folgte ihr.
Es dauerte eine halbe Ewigkeit, bis sie mit ihrer Last eine Lichtung erreichte, auf der sie stehen blieb. Plötzlich gab es ein leises zischen und Rauch stieg auf, der die ganze Lichtung für menschliche Augen verhüllt hätte, aber die Augen des Gottes ließen sich nicht davon täuschen. Und so beobachtete er, wie sie mit samt dem Schubkarren ein wenig vom Boden abhob und zu einem etwas entfernter gelegenen Gebüsch flog, wo sie anscheinend abwartete, ob ihr jemand gefolgt war. Wieder warten. Owithir, musste an den Körper denken, den er zurückgelassen hatte. Er hoffte, dass ihm nichts geschehen war, wollte aber an die Gnade Aemavheas glauben, der ihm die Sicht sicher nicht gewährt hatte, um ihn dann damit zu töten.
Endlich machte sich die Magierin wieder auf. Sie flog weiterhin aber nicht zu hoch, meist von einer Deckung zur nächsten, bis sie schließlich kurz vor einem Baumstumpf stehen blieb und sich langsam heruntersinken ließ, um mit dem Fuß auf den Boden zu treten, zweimal, dann dreimal, dann zweimal. Eine Klappe im Boden, die gut zwischen Laub und alten Zweigen verborgen gewesen war, wurde hoch gehoben und zur Seite gelegt. Ein junger Mann blickte hinaus, zuerst auf die Frau, dann auf Owithir.
„Wer ist das?” Er deutete auf den Priester, blickte aber die Frau an. Sie sah sich um: „Wer?”
Owithir erbleichte. War er etwa entdeckt worden? Hatte Aemavheas ihn verlassen? Oder ... er wagte es nicht zu denken.
„Da steht ein Mann, und er sieht überrascht aus.”
„Ich sehe nichts. Bist du sicher?”
„Ich weiß nicht, sieht irgendwie aus, als hätte er keinen Körper, als wäre er Durchsichtig.”
„Ein Geist? Dann rein mit dir und hol einen der Meister. Ich schaff das schon allein.”
„Jetzt rennt er weg“, erklang es aus dem Loch.
„Ach du Spinner. Wenn du einen Meister holen sollst, ziehst ....”
Mehr hörte Owithir von ihrem Gespräch nicht, denn wenn sie wirklich noch irgendeine Chance haben wollten, die Teufelsanbeter zu vernichten, mussten sie sofort zuschlagen.
*
Pethen war trotz des Spots von Qualind, einer Schülerin im letzten Jahr, direkt zu Meister Zelon gegangen, nachdem sie den Eingang wieder verschlossen hatten. Sie war der einzige Meister, dem er vollständig vertraute und er wusste, dass sie ihn nicht verspotten würde, weil er etwas gesehen hatte, dass andere nicht sehen konnten. In den letzten zwei, nein, fast drei Monaten war er jeden Tag mehrere Stunden bei ihr gewesen, um mit ihr zu üben und sich von ihr anleiten zu lasen. Sie wusste, dass er sehen konnte, wenn er nicht sehen können sollte, dass Wände und Decken kein Hindernis für seinen Blick mit geschlossenen Augen waren, solange er einen Weg um sie herum fand, und dass er sogar das Wirken von Magie wahrnehmen konnte. Seit etwas über einem Monat musste er sich jedoch ihre Aufmerksamkeit mit einer weiteren Schülerin teilen, einem Feenling, den Meister Thrael in die Schule gebracht hatte. Pethen fand dass sie sehr schön war, aber sie würdigte ihn kaum eines Blickes, was aber nicht so schlimm war, da sie niemanden außer die Meister zu beachten schien. Und die Meister wiederum waren begeistert von ihr. Sie war so talentiert. In kürzester Zeit hatte sie die Zauber des ersten Jahres aufgesogen. Pethen konnte es an ihr sehen, wenn er die Augen schloss. Wo andere Magier in der Schule ein wenig mit dem Gelb der Magie leuchteten, wenn sie einen Zauber wirkten, glühte Hylei weiß. Alle fragten sich, ob wohl alle Feenlinge so stark waren. Aber das würde man wohl kaum in näherer Zukunft in Erfahrung bringen können, denn sie schwieg sich darüber aus, wo ihr Volk lebte. So blieb sie etwas ganz besonderes. Und da sie nicht so unterrichtet werden konnte wie die anderen Schüler, war es fast automatisch so gekommen, dass Meister Zelon ihr ebenfalls Einzelunterricht erteilte, oder vielmehr sie beiden, Hylei und Pethen, getrennt von den anderen Schülern lehrte.
Pethen musste meist Meditieren und unter ihrer Anleitung fiel es ihm immer leichter, seinen Geist in den richtigen Zustand zu bringen, selbst wenn er sich nicht in eine Ecke setzte, um sich zu entspannen. Sehr viel konnte er bewirken, wenn er sich nur richtig darauf konzentrierte. Meister Zelon schien immer wieder überrascht zu sein, dass er nahezu jeden Tag etwas neues lernte, dabei war das meiste doch nur eine leichte Abwandlung einer Fähigkeit, die er zuvor bereits beherrscht hatte. So war er erst vor kurzen auf die Idee gekommen, den Energiestoß, den er gegen Meister Enkan so unkontrolliert eingesetzt hatte, sehr viel schwächer und langsamer mit seinen Gedanken hervorzudrücken und ihn dafür länger zu halten. Mit ein wenig Übung war es ihm schnell gelungen, einen Tisch zuerst zu verschieben und ihn dann sogar anzuheben. Er war wieder heruntergefallen, abgekippt von seinem Druckpunkt, aber es hatte Meister Zelon schwer beeindruckt. Heimlich hatte er später noch ein wenig weitergeübt und schließlich den Druckpunkt so klein geformt, dass er glatt durch den Tisch im Speisesaal hindurchgegangen war. Das Loch war kaum zu sehen, aber er verschwieg es dennoch lieber, denn er hatte strikte Anweisung erhalten, seine Magie nicht außerhalb der Übungsstunden zu verwenden. Außerdem war die Beschädigung der Schule oder der Gegenstände in ihr strengstens verboten.
Von dem, was Pethen von Hylei sehen konnte, schein sie ebenso gute Fortschritte zu machen, wie er, nur auf vollständig andere Weise. Am Anfang waren die Zauber, die sie hatte lernen müssen, noch vertraut gewesen. Oft genug hatte er sie in seinen eigenen Unterrichtsstunden aufsagen müssen, ohne dass sie jemals funktioniert hätten. Hylei hingegen hörte sich einmal einen Zauber an und was er bewirken sollte, und wenn sie ihn dann aussprach, wirkte er genau so, wie er ihr beschrieben worden war, selbst wenn ihre Aussprache, ihr Rhythmus und ihre Tonhöhe oftmals grauenvoll daneben lagen.
Inzwischen beschäftigte Meister Zelon sie nicht mehr mit einfachen Zaubern, obwohl es genügend gab, die Hylei noch nicht gelernt hatte. Sie sprachen nur noch über Theorien und ihre Anwendung. Man brauchte nicht Pethens Sicht, um zu sehen, dass Hylei lieber weiterhin einen Zauber nach dem anderen gelernt hätte. Sie fand die Theorie langweilig und unnötig, sobald sie jedoch einmal ein Prinzip begriffen hatte – was oft sehr lange dauerte und so mühsam war, dass Meister Zelon enttäuscht schien – standen ihr jedes Mal ganz neue Welten offen. Hatte sie z.B. einmal die Theorie der Wassermagie begriffen, konnte sie leicht die verschiedensten Zauber daraus entwickeln, ohne jeden einzelnen neu lernen zu müssen. Die Erfolgserlebnisse waren jedoch so spärlich, dass sie wohl nur noch ungerne zum Unterricht ging. In dem halben Monat, den sie sich mit Theorien beschäftig hatte, hatte sie auch erst eine so weit verstanden, dass sie einige kleinere Zauber daraus wirken konnte, eben die Wassermagie.
Pethen, der schon länger Unterricht erhalten hatte, hatte weniger Probleme, den Theorien zu folgen, ihm fehlte jedoch das entsprechende Talent, um sie anzuwenden und daher auch, sie gänzlich zu begreifen.
Nun stand er also vor ihr und berichtete von dem, was er am Eingang gesehen hatte. Er hatte eine Lehrstunde Hyleis unterbrochen und war dafür mit einem unfreundlichen Blick des Feenlings und ein paar strengen Worten des Meisters gescholten worden
. Meister Zelon hörte sich genau an, was er zu berichten hatte. Schließlich blickte sie kurz auf den Tisch, an dem sie saß, um schließlich zu fragen:
„Wie sah er aus? Kannst du ihn beschreiben?”
„Er trug lange Gewänder, ich bin nicht sicher, aber sie sahen ein wenig wie Roben aus. Sein Haar war kurz, und er war irgendwie Hager. Und wie gesagt sah er erstaunt darüber aus, dass ich ihn sehen konnte.”
„Was für Roben? Wie die eines Priesters?”
„Mhm, nein, nicht wie die eines Priesters. Sie waren weiter geschnitten, vor allem unten herum.”
„Das hört sich fast wie die Reiseroben einiger Tempel an. Du hast sie vermutlich noch nicht gesehen.” Sie blickte wieder auf, zuerst auf Hylei, dann auf Pethen.
„Ich glaube dir.” Pethen atmete hörbar auf. „Es scheint, als hätte ein Priester den Eingang entdeckt. Ich habe schon einmal so etwas Ähnliches gesehen. Vor ein paar Jahren, wir dachten, wir hätten einen Geist in der Schule. Es stellte sich jedoch heraus, dass einer der Schüler im Schlaf wandelte, sozusagen. Irgendwie verließ sein schlafender Verstand seinen Körper und irrte umher.” Sie fing an zu lachen. „Das ist wirklich drollig. Die Priester haben einen Magier in ihren Reihen, und vermutlich weiß nicht mal er selbst etwas davon. Ich denke, wir sollten mal rausgehen, um nachzusehen, wo sich dieser Träumer aufhält. Ich denke, sie sollten nicht zu weit weg sein und es wäre schade, wenn sie irgendein Unheil im Dorf anrichten würden.”
Sie stand auf und nahm einen Gürtel aus ihrem Schrank, an dem einige Taschen und ein Dolch hingen. Anschließend nahm sie einen weiten Umhang, von der Art, wie ihn einige Dörfler trugen, und legte ihn sich über. Ihre beiden Schüler blickten sie erstaunt an.
„Worauf wartet ihr? Wollt ihr nicht mitkommen?”
Pethen blickte kurz zu Hylei hinüber, die gelassen und sehr elegant, wie er fand, aufstand.
„Ich werde noch etwas holen, wenn ihr erlaubt.” Meister Zelon nickte und ließ sie an sich vorbei aus dem kleinen Zimmer gehen. „Pethen, du gehst zu Meister Rellen. Sag ihm, dass wir rausgehen, weil eine Gruppe Priester irgendwo in der Gegend ist.”