Forbidden Royals 02 - Golden Throne
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Herrgott, ich bin zwar nur eine verdammte Studentin, aber sogar ich weiß, dass das Aufmarschieren in Kampfausrüstung die sicherste Methode ist, um eine friedliche Demonstration in einen handfesten Krawall zu verwandeln. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Wenn man jemanden wie einen Verbrecher behandelt, dann wird er sich auch wie einer benehmen.
Bane hat gerade Benzin auf die Funken geschüttet, die er löschen wollte.
Der Anblick der Kampftruppe zeigt sofort Wirkung – die Unruhe der Demonstranten erreicht ihren Höhepunkt. Ich kann die Veränderung in der Luft spüren, die plötzliche Gewaltbereitschaft, die sich unter den Demonstranten breitmacht. Die Sprechchöre werden zunehmend aggressiver, während die Demonstranten der herannahenden Einheit übelste Beleidigungen entgegenschleudern.
FASCHISTENSCHWEINE!
TOD DER MONARCHIE!
LANCASTER-ABSCHAUM!
Mein Herz hämmert gegen meine Rippen, während ich beobachte, wie sie mit den Mittelfingern wedeln und ihre Augen über den Tüchern vor ihren Gesichtern wütend aufblitzen. Als sich der Abstand zwischen den beiden Gruppen verringert, werfen sie mit ihren selbst gebastelten Schildern nach den Soldaten – dünne Pappgeschosse, die an den Schutzschilden abprallen und zu Boden fallen, nur um unter einem Ansturm aus schweren Stiefeln zerdrückt zu werden.
Bitte, um Himmels willen, niemand soll eine Waffe abfeuern oder Tränengas einsetzen , denke ich und atme kaum. Bitte, niemand soll dafür sorgen, dass die Situation noch weiter eskaliert.
Meine Gebete werden erhört. Die Demonstranten scheinen zu erkennen, dass sie diesen Kampf nicht gewinnen können – zumindest nicht heute –, und ziehen sich endlich zurück. Sie entfernen sich langsam von der Autokolonne und verteilen sich auf dem Bürgersteig.
Die Einsatzkräfte folgen ihnen auf Schritt und Tritt und lösen ihre Marschformation auf, um Schulter an Schulter die Straße zu säumen. Sie bilden einen Schutzwall um unsere Limousine, der sich bis zum Tor erstreckt. Ihre Schilde haben sie immer noch erhoben, für den Fall, dass die Demonstranten erneut versuchen sollten, auf die Straße zu strömen, um uns abermals zu umzingeln.
Für einen Augenblick herrscht angespannte Stille, während sich die beiden gegnerischen Seiten gegenüberstehen – Demonstrationsplakat gegen taktischen Einsatzschild, simples Stoffoberteil gegen Kampfausrüstung, Halstuch gegen kugelsicheren Helm – und sich einfach nur anstarren. Ich werde irgendwie das Gefühl nicht los, dass wir auf dem Rand eines Pulverfasses balancieren und dabei eine Schachtel Streichhölzer in den Händen halten. Eine falsche Bewegung auf einer der beiden Seiten … und alles wird in die Luft fliegen.
Bitte, bitte, bitte , bete ich und bohre die Fingernägel in meine Handflächen. Niemand soll etwas Dummes tun.
Galizia gibt unserem Chauffeur ein Zeichen, schaut dann direkt auf mein Fenster und nickt beruhigend, obwohl sie mich durch die getönte Scheibe nicht sehen kann. Sie weiß, dass ich alles im Blick habe.
Jetzt ist alles gut, Prinzessin.
Mir ist nicht klar gewesen, dass ich den Atem angehalten habe, bis ich ausatme, als sich die Limousine wieder in Bewegung setzt. Meine Erleichterung ist jedoch nur oberflächlicher Natur. Innerlich frisst mich meine wachsende Besorgnis förmlich auf.
Für den Augenblick mögen wir in Sicherheit sein, aber dem, was ich gerade erlebt habe, nach zu urteilen … wird dieses Problem nicht so bald aus der Welt geschaffen sein. Selbst durch die Barriere aus Schutzkräften kann ich die Blicke der wütenden Augenpaare spüren, die vermutlich alle auf mein Fenster gerichtet sind. Ihr Hass ist mit Händen greifbar und so stark, dass er mich förmlich verschlingen könnte.
Tod der Monarchie!
Simms seufzt, als wäre das alles nur eine kleine Unannehmlichkeit. »Lassen Sie sich von denen nicht beeindrucken, Eure Hoheit. Diese radikalen Gruppen machen immer mal wieder auf sich aufmerksam.« Er schüttelt missbilligend den Kopf, aber seine Aufmerksamkeit ist bereits wieder auf die Inhalte seines E-Mail-Postfachs gerichtet. »Sie werden zurück in ihre Löcher kriechen, wenn ihnen klar wird, dass solche Aktionen nur törichte Zeitverschwendung sind. Sie werden schon sehen.«
Ich wünschte, dass ich seinen Mangel an Besorgnis teilen könnte.
Ich wünschte, dass mir der Anblick dieser Männer, die lautstark nach meiner Auslöschung verlangt haben, keine kalten Schauer der Vorahnung über den Rücken jagen würde.
Ich wünschte, dass ich ignorieren könnte, wie sich mir vor lauter Angst der Magen zusammenkrampft, sobald ich mir vor Augen führe, dass meine Wachen töten können – und werden –, um mich zu beschützen.
Aber vor allem wünschte ich, dass ich mir die Demonstranten, die unsere Limousine umzingelt haben, nicht ganz so genau angeschaut hätte. Ich wünschte, dass ich nicht den wirren Blondschopf ganz vorne in der Menge erkannt hätte oder die vertrauten braunen Augen, die über einem schwarzen Tuch direkt in meine Richtung geblickt haben, oder die breiten Schultern, die in dem Anti-Lancaster-Shirt steckten.
Doch ich habe das alles erkannt.
Ich würde meinen besten Freund überall erkennen, auch wenn das hier der letzte Ort auf der Welt ist, an dem ich ihn erwartet hätte.
Owen , denke ich hilflos, als das Schlosstor scheppernd hinter der Autokolonne zufällt und mich sicher in meinem goldenen Käfig einschließt. Oh, Owen …
Was in aller Welt hast du getan?
8. KAPITEL
»HILFE! BITTE, JEMAND MUSS UNS HELFEN!«
Tränen strömen über meine Wangen und verschmieren mein Make-up zu Streifen. Ich rühre mich nicht und wische sie auch nicht weg. Meine Hände liegen auf Linus’ Brust und schütteln ihn.
»WACH AUF! DU MUSST AUFWACHEN!«
Ich hinterlasse blutige Handabdrücke auf seinem weißen Smokinghemd.
Sein Keuchen wird schwächer.
Seine Augen werden glasig.
Ihn dort liegen zu sehen – mit schlaffem Kiefer und leerem Blick – treibt einen Schrei aus den Tiefen meiner Seele. Er hallt im Thronsaal wider, ein Klagelaut des Schmerzes, der …
»Emilia!«
Ich schlage um mich, immer noch halb in dem Traum gefangen, und spüre, wie meine Faust gegen etwas Hartes stößt.
»Au! Verdammt!«
Meine schrillen Schreie lassen nicht nach, während sich weiterhin Bilder vor meinen Augen abspielen. Blut und Tod und Schrecken.
»Emilia, wach auf! «, befiehlt die raue Stimme. Starke Hände umfassen meine Handgelenke und halten meine zappelnden Gliedmaßen davon ab, noch mehr Schaden anzurichten. Im Halbschlaf bekomme ich nur vage mit, wie mein Körper gegen etwas Festes gelehnt wird.
»Verdammt, Emilia.« Er hält kurz inne, und seine Stimme wird leiser. »Du machst mir Angst, Schätzchen. Wach auf.«
Ein gequältes Wimmern entringt sich meiner Kehle, als ich endlich zu mir komme. Mein Herz hämmert an meinen Rippen wie eine wilde Kreatur, die verzweifelt ihrem Käfig zu entrinnen versucht. Meine Haut ist gerötet und verschwitzt, mein Atem geht zu schnell, um meine Lunge angemessen zu füllen. Ich spüre, dass mich zwei Arme umschlungen halten. Mit einem gedämpften Keuchen wird mir klar, dass ich auf Carters Schoß sitze und mein Rücken fest an seine breite Brust gepresst ist.
»Carter?« Ich klinge wie ein verirrtes kleines Mädchen – eine Hülle meiner selbst.
»Schhh«, murmelt er. »Alles gut. Ich bin bei dir.«
Mein Körper erschlafft, als die ganze Anspannung mit einem Mal von mir abfällt. Tränen laufen über meine Wangen und tropfen auf meine Brust. Als ich die Hand heben will, um sie wegzuwischen, stelle ich fest, dass Carter immer noch meine Handgelenke umklammert hält.
Er lässt mich sofort los, und seine Hände sinken auf die Bettdecke. »Du hast um dich geschlagen. Ich hatte Angst, du würdest dich verletzen …«
»Danke«, flüstere ich und wische mir mit zitternden Fingern übers Gesicht. »Wieder einmal.«
Er erwidert nichts.
Ich sitze immer noch auf seinem Schoß. Ich weiß, dass ich das nicht tun sollte, aber ich habe irgendwie noch nicht die Kraft dafür aufbringen können, um mich zu erheben. Der Albtraum hat mich erschöpft – emo
tional wie körperlich. Und es fühlt sich so gut an, seinen Körper an meinem zu spüren. Seine Hitze und seine Stärke aufzusaugen, bis sich die Schreckensbilder, die durch meinen Kopf jagen, in Dunst aufgelöst haben.
Mein Seufzen ist kaum hörbar. »Ich dachte, dass du mich beim nächsten Mal schreien lassen wolltest.«
Carter schweigt eine ganze Weile. »Das dachte ich auch.«
Ich danke ihm nicht dafür, dass er es sich anders überlegt hat, und er erklärt auch nicht, warum er seine Meinung geändert hat. Bevor ich es mir anders überlegen kann, lasse ich den Kopf nach hinten gegen seine Schulterbeuge sinken. Meine rechte Hand landet flach auf seiner Brust, direkt oberhalb seines Herzens. Ich kann es unter meiner Handfläche donnern spüren, und die Geschwindigkeit passt zu meinem rasenden Puls. Ich schließe die Augen und versuche, meinen flatternden Atem zu normalisieren.
Ich könnte ebenso gut an einer Statue lehnen, denn Carter hinter mir rührt sich nicht. Ein Mann, der aus Marmor und stahlharter Entschlossenheit gemeißelt wurde. Ich kann die Anspannung spüren, die jeden Muskel in seinem Körper zum Beben bringt, während mein Körper entspannt und total ausgelaugt ist.
Ich bin mir fast sicher, dass er mich von sich stoßen wird, um mich in der Dunkelheit zurückzulassen, wo ich mich meinen Dämonen allein stellen muss. Doch dann … nach einer gefühlten Ewigkeit … legt er mit einem schweren Seufzen, bei dem sich sein Brustkorb hebt, seine Hand auf meinen Kopf. Ich bin wie erstarrt, als er anfängt, mein Haar zu streicheln, genau wie meine Mom es stets machte, um mich als Kind zu trösten, wenn ich krank war oder vor irgendetwas Angst hatte.
Es ist fast schon komisch – wir haben seit Wochen nicht mehr richtig miteinander gesprochen. Tatsächlich bin ich mir ziemlich sicher, dass er mich für alles, was zwischen uns passiert ist, hasst. Für all die Worte, die unausgesprochen geblieben sind, für all die Entschuldigungen, die wir nie ausgesprochen haben. Aber mit jedem beruhigenden Streicheln seiner Hand fühle ich mich ein bisschen besser.
Ich weiß nicht, wie lange wir so sitzen bleiben. Lange genug jedenfalls, um meine Atmung zu beruhigen. Lange genug, dass ich nicht mehr zittere. Lange genug, um das bisschen Kraft, das mir noch geblieben ist, aus meinen Gliedern sickern zu lassen.
Die Anspannung des gestrigen Tages hat mich offiziell eingeholt – die Rede, die ich gehalten habe, die Demonstranten auf der Straße, der Anblick meines ehemals besten Freundes in ihren Reihen … Ich bin komplett ausgelaugt. Leer wie eine Trommel. Ich habe keine Willenskraft mehr, um gegen meine eigene schmerzhafte Realität anzukämpfen. Der Blutstrom in meinen Venen ist schwach und stockend.
Kann ich für immer hierbleiben?
Sicher und beschützt in Carters Armen?
Träume zerren erneut mit schweren Klauen an mir und begraben mich unter sich. Ich bin an seiner Brust halb eingeschlafen, als ich mit kaum vernehmbarer Stimme seinen Namen murmle.
»Was ist los, Emilia?«
»Bitte … Bitte verlass mich nicht.«
Seine Hände erstarren. Ich höre, wie er scharf einatmet.
Bevor er Gelegenheit hat, etwas zu erwidern, bevor ich etwas sogar noch Dümmeres sagen kann … schlafe ich gnädigerweise ein. Das Letzte, was ich höre, als ich mich dem Schlaf ergebe, ist eine tiefe, raue Stimme.
Ein einzelnes Wort.
Ein Wort, bei dem ich mir nicht mal sicher bin, ob es echt oder der Splitter eines Traums ist.
»Niemals.«
Als ich am nächsten Morgen aufwache, liege ich allein in den zerwühlten Laken. Ich setze mich auf und schaue mich nach Hinweisen auf Carter blinzelnd im Zimmer um, finde aber keine.
War er wirklich hier?
War er nur ein Traum?
Diese Frage wird mich nur in den Wahnsinn treiben. Ich klettere aus dem Bett, gehe ins Bad und ziehe auf dem Weg dorthin mein Baumwolltanktop und meine kurze Schlafanzughose aus. Unter der Regendusche lehne ich die Stirn an die gekachelte Wand und schließe die Augen. Es gibt nicht genug heißes Wasser, um das Gefühl wegzuwaschen, in Carters Armen zu liegen. Das Gefühl seiner Hände in meinem Haar. Seiner Stimme in meinem Kopf.
»Niemals.«
Die Erinnerung löst in meinen Nervenenden ein Feuerwerk aus.
Ich schiebe die Gedanken an ihn beiseite und konzentriere mich darauf, mich auf meinen morgendlichen Ausritt vorzubereiten. Es schneit ein wenig, also ziehe ich mich entsprechend an – dicke cremefarbene Leggings, kniehohe Lederstiefel sowie eine maßgeschneiderte schwarze Jacke, die mit Gänsedaunen gefüttert ist. Ich bin auf halbem Weg zur Tür, als jemand anklopft.
Mit hochgezogenen Augenbrauen reiße ich die Tür auf und finde im Flur denselben nervösen Pagen vor, der mir letztens meine Post gebracht hat.
»Sie schon wieder«, sage ich trocken.
Sein Mund klappt auf, während er von einem Fuß auf den anderen tritt. Ich warte darauf, dass er etwas sagt, aber er scheint kein einziges Wort herausbringen zu können.
»Kann ich Ihnen irgendwie helfen oder …?«
»Ja. Ähm. Eure Hoheit …«
Ich ziehe die Augenbrauen hoch.
Er schluckt heftig. »Der … Der …«
»Hey. Wie heißen Sie?«
»Derrick.«
»Okay. Tja, ich werde Sie nun bitten müssen zu atmen, Derrick. Denn wenn Sie vor meiner Tür in Ohnmacht fallen, werde ich die Botschaft, die Sie mir so dringend übermitteln wollen, niemals erhalten.«
Seine Panik verflüchtigt sich ein wenig dank meines scherzhaften Tonfalls. »Ja. Tut mir leid. Der König … König Linus. Er hat um Ihre sofortige Anwesenheit in seinem Arbeitszimmer gebeten.«
Mein Magen rutscht mir in die Kniekehlen. »Sind Sie sicher?«
»Ja, Eure Hoheit.« Er windet sich und sieht aus, als wäre er lieber an jedem anderen Ort auf der Welt, nur eben nicht hier.
Damit sind wir schon zu zweit.
»Danke«, sage ich und seufze resigniert. »Sie können jetzt gehen, Derrick.«
Er verschwindet wie der Blitz den Flur hinunter. Ehrlich gesagt würde ich ihm gerne folgen. Ich bin mir nicht sicher, was Linus von mir will, aber es muss etwas Ernstes sein. Mein Vater und ich verbringen nicht unbedingt zwanglos Zeit miteinander.
Seit dem versuchten Mordanschlag auf ihn habe ich ihn nur zweimal gesehen – einmal im Krankenhaus und einmal an dem Tag, an dem er in den Palast zurückkehrte – und beide Male war er von einem Geschwader aus Ärzten, Assistenten und bewaffneten Wachen sowie seiner bezaubernden Ehefrau umgeben.
Das war nicht wirklich das ideale Szenario, um eine Beziehung zwischen Vater und Tochter aufzubauen.
Seitdem hat er sich in seinen Privatgemächern im Südflügel eingeigelt und empfängt keine Besucher, abgesehen von seinem Leibarzt und natürlich Simms, der ihn über sämtliche Belange des Königshauses auf dem Laufenden hält.
Bezüglich der Frage, wer an seiner Stelle das Land regiert … blitzt Octavias selbstgefällige Miene vor meinem inneren Auge auf, und ich blicke finster drein. Die Vorstellung, dass diese Frau Entscheidungen trifft, die Auswirkungen auf eine ganze Nation haben, ist wahrhaft beängstigend.
Ich habe inständig gehofft, dass Linus seiner Frau die Zügel der Macht wieder aus der Hand nimmt … aber mittlerweile ist bereits ein Monat vergangen, und bislang scheint er damit zufrieden zu sein, an seinem ruhigen Rückzugsort zu verweilen. Ich weiß, dass ich mehr Verständnis aufbringen sollte. Immerhin wäre der Mann beinahe gestorben. Da muss man ihm ein wenig Zeit zugestehen, sich wieder zu erholen – ich wünschte mir nur, dass er nicht so viel Zeit brauchen würde, um wieder zu Kräften zu kommen.
Was die Frage betrifft, warum er mich so plötzlich sehen will, muss ich gestehen, dass ich keinen blassen Schimmer habe. Sogar vor dem Attentat auf ihn hätte man unser Verhältnis nicht wirklich als innig bezeichnen können. Zu meiner Verteidigung muss ich jedoch sagen, dass man nur schwer ein inniges Verhältnis zu jemandem haben kann, der einen bei der Geburt im Stich gelassen hat und später dazu zwingt, die Rolle der Kronprinzessin einzunehmen, und zwar unter der Drohung, das Zuhause zu verkaufen, in dem man aufgewachsen ist, wenn man sich nicht fügt.
Schöne Zei
ten.
Meine Reitstiefel klappern laut auf dem Marmorfußboden, als ich von meiner Suite über den Flur und um eine Ecke gehe, um schließlich eine gewaltige Steintreppe hinunterzusteigen. Ich höre, wie Galizia hinter mir auftaucht, um mich zu begleiten. Mein treuer Schatten.
»Ich gehe nur zu Linus. Sie müssen mir nicht folgen.«
Sie erwidert nichts.
»Sie sollten mal eine Pause machen. Essen Sie etwas, machen Sie ein Nickerchen. Entspannen Sie sich ein wenig, Galizia. Ich meine, Sie können ja ohnehin nicht mit mir hineingehen. Mein lieber Herr Vater hat um eine Privataudienz gebeten, weiß der Himmel, worum es dabei geht …«
»Ich warte gerne auf dem Flur.«
»Wissen Sie, als ich Sie als meine persönliche Leibwächterin angeheuert habe, meinte ich damit nicht, dass Sie mich auf Schritt und Tritt rund um die Uhr bewachen müssen. Jetzt mal im Ernst … gönnen Sie sich nie ein wenig Zeit für sich?«, frage ich mich hochgezogenen Augenbrauen.
»Ich gönne mir eine Menge Zeit.«
»Wann?«
»Wenn Sie schlafen.«
»Und doch schaffen Sie es in den wenigen Stunden irgendwie, auch noch meine Post zu überprüfen, zu trainieren, zu duschen, das Schloss nach Bedrohungen abzusuchen und sich um Ihr komplettes Privatleben zu kümmern. Wie machen Sie das?«
»Ich bin effizient.«
»Mh-mh. Klar. Seien Sie ehrlich – Sie sind eine Mischung aus Mensch und Roboter, die keinen Schlaf benötigt, oder? Mir können Sie es verraten. Ich bin verschwiegen.«
Wie vorauszusehen, lässt sich Galizia nicht zu einer Antwort herab.
Ich seufze und gehe weiter.
Als wir den Thronsaal durchqueren, vermeide ich es, den gewaltigen Thron anzuschauen, der auf der gegenüberliegenden Seite des Raums auf einem erhobenen Podest steht und dessen kunstvoll verzierte Oberfläche mit einer geradezu unanständig großen Menge Gold überzogen ist. Ich gehe unter dem bogenartigen Durchgang hindurch und bewege mich in Richtung des antiken Teils des Schlosses – des Südflügels.
Die Steine hier sind älter und ihre Beschaffenheit ist irgendwie gröber. Der Boden unter meinen Stiefeln ist ganz glatt getreten, weil im Laufe von Tausenden von Jahren Tausende von Füßen darübergelaufen sind. Schmale, schlitzförmige Fenster, die gebaut wurden, um mittelalterlichem Beschuss mit Pfeilen standzuhalten, sind in unregelmäßigen Abständen in die Wände eingelassen. Man kann sich ohne Weiteres vorstellen, dass man um die nächste Ecke mit einer in ein Korsett gekleideten Hofdame aus alten, längst vergangenen Zeiten zusammenstößt.