Forbidden Royals 02 - Golden Throne
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Darin, eine Lancaster zu sein.
Ein Mitglied der Königsfamilie.
Eine Königin.
Ich muss wohl nicht erwähnen, dass das eine ganze Menge Zeug war, das ich erst mal verdauen musste.
Als Galizia in meine Gemächer kam, um an diesem Abend ein letztes Mal nach mir zu sehen, erwischte sie mich dabei, wie ich bereits einen Trampelpfad in den Fußboden gelaufen hatte. Mein Abendessen stand unangetastet auf einem Tablett in der Nähe des Balkons, und ich hatte die Hände an den Seiten meines Körpers zu Fäusten geballt. Sie warf einen Blick auf mich und befahl mir, ihr zu folgen.
Das Letzte, was ich erwartet hätte, war, dass sie mich ins Torhaus bringen würde. Seit meiner Auseinandersetzung mit Bane bin ich nicht mehr hier gewesen, und auch nur einen Zeh in sein Territorium zu setzen – selbst während der dienstfreien Zeit, wenn sonst niemand hier ist –, macht mich mehr als nur ein wenig nervös.
Dank Galizia befand ich mich jedoch schon bald in ihrer Version einer Grundausbildung. Oder wie ich es nennen würde: in den schmerzhaftesten zwei Stunden meines Lebens . Ich schwöre, dass mir die Arme abfallen werden, wenn wir damit noch viel länger weitermachen.
Zum Glück werden die Türen zum Trainingsbereich aufgerissen, bevor sie mir noch mehr Befehle erteilen kann. Ich bereite mich auf den Sturm aus Verachtung vor, der in Form von Bane über mich hereinbrechen wird, doch stattdessen erlebe ich eine angenehme Überraschung, als eine vertraute Gestalt den Raum betritt.
»Hier bist du!«, ruft Chloe aufgebracht. Sie wirft ihr langes rotes Haar über die Schulter ihrer stylishen, mit Pelz besetzten Jacke und marschiert mit ihren Stilettostiefeln auf uns zu. »Ich habe dich überall gesucht!«
»Tja, du hast mich gefunden. Du bist eine wahre Meisterdetektivin, Chloe.«
»Ich musste mit einem hypernervösen Pagen flirten, um an die Information zu gelangen. Ich bin mir nicht sicher, ob man das als echte Detektivarbeit bezeichnen kann, aber …« Sie rümpft die Nase. »Was hat es überhaupt mit dieser spätabendlichen Trainingsstunde auf sich? Du trainierst doch gar nicht. Und schon gar nicht so spät am Abend. Normalerweise bist du um diese Uhrzeit in der Küche und bestichst unsere Köchin Patricia, damit sie dir noch eine Extraration Kekse mit Schokostückchen gibt …«
»Glaub mir, das würde ich jetzt sehr viel lieber tun. Aber jemand … «, ich werfe Galizia einen finsteren Blick zu, »… besteht darauf, dass ich in Form bleibe, damit ich vor Meuchelmördern davonlaufen und tödlichen Bedrohungen ausweichen kann und so weiter und so fort … Wie bescheuert ist das bitte?«
Ich rechne damit, dass Chloe lacht oder mit einer witzigen Bemerkung antwortet, aber sie sagt nichts. Vermutlich liegt das daran, dass sie ihre Aufmerksamkeit mittlerweile auf Galizia gerichtet hat. Sie starrt die hochgewachsene Blondine mit unverhohlener Neugier an.
»Und wer sind Sie? Ich glaube nicht, dass wir uns schon mal offiziell begegnet sind … und ich dachte, dass ich jede attraktive Person im Schloss kennen würde.«
Galizia, die stets professionell ist, nimmt Haltung an und nickt ihr knapp zu. Für sie ist das eine formvollendete Begrüßung. »Leutnant B. Galizia. Ich unterstehe direkt Ihrer Königlichen Hoheit.«
Chloes Grinsen ist schamlos. »Wissen Sie … für den Fall, dass Sie sonst noch nach jemandem suchen, dem Sie ›direkt unterstellt‹ sein können … dann melden Sie sich das nächste Mal, wenn Sie dienstfrei haben, gern bei mir …«
»Chloe! Belästige nicht meine persönliche Leibwächterin.«
»Ach, entspann dich. Ich will sie doch nur ein bisschen auf den Arm nehmen.« In ihren Augen funkeln versteckte Anspielungen. »Da wir gerade davon sprechen, ›Auf den Arm nehmen‹ ist zufällig eine meiner Spezialitäten … falls Sie je Interesse an einer Demonstration haben sollten …«
Ich verdrehe die Augen. »Hör auf. Galizia ist nicht interessiert. Und selbst wenn Sie es wäre … ist sie eine Nummer zu groß für dich.«
»Wie unhöflich! Niemand ist eine Nummer zu groß für mich. Ich bin eine Prinzessin ehrenhalber!«
»Ich bin mir ziemlich sicher, dass es das gar nicht gibt.«
»Genau genommen bin ich von königlichem Blut! Durch familiäre Verbindungen!«
»Schön für dich. Sie ist trotzdem nicht interessiert.«
Chloe schnaubt. »Woher willst du das wissen?«
Ich schaue zu meiner Wache. »Galizia?«
»Heute Abend bin ich lediglich daran interessiert, Ihre extrem schlechte Boxtechnik zu korrigieren, Eure Hoheit.« Sie hält inne, und ihre Lippen zucken. »Ich werde jetzt nach nebenan in die Umkleidekabine gehen, um etwas Eis für Ihre Knöchel zu holen, bevor sie anschwellen. Kehren Sie nicht ohne mich zum Schloss zurück, verstanden?«
Ich salutiere vor ihr. »Sir, ja, Sir!«
Sie seufzt müde, so als wäre ich ein unglaublich anstrengendes Kind, auf das sie aufpassen muss. Dann macht sie mit ihren schweren Stiefeln kehrt. Ich warte, bis sie außer Hörweite ist. Erst dann schaue ich Chloe in die Augen.
»Ich will dir ja nicht mit ›Ich habe es dir ja gesagt‹ kommen, aber …«
Sie blickt finster drein und lässt sich auf einen Stapel Turnmatten plumpsen. Dann fischt sie einen perfekt gerollten Joint aus ihrem BH, zündet ihn an und nimmt einen langen Zug. Eine Sekunde später kräuseln sich spiralförmige Rauchfäden aus ihren Nasenlöchern und schweben zur hohen Decke hinauf.
»Also, warum hast du überhaupt nach mir gesucht?«, frage ich und verziehe das Gesicht, als ich das Schutzband von meinen wunden Knöcheln wickele. »Normalerweise bist du um diese Uhrzeit doch irgendwo in der Stadt unterwegs.«
»Stimmt«, pflichtet sie mir bei. Ihre Stimme ist vom Gras ganz kratzig. »Aber ich habe mir Sorgen um dich gemacht.«
»Um mich? Warum?«
»Ein kleines Vögelchen hat mir gezwitschert, dass du nicht so gut geschlafen hast …«
Ich erstarre und runzle die Stirn. »Dieses kleine Vögelchen ist nicht zufällig dein älterer Bruder, oder?«
»Schon möglich.«
»Wow!« Ich werfe das Knöchelband auf den Boden und tigere in engen Kreisen umher. »Wow. Wow. Wow. Er hat einfach … Ich glaube es einfach nicht … Wow .«
»Liebste Schwester, wie wär’s mit einem anderen Wort zur Abwechslung.«
»Ich habe keine Worte!« Ich werfe die Hände in die Luft. »Ich bin zu …«
»Wütend? Jedenfalls siehst du so aus.«
»Ich bin wütend. Ich meine, was fällt ihm ein, mit dir über mich zu reden? Ich bin nicht sein Problem, um das er sich kümmern muss. Ich bin kein kleines Mädchen, das Betreuung braucht. Und ich will ganz sicher nicht, dass er durchs Schloss läuft und jedem, der ihm Gehör schenkt, von meinen privaten Angelegenheiten erzählt.« Ich senke die Stimme, um sein raues Flüstern nachzuahmen. »Wisst ihr schon das Neueste? Unsere arme, kleine Prinzessin wacht mitten in der Nacht schreiend auf. Wie erbärmlich.«
»Sollte das Carter sein? Das klang eher wie ein zweitklassiger Schauspieler, der in einer dieser schrecklichen Nachmittagssoaps die Rolle eines an Mesotheliom Erkrankten spielt …«
»Das ist jetzt nicht besonders hilfreich.«
»Ernsthaft, E., du regst dich grundlos auf. So war es gar nicht. Er weiß, dass du mir wichtig bist und dass ich mir Sorgen um dich machen würde, wenn ich wüsste, was mit dir los ist …«
»Ich habe deine Sorge zur Kenntnis genommen und weiß sie zu schätzen. Aber es geht mir wirklich gut.«
»Da sagt Carter was anderes.«
»Carter soll sich um seine eigenen verdammten Angelegenheiten kümmern!«, blaffe ich und bin plötzlich so wütend, dass ich mein Training mit dem Sandsack wiederaufnehmen will.
Chloe starrt mich mit einem wissenden Funkeln in den Augen an. »E., ich behaupte nicht, dass ich verstehe, was da heimlich, still und leise unterschwellig zwischen euch abläuft … Aber ich kenne ihn ziemlich gut. Und deswegen weiß ich, dass er mir mit seiner dreißigminütigen Beschwerde darüber, wie rücksichtslos es von dir ist, ihn Nacht für Nacht mit deinen Albträumen vom Schlafen abzuhalten, eigentlich etwas anderes mitteilen will … Das ist ein Code dafür, dass er in Wahrhe
it verdammt besorgt um dich ist.« Sie zuckt leicht mit den Schultern. »Er ist nicht besonders gut darin, seine Gefühle auszudrücken. Vielleicht liegt das in der Familie. Aber wenn es ihm doch so wichtig ist, dass er sogar zu mir gekommen ist, um mit mir darüber zu reden … kann ich das nicht einfach so ignorieren. Ich musste mich vergewissern, dass es dir wirklich gut geht.«
»Wie ich schon sagte: Es geht mir gut.«
»Mh-mh.« Sie nimmt einen weiteren Zug von ihrem Joint. Einen Augenblick lang herrscht Schweigen. Sie lässt den Rauch in ihrer Lunge herumrollen und bläst ihn dann in einem langen, hypnotisierenden Schwall aus dem Mundwinkel. »Darf ich etwas anmerken, ohne dass du gleich wieder ausflippst und nur noch ›Wow‹ sagst?«
Ich hole tief Luft, setze mich neben sie auf den Mattenstapel und starre auf meine dunkelgraue Trainingshose hinunter. »Betrachte den Ausdruck als aus meinem Wortschatz entfernt.«
Sie hält inne, und ich habe das Gefühl, dass sie für das, was sie als Nächstes sagen will, nach den richtigen Worten sucht – was so sehr im Gegensatz zu ihrer üblichen Direktheit steht, dass ich ganz nervös werde und ein Kribbeln in der Magengegend verspüre.
»Spuck es einfach aus, Chloe. Du machst mir langsam Angst.«
»Okay! Herrgott.« Sie schnippt gegen das Ende ihres Joints, und ein kleiner Funkenregen rieselt zu Boden. »Ist dir klar, dass du immer nur dann so aufgebracht bist … dass du nur dann komplett auszurasten scheinst … wenn wir über meinen dämlichen Bruder reden?«
Ich öffne den Mund. Schließe ihn. Und öffne ihn wieder.
»Ich meine, wann immer ich in einer Unterhaltung auf ihn zu sprechen komme, hast du plötzlich diesen seltsamen Ausdruck im Gesicht … und dein ganzer Körper verspannt sich …« Sie schaut mir in die Augen. »So wie jetzt gerade.«
Mit äußerster Anstrengung zwinge ich meine Muskeln dazu, sich zu entkrampfen. Mein Versuch, ein unbekümmertes Lächeln aufzusetzen, ist mehr als durchsichtig. »Chloe, es ist nicht …«
»Hör zu, ich bin keine Idiotin. Ich habe Augen im Kopf. Und Carter verhält sich genauso, wenn ich über dich rede.«
Tut er das? , frage ich mich, und mein Magen schlägt Purzelbäume.
»Demzufolge stellt sich mir also die Frage … warum ist das so?« Chloe mustert mich neugierig. »Warum seid ihr beide so verdammt eigenartig, wenn ihr aufeinandertrefft? Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich denken, dass ihr ineinander verliebt seid oder so was.«
Mein Puls hämmert zwischen meinen Ohren. Ich suche nach einer Antwort – irgendeiner Antwort –, finde aber keine. Ratlos strecke ich eine Hand aus und nehme Chloe den Joint weg, um ihn an meinen Mund zu führen und einen langen Zug zu nehmen.
Der Rauch kracht in meine Lunge wie ein Güterzug. Ein Güterzug, der Kohlebriketts geladen hat, um genauer zu sein, denn es fühlt sich an, als hätte ich soeben den halben Inhalt eines Hochofens geschluckt. Ein heftiger Hustenanfall explodiert aus meinem Mund und reizt meine Kehle, während Rauchwölkchen aus meinem Körper quellen.
»Ganz ruhig, du Boxchampion«, sagt Chloe, nimmt mir den Joint ab und tätschelt sanft meinen Rücken. »Du machst das zum ersten Mal und nimmst gleich den größten Zug aller Zeiten? Das war nicht besonders klug von dir, aber ich gebe dir Punkte für deinen Mumm …«
»Warum …«, keuche ich. »Würde irgendjemand …« Ein weiteres Keuchen. »Das jemals …« Ich huste wieder. »Freiwillig tun?«
»Wenn du richtig einatmest, brennt es nicht in deiner Kehle. Und die Nachwirkungen sind ziemlich angenehm …« Sie hebt den Joint an ihren Mund und hält ihn vorsichtig zwischen den Fingern. »So – schau zu, wie ich es mache.«
Ich beobachte ihre Bewegungen, ihre leicht gespitzten Lippen und die Art, wie sie die Wangen nach innen zieht, während sie ein klein wenig einatmet. Als sie mir den Joint zurückreicht, nehme ich ihn zögerlich entgegen.
»Mach dieses Mal langsam«, sagt sie und schaut mir bei meinem zweiten Versuch zu. »So ist es richtig – nicht zu viel auf einmal! Jetzt behalte den Zug auch für ein paar Sekunden in deiner Lunge, und lass ihn seine Wirkung entfalten …«
Ich bin nicht in der Lage, das brennende Gefühl in meiner Brust zu ertragen, und huste einen Schwall Rauch aus. Zum Glück ist meine Reaktion darauf diesmal viel weniger heftig. Meine Kehle fühlt sich immer noch wie ein Aschenbecher an, aber wenigstens tränen meine Augen nicht so sehr.
»Schon viel besser!«, lobt mich Chloe. »Wenn du so weitermachst, bist du bald ein Profi.«
»Das bezweifle ich.« Meine Stimme ist ein Krächzen.
»Übung macht den Meister.«
»Danke, aber ich glaube, ich verzichte lieber.«
Obwohl ich mir nicht sicher bin, ob ich mir die Wirkung nur einbilde, aber tatsächlich fühle ich mich wenig später bemerkenswert entspannt. Die ganze Welt ist an den Rändern ziemlich verschwommen.
Als ich mich in dem leeren, grell beleuchteten Trainingsraum umschaue, breitet sich ein verträumtes, wie vom Rausch benebeltes Lächeln auf meinem Gesicht aus.
War es hier drinnen schon immer so hübsch? Ich will hier nie wieder weg! Sieh sich einer nur mal den glänzenden Boden an! Die endlos hohe Decke! Und all diese unterschiedlichen Hanteln.
Ha.
Hanteln.
Warum nennt man die Dinger überhaupt Hanteln?
Das ist ein seltsamer Begriff.
Hanteln.
Han-teln.
Hat das was mit Händen zu tun, weil man sie damit hochhebt?
Quatsch.
Derjenige, der sich den Begriff ausgedacht hat, war ein Dummkopf.
Ein richtiger Idiot.
Hihihiiiii.
Ich kichere vor mich hin und lehne mich nach hinten auf meine Ellbogen. Ich fühle mich seltsam – so als wäre ich in ein impressionistisches Gemälde getreten. Die ganze Welt ist ein einziger großer pastellfarbener Klecks aus Licht und Geräuschen.
Ich lebe in einem van Gogh!
Hm.
Van Gogh.
Der hat vermutlich eine Menge Gras geraucht.
Sternennacht hat er auf keinen Fall nüchtern gemalt.
Als ich Chloe diese Beobachtung mitteile, lacht sie glucksend. »Oh Mann, dich hat es aber umgehauen.«
Ich werfe einen Blick auf meine Beine, die ich vor den Matten ausgestreckt habe, auf denen wir sitzen. »Eigentlich habe ich mich von selbst hingesetzt.«
»So habe ich das nicht gemeint.«
»Chloe.«
»Was?«
»Eine ernste Frage.«
»Raus damit.«
»Warum heißen die Dinger Hanteln?«
Sie kichert, und das Geräusch ist so ansteckend, dass ich einfach nicht anders kann, als mitzulachen. Mein Gelächter spornt sie nur noch mehr an, und schon bald sitzen wir vornübergebeugt da, schnappen nach Luft und haben Tränen in den Augen. Erst als uns Galizia wenige Augenblicke später findet, gelingt es uns endlich, uns zusammenzureißen.
»Soll das Ihr Ernst sein?« Meine Leibwächterin schaut mit missbilligender Miene auf uns herab. »Da lasse ich Sie beide mal für zehn Minuten allein, und Sie nutzen die Zeit, um sich zuzudröhnen?«
Wir kichern wieder wie von Sinnen.
»Kommen Sie. Stehen Sie auf.« Galizia zerrt uns beide auf die Füße und scheucht uns zu den Türen des Trainingsgebäudes. Ihr tiefes Seufzen dringt nur schwach durch den Nebel in meinem Kopf, während wir auf den Ausgang zusteuern. »Ich schätze, dass Sie das Eis für Ihre Hand jetzt wohl nicht mehr brauchen, oder, Prinzessin? Sie spüren sicher nicht mehr viel von dem Schmerz.«
»Gar nichts!« Ich grinse und hebe triumphierend meine wunde Hand, um eine Faust in die Luft zu recken.
»Morgen wirst du welchen spüren«, verkündet Chloe schadenfroh und hakt sich bei mir unter. »Zumindest in deinem Kopf.«
Galizia schnaubt und hält die Türen für uns auf. Chloe schaut sie an, als wir nach draußen auf das dunkle Gelände hinausschlüpfen.
»Haben Sie einen Freund?«
Galizia hält inne. »Nein.«
»Eine Freundin?«
»Nein.«
»Einen Hund? Eine Katze? Einen Vogel?«
> »Nein.«
»Sind Sie von hier?«
»Nein.«
»Wo kommen Sie her?«
Galizia ignoriert die Frage, aber Chloe ist hartnäckig.
»Wie alt sind Sie?«
Galizia geht einfach weiter.
»Wofür steht das B in Ihrem Namen?«
Keine Antwort.
»Ist es Beth?«, rät Chloe. »Belinda! Bonnie. Bethel?«
»Bellatrix!«, rufe ich aufgeregt.
»Nur mit der Ruhe, J. K. Rowling.« Chloe schnaubt. »Bianca? Betty? Brittany? Bridget?«
»Ich habe mal einen Waschbären in meiner Nachbarschaft Bridget genannt«, murmle ich.
Sowohl Galizia als auch Chloe schauen mich skeptisch an.
»Was?«, frage ich und gehe in die Defensive. »Ich hatte nie ein Haustier.«
»Nun …« Chloe verzieht das Gesicht. »Diese spezielle Geschichte solltest du vielleicht lieber für dich behalten, E. Vor allem wenn die Presse in der Nähe ist.«
Ich stoße ihr meinen Ellbogen in die Seite.
Galizia schüttelt den Kopf, als wären wir einfach nur nervig, und geht weiter über den dunklen Weg, der zurück zum Schloss führt. Es ragt in der Ferne wie ein gewaltiger, finsterer Schatten auf, der immer größer wird, je näher wir darauf zugehen. Ich richte den Blick fest auf den höchsten Turm, dessen Silhouette vor den Sternen prangt mit dem abnehmenden Mond wie ein Leuchtfeuer direkt dahinter.
Ich wette, dass die Sternbilder von da oben unglaublich aussehen. Ich wette, dass man die Hand ausstrecken und sich einfach so einen vom Himmel pflücken könnte.
Chloe rattert immer noch Namen herunter. »Bree? Barbara? Oh, was ist mit …?«
»Chloe, du verschwendest deine Zeit. Galizia ist wie eine verschlossene Truhe. Ich habe versucht, ihr persönliche Informationen zu entlocken, seit wir uns kennengelernt haben, was ungefähr eine Million Jahre her ist …«
»Eine Woche«, korrigiert mich Galizia trocken.«
Ich fahre unbeirrt fort. »… und sie erzählt mir nie etwas über sich.«
»Hmpf. Schön. Was auch immer.« Mit einem mürrischen Brummen gibt Chloe ihre Inquisition endlich auf.
Für eine Weile sind der Klang unserer Schritte, die sich knirschend über den gefrorenen Kies bewegen, und das leise Flüstern des Winds, der durch die blattlosen Bäume weht, die einzigen Geräusche weit und breit. Wir haben fast den Eingang des Schlosses erreicht, als Chloe mit entschlossener und tiefernster Miene einen Blick auf meine Leibwächterin wirft.