Book Read Free

Was auch immer geschieht 02 - Feeling close to you

Page 17

by Iosivoni, Bianca


  »Du meinst wohl: Er ist sexy.«

  »Wenn du das sagst …«

  Diesmal war es an mir, zu grinsen, aber ich beschloss, nicht weiter darauf einzugehen. »Jedenfalls war ich eine Zeit lang ganz versessen darauf, Medizin zu studieren, hab mich im ganzen Land beworben und bin an ein College nach Oregon gegangen. Dort hab ich Callie kennengelernt. Du weißt schon, meine beste Freundin, auf deren Geburtstagsparty ich vor einem Monat war.«

  »Wo auch die Ex mit dem Ehemann war«, ergänzte Teagan trocken. »Ich erinnere mich.«

  Kurz biss ich die Zähne zusammen, erzählte dann jedoch weiter. »Callie und ich waren auf einem Date, haben dann aber ziemlich schnell gemerkt, dass niemals etwas zwischen uns laufen wird, aber da wir beide aus Alabama stammen – und uns das irgendwie verbunden hat –, sind wir stattdessen Freunde geworden.« Beim Gedanken an meine beste Freundin musste ich unweigerlich lächeln. »Callie hat dann noch vor mir ihr Studium in Oregon abgebrochen und ist zurück nach Hause gezogen. Ich hab kurz nach ihr das Handtuch geworfen.«

  »Wolltest du nach dem College doch nicht mehr auf die Med School?«

  Ich schüttelte den Kopf. In Gedanken war ich wieder zu Hause bei meinen Eltern, bei meiner Mom, für die es keine Hilfe gab, nur Wege, die Symptome zu lindern. Daran würde kein Medizinstudium der Welt etwas ändern. Ich schluckte hart. »Definitiv nicht«, erwiderte ich und musste mich räuspern, damit meine Stimme nicht mehr so verflucht belegt klang. »In der Zwischenzeit hatte ich schon mit den Livestreams und YouTube-Videos angefangen und wusste, dass ich in der Richtung weitermachen wollte, aber professionell. Also habe ich mich an einigen Unis beworben und bin schließlich in Pensacola gelandet. Jetzt bin ich im Master of Business Administration mit Schwerpunkt Entrepreneurship.«

  Und damit an einer anderen Universität als die, auf die Cole ging und die Teagan anstrebte. Witzigerweise war der Campus gar nicht weit entfernt und es gab haufenweise Cafés, in die die Studenten beider Colleges gingen, weil sie direkt in der Mitte oder auf dem Weg lagen. Und am Strand trafen sich sowieso ständig alle. Manchmal glaubte ich, in einem Dorf zu wohnen, weil man fast immer Leuten begegnete, die man von irgendwoher kannte. Andererseits bot Pensacola noch immer genügend Anonymität, um als richtige Stadt durchzugehen.

  »Wir sind zwar nicht New York oder Austin«, begann ich, »aber dafür haben wir den besten Strand und die besten Leute.«

  »Tatsache?« Belustigung schwang in ihrer Stimme mit.

  »Auf jeden Fall. Du hast alle Vorzüge von Florida, aber ohne die ganzen Touristen wie in Miami. Was will man mehr?«

  »Stimmt. Was will man mehr?«

  Kurz zuckte mein Blick zum Monitor, als der Bildschirmschoner anging, dann richtete ich meine ganze Aufmerksamkeit wieder auf Teagan am anderen Ende der Leitung. »Also, wie sieht es aus? Kommst du nach Pensacola, um dir den Campus anzuschauen?«

  Parker

  Eine Frage noch …

  Teagan

  Ja?

  Parker

  Wie alt bist du eigentlich genau?

  Teagan

  Das fällt dir erst jetzt ein? Ernsthaft?

  Parker

  Ernsthaft

  Teagan

  18

  Teagan

  Im Oktober werde ich 19

  Parker

  Wow

  Parker

  Tatsache?

  Teagan

  Ich musste ein Jahr in der Highschool wiederholen wegen … aus Gründen

  Parker

  Aus Gründen?

  Teagan

  Jepp.

  Parker

  Hmm

  Teagan

  Ziehst du die Einladung jetzt zurück? Darf ich doch nicht mehr nach Florida kommen?

  Parker

  Keine Chance

  Parker

  Ich bin nur überrascht, das ist alles. Du wirkst nicht wie 18

  Teagan

  Und du nicht wie … wie alt bist du überhaupt?

  Parker

  24

  Teagan

  Wow

  Teagan

  Das ist ganz schön alt

  Parker

  Wie bitte?!

  Teagan

  Ich weiß nicht, ob ich euch jetzt noch in der WG besuchen kann. Seid ihr alle schon so alt?

  Parker

  Teagan

  Kein Wunder, dass du im Guild Wars PvP ständig gegen mein Team verlierst. Das ist das Alter, Parker …

  Parker

  Ich zeig dir gleich, wer hier alt ist!

  Teagan

  Level 11

  Teagan

  Am nächsten Tag saß ich nach der Schicht im Coffeeshop auf der Fensterbank in meinem Zimmer und starrte in die Auffahrt. Der Router war noch immer weg, also gab es im ganzen Haus kein Internet. Keine Filme und Serien, die ich durchsuchten könnte. Nicht mal Musik, weil ich alles nur noch online hörte und mein alter CD-Player schon vor zwei Jahren den Geist aufgegeben hatte. Argh!

  Was taten Menschen ohne Internet? Wie verbrachten sie ihre Zeit? Wie kommunizierten sie mit anderen? Sollte ich etwa da rausgehen und … was genau tun? Zur Mall fahren und dort herumhocken? Allein ins Kino gehen? Ugh. Nein, danke. Da blieb ich lieber zu Hause sitzen, starrte reglos aus dem Fenster und fragte mich, wie zum Teufel ich in einem kitschigen Vampirfilm gelandet war. Denn genau so musste sich Bella gefühlt haben, als Edward plötzlich weg war. Nur dass mein Edward der Internetanschluss war.

  Seufzend sah ich auf mein Handy, obwohl ich genau wusste, dass es ohne Datenvolumen keine neuen Nachrichten geben würde. Klar könnte ich mir ein neues Datenpaket kaufen, aber das war schweineteuer, und jetzt, wo das Streaming auf unbestimmte Zeit als Einnahmequelle wegfiel, musste ich jeden Cent zweimal umdrehen. Was auch der Grund war, warum ich noch immer zögerte und Parkers Einladung nicht einfach angenommen hatte. Na gut, und weil Dad mir mit ziemlicher Sicherheit den Hals umdrehen und den Computer wegnehmen würde, wenn ich noch so eine Aktion wie zur RTX ­startete.

  Aber ich wollte es. Ich wollte Parker und die anderen in Florida besuchen. Ich wollte mir das College anschauen, bei dem ich mich beworben hatte und auf dessen Antwort ich noch immer jeden Tag wartete. Und zu meiner eigenen Überraschung wollte ich den Kontakt zu anderen Menschen. Zu Leuten, die die gleichen Interessen hatten wie ich und mich nicht komisch anschauten, wenn ich etwas von Lara Croft oder Guild Wars erzählte.

  Seufzend lehnte ich den Kopf gegen den Fensterrahmen. Könnte es nicht wenigstens regnen? Das würde viel besser zu meiner aktuellen Lebenssituation passen. Ein Tornado, Gewitter oder Schneesturm wären auch okay. Aber nein, stattdessen strahlte die Sonne von einem widerlich blauen Himmel herunter, und alle Welt genoss den Sommer. Sogar Dad war heute früher nach Hause gekommen, dabei arbeitete er sonst auch den ganzen Sonntag. Allerdings war er sicher nicht hier, um sich im Garten auf eine Liege zu setzen und sich zu sonnen – er hatte sich direkt in seinem Arbeitszimmer vergraben. Aber ich wusste genau, was er mit dieser Aktion bezweckte. Er wollte auf mich aufpassen und sichergehen, dass ich keine Dummheiten anstellte. Ich verdrehte die Augen. Als ob das ohne Internet so einfach möglich war. Ich konnte mir nicht mal online die Wettervorhersage anschauen. Davon, Flüge nach Florida zu buchen, ganz zu schweigen.

  Eine Bewegung in der Einfahrt zog meine Aufmerksamkeit auf sich. Die Post war da. Huh. Bis eben hatte ich nicht mal gewusst, zu welcher Uhrzeit sie sonst kam, weil ich immer mit etwas anderem beschäftigt gewesen war. Schule, Hausaufgaben, Arbeiten, Livestreams, Social Media … oder ich hatte mich einfach in ein paar Foren, auf Blogs und Online-Magazinen herumgetrieben.

  Aber da ich jetzt sowieso nichts Besseres zu tun hatte und mich irgendwie beschäftigen musste, bevor ich ausrastete, stand ich auf, zog meine Boots an und trottete die Treppe hinunter. Vor dem Haus kniff ich die Augen vor den blendenden Sonnenstrahlen zusammen, fischte die Post aus dem Briefkasten und schlurfte anschließend genauso lustlos wieder zurück.

  Die Briefe landeten auf einem Haufen auf der Kücheninsel, während ich mir etwas zu trinken aus dem Kühlschrank holte. Kein Kaffee und auch keine Energydrinks, weil es k
einen Grund mehr für mich gab, wach und fit zu sein. Ich könnte genauso gut den ganzen Tag verschlafen … wenigstens würde dann die Zeit schneller vergehen.

  Erst als ich das Glas Wasser ausgetrunken hatte, drehte ich mich zu dem Stapel Post um und beäugte ihn kritisch. Mein Herz begann vor Aufregung zu hämmern, auch wenn ich es ihm am liebsten verboten hätte. Die Wahrscheinlichkeit, dass einer der Briefe für mich war, war verschwindend gering. Trotzdem kribbelten meine Finger, als ich sie danach ausstreckte und die einzelnen Umschläge durchging.

  Rechnung. Werbung. Werbung. Rechnung. Irgendetwas für Dad. Noch mehr Werbung und … Ich hielt unwillkürlich die Luft an. Ein Brief der Georgetown University in Washington, D. C., einer katholischen Universität, wo man Politik, Medizin, Jura und all diesen Kram studieren konnte und die auf Platz 24 im nationalen Ranking stand. Ich konnte mich noch gut an den Vortrag erinnern, den mir mein Vater dazu gehalten hatte. Darüber, wie er dort im Basketballteam gespielt und sie auch dank ihm den Pokal geholt hatten. Wie er seinen Abschluss gemacht hatte. Wie er in einem Museum in Washington Mom kennengelernt hatte.

  Ich schüttelte das seltsame Gefühl ab und ging ins Wohnzimmer hinüber, wo ich mich aufs Sofa fallen ließ, den Brief noch immer in der Hand.

  Machte es mich zu einem schlechten Menschen, dass ich mir eine Absage wünschte? Auch wenn ich genau wusste, wie enttäuscht Dad dann sein würde? Aber ich wollte nicht auf dieses College. Mal ganz davon abgesehen, dass ich nicht dorthin passte, würde ich mich dort verlieren. All meine Hobbys und Interessen würden nach und nach einschlafen, weil ich keine Zeit mehr dafür hätte, bis ich nur noch für mein Studium lebte und später eine Achtzig-Stunden-Woche in irgendeinem Büro verbringen würde.

  Brr! Allein bei der Vorstellung wurde mir übel.

  Trotzdem zitterten meine Finger, als ich den Umschlag langsam öffnete und den Brief herauszog. Und das Zittern nahm nur noch zu, als ich die Worte las.

  Eine Zusage.

  Die Georgetown University hatte mich akzeptiert. Ich sollte mich freuen. Wenigstens erleichtert sein, weil ich nun einen funktionierenden Plan B hatte, auf den ich zurückgreifen konnte, wenn das mit dem Game Design nicht funktionierte. Aber ich war nicht erleichtert, und ich freute mich auch nicht. Stattdessen zog sich mein Magen zusammen, und Übelkeit breitete sich in mir aus. Weil ich diesen Plan B nicht wollte. Ich wollte Plan A, verdammt noch mal!

  Ein Geräusch ließ mich zusammenzucken. Dad stand im Türrahmen und betrachtete mich mit gerunzelter Stirn.

  »Alles in Ordnung?«, fragte er und trank einen Schluck aus seiner Tasse.

  Ich war so in Gedanken versunken gewesen, dass ich nicht mal gehört hatte, wie er sich einen Kaffee gemacht hatte. Und auch jetzt konnte ich nicht antworten, also nickte ich nur.

  »Was ist das?«, fragte er und trat näher. Als ich nicht reagierte, nahm er mir den Brief aus der Hand und las ihn selbst. Innerhalb von Sekunden hellte sich sein besorgtes Gesicht auf und Freude breitete sich darauf aus. So viel Freude, dass sich mein Magen nur noch mehr zusammenzog. »Sie haben dich angenommen! Das ist großartig, Teagan!«

  Ja. Großartig. Und wie. Denn jetzt stand der Zukunft, die er für mich vorgesehen hatte, nichts mehr im Weg. Na ja, nichts außer meinem Starrsinn.

  »Das müssen wir feiern! Was sagst du, Liebling? Teagan?«, rief Dad mir nach, als hätte er erst jetzt bemerkt, dass ich schon längst aufgestanden und auf dem Weg nach oben war. Und wahrscheinlich entsprach das sogar der Wahrheit.

  »Mir ist nicht nach Feiern«, gab ich zurück und ging weiter, ohne zurückzuschauen, damit ich sein enttäuschtes Gesicht nicht sehen musste.

  In meinem Zimmer angekommen, drückte ich die Tür hinter mir zu und lehnte mich dagegen. Das Herz schlug mir bis zum Hals, und Tränen brannten in meinen Augen. Wie lächerlich war das eigentlich? Jeder andere in meinem Alter würde sich riesig über eine Collegezusage freuen. Für mich fühlte es sich stattdessen so an, als würde die Welt untergehen. Meine Welt.

  Rastlos glitt mein Blick durch das Zimmer, über das ungemachte Bett, die Tomb-Raider-Poster an der einen Wand, das unordentliche Regal und den verlassenen Schreibtisch mit den Monitoren, dem Rechner und dem Gaming-Sessel. Dann sah ich auf das Handy, das noch immer auf der Fensterbank lag.

  Dann komm her.

  Parkers Stimme geisterte durch meinen Kopf. Wenn es so einfach wäre, hätte ich mich schon längst in einen Flieger gesetzt, aber das konnte ich nicht tun. Nicht schon wieder. Und ganz bestimmt nicht so kurz nach dem Desaster, das überhaupt erst dazu geführt hatte, dass Dad mir den Router weggenommen hatte. Oder …?

  In meinem Kopf arbeitete es unablässig. Ich wollte nicht auf die Georgetown University, so viel war klar. Und wenn ich meinen Vater damit sowieso enttäuschen würde – noch mehr als ohnehin schon –, dann … ja, dann konnte ich auch nach Florida fliegen und mir den Campus des West Florida Media & Arts Colleges anschauen. Dann konnte ich auch Parker wiedersehen. Selbst wenn das bedeutete, mir diese blöden Tickets direkt am Schalter am Flughafen zu besorgen und Dads Zorn erneut auf mich zu ziehen.

  Alles war besser, als auf eine Universität gehen und jahrelang etwas studieren zu müssen, das mich in keinster Weise interessierte.

  Alles war besser, als meinen Traum einfach aufzugeben.

  Am nächsten Morgen saß ich im Flieger. Beim Anflug auf Pensacola war es bereits Nachmittag, und ich drückte mir fast die Nase an der Scheibe platt. Da war so viel Blau, so viel Meer, endlose Strände, Häuser und Autos, die immer größer wurden, bis sie nicht mehr so aussahen, als wären sie kleine Ameisen. Zugegeben, Pensacola war nicht Miami Beach, aber das, was ich vom Flugzeug aus erkennen konnte, hatte mich schon überzeugt. Es musste ein Traum sein, so nahe am Meer zu leben. Und wenn ich hier auch noch Game Design studieren könnte …

  Ich atmete tief durch und unterdrückte das aufgeregte Kribbeln in meinem Bauch. Noch hatte ich nichts vom WFMAC gehört, weder eine Zu- noch eine Absage. Allerdings hatten wir bereits den achtzehnten Juli. Allzu lange konnte es nicht mehr dauern, bis ich von allen Colleges eine Rückmeldung erhielt, schließlich begannen die ersten Herbstsemester schon in einem Monat. Wann genau es hier losging, musste ich noch mal nachschauen. Bisher war das Terrence College in Austin mein Favorit. Mal sehen, ob mich das West Florida Media & Arts College genauso von sich überzeugen konnte.

  Und vielleicht, nur vielleicht hatte meine Aufregung ja auch etwas damit zu tun, dass Dad mich vermutlich umbringen würde, sobald ich wieder zu Hause war, weil ich ihm wieder nur einen Zettel hinterlassen und unserer Haushälterin Susanna Bescheid gesagt hatte, dass ich nach Florida flog.

  Kaum tauchte dieser Gedanke auf, schob ich ihn weit von mir. Damit würde ich mich erst auseinandersetzen, wenn ich wieder zu Hause war. Außerdem würde Dad sowieso nicht so schnell merken, dass ich weg war, weil er einen neuen Kunden hatte und die nächsten Tage wieder mal rund um die Uhr arbeiten und vermutlich im Büro schlafen würde. Heute Morgen war er sogar noch vor mir losgefahren.

  Meine Aufregung hatte also überhaupt nichts mit einem möglichen schlechten Gewissen zu tun, sondern vielmehr damit, dass ich gleich Parker wiedersehen würde. Mir einfach anzubieten, bei ihnen in der WG zu übernachten, war nicht selbstverständlich. Ich kannte die Leute bei mir daheim seit dem Kindergarten, und trotzdem würde mir keiner von ihnen je so etwas anbieten, da war ich sicher.

  Meine Finger bohrten sich in die Armlehnen, als der Anflug auf den Pensacola International Airport begann. Es war nicht so, dass ich Flugangst hatte – ich hatte nur zu viele Artikel im Internet darüber gelesen, was alles schiefgehen konnte. Und natürlich war ausgerechnet die Tatsache, dass Anflüge und Landungen mit am gefährlichsten waren, in meinem Kopf hängen geblieben. Danke auch, Gehirn.

  Ein Ruckeln ging durch den Flieger. Ich hielt die Luft an und kniff die Augen zusammen. Es konnte nicht mehr lange dauern, bis … Eine kleine Erschütterung und der Flieger hopste kurz auf und ab, dann waren wir auf der Rollbahn. Oh, Gott sei Dank!

  Alles, was danach folgte, fühlte sich nicht nur wie eine Ewigkeit an, sondern dauerte tatsächlich so lange. Eigentlich hatten wir
es geschafft, pünktlich zu landen, doch bis wir dann auch tatsächlich am Terminal ankamen und aussteigen durften, vergingen noch einige quälend lange Minuten. Ich presste meine Tasche an mich – genau dieselbe, die ich bis vor wenigen Wochen noch ständig in der Schule dabeigehabt hatte, und die mir jetzt als Reisetasche diente –, dann stand ich auf.

  Ungeduldig folgte ich den anderen Passagieren aus dem Flugzeug und die langen Gänge entlang. Natürlich blieb jemand direkt vor mir einfach stehen, um sein Handy zu checken, und irgendwo brüllte ein Kind so laut, dass mir die Ohren klingelten, während mich ein Kerl im Businessanzug mit Aktenkoffer in der Hand und Headset im Ohr fast umrannte. Bah. Menschen. Dagegen halfen nicht mal mehr die niedlichen Delfine, die auf dem Boden zu sehen waren.

  Zum Glück bogen die meisten Reisenden Richtung Gepäckausgabe ab, an der ich vorbeilaufen konnte und stattdessen direkt den Ausgang ansteuerte. Dass mein Herz dabei mit jedem Schritt schneller schlug, lag sicher nur daran, dass ich schon ewig keinen Sport mehr gemacht hatte und hier ein Mordstempo an den Tag legte. Das war der einzige Grund. Ganz bestimmt.

  Ich trat durch die Türen in den Wartebereich, wo sich einige Leute versammelt hatten, um die eintreffenden Passagiere in Empfang zu nehmen. Mütter mit Babys auf der Hüfte und kleinen Kindern an der Hand, besorgte Eltern, die auf ihre Söhne und Töchter warteten, aufgeregte Männer und Frauen, die das Wiedersehen mit ihren Partnern gar nicht mehr erwarten konnten, ganze Gruppen von Studenten und …

  Ich blieb abrupt stehen, als mein Blick den von jemand anderem traf. Strahlend blaue Augen, fast schwarze Haare und ein genauso dunkler Bartschatten, dazu ein langsames Lächeln, das sich jetzt auf seinem Gesicht ausbreitete. Parker hatte zwar angekündigt, dass er mich abholen würde, trotzdem traf es mich völlig unvorbereitet, ihn dort stehen zu sehen. Vielleicht, weil ich mir weder bei den Vorbereitungen noch beim Packen, auf dem Weg hierher und nicht mal während des Fluges erlaubt hatte, auch nur eine Sekunde daran zu denken, wie es sein würde, ihn wiederzusehen. Oder was das in mir auslösen würde.

  Ich hatte keine Ahnung, wer von uns sich zuerst in Bewegung setzte, aber plötzlich standen wir voreinander, und ich versank in einer Umarmung, bei der mir die Luft weg- und das Herz förmlich stehen blieb. Und da war er wieder, dieser Duft, der mich noch Tage nach der RTX verfolgt hatte. Diese Mischung aus fruchtigem Apfel, Rosmarin und etwas Warmem, Würzigem machte mich noch wahnsinnig. Ich musste dringend herausfinden, welches Duschgel Parker benutzte.

 

‹ Prev