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Was auch immer geschieht 02 - Feeling close to you

Page 23

by Iosivoni, Bianca


  »Klar«, erwiderte ich und warf ihr einen letzten zweifelnden Blick zu, dann kehrte ich zu den Jungs zurück.

  Oder zumindest war das der Plan, denn bei dem Anblick, der sich mir jetzt im Wohnzimmer bot, blieb ich abrupt im Türrahmen stehen.

  Sie hatten den Couchtisch beiseitegeschoben, damit zwischen Fernseher und Sofa genügend Platz war. Und den brauchten sie auch. Parker, Cole und Lincoln tanzten zu OMG von Arash und Snoop Dogg – wenn man das überhaupt Tanzen nennen konnte. Sie sprangen nicht besonders synchron herum, wedelten mit den Armen, kickten ein Bein nach vorne, hüpften hin und her und sanken an einer Stelle sogar auf Hände und Knie.

  Ich konnte nicht anders, ich prustete los. Dieser Anblick war göttlich. Kein Wunder, dass Sophie unbedingt dabei sein wollte.

  »Alles klar?« Cole bemerkte mich als Erster, hörte aber nicht mit den seltsamen Bewegungen auf. Von den dreien war er derjenige, der sich am wenigsten an die Vorgaben und Schrittfolgen auf dem Fernseher hielt. Dafür blieb er aber erstaunlich gut im Takt.

  Ich lehnte mich mit der Schulter gegen den Türrahmen, weil ich von hier aus die beste Aussicht auf das Spektakel hatte. »Alles gut. Sophie kommt gleich. Sie …« Einen Augenblick lang zögerte ich, denn im Grunde kannte ich Sophie und ihre Probleme nicht. Gingen sie mich überhaupt etwas an? Andererseits waren das hier ihre Mitbewohner, und womöglich war es für den Hausfrieden nicht ganz unwichtig, dass die Jungs vorgewarnt waren. »Ich glaube, es geht ihr nicht besonders.«

  Vielleicht war es falsch, das zu erwähnen – aber ganz ehrlich? Dank der geröteten, verquollenen Augen konnte ihr das sowieso jeder ansehen.

  »Ist sie krank?«, fragte Lincoln und hob die Arme, um wie eine Art Zombie rückwärts zu gehen.

  »Oder hat sie ihre Tage?«, warf Parker ein, der dieselbe seltsame Bewegung vollführte.

  »Nope«, kam es von Cole, der jetzt auf die Knie sank und so tat, als würde er das Haar zurückwerfen. »Erst in zwei Wochen wieder.«

  Die anderen hielten inne und starrten ihn perplex an.

  »Was denn?« Cole sprang wieder auf und zuckte mit den Schultern. »Ich schreibe mir den Scheiß auf. Wie soll ich sonst unser aller Überleben sichern und jedes Mal rechtzeitig drei Tafeln Schokolade herbeizaubern? Ihr solltet mir dankbar sein.«

  Und mit diesen Worten und den letzten Bewegungen gewann er das Match, da sich Parker und Lincoln vor lauter Überraschung gar nicht mehr gerührt hatten.

  »Ha!« Cole stieß die Faust in die Luft. »Ich bin der ungeschlagene Sieger! Ihr wisst, was jetzt ansteht.«

  Verwirrt sah ich zwischen den dreien hin und her. »Was denn?«

  Sophie tauchte neben mir auf, mit gekämmten Haaren und in einem sauberen hellblauen Top. »Die Verlierer tanzen Obsesión von Aventura. Ahh, ich bin genau richtig gekommen!« Ohne nachzufragen, packte sie mich am Arm und zog mich zum Sofa. »Das wird so gut!«

  Parker verzog das Gesicht, als hätte er Schmerzen. »Bringen wir es hinter uns.«

  Cole zwinkerte Sophie zu, stellte das richtige Lied ein und quetschte sich dann zwischen uns aufs Sofa. »Los geht’s! Und haltet euch nicht zurück, ja?«

  Die ersten Töne erklangen, und als sich Parker hinstellte und so tat, als würde er telefonieren, musste ich bereits ein Glucksen zurückhalten. Wo um alles in der Welt war ich hier nur gelandet?

  Plötzlich setzte die Musik ein, und die beiden legten los. Neben mir presste sich Sophie ein kleines Kissen vors Gesicht, während ihre Schultern bereits verräterisch bebten. Ich konnte mein Lachen bis zu dem Zeitpunkt zurückhalten, in dem sie die Hände sehnsüchtig nacheinander ausstreckten, sie ineinanderlegten und sich dabei ziemlich nahe kamen.

  Ich prustete los. Oh. Mein. Gott. Die zwei tanzten die Choreografie voller Leidenschaft und mit ganzem Körpereinsatz, sowohl die nachfolgende Drehung als auch die restlichen Tanzschritte. Ich hätte ihnen ewig zuschauen können.

  Zwischendurch stand Cole auf und flitzte in die Küche, gleich darauf drückte er mir etwas zu trinken in die Hand und warf ein paar Snacks auf den Tisch. Dann war die Performance leider auch schon vorbei.

  Parker ließ sich auf den Sessel fallen und streckte alle viere von sich. »Dieser Song killt mich.«

  »Ach komm«, neckte Lincoln. »Du kannst ruhig zugeben, dass ich dich kille, nicht das Lied.«

  Statt einer Antwort zeigte Parker ihm nur grinsend den Mittelfinger. Dann kehrte seine Aufmerksamkeit zu mir zurück. »Du bist dran. Los, los!«

  »Ich?«

  »Oh ja!« Ehe ich mich versah, sprang Cole auf und zog erst Sophie, dann mich auf die Beine. »Zeigen wir den beiden mal, was wir draufhaben.«

  Und so schnell wurde ich von der passiven Zuschauerin zur aktiven Teilnehmerin. Ich versuchte, bei der Schrittfolge von Where Are You Now von Lady Leshurr und Wiley mitzuhalten, obwohl ich die ganze Zeit lachen musste. Zwischendurch fing ich Parkers Blick auf, der mir mit seiner Bierflasche zuprostete. Ich ignorierte das kleine Kribbeln, das sich in mir ausbreiten wollte, und konzentrierte mich wieder ganz auf die Tanzschritte, um neben Cole und Sophie, die das eindeutig schon öfter gespielt hatten, nicht völlig zu versagen.

  Als wir fertig waren, klatschte unser Publikum, und wir deuteten eine Verbeugung an. Das Ganze hatte wahrscheinlich keine drei Minuten gedauert, trotzdem war ich außer Atem, verschwitzt und mir war ziemlich warm geworden. Vielleicht sollte ich es, nun da ich keine Schule mehr hatte, die mich dazu zwang, doch mal freiwillig mit Sport versuchen.

  Plötzlich sah Parker von seinem Handy auf. »Oh Shit. Das hatte ich ja ganz vergessen!«

  Sophie warf ihm einen alarmierten Blick zu. »Was denn?«

  »Was ist los?«, fragte ich ebenfalls.

  »Komm mit.« Er sprang auf, griff ohne jede Vorwarnung nach meiner Hand und zog mich auf die Beine. »Wir streamen jetzt zusammen.«

  Level 15

  Teagan

  »Bereit?«, fragte Parker wenige Minuten später, während seine Finger über der Maus schwebten.

  Wir saßen in seinem Zimmer am Schreibtisch, und er hatte extra einen zweiten Stuhl von Lincoln für mich geholt, damit ich es in den nächsten Stunden bequem haben würde. Anschließend hatte er die Kameraeinstellungen und den Ton überprüft und war kurz in die Küche gegangen. Jetzt waren wir mit Getränken und ein paar Keksen versorgt und konnten den Livestream starten.

  »Wenn ich Nein sage, blasen wir diese ganze Sache dann ab?«

  Parker grinste. »Nope.«

  »Genau das habe ich befürchtet.« Ich atmete tief durch und rückte die Kopfhörer etwas zurecht, fühlte mich aber noch immer nicht bereit. Wahrscheinlich würde ich das nie sein. Und je länger ich darüber nachdachte, was das hier bedeutete und wie viele Menschen uns gleich zuschauen würden, desto weniger bereit würde ich mich fühlen. Also nickte ich nur. »Okay. Lass uns anfangen.«

  Ein Klick, zwei – und wir waren live.

  Ich war mir ziemlich sicher, noch nie in meinem Leben so nervös gewesen zu sein. Nicht vor meinem allerersten Schultag. Nicht als Mom mich ins Krankenhaus gefahren hatte, damit mir die Mandeln rausoperiert werden konnten. Nicht, als ich Dad die vermasselte Führerscheinprüfung beichten musste. Nicht vor meinem ersten Kuss – und auch nicht beim ersten Mal. Okay, da schon, denn wann sollte man schon nervös sein, wenn nicht dabei? Aber das hier, dieser Moment in Parkers Zimmer, rangierte definitiv auf Platz zwei. Dabei hatten wir noch gar nicht mit irgendeinem Game angefangen. Wir saßen bloß vor seinen Monitoren und sprachen mit dem Chat. Der auch nur aus zwanzigtausend … nein, dreißigtausend Leuten bestand. Easy peasy. Das machte ich praktisch jeden Tag … Uuund wir hatten gerade die Fünfzigtausend-Marke geknackt.

  »Wie geht’s euch heute Abend?«, fragte Parker in die Runde. »Sorry für die Verspätung. Ich weiß, normalerweise fangen wir früher an, aber ich hab die Zeit vergessen. Und jetzt wisst ihr auch wieso.« Lässig deutete er mit dem Daumen auf mich, und ich wäre am liebsten im Erdboden versunken.

  Das hatte er jetzt nicht wirklich gesagt, oder?

  Oh Gott, mir war schlecht. Die Pizza war eine ganz miese Idee gewesen. Gab es hier irgendwo eine Tüte, in die ich atmen k
onnte? Ob die Zuschauer es wohl merkten, wenn ich ganz unauffällig vom Stuhl glitt und aus dem Bild verschwand?

  »Heute sind wir nicht allein, sondern haben Besuch von der lieben TRGame!«, verkündete Parker wesentlich enthusiastischer als ich mich gerade fühlte. »Manche von euch erinnern sich vielleicht noch daran, wie sie mich bei Guild Wars getötet hat. Wie oft war das?«

  Ich räusperte mich. »F-fünfmal?« Hitze schoss mir in die Wangen, und ich verfluchte mich in Gedanken. Himmel, ich machte das nun wirklich nicht zum ersten Mal. Allerdings war es das erste Mal vor so vielen Zuschauern. Und nicht daheim an meinem eigenen Schreibtisch mit meinem eigenen Rechner und meinen eigenen Kopfhörern. Und dann auch noch mit einer anderen Person zusammen.

  »Aww, sie versucht, nett zu sein«, scherzte Parker und warf mir einen belustigten Blick zu. »Das müssen mindestens sieben oder acht Tode gewesen sein. Oder mehr. Und dann auch noch mit diesem dämlichen Lama, das beim Todesstoß auf meiner Leiche herumgetanzt ist.«

  Ich reagierte nicht sofort, weil mein Blick immer wieder zu der Zuschauerzahl und den ganzen Fragen im Chat zuckte.

  Seid ihr etwa zusammen???

  OMG so cute

  wie habt ihr euch kennengelernt?

  Leute, die sind nur Freunde! Das hatten wir doch schon!

  wer ist das überhaupt??

  »Das ist TRGame«, beantwortete Parker die letzte Frage und deutete auf mich. »Sie streamt auch. Tut mir einen Gefallen und folgt ihr alle mal.«

  Ich konnte ihn nur von der Seite anstarren. Das hatte er jetzt nicht gesagt, oder? Er wollte, dass seine Zuschauer meinen Kanal abonnierten? Er hatte sie geradezu dazu aufgefordert? Oh Gott … Wo war die Papiertüte, wenn man sie mal brauchte?

  Plötzlich spürte ich unter dem Tisch etwas Warmes auf meinem Knie – und erstarrte. Es dauerte einen Moment, bis ich begriff, was es war. Eine Hand. Parkers Hand. Was zum Teufel …?

  Ich vergaß jedes bisschen Nervosität und riss den Kopf herum. Er warf mir einen wissenden Blick samt Grinsen zu, dann drückte er mein Knie kurz und ließ es anschließend los. Aber die Wärme blieb zurück und erinnerte mich daran, wo Parkers Hand gerade gewesen war.

  Obwohl ich es niemals zugeben würde, hatte mich die Berührung aus meinem gedanklichen Tumult gerissen und wieder in die Gegenwart zurückgebracht. Einer Gegenwart, in der wir beschlossen hatten, zusammen zu streamen. Nicht, dass er mir die Gelegenheit dazu gegeben hätte, Nein zu sagen, also saß ich nun hier. Und wenn ich einfach nicht mehr auf diese immer größer werdende Zahl schaute, die anzeigte, wie viele Menschen sich das gerade ansahen, würde auch alles gut gehen. Dann würde ich vielleicht sogar Spaß daran haben, denn im Grunde liebte ich meine fast täglichen Streams und hatte sie in der letzten Woche schmerzlich vermisst. Eigentlich war das hier doch auch nichts anderes als einer meiner gewohnten Livestreams. Nur dass ich diesmal nicht auf mich allein gestellt war.

  »Warum starten wir nicht das Guild Wars PvP und testen aus, wie oft du sterben kannst, wenn ich mir wirklich Mühe gebe?«, konterte ich schließlich. Ein bisschen verspätet, aber immerhin.

  Parker lachte auf – und er hatte ein so verdammt angenehmes, tiefes und warmes Lachen, dass ich kurzzeitig vergaß, dass wir hier live waren. »Verlockend. Aber ich will mich nicht schon in den ersten Minuten des Streams mit dir blamieren.«

  Ich hustete gespielt. »Feigling.«

  Ganz langsam drehte Parker den Kopf zu mir. »Was war das?«

  Ich blinzelte unschuldig. »Nichts …?«

  Dann fiel mein Blick wieder auf den Chat, der unheimlich schnell durchrauschte. Wie Parker bei so vielen Nachrichten überhaupt etwas davon lesen konnte, war mir schleierhaft. Ich konnte nur jede fünfte oder sechste Nachricht entziffern. Und das auch nur, wenn ich mich konzentrierte.

  Awww

  Ich shippe euch!!

  Neeeeiiiinnnn!! Parker darf keine Freundin haben!!

  #TRParker!! Oder #Parker4TR?

  woher kennt ihr euch???

  Hey TR! Wo warst du? Wir haben dich vermisst!

  Seid ihr freunde oder ein paar?!

  JAAAAA!!!!! #Parker4TR

  Gah! Wenn ich noch einmal lesen musste, dass die Leute uns für ein Paar hielten, nur weil wir hier nebeneinandersaßen und miteinander streamten, würde mir noch der Kopf explodieren.

  Selbstverständlich waren Parker und ich Freunde, sonst wäre ich jetzt gar nicht hier. Wir waren Freunde, die sich texteten, miteinander zockten, telefonierten und sich seit diesem Wochenende auch besuchten. Freunde, die … okay, mittlerweile nicht nur einen mehr als heißen Kuss miteinander geteilt hatten, sondern gleich mehrere. Uuund … das war wahrscheinlich nicht die Richtung, die meine Gedanken gerade einschlagen sollten.

  Ich warf Parker einen Seitenblick zu, den er hoffentlich richtig deuten würde. Zumindest sah er ebenfalls kurz zum Chat und überflog die tausend Fragen, Herzchen und Ausrufe. Sehr gut. Hoffentlich reagierte er entsprechend darauf. Ich griff nach meiner Dose.

  »Leute«, versuchte er die wild diskutierende Meute zu beschwichtigen. »Beruhigt euch. Natürlich sind TR und ich Freunde. Außerdem sind wir schon seit sechs Jahren verheiratet, haben ein Haus und zwei Komma vier Kinder zusammen.«

  Ich verschluckte mich an meinem Energydrink. Plötzlich konnte ich nicht mehr atmen, das kohlensäurehaltige Getränk schoss mir nicht nur in die Luftröhre, sondern auch in die Nase. Ich hustete, prustete und versuchte gleichzeitig nach Luft zu schnappen. Keine gute Kombination. Meine Kehle und meine Nase brannten, und Tränen schossen mir in die Augen, während ich mir die Seele aus dem Leib hustete.

  Live. Vor … ah ja, achtzigtausend Zuschauern.

  Und Parker? Der grinste nur.

  »Du Arsch!«, brachte ich krächzend hervor und klopfte mir auf die Brust. »Was war das? Ein hinterhältiger Mordversuch?«

  »Ich weiß gar nicht, was du meinst«, konterte er in gespielter Unschuld und klopfte mir auf den Rücken. »Das war nur die Wahrheit.«

  »Gott …« Ich wischte mir über die Augenwinkel, trocknete die Tränen und Spuren meines Fast-Todes und atmete tief durch. Das Kitzeln in meinem Hals war noch immer da. Ich hustete noch ein paarmal, dann schüttelte ich den Kopf. »Glaubt ihm kein Wort. Nichts davon ist wahr.«

  »Aww, soll das heißen, du willst die Scheidung? Was passiert dann mit unseren zwei Komma vier Kindern, den drei Hunden, zwanzig Katzen und der Chinchilla-Farm hinterm Haus?«

  Ich prustete los. Diesmal hatte ich glücklicherweise kein Getränk in der Hand. »Die kannst du alle behalten. Viel Spaß damit.«

  »Autsch.« Er sah mit leidender Miene in die Kamera. »Seht ihr, wie gemein sie zu mir ist? TR reißt mir nicht nur beim Zocken das Herz heraus, sondern auch in echt.«

  Ich warf ihm einen mitleidslosen Blick zu. »Du wirst es überleben.«

  Jetzt grinste er wieder – und ich stellte fest, dass er den Chat erfolgreich abgelenkt hatte. Es kamen zwar noch immer Fragen danach, ob wir nur befreundet oder mehr waren, aber die meisten schickten nur noch lachende Emojis oder fragten bereits, was wir heute spielen würden. Und mit dieser Art von Fragen kam ich bestens zurecht.

  Parker sah zum anderen Monitor, wo er mit wenigen Mausklicks ein paar Ordner öffnete. »Lasst uns erst mal die ­passende Musik auflegen und etwas quatschen. Dann wird gespielt.«

  »Die passende Musik?«

  »Jepp. Der Soundtrack des Abends, wenn du so willst.« Er sah mich gespielt entrüstet an. »Hast du dir etwa noch nie einen meiner Streams angeschaut?«

  »Ich nutze die Zeit lieber, um dich zu besiegen.«

  Wieder Lachen im Chat. Sogar Parker musste grinsen, während er durch einige Playlists scrollte.

  »Wie wäre es mit Adele oder James Blunt – passend zu meinem blutenden Herzen?«

  Ich kräuselte die Nase.

  »Nicht?« Er warf mir einen kurzen Blick zu. »Dann etwas Frauenpower? Taylor Swift? Beyoncé?«

  Scheinbar nachdenklich wiegte ich den Kopf hin und her. »Nope.«

  Parker rollte übertrieben mit den Augen. »Wieso gerate ich immer an Frauen ohne … ohne … Dings!«

  »Ohne Dings?«


  »Na, ohne …« Er wedelte mit der Hand und deutete dann auf mich. »Musikgeschmack!«

  »Hey!«, rief ich entrüstet. »Ich habe sehr wohl Musikgeschmack.«

  Er wandte sich mir mit einem breiten Lächeln zu – und mir wurde klar, dass er auf genau diese Reaktion gehofft hatte. »Beweis es.«

  Ich blinzelte. »Wie bitte?«

  »Beweis es«, wiederholte er und deutete Richtung Kamera. »Wie wär’s mit einer Runde Song-Raten?«

  »Das ist kein Game«, stellte ich trocken fest.

  »Nein.« Ein verschmitztes Funkeln trat in seine Augen. »Aber es wird mir trotzdem Spaß machen, dabei zuzusehen, wie du total versagst.«

  Und schon hatte er mich. Argh! War ich wirklich so leicht zu durchschauen? Ein bisschen Stichelei, eine kleine Herausforderung, und ich sprang darauf an? Anscheinend schon, denn plötzlich fand ich mich mitten in einem Spiel wieder, von dem ich überzeugt war, dass Parker es gerade erfunden hatte. Aber zumindest gingen die Zuschauer mit und schienen sich zu amüsieren, wenn ich die Flut an glücklichen und lachenden Emojis im Chat richtig deutete. Immerhin ein kleiner Trost, denn Parker sollte recht behalten. Ich versagte bei so gut wie allen Liedern, die er kurz für mich anspielte.

  Danach folgte glücklicherweise ein anderes Game – ein richtiges diesmal. Ich entspannte mich immer mehr und merkte nicht mal, wie die Zeit verging, bis ich einen Blick auf die Uhr warf und feststellte, dass wir schon seit über drei Stunden streamten. Nach und nach wurden es weniger Zuschauer, allerdings waren es noch immer weit mehr als ich es aus meinen Streams gewohnt war. Und jetzt kannten sie alle meinen Namen, mein Gesicht und wussten, dass ich mit Parker befreundet war und wir öfter miteinander zockten. Mein Postfach würde mit ziemlicher Sicherheit explodieren. Was hatte ich nur getan?

  Besser, ich dachte nicht allzu genau darüber nach, sondern konzentrierte mich aufs Hier und Jetzt. Und das bestand daraus, mir nach einer gescheiterten Runde Dead by Daylight eine kleine Pause zu gönnen, während Parker weiterhin die Zuschauer unterhielt.

  Ich ging erst ins Bad und dann in die Küche, um neue Getränke für uns beide zu holen. Anschließend schlich ich mich von hinten an Parker heran und drückte ihm die eiskalte Dose fest gegen den Nacken.

 

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