Was auch immer geschieht 02 - Feeling close to you

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Was auch immer geschieht 02 - Feeling close to you Page 35

by Iosivoni, Bianca


  Nach dieser Funkstille und der plötzlichen Bitte um ein Treffen wusste ich einfach nicht mehr, woran ich bei ihm war. Bis vor ein paar Wochen hatte ich geglaubt, Parker zu kennen. Nicht alles natürlich, denn dafür kannten wir uns zu kurz, aber er hatte mir Dinge über sich und sein Leben erzählt, von denen ich gedacht hatte … Ich hatte gedacht, wir wären uns nahe. Und ich war mir sicher gewesen, dass er mich nicht einfach fallen lassen würde. Dass er nicht so war wie alle anderen.

  Konnte ich mich wirklich so sehr in ihm getäuscht haben?

  »Nein«, sagte er sofort. »Ich wollte mich schon die ganze Zeit bei dir melden, aber …« Er hielt inne.

  Ich blieb stehen und drehte mich zu ihm um. Wollte ich seinem Blick vorher um jeden Preis ausweichen, suchte ich ihn jetzt geradezu. »Was ist passiert? Warum … warum hast du dich dazu entschlossen, dich wie der letzte Arsch zu verhalten?«

  Parker starrte aufs Meer hinaus. Allerdings nur zwei, drei Herzschläge lang, dann wandte er sich mir wieder direkt zu. »Erinnerst du dich noch an die Blutergüsse, die du an mir bemerkt hast?«, begann er rau.

  Irritiert runzelte ich die Stirn, nickte aber.

  »Meine Mom ist krank. Schon seit ein paar Jahren. Sie hat Frontotemporale Demenz – das bedeutet, dass sie langsam ihre Sprache und ihr Erinnerungsvermögen verliert und aggressive Anfälle hat. Wenn ich bei meinen Eltern daheim bin, bin ich normalerweise derjenige, der sie festhält, bis sie sich beruhigt hat, damit sie sich nicht selbst wehtut.«

  Aber stattdessen tut sie dir weh … Die Worte lagen mir auf den Lippen, aber ich sprach sie nicht aus.

  »Daher die blauen Flecken – so ziemlich jedes Mal, wenn ich zu Hause bei meinen Eltern war.« Parker vergrub die Hände in den Taschen seiner Jeans. »Die Diagnose kam vor sieben Jahren. Statistisch gesehen hat sie jetzt noch ungefähr ein Jahr zu leben. Manchmal erinnert sie sich noch an meinen Dad und an das Haus, in dem sie schon zusammen gelebt haben, bevor ich geboren wurde. Aber die meiste Zeit über ist sie … sie ist nicht mehr der Mensch, den ich gekannt habe.«

  »Parker …«

  Erst als er zurückwich, merkte ich, dass ich einen halben Schritt auf ihn zu gemacht hatte. Er schüttelte den Kopf und ich blieb stehen, auch wenn ich ihn trotz allem, was passiert war, einfach nur in den Arm nehmen wollte.

  »Nicht«, stieß er hervor und schaute wieder Richtung Meer, als könnte er es nicht ertragen, mich anzusehen. Oder zu berühren.

  »Hast du dort die letzten Wochen verbracht?«, hakte ich nach. »Zu Hause bei deiner Mom?«

  Er nickte knapp. »Ich bin hingefahren, weil ich die gleichen Symptome gezeigt habe wie sie damals, ganz am Anfang.«

  Mir wurde schlagartig kalt. Das konnte nicht … Das bedeutete doch nicht, dass er …?

  »Eine Zeit lang dachte ich, ich würde dieselbe Form von Demenz haben wie sie«, gab er zu und sah mich wieder direkt an. »Normalerweise entwickelt sich das erst sehr viel später im Leben, aber die Übergänge bei dieser Krankheit sind fließend. Die Diagnose kann auch schon mit Mitte zwanzig kommen. Außerdem … außerdem kann die Krankheit in etwa zehn Prozent der Fälle auch vererbt werden. Und deshalb … deshalb bin ich einfach gegangen. Ich bin zurück nach Alabama gefahren und habe Moms Arzt kontaktiert.«

  Ich starrte ihn an. Die Frage war da, sie brannte mir auf der Zunge, aber ich brachte sie nicht hervor. Denn plötzlich ergab alles, was in den letzten Wochen vorgefallen war, ein neues, ein angsteinflößendes Bild. Parker hatte den Kontakt nicht abgebrochen und sich zurückgezogen, weil er mich satt hatte oder weil ich nicht gut genug war, wie ich die ganze Zeit geglaubt hatte, sondern weil er befürchtet hatte, krank zu sein. Gott, hatte er etwa gedacht, auch nur noch die statistischen acht Jahre zu leben zu haben?

  Er holte tief Luft. »Es hat ein paar Wochen gedauert, bis sich die Ärzte sicher waren, aber ich habe keine Frontotemporale Demenz. Und auch keine andere Form von Demenz«, ­fügte er schnell hinzu, sah aber nur kurz zu mir, als könnte er mir nicht ins Gesicht sehen, während er davon erzählte.

  »Was dann?«, fragte ich leise, da er gerade eben noch von Symptomen gesprochen hatte und ich mich auf einmal daran erinnerte, dass er immer wieder von Kopfschmerzen erzählt hatte. Ich ignorierte das unangenehm schnelle Hämmern in meiner Brust, machte einen weiteren Schritt nach vorne, sodass ich direkt vor ihm stand, und suchte seinen Blick.

  »Burn-out«, stieß er hervor, dicht gefolgt von einem harten Lachen. »Was völlig absurd klingt. Ich liebe meinen Job und meine Familie und studiere gerne hier. Aber es war wohl … zu lange zu viel.«

  Ich legte die Hand auf seinen Arm, auch wenn er vorhin vor mir zurückgewichen war. Diesmal tat er es nicht, sondern blickte nachdenklich auf die Stelle hinunter.

  »Es tut mir leid«, wisperte ich. »Das mit deiner Mom. Mit dir.«

  Er nickte nur.

  Ich holte tief Luft. Zwang mich dazu, die nächsten Worte auszusprechen, auch wenn sie sich wie Glassplitter in meiner Kehle anfühlten. »Ich kann nachvollziehen, warum du getan hast, was du getan hast. Okay? Ich verstehe es. Und es tut mir leid. Es tut mir schrecklich leid, dass du das durchmachen musstest, aber … Du hast Freunde, Parker. Du hättest jede Unterstützung von Cole, Lincoln und Sophie bekommen, die du gebraucht hättest. Das weiß ich. Sie wären für dich da gewesen und hätten das gemeinsam mit dir durchgestanden.« Kurz zögerte ich, weil ich mich nicht noch verletzlicher machen wollte, entschied mich dann jedoch dafür, die Wahrheit zu sagen. Auch wenn sie noch so wehtat. » Ich wäre für dich da gewesen, wenn du mich gelassen hättest. Aber du hast mir nicht mal eine Chance gegeben.«

  »Ich weiß.«

  »Du hast mir versprochen, mich nicht einfach fallen zu lassen. Du hast es mir genau hier versprochen!« Meine Stimme klang so erstickt, dass wir beide zusammenzuckten.

  Parker verzog das Gesicht. Zum ersten Mal seit einer gefühlten Ewigkeit begegnete er wieder meinem Blick. »Ich weiß. Und du glaubst gar nicht, wie leid es mir tut, Tea-Tea.«

  Bei dem mittlerweile so vertrauten Spitznamen musste ich mir fest auf die Lippen beißen. Ich hatte nicht gelogen. Bis zu einem gewissen Grad konnte ich Parkers Entscheidungen tatsächlich nachvollziehen, schließlich war ich es ebenfalls gewöhnt, die Dinge allein und für mich zu klären. Der Unterschied zwischen uns war jedoch, dass ich Parker davon erzählt hätte. Ich hätte ihn einbezogen und meine Gedanken und Gefühle mit ihm geteilt, statt ihn ohne ein einziges Wort, ohne eine Erklärung auszuschließen und mit Funkstille zu bestrafen. Ich hätte dafür gekämpft, dass diese Sache mit uns beiden irgendwie funktionierte. Vor allem nach meinem Besuch hier bei ihm. Aber er hatte nichts davon getan.

  Und genau das war es, was am meisten wehtat, wie ich jetzt realisierte. Nicht der Kontaktabbruch. Nicht das wochenlange Schweigen. Nicht die Geheimnisse. Sondern die Tatsache, dass Parker es nicht einmal versucht hatte. Dass ihm das zwischen uns nicht genug bedeutete, um wenigstens zu versuchen, über seinen Schatten zu springen. Er hatte einfach aufgegeben. Er hatte mich einfach aufgegeben.

  »Ich wollte dir davon erzählen«, behauptete er und sah mich fest an. »Aber erst später. Ich dachte … Verdammt, ich dachte, es wäre für alle besser, wenn ich das Ganze erst mal für mich kläre, bevor ich irgendjemanden in Panik versetze. Außerdem wollte ich kein Mitleid oder gut gemeinte Worte und diesen ganzen Scheiß. Ich wollte die ganzen Untersuchungen nur so schnell wie möglich hinter mich bringen. Aber dann hat alles doch länger gedauert und mit jedem Tag, mit jeder Woche wurde es schwieriger, mich wieder bei dir zu melden. Ich wusste, dass du sauer auf mich bist, und wollte es dir erklären. Irgendwie. Dann hat Lincoln gesagt, dass du in der Stadt bist und … den Rest kennst du.«

  Auf einmal lagen seine Hände an meinen Schultern und er suchte meinen Blick.

  »Ich habe dich nicht fallen gelassen.« Parker betonte jede Silbe, als wollte er sichergehen, dass ich es auch verstand. »Ich weiß, dass es so ausgesehen hat, aber das stimmt nicht. Ich habe jeden Tag an dich gedacht, all deine Streams geschaut und war so oft so kurz davor, dir zu schreiben. Ich wusste bloß nicht wie. Aber ich hab dich nicht aufgegeben, Teagan. Das würde ich nie.«
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br />   Ich schüttelte den Kopf, brachte aber auch kein Wort hervor. Wie konnte ich ihn gleichzeitig verstehen, aber dennoch so wütend auf ihn sein? So … verletzt? Wie konnte ich ihn umarmen und küssen, ihn aber am liebsten auch ins Meer schubsen wollen?

  »Ich mache es wieder gut«, beharrte er. »Ich will mit dir zusammen sein, Teagan. Bitte gib mir die Chance, es wiedergutzumachen.«

  Ich zögerte. In meinem Kopf war ein einziges Chaos, und es fiel mir so verflucht schwer, die richtigen Worte zu finden. Vielleicht, weil ich selbst nicht wusste, wie ich darauf reagieren sollte.

  »Das will ich auch«, gab ich nach einem Moment zu. »Und ich verstehe, warum du getan hast, was du getan hast. Aber du hast mich auch verletzt. Du hast mir wehgetan, obwohl du versprochen hast, es nicht zu tun. Obwohl ich dir von meiner Mom erzählt habe, und du …«

  Das Leuchten in seinen Augen erlosch. »Ich weiß«, erwiderte er brüchig. »Wenn ich könnte, würde ich alles anders machen. Aber ich kann nicht. Ich kann es nicht mehr ändern.«

  Ich nickte langsam. »Ich glaube«, begann ich und befeuchtete mir die Lippen. »Ich glaube, wir brauchen beide einfach … Zeit.«

  Zeit zum Nachdenken. Zeit, um gesund zu werden. Zeit, um uns über die eigenen Gefühle klar zu werden.

  Parker nickte, auch wenn er nicht glücklich dabei wirkte. »Das klingt … machbar.«

  »Okay.« Ich atmete tief durch, dann setzte ich ein Lächeln auf, das sich sogar halbwegs ehrlich anfühlte. »Aber wehe, du schließt mich wieder aus.«

  Parkers Mundwinkel wanderten in die Höhe. »Niemals. Versprochen.«

  Vielleicht wäre es einfacher gewesen, die Sache hier und jetzt zu beenden oder Parker damit zu bestrafen, noch länger wütend auf ihn zu sein, aber das konnte ich nicht. Dafür war er mir trotz allem, was passiert war, zu wichtig. Dafür verstand ich seine Beweggründe zu gut. Und auch wenn er sich scheiße verhalten hatte, wollte ich ihm glauben. Ich wollte daran glauben, dass er so etwas nie wieder tun würde. Dass er mich nicht einfach aus seinem Leben aussperren und fallen lassen würde, sondern es ihm wirklich ernst mit mir war.

  Ich konnte nur hoffen, dass das auch die richtige Entscheidung war.

  Zwei Tage später

  Parker

  Toller Stream heute

  Teagan

  Danke

  Parker

  Aber das mit Hello Kitty Online muss ich erst noch verarbeiten. Ich hätte nie gedacht, dass du das wirklich mal spielst

  Teagan

  Alice hat es immer wieder vorgeschlagen Irgendwann musste ich nachgeben

  Teagan

  Übrigens wusste ich gar nicht, dass du zugeschaut hast …

  Parker

  Hab ich. Von zu Hause

  Teagan

  Mit zu Hause meinst du …?

  Parker

  Bei meinen Eltern, genau. Ich bin für ein paar Tage bei ihnen

  Teagan

  Ist alles in Ordnung?

  Parker

  Nein

  Parker

  Es ist weder besser noch schlechter geworden, aber nichts hiervon ist in Ordnung

  Ein paar Minuten später

  Parker

  Sorry, ich will dich gar nicht mitten in der Nacht damit zutexten …

  Teagan

  Aber …?

  Parker

  Aber ich hab dir versprochen, dich nicht mehr auszuschließen. Also erzähle ich dir von meinem miesen Tag und dass mich dein Stream abgelenkt hat. Danke dafür

  Teagan

  Ich … weiß nicht, was ich dazu sagen soll

  Parker

  Du musst nichts sagen

  Teagan

  Eine Woche später

  Teagan

  Hey, ich lasse mir ein neues Tattoo stechen

  Parker

  Ein Lama?

  Teagan

  Nein

  Teagan

  Wenn du mitkommst, kannst du es selbst sehen

  Parker

  Du weißt, dass ich Nadeln nicht besonders mag, oder?

  Teagan

  Jepp

  Teagan

  Aber wenn du mitkommst, könntest du deine Angst davor überwinden

  Teagan

  Oder soll ich lieber Cole fragen, ob er mit will?

  Parker

  Den Aufreißer? Vergiss es. Ich komme mit

  Teagan

  Ein paar Stunden danach

  Teagan

  Danke, dass du dabei warst

  Teagan

  Das war echt mutig von dir

  Parker

  Du meinst, dass ich nicht dabei umgekippt bin?

  Teagan

  Das auch

  Teagan

  Nein, aber ganz im Ernst: Danke. Das hat mir viel bedeutet

  Parker

  Jederzeit wieder

  Einige Tage später

  Parker

  Am Wochenende findet eine Strandparty statt. Sophie und die anderen gehen auch hin. Was ist mit dir?

  Teagan

  Meine Mitbewohnerin hat mich deswegen auch schon genervt

  Parker

  Und was hast du ihr gesagt?

  Teagan

  Nein, natürlich. Ich hasse Partys und ich hasse Menschen

  Parker

  Tust du nicht

  Teagan

  Ach nein?

  Parker

  Ich erinnere mich da an eine Party, auf der du eindeutig Spaß hattest

  Teagan

  Auf der Party? Oder danach im Hotel?

  Parker

  Parker

  Beides natürlich

  Teagan

  Natürlich

  Parker

  Komm mit. Ich werde höchstpersönlich dafür sorgen, dass du dich nicht langweilst. Und wenn doch, gehen wir einfach

  Teagan

  Ist das ein Versprechen?

  Parker

  Definitiv

  Teagan

  Na gut. Ich werd dich dran erinnern

  Parker

  Noch ein paar Tage später

  Teagan

  WIE KONNTEST DU DAS TUN??

  Parker

  ???

  Teagan

  Du hast dich einfach für mich vor den Killer geworfen …

  Teagan

  Bist du wahnsinnig??

  Parker

  Eigentlich war ich nur kurz afk, um mir was zu essen zu holen, und plötzlich stand der Killer da

  Teagan

  Parker

  Das war ein Scherz!

  Teagan

  WARUM zum Teufel hast du das getan?

  Teagan

  Du bist gestorben!

  Teagan

  Dabei hättest du mit mir fliehen können!!

  Parker

  Ich wollte aber, dass du überlebst. Und dass du weißt, dass du dich auf mich verlassen kannst, ganz egal, ob ein durchgeknallter Killer hinter uns her ist oder nicht

  Teagan

  Das ist total verrückt

  Teagan

  DU bist total verrückt

  Parker

  Das hat Liz gestern auch schon gesagt, als ich Erdbeersoße auf meinen Burger packen wollte …

  Parker

  Aber jetzt mal ganz im Ernst: Ich würde mich auch in Guild Wars zwischen dich und den Feind werfen. Oder in PUBG. Call of Duty. World War Z. Sogar in Tomb Raider, wenn es da einen Multiplayer-Modus geben würde

  Teagan

  Was ist mit dem Real Life?

  Parker

  Im Real Life würde ich dich aus der Schusslinie ziehen, statt mich einfach zu opfern. Ich will schließlich noch was von diesem Leben haben

  Parker

  Und von dir

  Etwas später

  Parker

  Noch da?

  Teagan

  Ja! Aber ich hasse dich gerade ein bisschen …

  Parker

  Parker

  Solange es nur ein bisschen ist

  Teagan

  Gott, ich kann immer noch nicht fassen, dass du das echt getan hast …

  Teagan

  Hey … streamst du nicht gerade
? Unterbrichst du etwa deinen Stream für mich?

  Parker

  Jepp

  Parker

  Und ich würde es immer wieder tun

  Parker

  Ich würde sogar … Halt dich fest!

  Parker

  Ein Game für dich pausieren

  Parker

  Wenn das nicht die größte Liebeserklärung aller Zeiten ist, was dann?

  Teagan

  Du Spinner …

  Parker

  Ist aber mein voller Ernst

  Noch ein paar Minuten später

  Parker

  Hey Teagan?

  Parker

  Tea-Tea?

  Teagan

  Hm?

  Parker

  Gehst du mit mir auf dein Date?

  GAME START

  Bonuslevel

  Teagan

  Ein Date. Mit Parker. Was um Himmels willen hatte ich mir nur dabei gedacht?

  Genau genommen war die Antwort darauf einfach: gar nichts. Ich hatte überhaupt nichts gedacht und einfach zugestimmt. Denn in all den Wochen, in denen ich nun schon in Pensacola lebte, studierte, arbeitete und streamte, war Parker meine Konstante gewesen. Er hatte mir getextet, mich über seinen Alltag in der WG ebenso informiert wie über die Dinge, die bei ihm zu Hause passierten. Aber vor allem hatte er mich nie gedrängt, nicht online und nicht im realen Leben, sondern er hatte mir die Zeit gegeben, die ich brauchte. Die wir beide gebraucht hatten, bis ich mir gar nicht mehr vorstellen konnte, wie ein Leben ohne ihn wäre. Aber bevor ich irgendetwas davon in Worte fassen und ihm gestehen konnte, kam die Frage nach einem Date … Wie hätte ich da Nein sagen können?

  Nervös wischte ich mir über den Saum meines Kleids. Jepp, ich hatte ein Kleid angezogen. Freiwillig. Das letzte Mal, dass ich ein Kleid getragen hatte, war an Grandma Ethels Geburtstag gewesen … und ich gerade mal zwölf. Danach hatte mich nie wieder jemand in diese Dinger reinzwängen können. Niemand, bis auf meine Mitbewohnerin Gabriela, die mich zum Shoppen mitgeschleift und tatsächlich ein Kleid gefunden hatte, das mir gefiel. Es war schwarz und hatte ab der Taille ein hübsches lilafarbenes Muster. Was, wie Gabriela mir versichert hatte, perfekt zu meinen noch immer teilweise lila gefärbten Haaren passte. Aber vor allem passte es zu den Temperaturen, die hier in Florida selbst im Oktober noch ungewohnt warm waren.

 

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