Midnight Chronicles 02 - Blutmagie

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Midnight Chronicles 02 - Blutmagie Page 29

by Bianca Iosivoni u . Laura Kneidl


  Cains Blick folgte meinem, und sie betrachtete ihn eingehend. Der Moment, in dem sie sah, was ich sah, war nicht zu überhören. Ein erstickter Laut kam über ihre Lippen. »Das kann nicht sein!«

  Ich nickte. »Er hat ihn verwandelt.«

  »Oh mein Gott.«

  »Macht mich los!«, fauchte mein Dad. Seine Stimme war noch dieselbe, aber ihr Klang war roher, animalischer als zuvor. Die Zuneigung, die früher darin gelegen hatte, wenn er mit mir sprach, war verschwunden. Meine Kehle fühlte sich erneut wie zugeschnürt an, dieses Mal jedoch aus einem ganz anderen Grund.

  Wieder berührte mich Cain am Arm. Mitfühlend blickte sie mich an, und ich sah Tränen in ihren Augen schimmern. Ich war mir allerdings nicht sicher, ob sie um meinen Dad weinte oder weil sie Mitleid mit mir hatte. Oder beides. »Was … Was wollen wir jetzt mit ihm machen?«

  »Keine Ahnung«, sagte ich, obwohl eigentlich auf der Hand lag, was zu tun war. Mein Dad war ein Vampir. Wir waren Blood Hunter. Doch der Gedanke, meinen Dad, den ich eben erst wiedergefunden hatte, einfach so auszulöschen, war zu schrecklich, um ihn auch nur zu Ende zu denken.

  »Macht mich los!«, verlangte mein Dad erneut und zerrte heftig an den Fesseln aus Silberlegierung, die er vor Jahren selbst entwickelt hatte.

  »Vielleicht sollten wir meine Mum anrufen?«

  Ich schüttelte den Kopf. »Nein. Sie würde ihn auf der Stelle töten.«

  Cain schlang die Arme um ihre Mitte, als suchte sie bei sich selbst Halt. Sie empfand dasselbe wie ich – Hilflosigkeit. »Aber was ist die Alternative? Ich meine, wir können ihn nicht einfach gehen lassen, oder?«

  »Keine Ahnung«, gestand ich. Ich hatte keinen Plan, so weit war ich noch nicht; dafür war ich zu beschäftigt damit, zu begreifen, was hier gerade vor sich ging. »Würdest du uns kurz allein lassen?«

  »Warden –«

  »Bitte«, fiel ich ihr ins Wort. »Ich brauche einen Moment für mich.«

  Sie nickte. »Okay, aber bitte sei vorsichtig.«

  Ich lächelte schwach. »Klar.«

  Nach einem letzten Blick auf meinen Dad drückte Cain mir einen Kuss auf die Wange. Dann lief sie ans andere Ende des Labors, um mir etwas Privatsphäre zu geben und sich vermutlich weiter umzusehen.

  Ich beobachtete ein paar Sekunden, wie sie Schubladen aufzog und durch herumliegende Akten blätterte, ehe ich mich wieder meinem Dad zuwandte. Er hatte sich seinem Schicksal, angekettet zu sein, scheinbar ergeben. Die bestialischen Züge waren aus seinem Gesicht gewichen, die schwarzen Adern verschwunden, und das Blutrot seiner Augen war zu einem tiefen Braun geworden. Er sah nun beinahe vollkommen menschlich aus – wären seine Fänge nicht gewesen.

  Ich ging vor ihm in die Knie und starrte ihn an.

  Herausfordernd erwiderte er meinen Blick.

  Meine Gedanken rasten und zogen zugleich unglaublich langsam durch meinen Kopf. Ich hatte meinen Dad gefunden. Und er war ein Vampir.

  »Weißt du, wer ich bin?«, fragte ich mit heiserer Stimme.

  Er verzog die Lippen zu einem Grinsen, das schief auf seinem Gesicht saß. »Du bist ein Blood Hunter.«

  »Ja, aber ich bin auch dein Sohn – Warden.«

  »Ich habe keinen Sohn.«

  Seine Worte fühlten sich an wie ein Schlag ins Gesicht.

  »Doch. Du bist James Prinslo, und bevor Isaac dich verwandelt hat, warst du mit Emma verheiratet. Erinnerst du dich?«

  »Ich kenne keine Emma.«

  Fuck! Wie konnte er Mum nur vergessen haben?

  Ich zog mein Handy hervor und öffnete ein Foto unserer Familie, das wenige Wochen vor Isaacs Angriff entstanden war. Aus sicherer Distanz zeigte ich es ihm. »Siehst du, das bist du, mit meiner Mum und mir. An dem Tag waren wir auf dem Stockbridge Market. Erinnerst du dich?«

  »Nein.«

  »Oder hier.« Ich zeigte ihm ein weiteres Bild, auf dem ich selbst nicht zu sehen war, da ich es aufgenommen hatte. Es zeigte meinen Dad im Anzug und meine Mum in einem eleganten Kleid zur Feier ihres fünfzehnten Hochzeitstages. »An dem Abend seit ihr im Witchery essen gewesen, deinem Lieblingsrestaurant.«

  Mein Dad neigte den Kopf und betrachtete das Foto. Ich glaubte, eine Regung in seinen Augen aufblitzen zu sehen, aber er schüttelte nur den Kopf. »Ich kenne diese Frau nicht.«

  »Aber du stehst auf dem Foto neben ihr.«

  »Das beweist gar nichts.«

  Ich biss die Zähne zusammen, um den Frust niederzuringen, der in mir aufstieg. Ich konnte nicht sagen, ob mein Dad log oder ob die Verwandlung ihn all das tatsächlich hatte vergessen lassen. Je länger Vampire existierten, desto mehr entfernten sich die meisten von ihnen von ihrem früheren menschlichen Ich. Gefühle wurden begraben. Erinnerungen ausgelöscht.

  »Was machst du hier?«, wechselte ich das Thema und griff nach einem der Reagenzgläser auf dem Schrank, um es ihm vor die Nase zu halten. »Was ist VS-19–124?«

  Mein Vater gab mir keine Antwort.

  »Arbeitest du für Isaac?«

  »Mach mich los, vielleicht verrate ich es dir dann.«

  Ich schüttelte den Kopf. So naiv war ich nicht, auch wenn es mir schwerfiel, den Vater, den ich gekannt hatte, von dem Vampir zu unterscheiden, der nun vor mir saß. »Ich kann dir nur helfen, wenn du meine Fragen beantwortest. Woran forschst du?«

  »Das geht dich nichts an.«

  »Wofür steht VS?« Er musste kooperieren. Er musste einfach! Andernfalls gab er mir, Cain und auch den anderen Blood Huntern keinen Grund, ihn auch nur eine Sekunde länger am Leben zu lassen.

  Mein Dad schwieg.

  Genervt rieb ich mir über das Gesicht, als plötzlich ein schriller Schrei die Luft zerriss und bis in meine Knochen drang.

  Ich sprang auf die Beine und wirbelte herum.

  Cain!

  27. KAPITEL

  Cain

  Mit weichen Knien und einem mulmigen Gefühl entfernte ich mich von Warden und seinem Dad. Es gefiel mir nicht, die beiden allein zu lassen. Warden war ein fantastischer Blood Hunter, aber auch er wurde von seinen Gefühlen gelenkt, und ich hoffte inständig, dass er nichts Unvernünftiges tat – wie beispielsweise James’ Fesseln lösen.

  Der Vampir, den wir angekettet hatten, sah vielleicht aus wie sein Vater, aber er war es nicht. Er war nicht länger der Mann, der für uns Lasagne gekocht und Warden beigebracht hatte, wie Magnetismus funktionierte. Sein Körper war nur noch die Hülle für eine bestialische Seele. Der echte James hätte sich eher die Hand abgeschlagen, als Warden auch nur ein Haar zu krümmen. Er hätte sich für das, was er soeben getan hatte, gehasst, vermutlich noch mehr, als ich Isaac für das hasste, was er James – und damit auch Warden – angetan hatte. Warum hatte er ausgerechnet ihn verwandeln müssen? Als gäbe es auf dieser Welt nicht genug Wissenschaftler, die er für seine Forschungen hätte missbrauchen können.

  Ich schüttelte den Kopf und zwang mich, meine Gedanken beiseitezuschieben. Stattdessen versuchte ich, mich wieder auf meine Mission zu konzentrieren. Schritt für Schritt entfernte ich mich weiter von Warden und seinem Dad. Das Labor war ziemlich weitläufig und erstaunlich groß, deutlich größer als die Hütte, die über unseren Köpfen lag. Offensichtlich waren keine Kosten und Mühen gescheut worden, um dieses Versteck auszubauen. Ich fragte mich, nach was Isaac hier forschen ließ, das Phineas und die anderen Vampire dazu gebracht hatte, sich gegen ihn zu verschwören.

  Aufmerksam ließ ich den Blick über Schränke und Regale wandern und blätterte durch einige herumliegende Unterlagen und Bücher. Ich fand mehrere Doktorarbeiten, deren Titel allerdings so komplex verfasst waren, dass ich nur erahnen konnte, worum es in den Abhandlungen ging. Ich beschloss, die Unterlagen später mitzunehmen. Im Quartier konnten uns die Archivare sicherlich helfen, sie zu verstehen.

  Prüfend sah ich mich nach Warden um. Er war vor seinem Dad in die Knie gegangen und starrte ihn einfach nur an. Selbst aus der Distanz konnte ich seine Anspannung spüren, aber es gab in diesem Moment nichts, was ich für ihn tun konnte – auße
r mich weiter umzusehen, damit wir hoffentlich schnell von hier verschwinden konnten. Ob mit oder ohne seinen Dad, würden wir allerdings erst noch entscheiden müssen. Denn Warden hatte recht: Sosehr meine Mum und die anderen Hunter James als Mensch auch geschätzt hatten, sie würden nicht zögern, ihn zu töten. Immerhin wäre es ein schneller, gnädiger Tod, und so wie ich den früheren James kannte, hätte er sich das vermutlich gewünscht.

  Mit einer beklemmenden Enge in der Brust wandte ich den Blick von den beiden ab und entdeckte eine Tür, die mir zuvor noch nicht aufgefallen war. Sie war aus Metall und verschmolz farblich beinahe vollständig mit der Wand. Hätte sie nicht wenige Zentimeter offen gestanden, wäre ich vermutlich daran vorbeigelaufen. Vermutlich hatte sich James dort versteckt, bevor er uns aus dem Hinterhalt angegriffen hatte. Ich griff nach einem meiner Khukuri, bevor ich sie vorsichtig weiter aufschob. Automatisch erwachte das Licht dahinter zum Leben und gab den Blick auf eine Art Lager frei. Ich lauschte in die Stille, hörte aber nur das Surren einer Lüftung.

  Angespannt betrat ich den Raum, in dem sich unzählige Kisten und Kartons bis zur Decke stapelten. Ich ließ den Blick über die Beschriftungen gleiten, aber nichts erregte meine Aufmerksamkeit, bis ich zwischen zwei Regalen eine weitere Metalltür bemerkte. Sie sah ziemlich massiv aus, und ein Display mit Thermometer war an ihr befestigt. Eine Kühlkammer. Das konnte nichts Gutes bedeuten.

  Hauchzarte Wölkchen, wie sie bei einem großen Temperaturunterschied entstehen, waberten unter der Tür hervor, als ich sie aufzog. Ein Schwall kalter Luft schlug mir entgegen. Ich erschauderte, dennoch wagte ich mich tiefer in die Kammer vor.

  »Was zur Hölle …«, murmelte ich fassungslos und umklammerte das Heft meines Khukuri.

  Die Kammer sah aus wie das Setting eines Horrorfilms. Sie war voller Leichen. Wie Schweinehälften beim Schlachter hingen sie nebeneinander von Haken an der Decke. Mir drehte sich der Magen um. Ich war in meinem Leben schon mit vielen Abscheulichkeiten konfrontiert gewesen, aber so etwas hatte ich noch nie gesehen. Was hatte James mit diesen Leuten angestellt? Auf den ersten Blick waren keine Bissspuren an ihren Körpern zu erkennen, doch ihre Gesichter sahen alle merkwürdig eingefallen und löchrig aus. Als hätte etwas von Innen an ihnen genagt und versucht, sich nach draußen zu fressen. Am liebsten wäre ich umgekehrt, doch ich unterdrückte das Verlangen und trat an die Leichen heran, um nachzusehen, ob Jules unter ihnen war.

  Es befanden sich mindestens dreißig Tote in der Kammer, Frauen wie Männer. Ich beeilte mich, denn nicht nur der Anblick der Toten, sondern auch die Kälte in der Kammer war unerträglich. Meine Haut kribbelte schmerzhaft, und trotz meiner Stiefel spürte ich bereits, wie meine Zehen taub wurden.

  Mein Herz pochte heftig, als ich die Reihen mit Leichen abschritt, aber Jules war nicht unter ihnen, was Erleichterung und Qual zugleich war. Ich erreichte das Ende der Kammer und wollte gerade wieder umkehren, um endlich wieder ins Warme zu kommen, als ich eine weitere Tür bemerkte, in deren Schloss ein Schlüssel steckte. Als hätte James noch versucht, sie abzusperren.

  »Bitte keine weitere Kühlkammer voller Leichen«, murmelte ich, um mir selbst gut zuzureden, und stemmte die Tür mit einem Ruck auf, um es schnell hinter mich zu bringen.

  Dahinter lag zu meiner großen Überraschung ein Gang, der links und rechts von Zellen gesäumt war. Ein Gefängnis. Offenbar hatte James hier die Menschen festgehalten, bevor seine Experimente sie dahingerafft hatten. Ein strenger Geruch lag in der Luft, eine Mischung aus Urin, Erbrochenem und Blut. Darunter mischte sich der chemische Duft von Reiniger, der allerdings nicht ausreichte, um die Gerüche nach Angst und Verderben zu übertünchen. Wie grausam mussten die letzten Tage dieser Menschen gewesen sein?

  Ich zog den Schlüssel aus dem Schloss und trat aus der Kühlkammer in den Gang. »Hallo?«

  Niemand antwortete mir.

  Ich steckte meine Waffe weg und spähte in die Zelle links von mir. Getrocknetes Blut klebte auf dem Boden, doch sie war leer, ebenso wie der gegenüberliegende Verschlag. Und auch die nächsten fünf Zellen waren verlassen. Vielleicht kamen wir zu spät. Womöglich waren sie alle bereits tot.

  Plötzlich hörte ich ein Geräusch, das klang wie das Quietschen einer Tür. Blitzschnell ging ich in Angriffshaltung, doch das Geräusch war bereits wieder verstummt. Es war so leise und kurz gewesen, dass ich nicht genau bestimmen konnte, woher es gekommen war. Ich bog in einen weiteren Gang ein und näherte mich einer Zelle. Der Geruch nach Elend und Blut wurde mit jedem Schritt stärker.

  Und dann entdeckte ich ihn.

  Zusammengekrümmt lag er auf einer Pritsche, einem wackeligen Gestell ohne Kissen und ohne Decke. Er hatte mir den Rücken zugewandt, seine Kleidung war dreckig, voll Staub und Blut, aber seine Haare waren unverkennbar rot.

  »Jules!« Mein Herzschlag beschleunigte sich, und ein Beben durchlief meinen Körper. Fahrig versuchte ich, einen Schlüssel am Bund zu finden, der in das Schloss der Zelle passte, doch meine Finger zitterten so sehr, dass es mir schwerfiel, die einzelnen Schlüssel auszuprobieren.

  »Jules«, rief ich erneut.

  Er rührte sich nicht.

  Meine Bewegungen wurden noch hektischer. Tränen brannten in meinen Augen.

  Endlich rastete der Schlüssel ein. Ich rannte zu Jules und packte seinen Arm, um nachzusehen ob er noch lebte.

  Als sich sein Körper unter meinen Fingerspitzen anspannte, wallte Erleichterung in mir auf.

  Im selben Augenblick sprang Jules plötzlich auf die Beine und schleuderte mich mit einer Wucht, die ich noch nie zuvor erlebt hatte, durch die Zelle. Mit einem dumpfen Knall schlug ich gegen die Gitterstäbe am anderen Ende des Raumes. Die Luft wurde mir aus der Lunge gedrückt, und ich ging röchelnd zu Boden. Mein Rücken und meine Brust brannten vor Schmerz.

  Verwirrt blickte ich zu Jules auf. Seine einst blauen Augen hatten die Farbe von Blut angenommen, und aus seinem Mund ragten zwei Fänge, wie sie sonst nur jahrzehntealte Vampire besaßen.

  Das ergab keinen Sinn! Und er roch auch nicht nach Rosmarin. Wäre ich ihm nicht so nahe gekommen, hätte ich vermutet, dass der Gestank hier unten den Geruch überlagerte, aber ich hatte ihn sogar berührt. Wie war das möglich?

  »Jules …«

  Er stürzte sich auf mich, und es gab keinen Zweifel daran, was seine Absichten waren. Seine klauenartigen Hände packten mich, und er presste mich zurück auf den Boden, so fest, dass ich glaubte, meine Schulterblätter würden unter dem Druck brechen.

  Ich schrie vor Schmerz auf. Gewaltsam versuchte ich, ihn von mir zu schieben, doch er rührte sich kein Stück. Seine Klauen bohrten sich dafür mit jedem Herzschlag fester und tiefer in meine Schultern, bis meine Haut aufplatzte und ich mein eigenes Blut riechen konnte.

  »Jules, bitte«, flehte ich. Was war nur aus ihm geworden?

  Er sagte nichts. Nur sein heißer Atem streifte mein Gesicht.

  Ich wollte ihm nicht wehtun, aber er ließ mir keine andere Wahl. Blind tastete ich nach dem Khukuri an meinem Gürtel, wobei sich der Schmerz in meiner Schulter vervielfachte. Ich biss die Zähne zusammen und kämpfte dagegen an, als meine Finger immer wieder von der Waffe abglitten, die unter mir festgeklemmt war.

  Komm schon …

  Urplötzlich durchfuhr mich eine völlig neue Art von Schmerz, und ich schrie auf. Jules hatte seine Fänge in meinem Hals vergraben. Ich war schon ein paarmal gebissen worden, aber das hier war anders. Noch nie hatte ein Vampir von mir getrunken. Blood-Hunter-Blut schmeckte widerlich, so lautete die offizielle Annahme. Doch Jules schien sich daran nicht zu stören. Oder er war einfach zu ausgehungert. In tiefen Zügen trank er von mir, was sich merkwürdig anfühlte, als würden die Adern in meinem Körper vibrieren.

  »Jules … hör … auf!«

  Ich packte seine Haare und zog daran. Eine schlechte Idee. Ein reißender Schmerz zerrte an meinem Hals, da er nicht von mir abließ. Immer mehr Blut strömte aus meinem Körper, und ich merkte, wie ein leichter Schwindel einsetzte.

  Nein! Du darfst jetzt nicht aufgeben, Cain!
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  »Hör auf!«, befahl ich noch einmal und versuchte, meine Hand zwischen Jules’ Gesicht und meinen Hals zu schieben, um ihn irgendwie loszuwerden, bevor ich das Bewusstsein verlor.

  Doch das ließ er nicht zu. Mit brachialer Gewalt packte er meine Handgelenke und schob sie zur Seite, um ungestört von mir zu trinken.

  Ich spürte alles, seine Fänge, seine Zunge, seine Lippen und das Leben, das langsam, aber stetig meinen Körper verließ, während es Jules weiter stärkte.

  »Hey, Blutsauger!«

  Wardens Stimme drang zu Jules durch und ließ ihn aufblicken. Ein erleichterter Laut entwich mir, als das Vibrieren in meinen Adern endlich aufhörte. Jules fletschte die Zähne. Von seinen Lippen und seinem Kinn tropfte mein Blut.

  Trotz des Schwindels konnte ich den exakten Moment, in dem Warden Jules erkannte, bestimmen. Doch ihm blieb keine Zeit, die Erkenntnis zu verarbeiten, denn Jules ließ von mir ab und stürzte sich nun auf ihn.

  Anders als ich war Warden jedoch auf die Attacke vorbereitet. Gekonnt wich er Jules aus und schlug mit seiner Machete nach ihm. Die Klinge riss eine Wunde in Jules’ Arm, aber der Schmerz schien ihn nur noch anzuspornen.

  Jules schleuderte Warden gegen die Vergitterung einer anderen Zelle und versuchte ihn zu packen, doch bevor ihm das gelang, duckte sich Warden. Mit voller Wucht donnerte Jules gegen die Eisenstäbe, und das Geräusch von vibrierendem Metall erfüllte das Gefängnis und hallte als Echo von den kahlen Wänden wider. Warden verpasste Jules von hinten einen Tritt in die Kniekehle, worauf dieser ein Knurren ausstieß und ohne Unterbrechung zum nächsten Angriff überging.

  Die beiden bewegten sich so schnell, dass ich dem Kampf kaum folgen konnte. Ich fühlte mich wie am Boden festgenagelt, wobei es weniger der Schmerz und der Blutverlust waren, die mich hinderten aufzuspringen, als der Schock über Jules. Irgendwann gelang es mir trotzdem, eins meiner Khukuri zu ziehen, und ich mühte mich auf die Beine, um Warden zu Hilfe zu kommen. Er hatte seine Macheten verloren und kämpfte nun mit bloßen Händen gegen Jules’ Klauen, die schon einige Spuren auf seinem Körper hinterlassen hatten.

 

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