Die Sterne werden fallen

Home > Other > Die Sterne werden fallen > Page 27
Die Sterne werden fallen Page 27

by Kiefer, Lena


  Deveroses ruhige Art, dazu Luciens bittender Blick und die erwartungsvollen Gesichter von Imogen und Dufort brachten mich dazu, den Fuß auf die Klippe zu setzen. Wenn wir diesen Kampf gewinnen wollten, dann mussten wir alles geben, was wir hatten. Und das war in meinem Fall nicht meine Gehirnleistung, meine körperlichen oder strategischen Fähigkeiten. Sondern ich. Meine Gefühle. Meine Gedanken. Meine Geschichte.

  »Ich mache es«, hörte ich mich sagen.

  Als hätte ich damit den Startschuss für ein Rennen gegeben, standen alle außer mir auf.

  »Dann an die Arbeit«, sagte Deverose. »Ich werde direkt damit anfangen, ein paar von Leopolds Aussagen zum Thema PointOut herauszusuchen.«

  Imogen nickte. »In der Zeit schaue ich, wie wir ein paar zusätzliche Screens in die großen Städte bekommen.«

  Dufort sah mich an. »Und ich erstelle das Sicherheitskonzept für Brighton. Ophelia, dabei könnte ich deine Hilfe brauchen, du kennst dich dort am besten aus.« Ich nickte. »Eins noch: Diese Sache bleibt unter uns bis zu dem Moment, wenn wir in der FlightUnit sitzen«, mahnte er. »Nach dem Mordversuch an Lynx können wir niemandem trauen.«

  Imogen warf ihm einen verwunderten Blick zu. »Wir werden Saric einweihen müssen, wenn die Garde dabei sein soll.«

  »Nein«, sagte Lucien. »Keine Garde. Wir nehmen zu unserem Schutz ausschließlich Schakale mit und sichern das Gebiet zusätzlich von außen durch das Militär ab. Saric bleibt draußen.«

  Bevor wir nach den anderen aus der Tür gehen konnten, hielt Lucien mich zurück. »Danke, Stunt-Girl. Ich weiß, das ist nicht leicht für dich.«

  »Es ist sicher leichter als alles, was du tun musst.« Über seine Eltern zu reden, würde ihm viel abverlangen, das wusste ich. »Aber bist du sicher, dass du Saric außen vor lassen willst? Das wird nicht gut bei ihr ankommen. Und wenn sie nicht auf unserer Seite ist –«

  »Dann werden wir es spätestens jetzt merken. Sollte sie sauber sein, dann wird sie sich von der Idee mit den Schakalen überzeugen lassen.«

  Ich nickte. »Aber selbst ohne potenzielle Verräter in der Garde bleiben genug Leute, die dich in Brighton erwischen könnten.«

  »Caspar und Imogen werden ein Konzept erstellen, um das Risiko so klein wie möglich zu halten.«

  Die Tatsache, dass er nur von einer Minimierung des Risikos sprach, stimmte mich nicht gerade zuversichtlich. Skeptisch verzog ich das Gesicht. »Ich hoffe, du pokerst nicht zu hoch.«

  Lucien schüttelte den Kopf und das Funkeln in seinen Augen wurde stärker.

  »Wie kann man zu hoch pokern, wenn man den Royal Flush auf der Hand hat?« Er beugte sich zu mir und küsste mich. »Du wirst sie überzeugen. Wenn nicht du, dann keiner.«

  Ich lächelte, obwohl mir jetzt schon die Nerven flatterten. »Hoffentlich überschätzt du mich da nicht.«

  »Das habe ich noch nie. Unterschätzt ja, vor allem im letzten Jahr, als ich dachte, du wärst harmlos. Aber überschätzt – nein.«

  Ich verzog das Gesicht. »Musst du mich daran erinnern?«

  »Ab und zu.« Lucien grinste und küsste mich wieder, bis ein Räuspern von Dufort uns unterbrach. Der Chef der Schakale stand in der Tür und sah uns an.

  »Bin schon da«, sagte ich schnell. Dann ließ ich Lucien widerwillig los und folgte Dufort.

  Doch auf dem Weg zu den Aufzügen kam uns Imogen schon wieder entgegen, einen mehr als besorgten Ausdruck auf dem Gesicht. Keiner von uns musste fragen, was los war, denn sie verriet es uns, sobald wir in Hörweite waren.

  »Am RTC gab es einen Angriff«, sagte sie und war schon an uns vorbei, auf dem Weg in Luciens Räume.

  »Was?!«, rief ich aus. »Hat die OmnI das Zentrum übernommen?«

  »Nein.« Sie schnaubte. »Wie es aussieht, hat sie die Demonstranten dort angegriffen.«

  Wir stürmten zu dritt Luciens Wohnzimmer. Er kam irritiert aus dem Schlafzimmer, in der Hand ein Pad. Auch er fragte nicht, sondern wartete auf Imogens Erklärung. Sie trat an das Terminal hinter dem Schreibtisch, rief die Karte und einige Livebilder der dort befindlichen Militärs auf und berichtete in knappen Worten, was geschehen war: Offenbar hatte fünfzehn Minuten zuvor jemand mehrere Sprengsätze rund um das RTC gezündet, vor allem an den Stellen, wo sich viele Leute aufhielten. Es gab einige Tote und sehr viele Schwerverletzte, Chaos war ausgebrochen, und die Rettungskräfte meldeten, dass sie wegen gewalttätiger Ausschreitungen kaum zu denen durchkamen, die Hilfe brauchten. Soldaten und Schakale vor Ort versuchten zwar, für Ordnung zu sorgen, aber auch sie hatten große Schwierigkeiten, die Massen zu beruhigen.

  »Scheiße, verdammt.« Lucien war leichenblass. »Die OmnI lässt es so aussehen, als wären wir das gewesen!«

  Wir anderen erstarrten angesichts seiner Erkenntnis. Dieses Vorgehen war grausam und ebenso schlau: Da Lucien die Demonstranten am RTC nicht angreifen wollte, hatte die OmnI dafür gesorgt, dass nun jeder glaubte, er hätte genau das getan. Und nun brannte der Hass so hell wie nie.

  »Schickt zusätzliche Rettungseinheiten hin, und lasst jeden von unseren Leuten dort verbreiten, dass wir nichts damit zu tun haben.« Lucien sah Dufort an. »Die Schakale sollen sich unter die Menschen mischen und Zweifel daran schüren, dass ich so etwas machen würde. Und Imogen, bitte lass ein mobiles Medical Department dort einrichten.«

  Sie nickte. »Hast du nicht noch etwas vergessen?«

  »Was denn?«

  »Na, dass du die Sache in Brighton abblasen willst«, sagte Imogen. »Wenn Costard unbemerkt dreißig Sprengsätze an einem RTC anbringen kann, dann auch dort am Pier.«

  »Auf keinen Fall.« Lucien schüttelte den Kopf. »Jetzt müssen wir erst recht auftreten und den Leuten erklären, wer dafür verantwortlich ist.«

  Die Stabschefin hob die Hände. »Luc, ich bitte dich –«

  »Nein, Gen«, unterbrach er sie und sah zu mir. Ich hatte Angst, aber ich wusste, dass er recht hatte, also nickte ich. »Keine Diskussion.« Lucien straffte die Schultern. »Wir ziehen das durch.«

  Und damit war es entschieden.

  Das ehemalige Königreich zeigte sich an diesem Freitag von seiner schönsten Seite und gänzlich unbeeindruckt von der Tragödie in Paris: Das Meer schimmerte tiefblau und die Sonne schien vom wolkenlosen Himmel, als wir mit den beiden FlightUnits den Ärmelkanal überquerten.

  Mit vereinten Kräften hatte Maraisville dafür gesorgt, dass die Lage am RTC halbwegs unter Kontrolle blieb, aber die Stimmung in der Bevölkerung war hochexplosiv und nur einen Wimpernschlag von einem landesweiten Aufstand entfernt. Die OmnI und Costard hatten es sich natürlich nicht nehmen lassen, die Anschläge am RTC über die Pads publik zu machen. Dreihundert Tote und viele Verletzte hatten die Bevölkerung mehr denn je gegen Lucien aufgebracht. Wir durften heute keine Fehler machen. Sonst sah die Zukunft so düster aus wie nie.

  Ich saß am Fenster und schaute nach draußen, während mein Magen sich zu einem winzig kleinen Päckchen zusammenschnürte und mein Herz einen schmerzhaften Schlag nach dem anderen machte.

  »Geht es dir gut?«, fragte mich Lucien. Er saß neben mir und sah weit entspannter aus, als ich mich fühlte.

  »Überhaupt nicht.« Ich grinste und zwar so schief, dass es wahrscheinlich nicht mehr als Grinsen durchging. Ich war aufgeregt, wohl aufgeregter als je zuvor. Ich hatte viel gefährlichere Sachen in meinem Leben gemacht als eine Rede zu halten. Aber es war eben nicht irgendeine Rede und die Gefahr eines Attentats nach Paris riesig groß.

  »Ja, ich weiß, was du meinst.« Lucien nahm meine Hand und ich spürte, wie kalt seine war. »Aber hey, wenn wir nicht mehr wissen, was wir sagen sollen – das Meer ist nur ein paar Schritte entfernt.«

  Ich musste lachen. »Oh ja, kommt sicher gut, wenn der König sich vor den Augen des gesamten Landes ertränken will.«

  Er grinste. »Ich rede doch nicht davon, mich zu ertränken. Sondern davon, dass wir es dann vielleicht doch noch auf diese einsame Insel schaffen, auf die wir wollten, bevor … du weißt schon.« Ein unglückliches Lächeln beendete den Satz.
/>   Ich erinnerte mich an Duforts Worte, dass Luciens Verpflichtungen als König nicht mit einem Sieg über die OmnI endeten. Es würden nach ihr andere Feinde kommen, andere Probleme, andere Herausforderungen. Und sie alle würden erfordern, dass er in Maraisville blieb und dieses Land regierte. Das war sicher nicht die einsame Insel, von der er geträumt hatte. »Tut mir wirklich leid«, sagte ich leise. Er schüttelte als Antwort nur den Kopf.

  »Glaubst du, deine Familie wird da sein?«, fragte er mich dann.

  »Keine Ahnung.« Ich hatte sie vorab nicht kontaktieren dürfen und konnte auch nicht nach der Rede einfach zu ihnen nach Hause gehen. Aber ein Teil von mir wünschte sich, dass ich sie sehen würde, wenigstens kurz. Die Briefe, die ich in letzter Zeit von Eneas bekommen hatte, waren recht nüchtern und kurz angebunden gewesen, obwohl ich ihm sehr ausführlich geschrieben hatte. Grüße ließen mir nur Fleur und Lion ausrichten, nicht aber mein Vater oder Lexie. Meine Mutter behauptete zwar, dass sie nicht böse auf mich seien, wegen des Attentats und allem was danach passiert war, aber so richtig glauben konnte ich das nicht. Und es tat mir weh. Ich hatte meine Familie lange ausgeblendet, um funktionieren zu können, aber ich liebte sie ja trotzdem.

  Meine Gedanken brachten mich auf eine andere Familie. Genau genommen auf Luciens Schwester Amelie, nach der Jye und Echo im Moment auf Luciens Befehl hin suchten, nachdem er von ihrem Besuch bei Tilda Svärd gehört hatte. Aber ich erwähnte seine verschollene Schwester nicht. Er hatte gerade wirklich andere Sorgen als das.

  Deverose kam zu uns.

  »Zeit zum Umziehen, Sir.« Er wies in den Bereich der FlightUnit, den er zum Ankleidezimmer umgerüstet hatte. Dort hingen an Bügeln und in staubfreien Hüllen die Outfits für uns: ein dunkelblauer Anzug mit grauem Hemd für Lucien und ein heller Blazer mit blauem Rock für mich. Adrian Deverose hatte diese Kleidung sehr sorgfältig ausgewählt, damit wir beide elegant und seriös rüberkamen. Aber als er jetzt die Hüllen herunterzog, kamen mir die Sachen viel zu formell vor.

  »Los geht’s.« Lucien stand auf und pustete die Luft aus.

  Ich berührte ihn am Arm und hielt ihn zurück. »Warte.«

  »Was ist?«

  »Ich denke … vielleicht wäre es klüger, wenn du deine Sachen anbehältst.«

  »Also, das hast du wirklich noch nie zu mir gesagt«, erwiderte er grinsend in einem Anflug von Galgenhumor. Ich ging nicht darauf ein, also zeigte er auf den ausgewaschenen roten Kapuzenpullover, den er bei unserer allerersten Begegnung getragen hatte und der sein liebstes Kleidungsstück war. »Diese Sachen?«

  »Auf keinen Fall, Sir«, mischte sich Deverose – wie immer im perfekt sitzenden Dreiteiler mit passender Fliege und Einstecktuch – ein. »Wenn Sie in diesem Aufzug vor die Menge treten, wird niemand Sie ernst nehmen.«

  »Oder erst recht.« Ich wollte Deverose nicht in seinen Job reinreden, aber es fühlte sich richtig an, und Lucien hatte mich gelehrt, meinem Gefühl zu vertrauen. »Wenn er so auftritt, dann zeigt er, dass er einer von ihnen ist.«

  »Ophelia, Ihre Idee in allen Ehren, aber die Leute wollen niemanden, der so aussieht, als wäre er einer von ihnen. Sie wollen jemanden, zu dem sie aufsehen können. Einen Anführer.«

  »Einen Anführer in einem hochwertigen Anzug, den sich früher nur die Superreichen leisten konnten?« Ich wusste nicht, wieso ich so stur Kontra gab, aber das Gefühl in meinem Bauch trieb mich weiter. »Die Menschen brauchen nach dem Anschlag in Paris niemanden auf einem Sockel. Sie brauchen jemanden, dem sie vertrauen können. Vor allem, wenn er ihnen etwas erzählt, das sie nur schwer als Wahrheit werden akzeptieren wollen.«

  Lucien hatte bis jetzt nichts gesagt, aber nun sahen sowohl ich als auch Deverose ihn an. »Was meinst du dazu?«, fragte ich.

  »Dass die Wahrheit wie so oft in der Mitte liegt.« Er schaute zu den Kleidersäcken an der Wand. »Adrian, haben wir noch etwas aus dem normalen Liliensortiment dabei? Das ordentlich aussieht, aber trotzdem so, als könne man es in der Supply-Station an der Ecke bekommen?«

  »Nein, Sir, ich habe nicht … ich wusste ja nicht, dass …« Deverose stammelte.

  »Hier, nimm die.«

  Neben uns stand Dufort, jetzt nur noch im Shirt, und er reichte Lucien seine Jacke – eine von den normalen Modellen mit Lilie, wie er sie täglich trug, nur heute eben die etwas edlere Variante. Diese Jacke hatte so ziemlich jeder Mann im Land in seinem Schrank und holte sie heraus, wenn er sich schick machen wollte.

  »Danke.« Lucien nahm die Jacke entgegen und zog dann das von Deverose vorgesehene graue Hemd an. Nun trug er dazu seine normale dunkle Jeans und Duforts Jacke und sah aus wie er selbst, ohne dass man denken würde, er könne keine wichtigen Entscheidungen treffen. Ich lächelte.

  »So, und jetzt zu Ihnen, Ophelia.« Deverose schaute mich streng an.

  »Danke, aber … ich bleibe so.« Ich deutete auf die grüne Pulloverjacke, mein Geschenk von Lucien. Sie zeigte am besten, wer ich war. Und genau das sollten die Leute sehen.

  Deverose verdrehte schicksalsergeben die Augen, als hätte er längst damit gerechnet.

  »Dann sollten wir noch einmal über die Reden sprechen.« Ich wusste, warum er dabei vor allem mich ansah. Wenn ich ihm in den letzten 24 Stunden die vorbereiteten Worte präsentiert hatte, war er nur selten zufrieden gewesen. Ich war ihm nicht überzeugend genug, nicht dramatisch genug. »Denken Sie daran, die Schlüsselwörter zu betonen«, schärfte er mir deswegen ein. »Dass Sie ihre Meinung geändert haben, dass Sie überzeugt wurden, weil Leopolds Argumente über jeden Zweifel erhaben sind. Und dass jeder, der bei klarem Verstand ist, glauben muss, wie überlebensnotwendig die Abkehr war.«

  Ich nickte nur und knetete meine Hände.

  »Sie macht das schon, Adrian.« Imogen rettete mich vor einer weiteren Anfeuerungsrunde, indem sie mich ein Stück beiseite nahm. »Hier, das ist für dich.« Sie drückte mir einen Gegenstand in die Hand. Es war eine kleine Ritterfigur, mit winzigem Schwert auf einem Rappen. »Lynx fand, da du immer so viel für andere kämpfst, könntest du auch jemanden brauchen, der das für dich tut.«

  Ein paar Tränen stiegen mir in die Augen. »Der Junge ist viel zu weise für sein Alter.«

  »Da kommt er nach seinem Vater.« Imogen lächelte. »Aber er hat recht. Du wirst das gut machen, Ophelia. Sei einfach du selbst.«

  »Danke, Imogen. Für alles.« Sie hatte mich selbst nach dem Attentat auf Leopold mit Anstand behandelt und später ohnehin. Das würde ich ihr nie vergessen.

  »Ich danke dir. Was du für meinen Sohn getan hast, kann ich dir niemals zurückzahlen. Und ich hoffe, du weißt, dass du zu unserer Familie gehörst. Wir sind füreinander da. Egal, wie schlimm es wird.« Sie sah zum Fenster. »Wir landen gleich. Ich muss mit Caspar sprechen.« Damit berührte sie mich kurz am Arm und ließ mich allein. Ich drehte den kleinen Ritter einen Moment in der Hand, bevor ich ihn in meine Hosentasche schob.

  Brighton sah aus wie immer, und ich stellte fest, dass mich das wunderte. Während ich weg gewesen und so viele Male um mein Leben gekämpft hatte, war hier offenbar der normale Alltag weitergegangen. Ob Liora, Code und die anderen immer noch hier waren? Oder hatten sie sich längst Costard angeschlossen? Ich fragte mich, ob die Ortsgruppe heute da sein würde. Und was sie wohl dachten, wenn sie hörten, was ich ihnen zu sagen hatte.

  Die FlightUnits senkten sich und landeten auf dem Wasser hinter dem Pier. Duforts Sicherheitskonzept sah das vor, weil wir so schnell und ohne lange Wege verschwinden konnten, falls wir es mussten. Auch die Route war unter uns vieren geblieben, damit nicht das Gleiche passieren konnte wie bei Leopolds Reise nach Großasien. Selbst wenn die OmnI nicht hinter dem Anschlag steckte, konnte die unbekannte dritte Partei trotzdem beabsichtigen, auch den aktuellen König zu töten.

  Die Schakal-Teams waren schon am frühen Morgen in London gelandet und dann mit dem TransRail nach Brighton gefahren, um sich hier unter die Leute zu mischen. Duforts Devise war es immer gewesen, der beste Einsatz seiner Leute sei der, bei dem sie nicht bemerkt wurden. Daran hielt er sich. Die einzige Ausnahme war d
as halbe Dutzend Schakale, das in Gardeuniformen steckte und immer in unserer Nähe bleiben würde. Saric hatte protestiert, aber nicht so sehr, dass man ihr misstrauen musste. Ich wusste, dass Lucien darüber sehr erleichtert war.

  »Okay«, schwor Dufort unsere Bewacher ein, »ich will keinen Millimeter Abweichung vom Plan. Wir gehen raus, Imogen begrüßt die Leute, dann hält Lucien seine Rede, anschließend Ophelia. Wenn das vorbei ist, spricht Lucien kurz in der FlightUnit mit dem Stadtvorsteher, dann verabschieden wir uns und verschwinden genauso schnell, wie wir gekommen sind. Keine unnötigen Risiken. Wenn euch etwas auffällt, sofort Meldung an mich – und wenn es nur ein freilaufender Hund ist, der euch komisch vorkommt. Ist das so weit klar?«

  Die Schakale nickten, auch wenn ich zweifelte, ob sie meinem Schutz wirklich so viel Aufmerksamkeit zukommen lassen würden, wie Dufort es verlangte.

  Lynx’ Rettung hatte mich bei der Bevölkerung von Maraisville und den meisten Militärs rehabilitiert, aber die Schakale waren nachtragender. Ich hatte mich bei ihnen eingeschlichen, um jemandem zu schaden, dessen Schutz sie ihr Leben gewidmet hatten. Vielleicht trauten sie mir mittlerweile, aber verzeihen würden sie mir das wahrscheinlich nie.

  »Dann geht es los.«

  Die Rampe senkte sich herab und landete auf einem schwimmenden Ponton, der direkt hinter dem Pier platziert worden war. Als ich die FlightUnit verließ, fiel mein Blick auf den 3V-Coaster und wanderte daran hoch bis zu dem Wagen, in dem Knox und ich öfter unsere Abende verbracht hatten. Knox. Ich hatte in der letzten Zeit nicht viel an ihn gedacht. Aber in Brighton erinnerte mich alles an ihn.

  Ich drehte mich zu Lucien um, der – flankiert von zwei Schakalen – in diesem Moment die Rampe herunterkam. Als er lächelte, wurde mein Herz zwanzig Kilo leichter. Knox gehörte zu meiner Vergangenheit, aber Lucien war meine Zukunft. Und wenn wir unsere Sache heute gut machten, würde es die auch geben.

  Erst, als ich von der Rückseite des Piers auf das breite Podium stieg, das hier aufgebaut worden war, erkannte ich, wie viele Menschen gekommen waren. Die Leute standen auf dem gesamten Pier bis hinten zur Promenade, und auch dort drängten sich noch Menschen. Deverose hatte Luciens Rede nicht über die Pads angekündigt, um der OmnI keine Gelegenheit zu geben, sich darauf vorzubereiten. Aber mitten in der Nacht hatte das Militär in den großen Städten Leinwände mit Übertragungstechnik aufgebaut – und in Brighton war eine Gruppe von Schakalen am Morgen in die Supply-Stationen gegangen, um anzukündigen, gegen Mittag werde am Pier etwas verkündet.

 

‹ Prev