Feel Again

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Feel Again Page 29

by Mona Kasten


  »Komm runter, Robyn.«

  »Ah, Pat!«, sagte Robyn fröhlich. »Das hier ist die Studentin, von der ich dir erzählt hatte.«

  Pat lächelte. Es wirkte offen und ehrlich, und neben den vielen kleinen Lachfalten um ihren Mund und ihre Augen machte sie mir das sofort sympathisch. Außerdem mochte ich ihren Style: Sie hatte ein Lippenbändchenpiercing, weiße Strähnen in ihren sonst pechschwarzen Haaren und war von oben bis unten in Schwarz gekleidet. Sie trug sogar enge schwarze Handschuhe. Ich wusste nicht, ob das ein Fashionstatement war oder einen gesundheitlichen Grund hatte, deshalb nickte ich ihr nur zu. »Ich bin Sawyer. Freut mich.«

  Sie nickte zurück, ohne dass ihr Lächeln verblasste. »Die Freude ist ganz auf meiner Seite. Ihr seid gerade erst angekommen, oder?« Sie blickte zwischen Dawn und mir hin und her. »Dann bekommt ihr jetzt die VIP-Tour. Kommt mit.«

  Dawn und ich folgten den beiden durch die Galerie und hörten uns Erläuterungen und Geschichten zu den jeweiligen Bildern und Fotoreihen an.

  An einer seitlichen Wand hingen Portraits von Robyn. Ich musste näher hingehen, um zu erkennen, was sie da trug. Es war ein Kostüm aus …

  »Pappe?«, fragte ich stirnrunzelnd.

  »Ja. Das war ein Projekt von einem befreundeten Fotografen. Der Rock«, sie deutete auf den ausladenden grünen Rock, der die Hälfte des Bildes einnahm, »war eine Sonderanfertigung. Die Bluse bestand aus Decopatchpapier mit unterschiedlichen Musterungen, die er wild zusammengeklebt hatte. Ich musste damals drei Stunden lang nackt da rumstehen, bis sie mich fertig beklebt hatten.«

  »Dabei war da das leckerste Büffet, das ich je gesehen habe. Ich erinnere mich noch genau, wie ich versucht habe, solidarisch zu sein, aber das sah einfach alles so lecker aus …«, sinnierte Pat.

  »Du hast versucht, solidarisch zu sein?«, sagte Robyn aufgebracht. »Du hast dich mit diesem Wrap absichtlich vor mich gestellt, du Arschkuh.« Ihr erschrockener Blick zuckte zu mir, als hätte sie kurz vergessen, dass ich ihre Studentin war und sie wahrscheinlich nicht so vor mir reden sollte. Dabei fand ich es niedlich, wie sich die beiden kabbelten.

  »Die Bilder sind wunderschön«, sagte Dawn freundlich und neigte den Kopf auf die Seite, um sich eines genauer anzusehen. Darauf hatte Robyn die Hände in die Hüfte gestemmt und krümmte ihren Körper so, dass der Rock nach vorne geneigt war. Ihr Make-up war so bunt wie das Pappkleid, das sie trug.

  »Solche Bilder habe ich noch nie gemacht«, murmelte ich.

  »Ich erinnere mich noch an erotisch-verträumt«, sagte Dawn mit hochgezogener Braue.

  »Aber das war kein Editorial-Shooting. Wir haben es ganz provisorisch auf dem Campus gemacht.«

  »Könntest du dir denn vorstellen, mal solche Bilder zu machen?« Pat schien ehrlich interessiert zu sein und nicht nur aus Höflichkeit zu fragen.

  Ich nickte sofort. »Ja. Gerade mit Dawn könnte ich mir so bunte Bilder sehr gut vorstellen. Ihre Haare sind gemacht für Colorblocking, und …«

  Dawn hüstelte unauffällig.

  »Ich denke nur laut nach, Dawn, keine Angst. Ich habe ja nicht mal ein Studio.«

  »Ich könnte dir das Galeriestudio zur Verfügung stellen. Wir haben auch Material, mit dem du herumprobieren könntest. Meine Schule hat uns reichlich Zeug geschenkt, als sie erfahren haben, dass wir eine Galerie eröffnen werden«, erklärte Pat.

  Sprachlos sah ich sie an. »Wirklich?«

  »Klar. Ich weiß, dass man an der Uni kaum dazu kommt, mal richtig etwas auszuprobieren. Die meiste Zeit verbringt man damit, sich um die Studios zu prügeln, und wenn man eins hat, herrscht dann auch keine besonders inspirierte Stimmung. Komm gerne her, wenn du mal ein konkretes Projekt hast, und dann sehen wir weiter.«

  »Sehr gerne«, sagte ich und strahlte Dawn an.

  »Ich mache alles mit, solange ich dabei angezogen sein darf«, sagte sie trocken.

  »Sawyer hat ein gutes Auge. Ich bin mir sicher, sie würde tolle Aktbilder von dir machen.« Robyn begutachtete Dawn von oben bis unten, als würde sie sich sie nackt vorstellen. Meine Freundin lief knallrot an.

  »Das sage ich auch immer, aber noch habe ich sie nicht dazu bekommen, sich darauf einzulassen.«

  »Ist ja auch nicht für jedermann was«, stimmte Pat zu und musterte Dawn nun auch von oben bis unten. »Wie wäre es denn mit Bodypainting? Damit sieht man angezogen aus, ist es aber nicht.«

  Sofort hatte ich ein Bild von Mystique aus X-Men vor Augen. Dawn würde das Blau bestimmt ganz toll stehen. »Dawn, kennst du X-Men?«, fragte ich.

  Sie starrte mich entgeistert an. »Vergiss es. Ich werde mich nicht blau anmalen und nackt fotografieren lassen. Niemals.«

  Ich grinste, ließ sie aber in Ruhe. Als wir zu den nächsten Bildern gingen, hörte ich Dawn neben mir murmeln: »Woher weißt du überhaupt, wer die X-Men sind?«

  Und dann musste ich an den Abend denken, an dem Isaac und ich auf seiner Couch gesessen und Bilder von der letzten Comic Con angeschaut hatten. Er hatte mir bei jedem Kostüm erklärt, welche Figur es darstellen sollte und in welches Spiel oder welche Serie sie gehörte. Als ich nicht wusste, wer Mystique war, war er vor Schock fast vom Sitz gerutscht und hatte ohne ein weiteres Wort einen der Filme angeschaltet.

  Ich ertappte mich dabei, wie ich mir wünschte, Isaac wäre ebenfalls mit mir hier. Ich vermisste ihn, obwohl erst ein Tag vergangen war, seit wir uns das letzte Mal gesehen hatten. Dabei fürchtete ich mich gleichzeitig davor, ihm gegenüberzutreten, denn dann würde ich ihm sagen müssen, dass ich im Begriff war, mir ein neues Projekt zu suchen. Und tief in meinem Inneren ahnte ich, dass das wie ein Todesstoß sein würde für das, was sich zwischen uns entwickelt hatte.

  »Die sind von Emmett Glasbury«, riss Robyn mich aus meinen Gedanken. Sie deutete stolz auf eine Reihe von Bildern, auf denen Models Masken trugen und sich die Augen und Ohren zuhielten.

  Ich starrte sie an. »Ist das dein Ernst?«

  Emmett Glasbury war einer der renommiertesten Fotografen der letzten zehn Jahre. Er hatte schon etliche Prominente vor der Linse gehabt, Konzerte fotografiert und einen Preis nach dem anderen gewonnen.

  »Emmett hat bei mir gelernt«, erklärte Pat mit warmer Stimme. Sie sah auf die Bilder, und ich erkannte den Stolz in ihren Augen.

  »Ich komme mir ein bisschen blöd vor, dass ich frage, aber … wer ist Emmett Glasbury?«, meldete sich Dawn kleinlaut zu Wort.

  Ich erzählte ihr sofort alles, was ich über Emmett wusste, und beschrieb ihr meine Lieblingsbilder von ihm. »Er hat es schon so weit gebracht, dabei ist er erst Mitte dreißig.«

  »Da hat aber jemand gut in deinem Kurs aufgepasst«, sagte Pat mit hochgezogenen Augenbrauen, während Robyn mich überrascht anstrahlte.

  »Dabei tut sie immer so, als würde sie ins Koma fallen, wenn ich auch nur einen Satz Theorie von mir gebe.«

  Wir setzten den Rundgang fort. Als Dawn erzählte, dass Spencer einige Kunstkurse belegte und seine Schwester ebenfalls Künstlerin werden wollte, drückte Pat ihr gleich ihre Karte in die Hand und sagte, die beiden sollten sich unbedingt bei ihr melden. Dawn steckte die Karte freudestrahlend ein und schrieb Spencer dann sofort eine Nachricht. Währenddessen erzählten Pat und Robyn mir, wie sie darauf gekommen waren, ausgerechnet hier eine Galerie zu eröffnen.

  »Wir haben das Gebäude eigentlich durch Zufall entdeckt, als wir unten in der Bar den Geburtstag eines Freundes gefeiert haben. Irgendwie sind wir hier oben gelandet«, erzählte Robyn.

  »Damit will sie sagen, dass wir betrunken hier eingebrochen sind«, ergänzte Pat.

  »Sawyer ist meine Studentin, Pat.«

  »Okay, kommen wir zum eigentlichen Punkt zurück: Ich habe das Obergeschoss gesehen und hatte sofort Ideen, was man daraus machen könnte.« Sie zuckte mit den Schultern. »Eine Woche später haben wir den Mietvertrag unterschrieben.«

  Ich erinnerte mich daran, wie heruntergekommen die Bar ausgesehen hatte. »Musstet ihr viel renovieren?«

  Robyn nickte. »Ja, aber wir haben fast alles selbst gem
acht, mithilfe von Freunden.«

  »Es ist echt toll geworden«, sagte ich.

  Irgendwann entdeckte Dawn ihren scharfen und meiner Meinung nach völlig durchgeknallten Dozenten Nolan und wurde von ihm in eine andere Ecke des Raums entführt. Ich stellte mich mit Robyn und Pat an einen Tisch, auf dem eine Reihe von Sektflöten aufgestellt waren.

  »Nimm dir gerne ein Glas, wenn du magst.«

  Ich nahm mir vorsichtshalber eines mit Orangensaft, denn Robyn hatte recht: Ich war ihre Studentin, ganz gleich, wie cool sie drauf war. Ich nippte an dem Saft.

  »Ich wollte noch einmal mit dir über dein Abschlussprojekt sprechen«, sagte Robyn unvermittelt.

  »Oh«, sagte ich. Damit hatte ich nicht gerechnet. Ich umklammerte das Glas ein bisschen fester.

  »Nichts Schlimmes, keine Angst.« Robyn lächelte. »Es ist nur so: Wir könnten hier in der Galerie noch Unterstützung gebrauchen. Wir haben einige Künstler, deren Werke für die nächste Ausstellung fotografiert werden müssten. Jetzt, wo du die Galerie gesehen hast: Was würdest du davon halten, wenn wir dein neues Abschlussprojekt gemeinsam ausarbeiten und du Bilder für die Galerie schießen würdest?«, fragte Robyn.

  Ich starrte sie an, vollkommen sprachlos.

  »Glaubst du, das ist Entsetzen oder Freude?«, fragte Robyn an Pat gewandt.

  »Ich bin mir nicht sicher«, sagte Pat. »Du kennst sie besser als ich.«

  »Ist das euer Ernst?«, platzte es schließlich aus mir heraus.

  Robyn lachte. Dann nickte sie. »Das, was wir geplant haben, würde den Anforderungen für das Abschlussprojekt entsprechen.«

  »Und wenn es gut läuft, könnten wir schauen, ob wir dich regelmäßig engagieren«, fügte Pat hinzu.

  Wieder starrte ich die beiden an.

  »Ich weiß, dass das nicht das ist, was du dir ursprünglich vorgestellt hast, aber es ist eine gute Alternative, finde ich.« Robyn stellte ihr Glas zurück auf den Tisch. »Was meinst du?«

  »Ich …« Ich stockte. »Vielen Dank, Robyn. Das ist …« Dann riss ich mich zusammen. Ich räusperte mich und richtete mich auf. »Egal, was es für ein Shooting wird: Ich werde mein Bestes geben.«

  Sie lächelte mich an. »Davon gehe ich aus.«

  Danach verabschiedeten sie sich von mir, und ich starrte wie in Trance auf die graue Steinwand neben mir. Schrille Fotografien wurden darauf projiziert, jetzt gerade von einem Mädchen, das geschminkt war wie ein Paradiesvogel. Ich sah sie mir an, betrachtete die ineinander übergehenden Farben, bis das Bild wieder wechselte.

  Das, was Robyn mir eben angeboten hatte, war eine großartige Möglichkeit. Ich würde nicht nur mein Abschlussprojekt zusammen mit meiner Dozentin ausarbeiten, sondern auch Erfahrungen und Referenzen sammeln, die mich später enorm weiterbringen würden. Das war die größte Chance, die ich jemals bekommen hatte.

  Wieso fühlte es sich dann an, als müsste ich jeden Moment in Tränen ausbrechen?

  KAPITEL 27

  Ich hasste es.

  Ich hasste, dass ich vor Isaacs Tür stand und zum dritten Mal die Hand hob und sie wieder sinken ließ.

  Ich hasste, dass ich keine Ahnung hatte, wie ich ihm sagen sollte, dass ich so nicht weitermachen konnte.

  Ich hasste es, mich so zu fühlen.

  Aber am meisten hasste ich, dass ich wusste, dass ich keine andere Wahl hatte.

  Nach einem letzten Atemzug hob ich die Hand an die Klingel. Es dauerte nicht lange, bis er die Tür öffnete. Und wie immer, wenn er vor mir stand, setzte alles in mir für einen Moment aus.

  Der Blick in seinen Augen war überrascht, dann verzogen sich seine Mundwinkel zu einem Lächeln. Wärme machte sich in meinem Brustkorb breit, und mein Herz begann, schneller zu schlagen, als sein Blick einen Moment an meinem Mund hängen blieb. Und dann wusste ich überhaupt nichts mehr.

  Ich schlang meine Arme um Isaacs Hals und küsste ihn. Heftig. Ich krallte meine Hände in sein Shirt, erwischte vielleicht sogar Haut und hielt ihn fest – dieses eine, letzte Mal. Isaac stöhnte gedämpft und taumelte ein Stück zurück. Ich kickte die Tür mit dem Fuß zu, und der Knall, als sie ins Schloss fiel, tönte laut in meinen Ohren.

  Isaac hob mich hoch und ich schlang die Beine um ihn. Ich fuhr mit den Händen in sein Haar, und meine Zähne stießen gegen seine, verzweifelt und schmerzhaft.

  Je drängender unser Kuss wurde, desto schlimmer wurde das Gefühl in meinem Inneren. Es zog heftig an mir, diese elende Verzweiflung, bis ich kaum noch Luft bekam. Ein leises Wimmern, fast ein Schluchzen, befreite sich aus meiner Kehle. Sofort löste Isaac seinen Mund von mir und sah mich erschrocken an. Ich weiß nicht, was er in meinen Augen sah, aber er lockerte seinen Griff um meinen Hintern und ließ seine Hände stattdessen in einer zärtlichen Bewegung zu meinen Beinen gleiten.

  Ich ließ meine Stirn gegen seine Schulter sinken und spürte, wie die Anspannung in meinem Körper nachließ.

  Er sagte nichts, als er mich durch die Wohnung trug und im Wohnzimmer auf der Couch absetzte. Dann verschwand er in der Küche und kam wenige Minuten später mit einem dampfenden Becher zurück. Er stellte ihn auf dem Wohnzimmertisch ab, auf den ich wie apathisch gestarrt hatte.

  Isaac nahm neben mir Platz. Er hob meine Beine auf seinen Schoß und rückte näher zu mir. Seine Hände fuhren sanft über mein Schienbein, vor und wieder zurück.

  »Wo ist Gian?«, fragte ich nach einer Weile.

  »Bei seiner Familie. Seine Mutter hat Geburtstag.«

  Ich nickte langsam.

  Er streichelte meine Beine wieder. »Was war das eben?«

  »Nichts«, murmelte ich und wandte den Blick ab.

  »Das hat nicht nach ›nichts‹ ausgesehen. Und es hat sich auch nicht nach ›nichts‹ angefühlt«, sagte Isaac leise.

  Ich schluckte trocken. Jedes Mal, wenn ich einen Text in meinem Kopf zurechtlegte, wurden meine Hände klebrig und mein Atem schneller. Es fühlte sich nicht gesund an. Und trotzdem wusste ich, dass ich es nicht länger hinauszögern konnte. Letzten Donnerstag hatten Isaac und ich eine Grenze überschritten. Wenn wir jetzt nicht damit aufhörten, würden wir uns gegenseitig verletzen, das wusste ich.

  »Ich …«

  Ich konnte nicht. Ich konnte es ihm einfach nicht sagen. Wenn ich es erst einmal laut ausgesprochen hatte, dann würde es vorbei sein. Und dafür war ich noch nicht bereit.

  »Okay, wir machen das anders«, sagte er unvermittelt. Er schob meine Beine von sich, stand auf und lief in die Küche. Wenig später kam er mit einer großen Flasche Sambuca und zwei Schnapsgläsern zurück.

  »Alkohol«, sagte ich und setzte mich auf. »Sagt mir deutlich mehr zu als Tee.«

  Isaac lächelte leicht. Mit einer Fernbedienung schaltete er die Anlage an, und sofort erfüllte leise Klaviermusik den Raum. Dann schenkte er die beiden Gläser voll und reichte mir eins, ohne sich wieder zu mir zu setzen. Er stieß mit mir an und kippte den Likör runter. Ich tat es ihm gleich. Das Brennen fühlte sich gut in meinem Hals an, und noch besser wurde es, als sich die Wärme in meinem Bauch breitmachte.

  »Wir betrinken uns jetzt. Und dann redest du mit mir«, sagte Isaac und deutete mit seinem leeren Glas auf mich.

  »Wieso sollte ich?«, fragte ich.

  »Weil ich für jede Info, die du mir verrätst, ein Kleidungsstück ausziehen werde.«

  Ich hob eine Augenbraue. »Ich bekomme einen Striptease, wenn ich mit dir rede?«

  Er nickte und schenkte unsere Gläser ein zweites Mal voll.

  Das war gar keine gute Idee. Wirklich überhaupt keine gute Idee, aber … ich trank das zweite Glas trotzdem, weil ich den Mut brauchte. Isaac schien es ähnlich zu gehen, denn er schenkte sich auch noch eins ein.

  Ich hätte ihn aufhalten sollen. Ich hätte mich definitiv nicht auf dieses Spiel einlassen sollen, wenn ich wusste, was ich ihm gleich sagen würde. Aber ich konnte nicht, wenn er mich so ansah. Ich brachte es nicht über mich, ihn aufzuhalten, wenn er so selbstbewusst und mutig war – genau so, wie ich immer gehofft hatte, dass
er irgendwann einmal sein würde.

  Ich hielt ihm mein Glas entgegen. Er füllte es randvoll, und sofort kippte ich den Alkohol runter. Dann lehnte ich mich zurück.

  Isaac stand inmitten des Wohnzimmers und sah mich eindringlich an. »Okay. Was hast du heute Abend gemacht?«

  Das war sicheres Terrain, das konnte ich beantworten. »Meine Dozentin Robyn hat zusammen mit ihrer Freundin eine Galerie in der Innenstadt eröffnet und mich eingeladen. Ich war mit Dawn dort und habe mir die Bilder ihrer ersten Ausstellung angesehen.«

  »Klingt doch gut«, sagte er und blickte dann an sich hinunter. Er schien kurz zu überlegen, was er als Erstes ausziehen sollte, und entschied sich für seinen Cardigan. Langsam fing er an, einen Knopf nach dem anderen zu öffnen.

  Ich beugte mich vor und schenkte unsere Gläser wieder voll. Ich kippte den Alkohol runter, während ich Isaac dabei zusah, wie er sich aus seiner Jacke schälte. Sein Blick zuckte zu mir, und er lächelte mich unsicher an. Hitze breitete sich in mir aus und vermischte sich in meinem Magen mit dem Brennen des Alkohols. Es juckte mich in den Fingern, zu ihm zu gehen und ihm die Jacke selbst von seinen Schultern zu streifen. Aber ich blieb sitzen.

  »Nächste Frage«, sagte er und ließ den Cardigan auf den Boden fallen. »Deine Dozentin scheint dich sehr zu mögen, wenn sie dich an so einem wichtigen Abend eingeladen hat.«

  Ich drehte das Glas in meiner Hand. »War das eine Frage?«

  »Nein.« Isaac fuhr sich mit einer Hand durchs Haar. »Hattest du einen guten Abend?«

 

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