Kiss Me Once
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»Weiß sie schon, dass wir Zimmernachbarn sind? Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie von dieser Nachricht sonderlich begeistert gewesen ist«, erkundigte ich mich bei Harry, der die versteckte Sicherheitsanlage hinter dem Kleiderschrank inspizierte. Ich war es ja selbst nicht gewesen. Aber es gehörte nun mal zum Job.
»Sie weiß zumindest, dass sie Begleitschutz bekommt. In welchem Ausmaß, haben wir ihr aber vorerst verschwiegen, sonst wäre die Streiterei für alle Beteiligten nur noch anstrengender gewesen.«
Ich zog eine Augenbraue hoch und lehnte mich gegen den Türrahmen. »Nur so als nette Frage am Rande: Was denkt sie denn, welche Art von Begleitschutz sie bekommt? Weiß sie, dass ich neben ihr in der Uni sitzen werde wie ein Stalker?«
Harry zögerte und ich sah tatsächlich so was wie schlechtes Gewissen über seine kantigen Züge huschen. »Tja, was das angeht, muss ich dich noch um etwas bitten …«
»Oh nein.«
Harry verzog die Mundwinkel und kratzte sich verlegen am Nacken. »Sie weiß zwar, dass ein Security auf sie aufpasst, aber vielleicht kannst du das ständige … Observieren ein wenig dezenter verpacken und so tun, als ob …«
»… ich der nette Student von nebenan wäre? Harry!« Ich schnaufte. »Im Ernst: Das kann doch nur schiefgehen. Spätestens wenn ich darauf bestehe, sie sogar bis zur Toilette zu begleiten, wird sie wissen, wer ich bin. Zumindest wenn ihr IQ über den einer Erdnuss hinausgeht.«
Wenigstens besaß Harry den Anstand, rot zu werden. »Wie du das machst, ist ganz dir überlassen, Junge. Aber sei nett. Ich glaube, sie kann einen Freund ganz gut gebrauchen. Ivy ist ein liebes Mädchen. Ihr werdet euch bestimmt gut verstehen, sonst hätte ich dich nicht für diesen Job ausgesucht.«
Ich verschränkte die Arme vor der Brust. »Nein, du hast mir diesen Job aufgedrückt, weil du hoffst, dass ich hinschmeiße und stattdessen wieder die Studienbank drücke, um später deine Security-Firma zu übernehmen, Dad.«
Er seufzte und zuckte ergeben mit den breiten Schultern. »Ich denke immer noch, dass es das Beste für dich wäre zu studieren. Du bist jung. Genieß das Leben. Der aktive Außeneinsatz läuft dir schließlich nicht davon.«
»Du kennst meine Meinung dazu.« Ich schaute demonstrativ zur Seite. Keine Ahnung, wie oft wir dieses Thema inzwischen schon durchgekaut hatten.
Harry schien Ähnliches zu denken, denn er nickte nur und stapfte aus dem Zimmer. »Schön, wenn du den Job wirklich machen willst, nur zu … Halte ein bis zwei Semester durch, danach sehen wir weiter.«
Schwungvoll stieß ich mich vom Türrahmen ab und folgte meinem Vater aus dem Wohnheim.
Es war gerade mal Mittag und wir hatten bereits alle Vorbereitungen getroffen, um für Ivy Redmonds Sicherheit garantieren zu können. Schweigend gingen wir zu dem schwarzen SUV, mit dem Dad mich heute Morgen samt meiner Umzugskisten hergebracht hatte. Die Luft im Inneren des Wagens stand praktisch vor Hitze, als Harry sich hineinhievte.
»Brauchst du sonst noch was, Junge?«, erkundigte er sich und tippte mit gerunzelter Stirn auf dem Navi herum. Dieser Mann mochte der Chef einer Security-Firma sein und sogar einen Anschlag in kürzester Zeit erfolgreich vereiteln können, aber bei alltäglichster Technik stellte er sich manchmal etwas ungeschickt an. Resigniert nahm ich ihm das Navi aus der Hand und gab sein Reiseziel zurück nach Miami ein.
»Keine Sorge«, sagte ich, nachdem ich ihm das Navi zurückgegeben hatte, und klopfte ihm beruhigend auf die Schulter. »Ich komme klar. Das Mädchen kommt erst übermorgen. Ich habe also sogar noch genug Zeit, mir alles anzusehen, bevor ich zum Babysitter mutiere.«
»Gut. Du hast alle Handynummern, falls etwas schieflaufen sollte?«
»Ja. Alles da.«
»Vergiss nicht, jede Woche deinen Bericht abzuliefern.«
»Ich mach sogar kleine Post-its rein und male Herzchen zur bildhaften Unterstreichung.«
»Haha, du und zeichnen? Deine Scherze waren auch schon mal besser, Kleiner.«
»Vielleicht sollte ich Kunst studieren. Wäre doch schade um mein Talent.«
Harry verdrehte die Augen. »Sehr witzig. Vergiss bitte nicht, deine Mutter anzurufen«, brummte er.
»Klar, mach ich. Und sag den Zwillingen, dass sie ihre Finger von meinem Zeug lassen sollen. Nur weil ich nicht da bin, dürfen sie noch lange nicht in mein Zimmer.«
Mein Dad lachte. »Kann ich machen, aber wir wissen beide, dass sie nicht auf mich hören werden. Okay. Mach’s gut, Ryan.«
»Tschüss, Dad«, sagte ich und schlug die Autotür zu.
Harry hielt sich nicht mit weiterem Geplänkel und tränenreichen Verabschiedungen auf. Musste er auch nicht. Die letzte Stunde hatten wir den Fall Ivy Redmond zur Genüge durchgekaut. Ich wusste, was zu tun war. Und ich würde ihm sowieso wöchentlich Bericht erstatten. Nachdenklich starrte ich dem SUV hinterher und spielte dabei unbewusst mit meinem Lippenpiercing. Tja, da war ich jetzt. Allein auf einem Campus, der berühmt war für seine Verbindungspartys und seine hübschen Mädchen. Mir blieben also noch siebenunddreißig Stunden, um genau diese Dinge in vollen Zügen auszukosten, bevor meine Klientin hier auftauchte und ich beweisen musste, wie verdammt gut ich in meinem Job war.
Ivy
Ich war da. Holy Moly! Ich war so glücklich und aufgeregt, dass ich beinahe ein wenig Gatorade verschüttet hätte. Fasziniert starrte ich auf die Verbindungshäuser der University of Central Florida, an denen ich im Schritttempo vorbeifuhr. Durch das halb geöffnete Fenster blies mir ein warmer Wind ins Gesicht. Die Verbindungen verströmten allesamt das typische Südstaatenflair: grüner, perfekt gestutzter Rasen, eine Veranda und griechische Zeichen an der Front und – obwohl die Uni offiziell noch nicht begonnen hatte – bereits ziemlich viele Studenten, die sich trotz der brütenden Mittagshitze im Freien tummelten. Irgendwo musste auch gerade eine Party gefeiert werden, denn die Musik war nicht zu überhören.
Während ich langsam die Auffahrt entlangfuhr, hüpfte mein Blick von einem Verbindungshaus zum nächsten. Ich wusste gar nicht, wo ich zuerst hinsehen sollte. Auf der linken Seite war eine Verbindung, die sich Gamma Sigma Eta nannte. Und daneben, ganz in Blau gestrichen, lag Alpha Tau Omega, wo sich Mädchen auf der Veranda rekelten, die allesamt aussahen, als wäre das Aufnahmekriterium an perfekte 90-60-90 gebunden. Ich wurde noch langsamer, denn rechts von mir warfen sich gerade ein paar Jungs – teilweise ohne Shirts! – lachend einen Football zu.
Jeese! Was musste ich tun, um dieser Football zu sein? Ich würde alles tun, um … Kreischend trat ich auf die Bremse. Trotz der geringen Geschwindigkeit schnitt mir der Gurt in die Schulter. Die Reifen quietschten kurz, während der Typ erschrocken zurücksprang.
»Scheiße! Pass doch auf, wo du hinfährst!«, fuhr er mich an und schlug wütend auf die Motorhaube.
Schwer atmend zuckte ich zusammen und hob entschuldigend die Hände vom Lenkrad. »Sorry! Ich hab nicht aufgepasst.«
»Ganz offensichtlich nicht«, schimpfte er. »Hör auf zu gaffen und fahr mit deiner Barbie-Karre weiter!« Abrupt drehte er sich um und eilte in Richtung Kappa Sigma davon.
»Wa…? Hey! Kein Grund, so gemein zu werden«, rief ich aufgebracht.
Doch mein Beinahe-Autounfallopfer zeigte mir nur den Mittelfinger. Einen tätowierten Mittelfinger, um genau zu sein. Obwohl es höllisch heiß war, trug er eine schwarze Jeans und ein farblich angepasstes T-Shirt samt grinsendem Totenschädel. Plötzlich fiel mein Blick auf seine Piercings. Irgendwie wirkte der Typ ziemlich einschüchternd. Na toll, fast hätte ich ein Mitglied von Zeta Delta Untot getötet. Sofort bekam ich wieder ein schlechtes Gewissen. Schnell rief ich ihm ein »Trotzdem noch mal sorry« nach. Prompt bekam ich wieder den Mittelfinger zu sehen. Was für ein netter Typ. Hoffentlich sahen wir uns nie wieder. Mit finsterer Miene starrte ich ihm hinterher, während er in dem Verbindungshaus verschwand, aus dem die laute Musik zu kommen schien. Na, das war ja ein guter Start.
Ein lautes Hupen hinter mir ließ mich erschrocken im Sitz zusammenfahren. »Wird das heute noch was?«, brüllte mir ein Typ in einem schwarzen
Hummer zu. Ich winkte entschuldigend, legte den Gang ein und folgte den Schildern, die mich vom Verbindungsviertel ins Herz der Uni führten. Aber als ich zu den Parkplätzen abbog, musste ich feststellen, dass Abstellplätze für fahrbare Untersätze an der UCF offenbar Mangelware waren. Ich fuhr gefühlte zwanzig Minuten in dem kleinen Parkhaus herum, bevor ich außerhalb des Betonklotzes noch einen Platz fand. Okay, zugegeben: Es war nur eine sehr schmale Lücke, die zwei Autos zwischen sich freigelassen hatten, und als ich haarscharf an der Sachbeschädigung vorbeischrammte, waren zwei Sachen für mich ziemlich klar. Erstens würde ich die Türen nicht öffnen können, ohne dabei die anderen Autos zu demolieren – ich musste also aus dem Cabrio klettern und mein Zeug vorerst hier drinnen lassen. Zweitens würde ich diesen Platz nie wieder im Leben hergeben – aber das lag hauptsächlich daran, dass ich nicht wusste, wie ich aus der Lücke wieder herauskommen sollte.
Mit zittrigen Fingern stellte ich den Motor ab und ließ mich mit einem Seufzen, das tief aus meiner Brust kam, in den Sitz zurückfallen. Von der katastrophalen Parksituation einmal abgesehen, hatte ich es endlich geschafft. Ich war an der UCF. Ich war da! Alleine. Ohne meinen Vater. Ohne Harry oder einen der anderen Securitys. Mein Magen schlug vor Aufregung Purzelbäume, während mein Gehirn auf Hochtouren arbeitete. Was sollte ich als Erstes tun? Mir standen so viele Möglichkeiten offen. Da es erst Mittag war, hatte ich noch mehr als genug Zeit, den Campus zu erkunden, mich mit anderen Studenten anzufreunden, eventuell noch mal nachzuprüfen, zu welcher Verbindung die Shirtless-Jungs von vorhin gehörten und ob die nicht auch Mädchen aufnahmen, und mich bei der Wohnheimvermietung zu melden. Ob ich eine Mitbewohnerin bekam? Oder gar einen Mitbewohner? Bei dem Gedanken musste ich lächeln. Möglich wäre es auf jeden Fall, da nur die Waschräume getrennt, die Zimmer selbst aber gemischt waren. Zumindest hatte ich es so auf der Website gelesen. Meine Fantasie lief prompt Amok. Möglicherweise war mein Mitbewohner ein heißer Sportstudent, der mir ein paar Übungen am Reck beibringen wollte. Oder ein Schauspielstudent, der mit mir unbedingt die Kussszene für sein nächstes Stück üben musste …
Das Klingeln meines Handys war wie ein eiskalter Kübel Wasser, der meine Fantasie zur Ordnung rief. Mit einem Seufzen kramte ich in meiner Tasche nach dem Handy. Als ich jedoch sah, wer meine Tagträume unterbrochen hatte, zögerte ich. Daddy Doom. Meine Finger schwebten unentschlossen über dem Display. Ich hatte den Anruf zwar erwartet, jedoch mit ein paar Stunden mehr Puffer gerechnet, bevor auffiel, dass ich nicht – wie angekündigt – nur eine Shoppingtour nach Miami gemacht hatte. Na ja, shoppen war ich schon, allerdings bei Walmart und nicht bei Chanel. Und danach war ich einfach weitergefahren, anstatt erst in zwei Tagen anzureisen – mit einem Koloss von Bodyguard, der mir an den Hacken klebte. Nachdenklich schielte ich zu meiner Tasche. Ich könnte den Anruf einfach ignorieren, mir stattdessen das Nötigste schnappen und dann ganz zufällig das Handy im Wagen liegen lassen … aber wem wollte ich etwas vormachen? Wenn ich nicht zumindest ein kurzes Statement abgab, dass es mir gut ging und ich nicht entführt wurde, gäbe es innerhalb der nächsten halben Stunde einen internationalen Fahndungsbescheid. Kurz und schmerzlos. Mit einem Seufzen drückte ich auf den grünen Hörer und hielt mir das Handy ans Ohr.
»Hey, Daddy …«
»Ivy! Wo zum Teufel bist du?« Die Stimme meines Vaters war so laut, dass ich erschrocken das Handy weghielt. Schnell drückte ich leiser und begann, meine Tasche zu packen.
»Ah, habe ich vergessen, das zu erwähnen?« Natürlich hatte ich das. »Ich bin ein wenig früher losgefahren und gerade an der UCF angekommen.«
»Du bist was?« Ich konnte förmlich sehen, wie die Ader auf seiner Stirn deutlich hervortrat und sein Kopf vor Zorn rot anlief, während er in seinem schwarzen Nadelstreifenanzug im Büro auf und ab lief und ins Telefon brüllte.
Carl Redmond war ein toller Vater. Aber er regte sich ziemlich oft auf. Besonders in letzter Zeit. Was wohl vor allem meine Schuld war. Ich versuchte, kein schlechtes Gewissen zu bekommen.
Ich räusperte mich verlegen, während ich die Umzugskisten auf dem Beifahrersitz zur Seite schob, um die Unterlagen für die Wohnheimanmeldung aus dem Handschuhfach zu holen. »Ich bin an der UCF, Daddy«, wiederholte ich ruhig.
»Bist du von allen guten Geistern verlassen? Weißt du, was du uns allen für eine Angst eingejagt hast, als du einfach nicht nach Hause gekommen bist? Deine Mutter wollte schon die Polizei rufen.«
»Ach Daddy, es ist ein Uhr mittags, nicht drei Uhr morgens.«
»Dir hätte sonst was passieren können«, schimpfte mein Dad. Er brüllte zwar nicht mehr, aber ich konnte immer noch hören, wie er wütend in seinem Büro herumstapfte. »Ich dachte, du bist inzwischen verantwortungsbewusst genug, um auf diese Alleingänge zu verzichten. Du weißt ganz genau, wie gefährlich es sein kann, wenn du ohne Geleitschutz unterwegs bist. Was hast du dir dabei gedacht, einfach so zu fahren? All deine Sachen sind doch noch hier!«
Ja, all meine Chanel-Kostüme, knielangen Röcke und unbequemen High Heels. Sprich alles, was mir meine Mutter zusammengepackt hatte. Mein altes Leben und das, was damit zusammenhing, lag immer noch zu Hause auf meinem Bett. Mein neues Leben hatte ich mir für knapp zweihundert Dollar im Walmart gekauft. Aber das würde Dad nicht verstehen, deswegen schwieg ich lieber.
»Es ist nichts vorbereitet!«, brüllte mein Vater plötzlich wieder. »Du bist ganz allein dort. Es war geplant, dass ich noch mit deinen Dozenten spreche, bevor die Kurse anfangen …«
»Daddy!«, unterbrach ich ihn scharf. »Ich habe dir klar und deutlich gesagt, dass ich allein an die UCF fahren möchte. Ich will auch nicht, dass du mit meinen Dozenten redest. Wir haben das oft genug durchgekaut. Deine Bedingung für die öffentliche Uni war, dass mich einer deiner Men in Black begleitet, schön und gut. Aber ich lasse es nicht zu, dass du hier einfährst wie der Präsident persönlich. Das wäre mein sozialer Selbstmord!«
»Es geht hier nicht um sozialen Selbstmord, sondern um deine Sicherheit, Ivy!«
Ich schnaubte. »Bisher hat noch niemand versucht, mich umzubringen oder zu entführen, aber wenn du noch ein bisschen lauter brüllst, kommen bestimmt noch ein paar potenzielle Meuchelmörder angerannt.«
»Werd nicht frech, junge Dame. Du steckst bis zum Hals in Schwierigkeiten.«
Eigentlich steckte ich knöcheltief in Gatorade, aber das würde ich ihm jetzt nicht auf die Nase binden. Da folgte ich ganz dem Motto meines letzten Glückskekses: Die Klugen wissen zu schweigen. Ich presste die Lippen fest aufeinander und atmete ein paarmal tief durch. Da ich meinem Vater sehr ähnlich war, tat er wahrscheinlich das Gleiche.
»Es geht mir gut, Daddy. Ich habe schon alles organisiert und werde mich jetzt im Wohnheim anmelden. Wenn dein Security hier eintrifft, soll er bei mir klingeln.«
»Ivy, du wirst nicht …«
»Hab dich lieb!«
»Ivy! Du bleibst, wo du bist. Ich werde deinen Bodyguard anrufen. Er soll dich sofort …«
»Bye!«, unterbrach ich ihn mitten im Satz. Ohne auf seine Reaktion zu warten, legte ich auf. Himmel! Mein Herz schlug so schnell, als wäre ich gerade einen Marathon gelaufen. Meine Hände verkrampften sich um die ledernen Riemen meiner Handtasche. Gleichzeitig fühlte ich mich aber irgendwie auch verdammt gut. Triumphal. Als hätte ich gerade eine kleine Schlacht gewonnen. Oh, das würde noch mächtig Ärger geben. Keinen Zweifel. Aber nicht jetzt. Dad wusste, wo ich mich befand. Er war zwar nicht glücklich darüber, aber zumindest gab es keinen Grund mehr, die US Army zu meiner Rettung zu schicken. Trotzdem zweifelte ich nicht daran, dass ich in den nächsten Stunden meinen Begleitservice auf der Matte stehen haben würde. Also musste ich die kurze Zeitspanne ohne Babysitter noch nutzen. So schnell ich konnte, packte ich die restlichen Unterlagen in meine Tasche und ließ die Fensterscheibe wieder hochfahren. Keine Ahnung wie, aber irgendwie schaffte ich es doch, aus dem Auto zu steigen, ohne das Auto neben mir zu beschädigen. Nachdem ich den Mini abgeschlossen hatte, ging ich einfach der Nase nach. Das Handy ließ ich dabei wohlweislich im Auto.
Ryan
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Mein verdammtes Handy hatte keinen Akku mehr. Zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt aller Zeiten. Ich wollte gerade das letzte grüne Schwein abschießen, sah den roten Vogel in der absolut perfekten Bahn darauf zusteuern, als das Display einfach schwarz wurde.
»Fuck!« Ich warf das Ding vor mir in den Rasen und verschränkte seufzend die Arme hinter dem Kopf, während ich in den blauen Himmel starrte. Keine Ahnung warum, aber irgendwie wirkte der Tag heute lauter und greller als sonst. Sogar die Musik, die aus dem Verbindungshaus hinter mir drang und meine Trommelfelle zum Vibrieren brachte, war irgendwie viel zu laut. Es konnte erst ein oder zwei Uhr mittags sein, aber bereits jetzt waren alle komplett dicht. Eigentlich könnte der Tag für mich nicht besser laufen. Ich war vorhin zufällig einem ehemaligen Highschool-Kollegen über den Weg gelaufen. Ihn als Freund zu bezeichnen, würde zu weit gehen, da wir in vier Jahren Highschool höchstens ein paar Runden Football gespielt und uns im Gang zugenickt hatten. Aber offensichtlich hatte das an Sozialkontakt ausgereicht. Shane hatte mich sofort wiedererkannt und auf eine dieser Verbindungspartys eingeladen. Alfa Zeta … was auch immer. Anscheinend war die Aufnahmebedingung, dass man Steroide zum Frühstück isst und mit den Hanteln ins Bett geht. Zumindest sahen die Mitglieder so aus, als könnten sie die Mädchen von gegenüber, Delta Dulfta, was auch immer, mit einer Hand hochheben. Ich hatte für heute Abend sogar schon ein Date in Aussicht. Und eigentlich hatte ich mich bisher auch super amüsiert.
Doch dann hätte mich dieses eine Mädchen mit ihrem Auto fast über den Haufen gefahren. Keine Ahnung warum, aber seitdem war meine Stimmung im Keller. Schon eine ganze Weile saß ich abseits der grölenden Partymeute und versuchte, mich mit Angry Birds abzulenken. Aber dann hatte mein Handy den Geist aufgegeben. Jetzt starrte ich missmutig in den Himmel und versuchte, die vorbeikriechenden Wolken mit imaginären Vögeln abzuschießen. Ich war dabei zu verlieren. Verdammt.