Kiss Me Once
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Schweigend machten wir uns auf den Weg. Ich versuchte krampfhaft, die Tränen zu unterdrücken, während das Stechen in meiner Brust zu einem Schraubstock wurde, der mir das Atmen erschwerte.
»Ivy …«, sagte Ryan plötzlich und blieb stehen. Im gleichen Augenblick hörten wir hinter uns jemanden meinen Namen rufen.
»Ivy! Warte!«
Als ich mich verblüfft umdrehte, entdeckte ich Alex, der winkend auf uns zugelaufen kam. Ein breites Lächeln lag auf seinen Lippen und wie immer sah er aus, als käme er gerade aus der Zeitschrift Rich & Handsome, die meine Mutter immer las.
»Hey Süße, bist du auf dem Weg zu Schauspiel?«, fragte er gut gelaunt, während er einen Arm um meine Schultern schlang und mich fest an sich drückte.
Ich grinste angestrengt fröhlich und nickte. »Jap. Begleitest du uns?«
»Klar. Ich will mir doch nicht Ryans unsagbares Schauspieltalent entgehen lassen«, sagte Alex grinsend.
Ich lachte. Ryan hingegen zog ein finsteres Gesicht. Also, noch finsterer als vorhin.
»Hast du ein Problem mit meiner künstlerischen Darstellung eines Zombies, van Klemmt?«, fragte er genervt.
Alex verzog unschuldig das Gesicht. »Ganz und gar nicht. Ich bewundere es, wie man so lange grimmig auf einen einzigen Fleck starren kann.«
»Gut«, sagte Ryan und stapfte davon. Wären wir in einem Cartoon gewesen, wäre ihm in diesem Augenblick wahrscheinlich der Kopf rot angeschwollen und wütende Wölkchen aus seinen Ohren geschossen. Er war einfach unmöglich, sobald Alex ins Spiel kam.
Ich verdrehte die Augen.
»Ist Ryan heute mit dem falschen Fuß aufgestanden?«, fragte Alex amüsiert.
Seufzend zuckte ich mit den Schultern. Warum konnte ich nicht für einen Typen wie Alex schwärmen? Der war hübsch, charmant, kam aus ähnlichen Verhältnissen wie ich und wir verstanden uns hervorragend. Wenn er seinen Arm um mich legte, war es, als würde mich mein nicht existenter Bruder umarmen. Bei Ryan hingegen war es nicht unbedingt die Fahne der Fraternisierung, die ich schwingen wollte. Aber vielleicht war seine Abfuhr gerade eben genau der imaginäre Kübel kalten Wassers, den ich brauchte, damit meine liebesblinde Gefühlswelt endlich den Tatsachen ins Auge blicken konnte: Ryan und ich würden nie zusammenkommen. Im Grunde tat Ryan mir also mit seiner schonungslosen Ehrlichkeit nur einen Gefallen. Auch wenn er mein Herz dadurch in Einzelteile zerlegte. Ich sollte seinen Wunsch respektieren und es uns nicht noch schwerer machen, als wir es ohnehin schon miteinander hatten.
»Alex?«, hörte ich mich selbst fragen.
»Mhm?«
»Steht die Party morgen noch?«
Alex strahlte mich an. »Na klar, willst du endlich feiern? Auch wenn wir am nächsten Tag Grusel-Garcia haben?«
»Klar, mit viel Kaffee schaffe ich alles.«
Ganz genau. Ich würde einfach weitermachen und mir jemanden suchen, der nicht Ryan war – und der nicht mal ansatzweise so aussah wie er. Das hieß, keine grünen Augen, keine dunklen Haare, keine Grübchen, keine Piercings, keine Tattoos. Keine Persönlichkeit, bei der ich mich wohlfühlte und die mich zum Lachen brachte. Na toll.
Ryan
»Ich halte das für keine gute Idee.«
Ivy schnaubte und warf mir einen genervten Blick zu, während sie an ihrem Outfit herumzupfte und sich kritisch im Spiegel betrachtete. »Du hältst in letzter Zeit gar nichts für eine gute Idee, Ryan.«
»Warum willst du unbedingt zu dieser Party gehen?«, fragte ich und starrte weiterhin konzentriert an die Decke. »Du hast morgen Uni, schon vergessen?«
Die engen Leggings mit der schulterfreien Bluse standen ihr hervorragend. Dieses Outfit betonte ihre Figur auf eine Art und Weise, die mich unruhig werden ließ. Wie sollte ich auf sie aufpassen, wenn sie … so aussah! Wahrscheinlich musste ich auf der Party noch meine Dienstwaffe zücken, um ihr aufdringliche Studenten vom Leib zu halten.
Ivy seufzte unzufrieden – ob wegen mir oder wegen ihres Outfits wusste ich nicht – und musterte mich abschätzig. »Ja, muss ich. Ich will auch gar nicht durchfeiern, aber ich kann nicht ewig in diesem Zimmer sitzen und darauf warten, dass etwas Spannendes passiert. Und dir zuzusehen, wie du Dutzende Gummibärchen auf einmal in den Mund steckst, zählt nicht.«
»Oh, jetzt tu nicht so, als ob dich das nicht beeindruckt hätte«, sagte ich und rollte mich von ihrem Bett.
Schmunzelnd griff sie nach einer Handtasche, die so klein war, dass ich mich unwillkürlich fragte, was sie bei dieser Miniaturgröße reinstecken wollte außer ihr Handy und … Fuck! Prompt verschluckte ich mich an meiner eigenen Spucke und begann heftig zu husten.
»Ist das ein K…Kondom?«, presste ich hervor.
Ivys Wangen liefen knallrot an, während sie blitzschnell die Tasche schloss. »Nein, Kaugummi«, log sie und rannte im nächsten Augenblick zur Tür hinaus.
Ich schnappte mir schnell meine Lederjacke und lief ihr hinterher. »Oh nein, stehen geblieben!«, rief ich und hielt sie am Oberarm fest.
Sie versuchte, sich aus meinem Griff zu befreien, doch nach einer Weile gab sie schnaubend auf. Mit blitzenden Augen sah sie zu mir hoch. Obwohl sie sich zurechtgemacht hatte, trug sie nur sehr wenig Make-up.
»Was ist?«, fragte sie, obwohl sie ganz genau wusste, was los war.
»Was hast du heute Abend vor?«, fragte ich und ließ sie los. Wenn auch zögerlich. Ich wollte nicht, dass sie zu dieser Party ging. Da draußen war alles … böse! Natürlich reagierte ich gerade vollkommen über, aber …
»Ich habe gar nichts vor«, sagte sie gedehnt. »Aber es ist eine Party, Ryan, und ich nehme lieber Dinge mit, um auf Nummer sicher zu gehen.«
»Um auf Nummer sicher zu gehen?«, fragte ich fast hysterisch. »Du musst auf gar nichts gehen! Höchstens auf Abstand.«
Sie verdrehte die Augen und lief die Treppe hinab. Na toll!
Knurrend beeilte ich mich, sie einzuholen. Dafür, dass Ivy normalerweise jammerte, sobald die Geschwindigkeit über einen halben Stundenkilometer ging, war sie plötzlich erstaunlich schnell.
»Ivy …«, versuchte ich, erneut auf sie einzureden.
Plötzlich drehte sie sich so ruckartig zu mir um, dass ihre Haare flogen. »Hör auf, Ryan!«, fauchte sie. »Ich werde auf diese Party gehen und ich brauche dazu nicht deine Genehmigung.«
Ich erwiderte kühl ihren wütenden Blick. »Stimmt«, gab ich zu, »die brauchst du nicht.« Mit Gewalt riss ich mich zusammen und baute eine Mauer aus kühler professioneller Distanz zwischen uns auf. Ohne die würde ich den Abend wahrscheinlich nicht überleben. »Ich halte mich im Hintergrund. Sag Bescheid, wenn du mit jemandem im Badezimmer knutschen willst.«
Ivys Hände ballten sich zu Fäusten. Für einen Moment sah es aus, als wollte sie noch etwas sagen, doch dann pustete sie sich nur eine Haarsträhne aus ihrem Gesicht und ging weiter.
Die Party war kaum zu verfehlen. Obwohl es noch nicht so spät war, tummelten sich bereits unzählige Leute vor dem blau gestrichenen Haus, und der Geruch nach Bier und Hochprozentigem lag in der Luft.
Während Ivy direkt auf das Getümmel zusteuerte, sah ich mich aufmerksam um. Doch mir fiel nichts Verdächtiges auf. Höchstens ein paar angetrunkene Typen, die Beer Pong spielten. Ein paar andere saßen auf Klappstühlen und ließen ihre Füße in ein kleines Planschbecken baumeln, in dem sie sich zusätzlich noch Bierdosen kalt gestellt hatten. Alles normal so weit. Ich versuchte, mich zu entspannen, doch es wollte mir einfach nicht gelingen.
Ivy schlüpfte ins Haus und schon am Eingang drängten sich so viele Studenten, dass ich Mühe hatte, sie nicht sofort aus den Augen zu verlieren. Zum Glück blitzte ihr heller Haarschopf in dem gedimmten Licht auf, während sie winkend auf Jeff und Alex zusteuerte. Die beiden standen mitten im Flur und unterhielten sich mit einem Mädchen, das schräg gegenüber von Ivy wohnte. Wie war ihr Name noch mal? Soya? Sie wirkte eigentlich ganz okay – bis auf die Tatsache, dass sie immer mit Courtney unterwegs war. Und der ging ich so gut wie möglich aus dem Weg. Ivy schien sich aus ähnlichen Gründen
von Soya fernzuhalten, denn ihr Winken wurde zaghafter.
Prompt spannten sich meine Muskeln an. Am liebsten wäre ich Ivy hinterhergelaufen und hätte … Keine Ahnung, was ich gemacht hätte. Doch ich musste mich auf meine Aufgabe konzentrieren. Auf meinen Job. Also zog ich mich zurück, lehnte mich in eine dunkle Ecke und beobachtete, wie Ivy sich mit den beiden Jungs unterhielt. Die Musik dröhnte so laut, dass ich nichts verstehen konnte, doch offensichtlich hatte Alex sie zu einem Drink eingeladen, denn er nahm ihre Hand und verschwand mit ihr in Richtung Küche, in der sich bereits die roten Plastikbecher stapelten. Ich wollte gerade hinterher, als sich spitze Fingernägel in meinen Oberarm gruben und mich zurückhielten. Ein penetrant künstlicher Duft drang mir in die Nase.
»Hey Ray, wie schön, dass du es hergeschafft hast. Ich dachte schon, du kommst nicht«, rief mir eine Stimme ins Ohr, die mir seltsam bekannt vorkam. Ich warf einen Blick auf das Mädchen und unterdrückte ein Stöhnen. Die hatte mir gerade noch gefehlt.
»Hey Courtney, alles klar?«, murmelte ich, ohne sie wirklich anzusehen, und hielt nach Ivy Ausschau. Sie redete gerade mit einem dunkelhaarigen Studenten, den ich nicht kannte, lachte und trank aus einem Becher. Ich hoffte, darin war nur Cola. Oder allerhöchstens Bier. Ich wollte wirklich keine Spaßbremse sein, aber ich hatte keine Ahnung, wie Ivy auf Alkohol reagierte. Ich erinnerte mich noch genau an mein erstes Sixpack Bier … oder nein, eigentlich erinnerte ich mich nicht mehr daran.
»… also, wenn du Lust hast, kann ich dir was geben«, sagte Courtney und ich blinzelte sie verwirrt an. Hatte sie gerade mit mir gesprochen?
»Nein danke«, sagte ich nur. Sie lächelte enttäuscht, schien sich davon aber nicht vertreiben zu lassen. Eher im Gegenteil, sie kam sogar noch näher, drückte sich an mich und neigte den Kopf, sodass ihre blonde Haarmähne über ihre Schulter floss. Dabei sah sie tatsächlich hübsch aus. Prompt meldete sich mein schlechtes Gewissen, weil ich sie gerade so abweisend behandelte. Schnell schob ich ein »Du siehst gut aus« hinterher.
Courtney strahlte. Allerdings leuchteten ihre Augen nicht so schön, wie die einer anderen Person – die gerade sehr tief in ihren Becher sah und ein paar große Schlucke nahm. Scheiße, wenn sie so weitermachte, war sie spätestens in einer Stunde betrunken.
»Hier sind … oh … ich hab meine Handtasche liegen lassen. Bleib hier stehen. Ich hol sie nur schnell. Bin gleich wieder da«, sagte Courtney.
Ich nickte nur und sie verschwand auf ihren viel zu hohen Schuhen, während ich mich auf den Weg zu Ivy machte. Gerade als ich ihr den Becher wegnehmen wollte, fiel mir Jeff um den Hals und strahlte mich an. »Ryan, du bis ja auch da! Hab dich gar nich gesehn!«
Überrumpelt hielt ich ihn fest, weil er sonst wahrscheinlich in den nächsten Blumentopf gefallen wäre. Ich hörte Alex lachen.
»Hey Kumpel, alles klar?«, fragte ich und sah auf einen betrunkenen Jeff hinunter.
»Ja. Ich mein, also klar, unn … woooahh, siehsu gut aus inner Lederjacke«, lallte er und pikste in meinen Bizeps. »Schau ma, Alex, Ryan siehso gut aus, oder? Wie mach er das nur? Kann man das lernen? Geil aus…aussehen für Dummies oder so?«
Ivy prustete und ich hielt Jeff schnell davon ab, noch andere Muskeln an mir abzutasten. »Kann es sein, dass du schon zu viel getrunken hast?«, fragte ich amüsiert.
Jeff überlegte und schüttelte schließlich den Kopf. »Erst zwei Bier!« Er hielt vier Finger hoch.
»Das ging aber schnell«, stellte ich fest. Sie konnten höchstens eine halbe Stunde früher als wir hier gewesen sein.
Alex zuckte mit den Schultern und grinste Jeff an. »Eigentlich verträgt er mehr, aber er hat beim letzten Pokerspiel gegen mich verloren und er musste seinen Frust natürlich schon vor der Party ertränken.«
Er lachte in sich hinein, während ich die Augenbrauen hochzog. Die beiden spielten Poker?
»Stimmt, hat Ivy nich nochn Wunsch frei? Mussdu nich noch nackt über den Campus laufen?«, warf Jeff ein und lachte, als Alex ihm einen vernichtenden Blick zuwarf.
»Das wünschst allerhöchstens du dir.«
»Was? Is doch gar nicht wahr«, stieß Jeff hervor und lief knallrot an.
»Moment, Ivy hat Poker gespielt? Wann?«, fragte ich völlig verwirrt, während Jeff und Alex einen wissenden Blick tauschten.
»Das soll sie dir selbs ersählen …«, sagte Jeff.
Ließen die beiden das gerade absichtlich so geheimnisvoll klingen? Ich knirschte mit den Zähnen, während Jeff plötzlich mit einem wehmütigen Blick zur Tanzfläche schaute.
»Ich würd gern tanzen«, sagte er und sah dabei … Alex an?
Alex zögerte. »Dann such dir ein Mädchen.«
»Lieber nich …« Jeff ließ die Schultern hängen. »Sagen doch eh alle Nein.«
»Du hast es doch noch gar nicht versucht«, meinte Alex frustriert. »Geh hin, lächle sie an und frag sie.«
Jeff schnaubte. »Ich bin nich wie du, Alex. Das funksioniert bei hässlichen und langweiligen Kerlen wie mir nich.«
»Hässlich? Langweilig? Wer sagt das denn?«, fuhr Alex ihn an. »Du bist der witzigste, netteste Typ, den ich kenne. Und wenn die Mädels das nicht erkennen, haben sie dich gar nicht erst verdient, Mann.«
Jeff kniff die Lippen zusammen. Ich selbst zog die Augenbrauen hoch. Was ging denn da ab?
»Blödsinn. Ich hör doch, was die Mädels sagen. Die wolln alle dich, weil du reich, hübsch und heiß bis und so gut riechst und … und …« Ruckartig verstummte Jeff und wurde noch röter im Gesicht. »Vergiss es«, schob er schnell hinterher.
»Ivy kann doch mit dir tanzen«, schlug ich plötzlich vor und hätte mir am liebsten gleich selbst einen Arschtritt verpasst. Warum sagte ich so etwas? Aber ich wusste genau, warum. Jeff sah zwar aus wie ein hoffnungsvolles Hündchen, aber mir war es lieber, er tanzte mit Ivy – und nicht mit Alex. Fuck! Ich war so ein Arsch.
Jeff sah mich skeptisch an. »Nee … Ivy issu hübsch. Die tanst nich mit mir.«
»Hey, wer sagt das?«, fragte Ivy empört. »Natürlich tanz ich mit dir! Du musst nur fragen.«
»Wa…?« Jeff blieb wenig attraktiv der Mund offen stehen. »Ehrlich?«
»Klar!« Ivy drückte mir lächelnd ihren leeren Becher in die Hand und schnappte sich Jeffs Hand. »Komm!«
Wild entschlossen zerrte sie ihn in die Mitte des Wohnzimmers, wo ein schneller Bass die Wände wackeln ließ. Während ich die beiden dabei beobachtete, wie sie fröhlich herumhopsten, schnüffelte ich unauffällig an dem Becher. Erleichtert stellte ich fest, dass er hauptsächlich nach 7 Up roch.
»Keine Sorge.« Alex verschränkte die Arme vor der Brust und sah mich ernst an. »Ich pass schon auf Ivy auf. Da war nur ein Schuss drin.«
»Mhm…«, brummte ich nur. Ein Danke brachte ich nicht über die Lippen. Was sollte ich auch sagen? Danke, dass du nicht meine Klientin abfüllst und sie im Badezimmer … Scheiße! Ich konnte den Satz nicht mal zu Ende denken. Also, nein, er bekam kein Danke. Aber immerhin brach ich ihm nicht die perfekte Nase. Wie er Ivy ansah … Dieser Blick und die angespannten Schultern. Das kannte ich … von mir selbst. Fuck!
»Sag mal, du und Jeff …«, fing ich an.
Alex sah mich scharf an. »Es gibt kein ich und Jeff«, sagte er leise, aber so schneidig, dass ich fast schon Angst vor dem Sunnyboy bekam. »Sonst fange ich mit dir und Ivy an!«
Ich verspannte mich. »Zwischen mir und Ivy läuft nichts«, stellte ich klar.
»Dann hätten wir das ja geklärt«, brummte Alex und vermied es dabei, mich anzusehen.
»Klar. Kein Stress«, murmelte ich und hob kapitulierend die Hände.
Schnell warf ich einen Blick zu Ivy. Sie tanzte immer noch mit Jeff, der inzwischen ziemlich grün um die Nase herum aussah. Ivy hob ihren Kopf und unsere Blicke trafen sich. Für einen kurzen Augenblick sah ich nur sie. Ihr Gesicht. Ihr Lächeln. Ihre Augen. Sie sah glücklich aus. So … frei. Sie hatte noch nie schöner ausgesehen.
»Tanz mit ihr«, raunte Alex und gab mir tatsächlich einen Schubs in den Rüc
ken.
Ich sträubte mich und schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht.«
»Kannst du nicht oder willst du nicht?«
Ich biss die Zähne zusammen. »Das Gleiche könnte ich dich fragen. Oder warum muss Ivy mit Jeff tanzen?«
Das saß.
Alex presste die Lippen zusammen. Er sah aus, als könnte er dringend einen Drink gebrauchen. Ich selbst auch. Aber ich würde nichts trinken, solange ich auf Ivy aufpassen musste.
»Kann ich dir mal eine Frage stellen, Klemmt?«, fragte ich zögernd.
Alex zog eine Augenbraue hoch, was ich einfach mal als ein Ja interpretierte.
»Ich versteh dich nicht …« Ich räusperte mich. Gab mir einen Ruck, um endlich die Frage zu stellen, die mir schon seit einiger Zeit keine Ruhe mehr lassen wollte. »Bist du hetero oder schwul?«
Alex’ Mundwinkel kräuselten sich amüsiert, während ein verspielter Ausdruck in seine Augen trat. »Fragst du das, weil du Angst hast, dass ich dich anbaggern könnte? Oder Ivy?«
Ich schnaubte. »Beides.«
»Ich bin nicht wählerisch, falls das deine Frage beantwortet. Aber keine Sorge …« Er grinste mich an. »Dich würde ich nicht mal mit der Kneifzange anfassen.«
»Gut«, brummte ich. Dann gab es zumindest eine Sache, in der wir uns einig waren. Nur leider war Klemmt damit für Ivy nicht vom Tisch. Fuck!
Ich warf Alex noch einen finsteren Blick zu, dann richtete ich meine Aufmerksamkeit wieder auf Ivy, die gerade Jeff dabei zusah, wie er einen Roboter nachahmte. Ivy lachte. Dabei warf sie den Kopf in den Nacken, sodass ich die schlanke Linie ihres Halses bewundern konnte. Die Sehnsucht, zu ihr zu gehen und tatsächlich mit ihr zu tanzen, sie einfach nur kurz in den Armen zu halten, wurde so groß, dass ich mich regelrecht dazu zwingen musste, nicht sofort zu ihr zu laufen. Meine Muskeln spannten sich an, strebten nach vorn. Zu ihr. Und gerade als ich tatsächlich den ersten Schritt machte, versperrte mir Courtney den Weg.