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Kiss Me Once

Page 29

by Stella Tack


  Eigentlich sollte ich in so einem Fall meinen Dad anrufen. Ich war nicht instruiert, Alleingänge zu machen. Einfach loszustürmen und nachzusehen, was Freeman vorhatte, war nicht Teil meines Jobs, und wenn etwas Auffälliges passierte, sollte ich alles an meinen Dad oder einen seiner Kollegen weitergeben. Mein Finger schwebte schon über der grünen Taste, trotzdem zögerte ich. Immerhin ging es hier um Ivy. Wenn ihr Vater davon Wind bekam, dass jemand an der Uni daran interessiert war, Ivy in einen Skandal zu verwickeln, würde es nicht lange dauern, bis er seine Tochter zwang, das Studium abzubrechen. Damit würde Ivys schlimmster Albtraum in Erfüllung gehen und das alles wäre meine Schuld. Andererseits wäre ich sofort meinen Job los, wenn herauskam, dass ich vorsätzlich Informationen verschwiegen hatte.

  Fuck! Seufzend steckte ich das Handy in die Tasche, schloss die Augen und lehnte den Kopf gegen die Wand. Was sollte ich nur tun?

  »Ryan?« Träge sah ich auf und blickte in Jeffs blasses Gesicht.

  »Jeff, was machst du hier?«, fragte ich ein wenig erschrocken.

  »Äh, studieren?«

  »Wirklich?« Ich zog skeptisch eine Augenbraue hoch. »Siehst dezent scheiße aus.«

  »Danke«, krächzte er und grinste, »genau wie du.«

  »Wo du recht hast …«, brummte ich und verschränkte die Arme vor der Brust. »Was machst du hier mitten im Flur?«

  Jeff schnaubte müde. »Das Gleiche wollte ich dich gerade fragen.«

  »Ich spiele mit Ivy Verstecken. Sie ist da drin und sucht mich noch.« Ich deutete auf die Tür zum Vorlesungssaal.

  Jeff sah mich amüsiert an. »Hat Garcia dich rausgeworfen?«

  »Scheiße, ja.«

  Jeff lachte. »Hast du etwa zu laut geredet?«

  »Nein. Eine Deadline verpasst.«

  »Autsch. Fataler Fehler.« Jeff verzog das Gesicht und gähnte.

  »Du solltest ins Bett gehen, Mann«, sagte ich und lief zum Ausgang.

  »Kann leider nicht, hab heute Schicht im 7-Eleven. Bin nur hier, weil ich ein Buch aus der Bibliothek holen musste«, sagte Jeff, der mir … folgte? Scheiße. Hoffentlich hatte ich den jetzt nicht an der Backe kleben.

  Seufzend stieß ich die Tür auf. Ivy würde noch eine ganze Weile in der Vorlesung stecken. Ich konnte also die Zeit produktiv nutzen und Freemans Wohnung unter die Lupe nehmen. Falls ich Jeff loswurde.

  Doch Jeff machte keinerlei Anstalten, abzubiegen. Er ließ sich auch nicht von meinem finsteren Blick einschüchtern.

  »Sag mal, Ryan …« Jeff sah mich nachdenklich an. »Ich weiß, dass du Alex und mich nicht besonders gut leiden kannst, aber hast du nicht Lust … keine Ahnung, mal etwas mit mir zu machen?«

  »Ich … baggerst du mich gerade an?«, fragte ich überrumpelt und blieb stehen.

  »Was? Nein!«, rief Jeff. »Nein, natürlich nicht, aber ich dachte, du könntest vielleicht einen Freund gebrauchen. Ivy ist toll, sie ist meine Freundin, also bist du automatisch auch mein Freund. Aber irgendwie bleibst du immer auf Abstand. Also dachte ich mir, es kann nicht schaden, einen Schritt auf dich zuzugehen.« Unsicher sah er mich an.

  »Ich brauche keine Bromance, Jeff«, sagte ich ruppiger, als er es eigentlich verdient hatte. »Außerdem habe ich gerade was Dringendes zu erledigen und keine Zeit für … na ja … das hier.« Ich deutete zwischen uns.

  »Gibt es ein Problem? Wegen deinem Job? Soll ich helfen?«

  »Nein danke, das schaffe ich allei… Meinem Job?«, hakte ich alarmiert nach. Fuck! Wusste er was? Hatte Ivy geplaudert?

  Jeff war meine Gesichtsentgleisung nicht entgangen, denn er schluckte und zuckte mit den Schultern. »Keine Panik, ich sags niemandem«, versuchte er, mich zu beruhigen. »Ich finde es gut, dass du auf Ivy aufpasst. Aber deswegen musst du dich doch nicht völlig von jedem und allem isolieren. Jeder braucht Freunde, Ryan.«

  Entnervt knirschte ich mit den Zähnen und trat auf ihn zu. Eines musste man dem Kerl lassen: Er hatte mehr Mumm, als man ihm zutraute. Er zuckte nicht mal zusammen.

  »Woher weißt du von meinem … Job?«, fragte ich ihn hart.

  Jeff schnaubte und zog eine Augenbraue hoch. »Ist nicht so schwer zu erraten, wenn man mal weiß, wer Ivy ist. Ich bin nicht blöd – und ich kann eins und eins zusammenzählen. Keine Sorge, ich verrate es niemandem.«

  »Das will ich dir auch geraten haben, außer du willst, dass Ivy auffliegt. Und glaub mir, dann fliegst du mit … vom College.« Ich war mir nicht ganz sicher, ob meine Drohung auch wirklich der Wahrheit entsprach, aber wichtig war im Augenblick nur, dass Jeff die Klappe hielt.

  »Ich sage nichts, versprochen.«

  »Gut«, brummte ich, drehte mich abrupt um und ging weiter. Ich brauchte in etwa zehn Schritte bis ich bemerkte, dass Jeff mir immer noch folgte. »Fuck, Jeff! Hör auf, mir nachzulaufen!«

  »Tu ich doch gar nicht«, sagte er schnell und hob unschuldig die Hände. »Ich muss zur Arbeit, schon vergessen? Mein Auto steht da hinten.« Er deutete in Richtung Parkplätze. »Siehst du, ich biege hier ab. Bis später.«

  Kopfschüttelnd blickte ich ihm nach und holte mein Handy raus, um nach passenden Busverbindungen zu suchen, die mich möglichst nahe zu Freemans Wohnung brachten. Oder um im Notfall auch ein Taxi zu rufen. Zu Fuß wollte ich die Strecke dann doch nicht zurücklegen.

  Wenig später erreichte ich endlich die Bushaltestelle und überprüfte noch mal die Buszeiten. Stirnrunzelnd starrte ich auf das Display, als plötzlich ein silberner Golf vor mir stehen blieb. Jeff saß am Steuer, beugte sich über den Beifahrersitz und öffnete mir die Tür.

  »Steig ein. Ich fahre dich.«

  Offenbar gab Jeff nicht auf. Ungläubig starrte ich ihn an. »Wie oft soll ich dir noch sagen, dass du …«

  »Ja, ja … du bist ein Man in Black. Du hast die Erlaubnis, mich danach auch zu blitzdingsen. Jetzt steig ein. Mit dem Bus brauchst du eine Ewigkeit.«

  »Du weißt doch gar nicht, wo ich hinwill.«

  Jeff schnalzte mit der Zunge. »Egal wohin, mit dem Bus brauchst du ewig. Jetzt komm.«

  Zögerlich schielte ich auf mein Handy. Der Bus würde in zwanzig Minuten kommen. Die Fahrt würde weitere fünfzehn Minuten dauern und je nachdem, wie lange ich bei Freeman brauchte, würde ich wahrscheinlich nicht wieder rechtzeitig da sein, wenn Ivys Vorlesung endete.

  Seufzend schwang ich mich auf den Beifahrersitz und warf Jeff einen schiefen Blick zu. »Du nervst, Mann …«

  »Dafür sind doch Freunde da«, sagte Jeff und lachte über meinen Gesichtsausdruck. »Wohin?«

  Als ich ihm die Adresse nannte, nickte er nur und fuhr los, ohne sie ins Navi einzugeben. Offensichtlich wusste er, wo wir hinmussten. Logisch, wenn man bedachte, dass er schon länger hier studierte und auch in der Nähe arbeitete.

  Jeff machte das Radio an und ein Song der Rolling Stones schallte lauthals durch das kleine Auto. Überrascht sah ich zu ihm hinüber. »Du hörst die Stones?«

  Er grinste mich an und trommelte mit den Fingern im Takt der Musik aufs Lenkrad. »Klar. Warum nicht?«

  »Alter, no offense – aber ich habe dich eine Wolke nachahmen sehen. Ich hätte nicht gedacht, dass du auf Rock stehst.«

  »Das eine hat doch mit dem anderen nichts zu tun«, sagte Jeff belustigt. »Schauspiel hilft mir, aus mir herauszukommen. Wie du sicher gemerkt hast, fällt mir das im Normalfall eher schwer. Die alten Rockklassiker hingegen erinnern mich an meinen Dad. Er hat sie früher oft mit mir gehört.«

  »Früher?«, fragte ich. Mir war der seltsame Ton in seiner Stimme nicht entgangen.

  Jeff nickte. »Er ist vor zwei Jahren gestorben, gerade als ich ans College kam.«

  »Oh, das tut mir leid«, sagte ich betroffen.

  Ich wollte mir gar nicht vorstellen, wie es wäre, wenn mein Dad plötzlich starb.

  »Schon gut.« Jeff rang sich ein Lächeln ab und setzte den Blinker. »Am härtesten hat es meine Mutter getroffen. Sie muss sich auch noch um meine zwei kleinen Brüder kümmern.«

  »Arbeitest du deshalb im
7-Eleven, obwohl du ein Stipendium hast?«, erkundigte ich mich.

  Jeff nickte. »Ja. Es ist nicht viel, aber so weiß ich wenigstens, dass sie genug Geld haben, um die Stromrechnung zu bezahlen. Da schieb ich gern ein paar Stunden in einem versifften Supermarkt.«

  »Ich versteh, was du meinst.« Ich konnte nicht anders, als Respekt vor Jeff zu empfinden. Vielleicht steckte doch mehr in der Bohnenstange, als ich angenommen hatte.

  »So, wir sind da«, sagte Jeff und hielt vor einem ziemlich abgefuckten Gebäudekomplex. Der Putz war braun und bröckelte, und auf dem kargen Rasen stand nur ein altes Klettergerüst, das aussah, als würde es jeden Moment zusammenbrechen.

  »Bist du sicher, dass das die richtige Adresse ist?«, fragte Jeff und runzelte die Stirn. »Sieht mehr nach Zombieapokalypse aus.«

  »Ja, ich bin mir sicher«, murmelte ich und öffnete die Autotür. »Danke, Jeff.«

  Ohne mich noch mal umzudrehen, lief ich zur Haustür, um mir die Klingelschilder anzusehen. Plötzlich hörte ich, wie eine Autotür zuschlug. Abrupt wandte ich mich um und sah Jeff auf mich zukommen. »Was machst du da, Jeff?«

  »Wonach sieht es denn aus? Ich begleite dich. Sonst wirst du hier noch ausgeraubt oder so.«

  »Ich bin ein Bodyguard. Ich kann sehr gut auf mich selbst aufpassen.« Schnaubend fuhr ich mir durch die Haare. »Geh! Du musst doch arbeiten, oder nicht?«

  Jeff wollte gerade antworten, als ich aus dem Augenwinkel einen Schemen hinter der milchgläsernen Eingangstür wahrnahm. Schnell bedeutete ich ihm, still zu sein.

  Eine Stimme drang dumpf nach draußen. »Nein, ich habe im Grunde alles, was ich brauche.«

  Das war eindeutig Freeman. Mein Herz schlug schneller. Ich packte Jeff am Kragen und stieß ihn hinter die Hausecke.

  »Hey, was …«

  »Psst!«, zischte ich und lugte um die Ecke. Im gleichen Augenblick öffnete sich die Tür und Freeman kam heraus.

  »Nein, ich habe wirklich alles, was ich brauche«, wiederholte er laut. Er hatte das Handy fest umklammert, während er sichtlich genervt den Rucksack abstellte und sich durch die Haare fuhr. »Nein. Das gestern war vielleicht nicht ideal, aber nachweisen kann man auch nichts. Die Kleine ist schon wieder aus dem Krankenhaus draußen und kann sich an nichts erinnern. … Ja. … Nein. Keine Ahnung, vielleicht sollten wir es doch mit den Fotos versuchen, die wir bereits haben. Sie ist klar drauf erkennbar und …«

  Meine Nackenhaare stellten sich auf. Langsam ging ich in die Hocke. Jeff sah mich verwundert an und blieb einfach stehen. Auch gut. Solange er mir nicht im Weg stand und die Klappe hielt, war alles okay.

  Freeman kratzte sich indessen ausgiebig im Nacken. »Nein, wir warten ein paar Tage, bis etwas Gras über die Sache gewachsen ist. Danach können wir es noch mal probieren. Sie ist im Schauspielkurs. Beim alten Gotzek sollten wir uns problemlos untermischen können. Einer mehr oder weniger, der einen Seestern nachahmt, wird schon nicht weiter auffallen.«

  Ich hörte Jeff empört nach Luft schnappen und machte ihm nochmals ein Zeichen, still zu sein. Er nickte schuldbewusst und hielt sogar demonstrativ die Luft an. Ich verdrehte die Augen. Schließlich sah ich wieder zu Freeman. Erst jetzt fiel mir auf, dass etwas aus seiner hinteren Hosentasche herausragte. Es sah aus wie ein Frischhaltebeutel. Wenn das mal nicht seltsam war.

  Angestrengt versuchte ich meinen Puls zu beruhigen, während ich Freeman nun noch genauer musterte. Er sah ziemlich fertig aus. Unter seinen Augen lagen tiefe Schatten und offenbar hatte er sich schon länger nicht mehr rasiert. Wahrscheinlich hatte er letzte Nacht nicht besonders viel geschlafen.

  Freeman schnaubte in sein Handy. »Soll das ein Witz sein? Natürlich wird sich die ganze Sache rentieren. Ivy Redmond ist erst der Anfang. Hast du die PDFs bekommen, die ich dir geschickt habe? … Ja, krass oder? Ich dachte auch erst, ich hätte mich bei der Summe verlesen. Welcher Investor pimpt eine Firma mit über fünf Milliarden auf? Noch dazu eine sterbende Firma … Ich habe vorhin die Anschrift des Investors überprüft und bin bei einer Briefkastenfirma in Thailand gelandet. Ich sage dir, das ist ein Fass ohne Boden. Und ein ziemlich großes, das nur noch mit Geld ausgestopft wird. Wir sollten …«

  Ich musste ein Geräusch gemacht haben, denn Freeman verstummte mitten im Satz und sah stirnrunzelnd in meine Richtung. Ich zuckte zurück, doch es war zu spät.

  »Fuck!«, stieß er erschrocken hervor und steckte schnell das Handy weg.

  Okay, jetzt oder nie. Bevor er davonlaufen konnte, stürmte ich aus meinem Versteck hervor, packte ihn am Kragen und drückte ihn gegen die Hauswand.

  »Scheiße!«, fauchte Freeman, während er gegen meinen Griff ankämpfte. Sein Gesicht verzog sich zu einer knurrenden Fratze. »Was willst du von mir?«, krächzte Freeman und schnappte angestrengt nach Luft. Die Venen an seinem Hals traten deutlich hervor und sein Kopf lief knallrot an.

  Jeff kam mit einem erschrockenen Keuchen aus seinem Versteck. »Ryan, was tust du da?«, fragte er entsetzt. Ich warf ihm einen scharfen Blick zu, der ihn sofort verstummen ließ.

  »Dieser Typ hat eine Lektion verdient«, sagte ich und drückte fester zu.

  Freeman würgte. Ich wusste genau, wie viel Druck ich ausüben musste, damit mein Griff zwar unangenehm war, jedoch keinen Schaden anrichtete. Freemans Röcheln war echt übertrieben.

  »Das ist Körperverletzung! Ich werde dich anzeigen«, krächzte er und kratzte an meinem Unterarm.

  Ich lachte nur und brachte meine Nase so nah an sein Gesicht, dass ich seinen Geruch nach alten Zigaretten und Schweiß einatmen musste.

  »Du willst mich verklagen?«, knurrte ich und verstärkte meinen Griff. Freeman hustete. »Tja, dann lass uns mal über das hier reden!« Mit der freien Hand holte ich die Frischhaltetüte aus seiner Hosentasche hervor und hielt sie ihm unter die Nase. Wie vermutet, waren Tabletten drin.

  Freemans Nasenflügel bebten. »Das geht dich nichts an. Hau ab oder ich verklage dich.«

  »So, wirst du das?«, fragte ich. »Dann sag mir mal, warum ein Mädchen namens Soya behauptet, du hättest Courtney diese Dinger für Ivy gegeben.«

  »Keine Ahnung, wovon du sprichst. Was willst du überhaupt von mir, Mann?«

  Offensichtlich war ihm nicht bewusst, in welchen Schwierigkeiten er gerade steckte. Ich hatte mich noch nie so zusammenreißen müssen, um jemandem nicht die Zähne einzuschlagen. Ich atmete tief durch. »Okay, noch mal von vorn, Freeman. Sind die Drogen von dir oder nicht?«

  Er stöhnte gequält. »Fick dich!«

  Ich schüttelte ihn. »Sind die von dir oder nicht?«

  Freeman verzog nur das Gesicht.

  »Muss ich dir erst die Nase einschlagen, bevor du mit der Sprache herausrückst?«, fragte ich. »Du hast bereits eine Verwarnung bekommen, Freeman. Überleg dir also gut, was du als Nächstes sagst.«

  »Du kannst mich mal«, stieß er hervor und versuchte vergeblich, sich aus meinem Griff zu befreien. »Du hast nichts gegen mich in der Hand. Ein Anruf bei der Polizei und du landest im Kittchen, wo du hingehörst.« Abfällig musterte er meine Tattoos.

  Ich grinste. »Ach ja? Und wie willst du der Polizei die Happy Pills erklären? Und falls dir das bis jetzt noch nicht klar war, ein Anruf von mir und du bist schneller exmatrikuliert, als du nach Hilfe schreien kannst.«

  Freeman wurde blass wie die Wand. »Ich lasse mir nicht drohen. Ich bin Journalist. Es ist mein Job, eine Story zu schreiben.«

  »So? Und da gehören Fake News auch dazu?«, fragte ich spöttisch.

  »Ich habe nichts getan. Du kannst also nichts beweisen.«

  Teufel, war der Kerl stur. Ich knurrte genervt und verstärkte meinen Griff. »Wo sind die Fotos?«

  »Welche Fotos?«

  »Die, die du von Ivy gemacht hast. Wo sind sie?«

  »Ich weiß nicht, wovon du redest.« Freeman stellte sich immer noch stur, doch seine Augen zuckten für eine Millisekunde zu seiner Tasche, die immer noch am Boden lag.

  Ich folgte seinem Blick und schnalzte mit der Zunge. »Jeff, spiel d
och bitte mal kurz meinen Sidekick und schau nach, ob in der Tasche eine Kamera ist.«

  Jeff zögerte und sah aus, als wollte er am liebsten weglaufen. Doch schließlich gab er sich einen Ruck, öffnete die Tasche und zog eine Spiegelreflexkamera raus.

  »Danke, Kumpel.« Während ich Freeman mit einer Hand weiter gegen die Wand presste, nahm ich Jeff die Kamera ab. »Na dann schauen wir mal, was für Material du gesammelt hast«, murmelte ich und begann, mich durch die letzten Bilder zu klicken.

  »Das ist illegal«, knurrte Freeman und zappelte.

  Ich schnaubte. »Selbst schuld, du hast damit angefangen.«

  »Ich habe gar nichts getan! Ich habe nur …«

  »… versucht, Ivy Drogen unterzuschieben und ein Skandalfoto zu veröffentlichen?«, beendete ich seinen Satz und hielt ihm die Kamera vor die Nase. Die Motive auf dem Display waren klar und deutlich zu erkennen. Ivy, die lachend aus einem roten Becher trank. Ich klickte weiter. Ivy, wie sie mit Jeff tanzte. Auf dem nächsten Bild: Ivy, wie sie etwas sehnsüchtig ansah. Mich? Ich klickte weiter. Ivy, wie sie Alex etwas ins Ohr flüsterte und lachte.

  »Du warst auf der Party gestern.«

  Freeman grunzte. »Und? Es ist nicht verboten, jemanden zu fotografieren.«

  »Wenn es dir am Campus untersagt worden ist, dann schon«, sagte ich wütend. »In diesem Fall ist es dir sogar explizit verboten worden. Und was machst du? Rennst sofort los und kaufst Drogen für das nächste Foto. Sag mal, bist du eigentlich noch ganz dicht?«

  Freeman funkelte mich unter wirren braunen Haarsträhnen an. »Scheiß drauf!«

  Ich erwiderte seinen Blick und schließlich war es Freeman, der als Erster wegsah. Zufrieden löschte ich die Fotos. Danach gab ich Jeff die Kamera und bat ihn, die Speicherkarte zu entfernen.

  Jeff starrte mich überrascht an. »Meinst du wirklich? Wir können doch nicht einfach …«

  »Da waren Fotos von Ivy drauf«, unterbrach ich ihn. »Ich hab sie zwar gelöscht, aber ich will nicht riskieren, dass er die Bilder irgendwie wiederherstellt.«

  Jeff zögerte, schien dann aber einzusehen, dass ich recht hatte, und entfernte die Speicherkarte und hielt sie mir hin. Dankbar steckte ich sie ein, bevor ich mich wieder an Freeman wandte. »Hast du die Fotos auch noch in einer Cloud gespeichert?«

 

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