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Don't HATE me (Die Don't Love Me-Reihe 2) (German Edition)

Page 26

by Kiefer, Lena


  »Mach das. Und wenn du reden willst, ruf wieder an, okay?«

  »Danke.«

  »Immer, Schwesterchen.«

  Sie legte auf, und ich blieb sitzen, starrte auf das schwarze Display. Dann beschloss ich, für mich Klarheit zu bekommen – dort, wo ich meistens hinging, wenn ich einen klaren Kopf brauchte: in der Natur.

  Ich ging also nicht wieder an die Arbeit, sondern zog Turnschuhe an und machte mich auf einen langen Spaziergang, erst am Strand entlang, dann durch das Hinterland des Hotels. Ich lief bestimmt zwei Stunden, wälzte Gedanken, versuchte meine Gefühle irgendwie zu greifen und die richtige Entscheidung zu treffen.

  Nach Hause zu gehen war das Beste, was ich machen konnte. Das einzig Richtige. Dieses Projekt lag mir am Herzen, und ich wollte Theodora nicht enttäuschen, indem ich frühzeitig das Handtuch warf. Aber ich konnte nicht hierbleiben, in Lyalls Nähe, ständig in Gefahr, mich noch mehr in ihn zu verlieben als ohnehin schon. Wieder schwach zu werden und diese andere Seite an ihm zu ignorieren, die mich im Sommer ins Unglück gestürzt hatte.

  Und trotzdem zögerte ich, da ich wusste, wenn ich ging, dann waren wir endgültig Geschichte. Aber waren wir das nicht ohnehin, weil seine Vergangenheit wie ein unüberwindbarer Graben zwischen uns klaffte? Da war so viel Unausgesprochenes, so viel Enttäuschung, so viel Wut, so viel zerstörtes Vertrauen. Nein, es ging nicht anders. Ich musste gehen. Es gab keine andere Möglichkeit, um es zu beenden.

  Um ihn hinter mir lassen zu können.

  Irgendwann.

  Nachdem ich zurück war, rief ich Theodora an und erfand die Ausrede, dass mein Vater mich zu Hause in der Firma brauchte, weil ein Mitarbeiter sich verletzt hatte. Sie zeigte Verständnis dafür, dass ich gehen wollte, auch wenn sie es schade fand.

  »Ich hatte eigentlich gehofft, du wärst so lange da, dass du die Umsetzung deines Entwurfes selbst übernehmen kannst«, sagte sie.

  »Mein Entwurf? Das heißt, du hast …«

  »Deine Idee ausgewählt? Das habe ich. Du hast als Einzige bewiesen, dass du nicht nur eine Designerin bist, sondern auch an die Gäste meines Hotels denkst. Lyall und ich waren uns schon letzte Woche einig, dass dein Entwurf hervorragend und im Sinne des Kefi Palace ausgearbeitet ist, während die anderen vor allem sich selbst profilieren wollten. Mangelnde Funktionalität ist ein No-Go in unserem Beruf.« Theodora atmete ein. »Du hast das erkannt, wie ich hörte. Am Ende machst du mich noch arbeitslos.«

  Also hatte Lyall mir tatsächlich nicht nur zugestimmt, weil er ein schlechtes Gewissen wegen des Achilleion gehabt hatte? Sondern, weil er meine Ansicht einfach teilte? Etwas in mir verknotete sich unangenehm, als ich daran dachte, wie ich ihn deswegen angefahren hatte. Dann begann mein Magen zu flirren, als mir in den Sinn kam, was danach passiert war.

  »Danke, Dora. Es tut mir wirklich leid, dass ich nicht länger bleiben kann.«

  »Das muss es nicht, Kenzie. Die Familie geht immer vor. Und ich bin mir sicher, dass wir nicht das letzte Mal zusammengearbeitet haben.« Im Hintergrund sagte jemand etwas zu ihr. »Ich muss Schluss machen. Wir bleiben in Kontakt, ja?«

  »Ja, natürlich.« Ich verabschiedete mich und begann dann, meine Sachen zu packen. Als ich damit fertig war, war es bereits nach neun, aber ich hatte Edina abgewimmelt, die mich hatte abholen wollen, weil sie und die anderen in Korfu-Stadt etwas essen und dann feiern gehen wollten. Mittlerweile waren sie bestimmt schon auf dem Weg in irgendeinen Club. Nach der Stimmung in der heutigen Besprechung wäre ich ohnehin nicht mitgegangen, und so war es ruhig in der Anlage, als ich mein Zimmer verließ. Die Arbeiter waren längst weg, Grillen zirpten und die Blumen dufteten. Es war, wie ich vermutet hatte, als ich den ersten Tag hier gewesen war – das Kefi Palace würde ein Paradies werden. Nur konnte ich daran nicht mehr mitarbeiten.

  Verabschieden wollte ich mich dennoch davon. Ich besuchte die Villen, den fast fertigen Poolbereich, dann ging ich hoch zum Haupthaus, stieg die Stufen bis zur obersten Etage hinauf und lief den Gang entlang bis zu der Terrasse der letzten Suite, von der man den besten Ausblick auf die Bucht und das Hotel hatte. Am Abend war das Licht hier wunderschön. Ich wollte es noch einmal sehen, bevor ich morgen Nachmittag ging.

  Ich stützte mich mit den Händen auf das Geländer und atmete tief ein und wieder aus, während ich versuchte, mir das Bild genau einzuprägen, das sich mir hier bot: die grüne Oase des Hotels mit den hellroten Dächern der Bungalows und Villen, darunter der Pool und schließlich der Strand mit dem dunkelblauen Meer, das langsam in der Dämmerung verschwand.

  Allerdings war ich offenbar nicht die Einzige, die diese Aussicht genießen wollte.

  »Willst du auch?«

  Ich fuhr erschrocken herum. Eine Hand mit einem Glas dunkler Flüssigkeit tauchte aus den Schatten des Mauervorsprungs auf, dann erschien der Arm zur Hand, der Oberkörper und schließlich der Kopf von Finlay. Seine blonden Haare reflektierten das Licht, als er aus der Dunkelheit trat.

  »Danke«, sagte ich nur und nahm das Glas Whiskey entgegen, um es in einem Zug zu leeren. »Hast du noch mehr?«

  »Natürlich.« Er ging zu dem Tischchen neben dem Fenster und holte die Flasche, die dort stand. Dann stellte er sich zu mir und schenkte mir nach, bevor er mir mit der Flasche zuprostete. »Alleine trinken macht hässlich«, sagte er und nahm einen Schluck.

  »Dann wüsstest du immerhin, wie es uns Normalsterblichen so geht.«

  »Komm schon, Kenzie, falsche Bescheidenheit steht dir nicht. Du weißt, dass du der Hammer bist.« Er grinste schief und trank noch mal.

  Ich schnaubte. »Ja, sicher.« Ich stieß mit ihm an und wir schwiegen. »Was machst du hier?«, fragte ich dann. »Keine Lust auf die Clubtour in Korfu-Stadt?«

  »Nee. Mir war irgendwie mehr nach der Gesellschaft von Mister Single Malt als nach der von … du weißt schon wem.« Finlay wedelte mit der Hand.

  »Verstehe«, murmelte ich und drehte das Glas in der Hand. »Ich werde morgen übrigens nach Hause fliegen.«

  »Ich weiß. Edie hat es mir erzählt, nachdem sie mit Dora telefoniert hat.«

  »Weiß Lyall es auch?«

  »Japp. Was wohl der Grund ist, warum er da unten versucht, sich zu Tode zu schwimmen.« Finlay zeigte auf das immer dunkler werdende Meer, und ich brauchte einen Moment, bis ich die Person sah, die durch die Wellen pflügte, als ginge es um olympisches Gold. Mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen.

  »Es ist besser so«, sagte ich.

  »Besser für wen? Lyall? Oder dein Ego?«

  Ich schnappte nach Luft. »Mein Ego? Spinnst du? Das hat absolut nichts mit meinem Ego zu tun. Ich tue nur das, was für alle Beteiligten das Beste ist.«

  »Ach ja?« Finlays blaue Augen, die ich nur mit einem fröhlichen Funkeln oder einem traurigen Schatten kannte, waren jetzt undurchdringlich – und seine Stimme todernst. »Hast du überhaupt eine Ahnung, wie viel Lyall für dich empfindet?«

  Ich presste die Lippen aufeinander. »Offenbar war es nicht genug, um mir die Wahrheit über Ada zu sagen«, sagte ich hart. Was wollte Finlay von mir? Ich war nicht diejenige, die eiskalt gelogen hatte.

  »Hast du je danach gefragt, wieso er dir nicht die Wahrheit gesagt hat? Ob es eine Erklärung dafür gibt?«

  Ich schnaubte. »Er hatte die Chance, es mir zu erklären, monatelang«, wehrte ich mich gegen das, was Finlay mir da unterstellte. »Aber hat er mich angerufen? Mich zu Hause aufgesucht? Mir eine Mail geschrieben? Da kam nichts, Fin! Wie soll ich auf nichts reagieren?«

  »Du hast nicht erst nach Monaten entschieden, dass du seine Wahrheit nicht hören willst. Sondern an dem Tag, als du es erfahren hast.«

  »Wirfst du mir das ernsthaft vor?«, fragte ich verärgert. »Ich habe ihn in Kilmore damit konfrontiert, und er hat sich nicht gewehrt, nicht eine Sekunde.«

  »Natürlich hat er sich nicht gewehrt!«, sagte Finlay. »Weil er, ganz egal, was Edie, seine Mum oder ich ihm die Jahre über gesagt haben, glaubt, er würde das verdienen: die Einsamkeit, die Schuld, die Selbstvorwürfe. Dass er ein schlechter Mensch ist, nur weil er diesen einen Fehler gemacht hat.« Finlay stieß sich impulsiv vom Geländer ab. »Du warst die Erste, die er
nach dieser ganzen Scheiße wieder an sich herangelassen hat. Die Erste, bei der er wieder Gefühle zulassen konnte, weil das mit euch genau das war, was er immer wollte.«

  Ich schluckte, aber seine Worte konnten die Tatsachen nicht vertreiben. »Du klingst, als wäre ich die Böse – nur weil ich nicht verstehe, dass er mich angelogen hat, obwohl er in mich verliebt war.«

  »Du begreifst es nicht, oder? Es gibt keine Bösen in diesem Spiel, Kenzie!« Finlay sah mich aufgebracht an. »Vielleicht abgesehen von den Leuten, die dir diese Nachricht geschickt haben.«

  »Es war Adas Mutter«, sagte ich. »Sie hat mir die Aufnahme geschickt, um mich zu beschützen .«

  »Ach, und wovor? Vor Lyall etwa? Denkst du, es wäre ein Hobby von ihm, nette Mädchen in den Selbstmord zu treiben? Dass er so eine Art Serientäter wäre, auf der Suche nach dem nächsten Opfer?« Finlay schnaubte. »Ich frage dich eins: Hast du dich auch nur einmal von ihm bedroht gefühlt oder unwohl in seiner Nähe, hat er je irgendeine Grenze überschritten oder etwas getan, das du nicht wolltest? Jemals, Kenzie?«

  Finlays schnell ausgesprochene Worte ratterten durch meinen Kopf, aber ich brachte die einzig wahre Antwort nicht über die Lippen. Es war allerdings auch nicht nötig. Er konnte sie mir vom Gesicht ablesen.

  »Dachte ich mir. Denn das hat er nie. Auch nicht bei Ada. Und würdest du die ganze Geschichte kennen, wüsstest du, dass das, was er getan hat, nur das Ende von allem war, was sie getan hat.«

  »Was sie getan hat?« Ich starrte ihn an. »Sie war schrecklich verliebt in ihn und er hatte für sie nichts anderes übrig als Kälte und Abweisung.«

  »Verliebt?«, höhnte Finlay. »Das hatte doch mit Liebe nichts zu tun. Sie hat ihn terrorisiert, Kenzie, ihm das verdammte Leben zur Hölle gemacht! Ihm, einem 18-jährigen Typen, der keine Ahnung hatte, dass sie Probleme hat, mit denen weder sie noch er fertigwerden konnte. Lyall ist nur zu anständig, dir oder sonst irgendjemandem zu sagen, was zwischen den beiden los war, bevor er diese grässlichen Worte zu ihr gesagt hat!« Er holte Luft. »Wenn du ihm vorwirfst, dass er dir die Wahrheit verschwiegen hat, dann tust du das vollkommen zu recht, auch wenn er es nur getan hat, weil er eine Scheißangst hatte, dich zu verlieren. Aber wenn du ernsthaft glaubst, Lyall wäre dieses Monster, von dem die ganzen Hohlbirnen in Kilmore reden, dann tu mir einen Gefallen – verschwinde und lass ihn in Ruhe.«

  Damit ging er und ließ mich allein mit meinen Gedanken, diesem endlosen Knäuel aus Möglichkeiten, Ängsten und Gefühlen. Finlay warf mir vor, mir eine Meinung gebildet zu haben, ohne die ganze Geschichte zu kennen. Aber was hatte ich denn für eine Wahl gehabt, wenn Lyall mir die ganze Geschichte nicht hatte erzählen wollen? Ich hatte ja nicht einmal gewusst, dass es so etwas wie eine ganze Geschichte überhaupt gab.

  Ich erinnerte mich an diesen Nachmittag in den Highlands, an den Regen, unseren Lauf zurück zum Camper, den Moment, in dem mir völlig klar geworden war, dass ich durchdrehen würde, wenn ich Lyall nicht endlich so nahe kam, wie alles in mir es wollte. An den Sex, das Danach, die zweite Runde, meine Frage nach Ada. Und an ihn, wie er mir von ihr erzählt hatte. Jetzt, nachdem ich mit Finlay geredet hatte, war es, als hätte jemand einen Schleier von meinen Erinnerungen weggezogen und ich konnte sie neu betrachten – dass ich Lyall im letzten Sommer die Möglichkeit gegeben hatte, das Thema fallen zu lassen und er mich dennoch gebeten hatte, ihn danach zu fragen, ob er mit Adas Verschwinden etwas zu tun hatte. Plötzlich erinnerte ich mich auch an den Moment, als er ins Stocken gekommen war: bei der Frage, ob er sie nicht mehr gesehen hatte, nachdem sie weggelaufen war. Es war nicht so, dass ich meine Reaktion auf all das mit einem Mal für unangemessen hielt. Aber jetzt war da Raum für die Wahrheit. Die ganze Wahrheit.

  Etwas in mir sortierte sich, ordnete sich neu, und ich wusste, was ich tun musste. Das, was ich von Anfang an getan hatte und weiterhin hätte tun müssen: auf mein Bauchgefühl hören. Willa hatte mich gefragt, warum ich nicht über Lyall hinwegkam, wenn er mir doch so wehgetan hatte und es keinen Grund gab, an ihm festzuhalten.

  Weil es doch einen Grund gab: Hoffnung. Die Hoffnung, dass ich mich nicht getäuscht hatte. Und ich würde nie darüber hinwegkommen, wenn ich nicht erfuhr, ob ich am Ende doch richtiglag.

  Finlay war längst weg, als ich zurück ins Haus ging, die dunklen Flure entlanglief und dann hinunter zum Strand. Die neuen Laternen waren schon installiert, aber noch nicht in Betrieb, deswegen war das letzte Licht des Tages alles, was mir den Weg wies. Mein Herz klopfte wie wild, als ich am Ende der Steinplatten ankam und den Sand betrat. Lyall konnte ich im Meer nicht erkennen, aber seine Sachen und ein Handtuch lagen dort, also musste er noch im Wasser sein. Kurz machte ich mir Sorgen, dass ihm da draußen etwas passierte, dann rief ich mir in Erinnerung, dass er ein mehr als erfahrener Schwimmer war.

  Ich setzte mich in den Sand und wartete, bis er sein Training beendet hatte und aus den Wellen kam. Heute flatterte mein Magen jedoch nicht, weil Lyall halb nackt und nass aussah wie ein Gott, sondern wegen dem, was ich vorhatte. Würde er mir diesmal die Wahrheit sagen?

  Erst bemerkte er mich gar nicht, während er das Wasser aus den Haaren schüttelte und es sich aus den Augen strich. Als er mich schließlich doch sah, stockte er kurz, kam dann aber zu mir.

  »Hey«, sagte ich und stand auf.

  »Hey«, antwortete er leise und nahm sein Handtuch, ohne etwas damit zu tun. Ich sah Vorsicht in seinen Augen, vielleicht sogar Angst. »Bist du hier, um dich zu verabschieden?«

  Ich schüttelte den Kopf. »Nein, nicht deswegen.«

  »Warum dann?«

  Tief atmete ich ein. »Weil ich offenbar nicht die ganze Geschichte kenne. Also bin ich hier, um dich darum zu bitten, sie mir zu erzählen.«

  »Die ganze Geschichte?«, fragte er. »Worüber?«

  Ich sah ihn an. »Über Ada Warner. Und das, was mit ihr passiert ist.«

  33

  Lyall

  Ich starrte Kenzie an, nicht den Hauch einer Ahnung, wie ich auf diese Bitte reagieren sollte. Ich wusste ja nicht einmal, wie ich auf ihre Anwesenheit reagieren sollte. Vor eineinhalb Stunden hatte Edina mir Bescheid gesagt, dass Kenzie beschlossen hatte, nach Hause zu fahren. Angeblich wegen ihrer Familie, aber ich wusste es besser: Sie ging meinetwegen.

  Ich ahnte, was für einen Kampf sie innerlich ausfocht. Denn es war ein ähnlicher wie mein eigener, wenn auch aus völlig anderen Gründen – gefangen zwischen unserer Anziehung und dem dringenden Wunsch nach Abstand. Also war ich schwimmen gegangen, weil ich der Angst, Kenzie nie wiederzusehen, entkommen wollte. Und nun stand sie vor mir und fragte nach Ada. Nach der ganzen Geschichte.

  Mechanisch hob ich das Handtuch und trocknete mir die Haare und den Oberkörper ab, um Zeit zu gewinnen. Dann zog ich den Hoodie über, den ich mitgebracht hatte. Aber schließlich hatte ich keine andere Wahl mehr als sie anzusehen.

  »Du weißt doch alles darüber«, sagte ich, immer noch verunsichert, warum sie plötzlich danach fragte. Als sie es das letzte Mal getan hatte, war sie von mir angelogen worden und hatte die Wahrheit später von anderen erfahren. Was gab es noch darüber zu reden?

  »Ich weiß, dass sie gestorben ist.« Kenzie nickte. »Und was du zu ihr am Telefon gesagt hast. Ich weiß auch, wie eure Beziehung angefangen und geendet hat. Aber offenbar gibt es da eine Lücke, von der ich nichts weiß. Gründe , von denen ich nichts weiß.«

  Ich lachte freudlos auf, als mir endlich ein Licht aufging. »Du hast mit Finlay geredet«, stellte ich fest.

  Sie hob die Schultern. »Es war eher andersherum.«

  »Und was hat er gesagt?«

  »Einiges. Zum Beispiel, dass er, sollte ich tatsächlich glauben, du wärst das Monster, für das dich in Kilmore alle halten, froh ist, wenn ich morgen verschwinde.«

  Ich schnaubte. »Und da meinen die Leute, er wäre der Charmanteste von uns.«

  »Er ist der Charmanteste von euch.« Sie blieb ernst. »Stimmt es denn, was er sagt? Dass Ada dich … terrorisiert hat, bevor das alles passiert ist?«

  »Nein. Es stimmt nicht.« Ich stieß die Luft aus. »Wenn Finlay dir gesagt hat, dass irgendetwas an Adas Verhalten ger
echtfertigt hätte, was ich ihr an den Kopf geworfen habe, liegt er falsch. Es gibt keine Entschuldigung für das, was ich getan habe. Nicht bei ihr … und auch nicht bei dir.«

  Kenzie sah mich aufmerksam an, und ich bemerkte, wie sich Erkenntnis in ihren Augen ausbreitete. »Du beschützt sie«, sagte sie leise. Ich wich ihrem Blick aus und antwortete nicht. Aber das schien ihr Antwort genug zu sein. »Warum? Wieso tust du das?«

  Ich schüttelte den Kopf und wandte mich ab. »Du hättest nicht herkommen sollen, Kenzie. Ich kann dir nicht geben, wonach du suchst.«

  »Wonach suche ich denn?«, fragte sie.

  »Nach irgendeiner Erklärung. Einer Bestätigung, dass es kein Fehler war, dich in mich zu verlieben.« Ich sah sie an. »Aber ich habe es dir schon damals gesagt – ich bin beschädigte Ware. Du weißt das besser als jeder andere. Und deswegen sollten wir … wir sollten das lassen.«

  »Ist das dein Ernst?« Kenzie verengte verärgert die Augen. »Du lässt mich hängen, schon wieder? Lässt mich hier stehen, nachdem ich trotz allem hergekommen bin, um dir eine Chance zu geben, endlich die Wahrheit zu sagen?«

  »Du kennst die Wahrheit.« Ich sagte es leise, mehr zu mir selbst.

  »Offenbar nicht. Finlay meint –«

  »Finlay redet Schwachsinn!«, fiel ich ihr ins Wort.

  »Tut er nicht und du weißt das genauso gut wie ich!«, rief sie. »Und trotzdem willst du lieber, dass ich gehe, als mir zu sagen, was passiert ist? Du willst, dass ich mich den Rest meines Lebens fragen muss, ob ich mich in dir getäuscht habe? Ob meine Gefühle für dich ein Fehler waren? Bin ich dir wirklich so egal, Lyall?!«

  Ihre Worte trafen mitten ins Ziel, jedes einzelne von ihnen ein sauberer Schuss. Und plötzlich konnte ich die Wahrheit nicht mehr zurückhalten. Sie drängte aus mir heraus, ohne dass ich es verhindern konnte.

  »Sie war krank, verdammte Scheiße!«, entfuhr es mir. »Ada war psychisch krank, okay?! Und dafür konnte sie nichts! Was für ein Recht habe ich, das gegen sie zu verwenden, um mich aus der Verantwortung zu stehlen? Was für ein Recht habe ich, glücklich zu sein, obwohl ich an ihrem Tod schuld bin?!«

 

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