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Don't HATE me (Die Don't Love Me-Reihe 2) (German Edition)

Page 28

by Kiefer, Lena


  Ich ließ Lyall los und fröstelte augenblicklich, als seine Wärme verschwand.

  »Frierst du?«, fragte er.

  »Ein bisschen«, sagte ich. »Vielleicht sollten wir besser hochgehen.« So sehr sich ein großer Teil von mir nach Lyalls Nähe sehnte – nach mehr als einer Berührung unserer Hände oder einer Umarmung – ich war nicht bereit dafür, sie direkt wieder zuzulassen. Ich musste all das, was ich heute erfahren hatte, erst mal verarbeiten. Und dazu brauchte ich meine Ruhe.

  Den Weg nach oben zum Hotel legten wir schweigend zurück und ohne uns zu berühren, obwohl ich meine Hände zu Fäusten ballen musste, um es zu verhindern. Dieser Sog zu Lyall, er war so heftig, dass es beinahe körperlich schmerzte, auf Abstand zu bleiben. Aber ich wusste, es war richtig, ihm jetzt nicht nachzugeben.

  Ein lautes Fluchen empfing uns, als wir an den Bungalows angekommen waren. Wir sahen uns an und gingen dann auf die hochgewachsene Gestalt zu, die im Licht der kleinen Lampe neben der Tür am Schloss herumfuhrwerkte.

  »Fin?«, fragte Lyall, der ihn noch eher erkannte als ich. »Was machst du da?«

  »Der beschissne Schlüssl passnich«, motzte sein Cousin und seine verwaschene Sprache sagte mir, er hatte irgendwo weitergetrunken, nachdem er mich auf der Terrasse allein gelassen hatte. »Wieso passdernich?«

  »Vielleicht, weil das mein Zimmer ist?« Ich musste grinsen, als Finlay sich zu mir umdrehte und die Stirn in tiefe Falten legte.

  »Echt?« Er klang maximal verwirrt.

  »Echt«, nickte ich.

  »Oh. Sah irgnwie aus wie meins.« Er musterte die Tür, die sich nicht von seiner und Lyalls unterschied, dann streichelte er das Holz, als wollte er sich für die rabiate Behandlung entschuldigen. Erst danach sah er uns an, wie wir da vor ihm auf dem Weg standen. »Habt ihreuch wieder lieb? Ich fändsecht gut, wenn ihr euch wieder lieb hättet.«

  Lyall verdrehte gutmütig die Augen und legte den Arm um Finlays Schultern. »Komm, mein betrunkener Freund.« Dann sah er mich an. »Ich bringe ihn mal lieber ins Bett.«

  Ich lächelte. »Ja, das wird das Beste sein.«

  »Was? Nein! Wir könn doch noch abhängn.« Finlay wand sich aus Lyalls Griff. »Es macht eeeecht Spaß, miteuch abzuhängn. Vorallm, wenn ihr euch wieder lieb habt.« Sein Grinsen wurde so breit, dass ich lachen musste.

  »Schlaf gut, Finlay.«

  Er verbeugte sich und verlor dabei fast das Gleichgewicht.

  »Du auch, Kenzie. Bismorgen in aller … alter Frische.«

  Das bezweifelte ich stark. Es sei denn, die Henderson-Gene bescherten den Familienmitgliedern nicht nur gutes Aussehen, sondern auch Immunität gegen die Nachwirkungen von Alkohol.

  Lyall ging mit ihm los, warf mir noch einen Blick zu und ich entdeckte Unsicherheit darin – die gleiche, die ich selbst fühlte. Trotzdem lächelte ich.

  »Gute Nacht«, wünschte ich. »Wir sehen uns morgen.«

  »Gute Nacht.« Er lächelte ebenfalls, dann verschwand er in der Dunkelheit.

  Ich schloss die Tür auf – schließlich hatte ich den richtigen Schlüssel dafür – und ging ins Zimmer, schaltete das Licht jedoch nicht ein, bevor ich mich aufs Bett fallen ließ und ausatmete. Was für ein Abend. So viele Gefühle, so viele Informationen, so viel, über das ich nachdenken musste.

  Das würde eine lange Nacht werden.

  35

  Lyall

  Ich lag auch in dieser Nacht wieder wach. Nicht, weil Finlay ein Bett weiter seinen Whiskey-Rausch ausschlief und dabei schnarchte wie ein Berserker, das war ich gewohnt. Genau wie die Schlaflosigkeit – die sich jedoch anders anfühlte, seit ich mit Kenzie geredet hatte. Ich fühlte eine Erleichterung, die ich Monate oder sogar Jahre nicht verspürt hatte … gepaart mit neuer Angst. Der Angst, dass dieses Gespräch ein Abschluss gewesen war – ein Ende, damit Kenzie und ich neu anfangen konnten, jeder für sich. Denn auf alles andere wagte ich nicht zu hoffen. Selbst wenn sie sagte, dass sie nicht glaubte, ich wäre für Adas Tod verantwortlich, bedeutete das nicht, dass sie vergessen konnte, wie ich sie belogen hatte. Es bedeutete auch nicht, dass sie mit jemandem zusammen sein wollte, der sich wahrscheinlich nie ganz von diesem dunklen Kapitel in seiner Vergangenheit würde lösen können. Ich war keine gute Partie und sie wusste das. Wenn sie klug war, würde sie also gehen, wie sie es vorgehabt hatte. Und davor hatte ich Angst. Weil ich keine Ahnung hatte, wie ich damit klarkommen sollte, wenn sie weg war.

  Draußen hörte ich, wie Edina und die anderen von ihrem Besuch in Korfu-Stadt zurückkamen – sie bemühten sich, leise zu sein, scheiterten aber kolossal. Bella verkündete lautstark ihre grenzenlose Liebe zu Elliott, bis ein viel lauteres Psssst meiner Schwester ihr Einhalt gebot. Danach kam nur noch Kichern. Finlay moserte undeutlich im Halbschlaf, aber mich störte der Lärm nicht, schließlich konnte ich eh nicht schlafen. Und es war schön, wenn die anderen Spaß hatten, sie arbeiteten alle hart genug hier im Hotel.

  Irgendwann musste ich dann jedoch eingeschlafen sein, denn als ich wieder wach wurde, zeigte der Wecker kurz vor zwei Uhr an. Ich stand auf, um mir was zu trinken zu holen, als ich etwas bemerkte.

  Einen merkwürdigen Geruch.

  Hier im Hotel roch es vor allem nach Meer und den Blumen und Pflanzen, die Anfang Mai blühten ohne Ende. Ich hatte mich daran gewöhnt, deswegen stach mir diese andere Note jetzt unangenehm in die Nase. Einer inneren Ahnung folgend öffnete ich die Schiebetür zum Balkon. Und eine Sekunde später wusste ich, woher dieser Geruch kam.

  Feuer.

  Ein rötlicher Schein erhellte die Nacht, Rauch quoll aus einem Gebäude unterhalb der Bungalows. In dem Moment, als ich mich über das Geländer beugte, um mehr zu sehen, schoss eine Stichflamme in den Himmel und ich zuckte zurück. War das unser Lager?

  »Finlay!«, rief ich augenblicklich, stürzte wieder ins Zimmer und lief zu ihm, um ihn wach zu rütteln.

  Mein Cousin schreckte hoch. »Was ist los?«, murmelte er verschlafen.

  »Es brennt!«

  »Wo? Hier?« Er tastete auf der Matratze herum, als wäre das Feuer in seinem Bett.

  »Nein, draußen!« Ich war schon längst bei meinen Klamotten und zog mir ein Shirt und Shorts an, dann Schuhe. Im Dunkeln griff ich nach meinem Handy. Wie war die Nummer für die Feuerwehr hier?

  »Fuck!« Ich kannte die Notfallnummern für sicherlich zwanzig Länder der Welt, aber nicht die für Griechenland.

  »Wähl 112«, sagte Finlay, der plötzlich ziemlich wach wirkte, als er aus dem Bett stieg und sich etwas überzog. »Die gilt mittlerweile in der ganzen EU.«

  »Okay«, ich gab sie ein. »Wir müssen die anderen wecken, die Bungalows sind zu nah dran. Sie sollen alle zum Haupthaus hoch, das ist hoffentlich weit genug weg, bis die Feuerwehr herkommt.«

  »Ich mach das«, sagte Finlay.

  Mit dem Handy am Ohr lief ich zur Tür hinaus. Finlay kam mir nach und ging zu den zwei Zimmern, in denen Martha und Edina wohnten, während sich am Telefon endlich jemand meldete.

  »Hallo? Ja, wir haben hier einen Brand. Im Kefi Palace Hotel in Gouvia. Was?« Der Kerl am anderen Ende redete schnell auf mich ein, aber wenn es Englisch war, verstand ich kein Wort.

  »Gib mir das.« Edina tauchte aus der Dunkelheit auf, schnappte mir das Telefon aus der Hand und begann, auf Griechisch mit dem Typen zu reden. »Kümmer du dich darum, dass die anderen rauskommen.«

  Ich rannte zu dem Zimmer von Elliott, weil ich sah, dass Finlay noch vor Marthas Tür stand. Es brauchte zum Glück nur ein kräftiges Klopfen und Elliott war wach, genau wie Bella, die zwar verkatert aussah, aber den Ernst der Lage dennoch schnell begriff. Martha wankte im nächsten Moment aus ihrem Zimmer. Dann blieb nur …

  »Hey! Kenzie!« Ich schlug gegen die Tür wie schon bei den anderen, aber es tat sich nichts. Also hämmerte ich stärker, schließlich mit beiden Fäusten. Keine Reaktion. »Verflucht noch mal, Kenzie, mach auf! Es brennt!«

  »Was ist los?« Finlay stoppte neben mir.

  »Sie reagiert nicht!« Ich klopfte wieder, obwohl mein Instinkt mir sagte, dass es sinnlos war. Schlief Kenzie etwa so fest? Ich hatte nicht genug Nächte mit ihr verbracht, um das sagen zu kö
nnen.

  »Die Feuerwehr ist unterwegs«, meldete Edina, die in ihrem Morgenmantel neben den anderen stand. »Sie brauchen ungefähr zwanzig Minuten hierher. Wo ist Kenzie?«

  »Sie macht nicht auf!«

  »Ich hole den Generalschlüssel aus dem Büro«, sagte Finlay und lief davon, aber ich konnte nicht hier herumstehen und warten, bis er wieder zurückkam.

  Ich sprintete los, nahm die erste Abzweigung nach rechts und bahnte mir einen Weg durch das Gestrüpp unterhalb der Bungalows. Die Ranken zerrissen mir das Shirt und zerkratzten meine Haut, aber ich spürte es kaum. Das Feuer war mittlerweile nicht nur zu riechen, sondern auch zu sehen, es fraß sich seinen Weg durch die Sträucher, und das trockene Holz ging in Flammen auf, als hätte man es mit Benzin übergossen. Als Nächstes würde es auf die Bungalows übergreifen. Ich hatte wenig Zeit.

  Hektisch suchte ich nach Kenzies Balkon. An dem richtigen Häuschen angekommen, sprang ich auf den alten Tisch, der vor dem Fenster des unteren Zimmers stand, griff nach der Kante des Geländers und stemmte mich hoch, landete auf den Fliesen. Die Scheiben der Schiebetür spiegelten das Flackern hinter mir wider und das Bett war ein ganzes Stück weiter hinten, deswegen konnte ich im Zimmer nichts erkennen. Wieder klopfte ich, presste mein Gesicht an das Glas, nichts rührte sich. Also blieb nur eins.

  Ich ging einen Schritt zurück, nahm den Stuhl, der auf dem Balkon stand, holte aus und zertrümmerte damit die Scheibe. Das Klirren tausender Splitter war ohrenbetäubend.

  »Kenzie?!«, rief ich, dann trat ich durch die Reste der Balkontür ins Zimmer. Ich erwartete, dass sie mich zu Tode erschrocken aus der Dunkelheit anstarren oder mich anfahren würde, warum zur Hölle ich ihr Fenster zerstörte, irgendwas. Aber es kam kein Laut von ihr. Und als ich weiter in den Raum hineinging, wusste ich auch wieso. Die Bettdecke war zurückgeschlagen, die Tür zum Bad stand offen. Es war leer.

  Kenzie war nicht da.

  Erleichtert sank ich in mich zusammen. Bis mir eine Frage in den Kopf kam, die meine Angst wieder auf höchste Stufe katapultierte: Wenn sie nicht hier war, wo war sie dann?

  Es klopfte draußen immer noch. Mit drei langen Schritten war ich an der Tür und öffnete sie, Edina stand auf der anderen Seite.

  »Hast du sie?«

  Ich schüttelte den Kopf.

  Finlay kam den Weg hinuntergerannt, den Schlüssel in der Hand. »Was ist los?«, fragte er, als er mich in der offenen Tür stehen sah.

  »Sie ist nicht da.« Panisch dachte ich darüber nach, wo sie sein könnte. Nachdem wir vom Strand gekommen waren, hatte ich sie in dieses Zimmer hineingehen sehen. War sie in der Nacht noch mal draußen gewesen, hatte das Feuer bemerkt und wollte es löschen? Großer Gott.

  »Ich gehe nach oben und suche das Haupthaus ab«, sagte Finlay schnell. »Wenn sie nicht schlafen kann, arbeitet sie doch meistens, bestimmt ist sie dort und hat von dem Feuer gar nichts mitbekommen.«

  »Und was, wenn doch?!«, rief ich. Kenzie war eine Macherin, jemand, der anpackte, wann immer es nötig war. Wäre es nicht ihr erster Impuls gewesen, den Brand zu löschen? Mein Blick fiel auf etwas an der Wand: eine leere Halterung für einen Feuerlöscher. Da hakte es in mir aus.

  »Ich muss runter und nachsehen, ob sie dort ist«, sagte ich. »Bitte geht hoch und bringt euch in Sicherheit, okay?«

  »Lye, das ist zu gefährlich!«, rief Edina. »Die Feuerwehr ist bald hier, die kümmern sich darum!«

  Ich ignorierte sie einfach, lief denselben Weg wie vorhin hinunter, aber diesmal bog ich nicht ab, sondern hielt direkt auf das Feuer zu. Es musste in einem der Lagerräume ausgebrochen sein, denn die ganze Zeile von Schuppen, die wir bald hatten abreißen wollen, stand in Flammen, genau wie alles drum herum. Ich dachte an Kenzie, an uns beide unten am Strand, an ihre Hand in meiner, an ihr Verständnis. Bitte sei in Sicherheit , flehte ich innerlich. Wenn ihr etwas passierte … das würde ich nicht überstehen.

  »Kenzie!« Ich rief ihren Namen wieder und wieder, während ich mir mein T-Shirt vor den Mund zog und das Husten unterdrückte. Der Rauch wurde dichter, es war längst brüllend heiß, aber ich ging weiter auf den Schuppen zu, zwängte meine tränenden Augen auf, um nach ihr Ausschau zu halten. »Kenzie, verdammt! Bist du hier?«

  Da hörte ich ein Zischen, wie von einem Feuerlöscher. Und dann ein Geräusch, das sich wie ein schwaches Wimmern anhörte. War das ein Hilferuf? Hatte sie sich verletzt und kam nicht mehr raus? Ich wagte mich noch weiter vor, spürte, wie die Hitze auf meiner Haut brannte, wie sie meine Klamotten versengte. Aber es war mir egal. Um Kenzie zu retten, würde ich durch jedes Feuer gehen.

  Denn wenn man jemanden liebte, dann tat man genau das.

  36

  Kenzie

  Irgendwoher drang Lärm an mein Ohr. Ich registrierte ihn, aber ich reagierte nicht darauf. Auch nicht, als die Rufe lauter wurden. Bestimmt war die feierwütige Meute aus der Stadt zurück und schaffte es nun nicht, leise das Haupthaus zu durchqueren, um zu ihren Zimmern in den Bungalows zu kommen.

  »Kenzie?«

  Erst als jemand meinen Namen rief, wurde ich hellhörig. Wieso wussten die, dass ich vor zwei Stunden meine Schlafversuche aufgegeben hatte und hier in die Suite gegangen war, um zu zeichnen?

  »Kenzie, bist du hier irgendwo?« Das war Finlay. Der war doch gar nicht dabei gewesen. Und warum klang er so alarmiert? Ich stand aus dem Sessel auf und ging auf den Flur. Da kam mir Lyalls Cousin schon entgegen. »Oh Gott sei Dank, du bist hier.« Er fiel mir um den Hals und ich tätschelte ihm den Rücken, damit er mich wieder losließ.

  »Brennt es irgendwo oder warum rennst du hier rum, mitten in der Nacht?«, scherzte ich.

  »Ja, verdammt!«, rief er.

  »Was, ja, verdammt?«

  »Es brennt!« Er nahm meine Hand und zog mich mit auf die Terrasse der Suite. Ich dachte immer noch, er würde mich auf den Arm nehmen, aber dann sah ich es: Die Reihe von Schuppen zwischen Bungalows und Strand brannte lichterloh. Ich starrte einen Moment wie paralysiert auf das Feuer, bevor mein Gehirn endlich wieder funktionierte.

  »Sind alle in Sicherheit?«, fragte ich Finlay hastig. »Habt ihr die Feuerwehr gerufen?«

  »Ja und ja. Sie sollte gleich da sein.« Er nickte. »Komm, die anderen sind unten in der Lobby. Sie werden froh sein, dass du in Ordnung bist.« Ich folgte ihm die Treppen hinunter und entdeckte den Rest der Gruppe. Sie standen mit bangem Blick an der Schiebetür, die zur großen Terrasse führte. Dahinter sah man den hellen roten Schein des Feuers, das mit jeder Minute gewaltiger zu werden schien. Wie lange würde es dauern, bis es auf die Bungalows übergriff? Konnte die Feuerwehr das verhindern?

  Ich ging auf die anderen zu, suchte nach einem bestimmten Gesicht. Aber ich entdeckte es nirgends.

  »Wo ist Lyall?«, fragte ich Edina, die hektisch mit Finlay redete, der sich offenbar gerade auf den Weg nach draußen machen wollte. Ich hatte Lyall noch nicht gesehen. War er auf dem Parkplatz, um die Feuerwehr in Empfang zu nehmen?

  Edina wechselte einen Blick mit Finlay, der fast schon aus der Tür war. Aber keiner von beiden sagte etwas.

  »Raus damit!«, forderte ich.

  Finlay sah mich unglücklich an. »Du … du warst nicht in deinem Zimmer und der Feuerlöscher hat gefehlt, da dachte er, du wärst vielleicht losgelaufen, um dich selbst um das Feuer zu kümmern. Er wollte dich suchen und ist runter zu den Lagerräumen.«

  »Er ist was ?!« Eine Welle aus purer Panik peitschte durch meinen Körper, denn mir fiel ein, dass ich gestern die Propangasflaschen aus der Strandbar in einen der Schuppen gebracht hatte. Wenn das Feuer dort ankam, dann würden die Flaschen explodieren und das ganze Lager in Stücke reißen – so wie alles, was sich darin befand. »Die Gasflaschen sind dort. Ich muss sofort dahin, ich –«

  »Bleib hier!« Finlay hielt mich auf, als ich losrennen wollte, das Gesicht starr vor Schreck. »Ich mache das, ich gehe runter!«

  Ich riss mich los. »Nein, ich kenne mich da unten besser aus als du. Und außerdem …« Außerdem würde ich es mir nie verzeihen, wenn Lyall etwas passierte, weil er sich Sorgen um mich gemacht hatte. Nur weil ich nicht hatte schlafen können, war ich aus dem Zim
mer gegangen. Wenn er verletzt wurde … oder Schlimmeres, dann war das meine Schuld.

  Draußen vor dem Hotel hörte man Sirenen, die lauter wurden. »Zeig denen, wo sie hinmüssen!«, rief ich Finlay zu, dann war ich schon aus der Tür hinaus, ohne dass er es verhindern konnte.

  Die Luft flirrte vor Hitze, als ich die Steinstufen hinunterrannte, so schnell ich konnte. Wie hatte Lyall denken können, dass ich versuchen würde, das Feuer zu löschen? Dass ich mich so in Gefahr bringen würde? Weil er dich kennt. Und weiß, dass du jede Katastrophe am liebsten eigenhändig abwenden möchtest.

  Je näher ich dem Feuer kam, desto heißer wurde es. Rauch kratzte in meinem Hals, als ich den Pfad entlangspurtete und direkt auf die Lagerbaracken zuhielt. Ich suchte die Umgebung nach Lyall ab, konnte ihn jedoch nirgends entdecken.

  »Lyall? Bist du hier?«

  Es knallte, und ich zuckte zusammen, als eine Funkenfontäne aus dem Dach der Werkstatt sprühte. Aber sofort setzte ich mich wieder in Bewegung.

  »Lyall!«, brüllte ich aus voller Kehle.

  Niemand antwortete. Wo war er, verdammt? Hatte er sich verletzt und lag nun in einem der Schuppen oder in der Werkstatt?

  »Lyall!«, rief ich noch einmal verzweifelt.

  »Kenzie?« Plötzlich tauchte Lyall im Rahmen einer der Türen auf, etwas auf dem Arm tragend. Er ließ es los, es sprang herunter und raste davon. Ich stürzte ohne Zögern auf ihn zu, griff nach seiner Hand. Da hörte ich ein hohes Sirren, das durch das Knistern der Flammen pfiff.

  Die Gasflaschen.

  »Weg hier!«, schrie ich und riss an Lyalls Arm.

  Wir rannten von den Schuppen weg Richtung Meer, als das Lager hinter uns explodierte. Es knallte ohrenbetäubend laut, Lyall warf mich zu Boden, schützte mich mit seinem eigenen Körper, während um uns herum die Reste des Schuppens auf den Untergrund prasselten wie Geschützfeuer. Eine Welle aus sengender Hitze fegte über uns hinweg und hinderte mich für einen Moment daran, zu atmen. Dann wurde es still.

 

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