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Bevor wir fallen

Page 15

by Bowen, Sarina


  »Eins waagrecht ist ›Teil eines Kaffeegeschirrs‹«, sagte ich. »Ich dachte eigentlich ›Tasse‹, aber das sind nur fünf Buchstaben.«

  »Keine Ahnung«, murrte Dana und biss in ihren Bagel. »Und weiter?«

  »Bewohner einer großen italienischen Insel. Zehn Buchstaben.«

  »Sizilien«, verkündete Dana.

  »Sizilianer«, stellte ich richtig. »Jetzt kommen wir der Sache schon näher.« Ich schrieb die Lösung hin. Als ich wieder zu Dana hochblickte, sah ich, dass sie die Ohren spitzte.

  »Was?«, flüsterte ich.

  »Ich frage mich, was er den Jungs erzählt hat.« Sie deutete mit dem Kinn in Richtung des Tischs, an dem Hartley saß. »Ich meine, wenn sie ihn gefragt haben, wie seine Geburtstagsnacht war. Du glaubst doch nicht, dass er denen alles …«

  Ich schüttelte den Kopf. »Hartley ist kein Angeber.«

  Dana nickte langsam. »Stimmt. Ich verstehe zwar nicht ganz, was zwischen euch läuft, aber ich kann mir auch nicht vorstellen, dass er eine Klatschtante ist.« Sie schlürfte ihren Kaffee. »Dafür bist du ihm zu wichtig.«

  Nicht unbedingt, fügte ich stumm hinzu, als ich an seinen Abgang von gestern Abend dachte.

  »Dana«, ich senkte die Stimme, »er wird deshalb nichts sagen, weil keiner damit angibt, wenn er was mit dem Mädchen im Rollstuhl hatte.«

  Sie stellte ihren Kaffeebecher ab. »Corey! Das meinst du doch nicht ernst.«

  Natürlich meinte ich es ernst. Hundertprozentig. Jungs gaben damit an, wenn sie eine echte Trophäe im Bett gehabt hatten. Ein Mädchen wie Stacia.

  Ich hatte den Gedanken noch nicht zu Ende gedacht, als ich Stacia in der Nähe des gewölbten Eingangs zum Speisesaal entdeckte. Meine Bestürzung stand mir offenbar ins Gesicht geschrieben, denn Dana drehte sich im selben Moment herum, um einen Blick über ihre Schulter zu werfen.

  Falls das überhaupt möglich war, wirkte Stacia noch umwerfender, als ich sie in Erinnerung hatte. Ihr langes honigblondes Haar fiel wie ein Vorhang über ihre Schultern. Ihr Gesicht, so perfekt wie das eines Models, war auf eine Weise geschminkt, wie man es an einem Samstagmorgen während der Abschlussprüfungen sonst nie in einem Speisesaal zu sehen bekam. Sie trug einen eng anliegenden schwarzen Rollkragenpullover zu einem karierten Minirock aus Wolle. Ihre hochhackigen schwarzen Wildlederstiefel reichten bis über ihre Knie, und zwischen Stiefeln und Rocksaum waren gut und gerne zehn Zentimeter glatte, sahnig-weiße Haut zu sehen. Diese verdammten, perfekten Beine.

  Als sie Hartley entdeckte, hellte sich Stacias Gesicht auf und sie stolzierte quer durch den Speisesaal auf ihn zu. Die Gespräche an seinem Tisch verstummten, während die Jungs ihr entgegenstarrten. Und ich konnte genauso wenig den Blick abwenden.

  Strahlend trat sie hinter seinen Stuhl. »Hartley, gib uns ein Küsschen«, sagte sie mit affektierter Stimme, mit der sie sich im Zentrum der allgemeinen Aufmerksamkeit wusste.

  Hartley ahmte sie nach. »Gib uns ein Küsschen. Muss ich neuerdings mehr als eine von dir bedienen?«

  Seine Freunde lachten, dann stieß er unter aller Augen seinen Stuhl zurück und stand schwankend auf.

  Stacia legte die Hände an seine Wangen und küsste ihn mitten auf den Mund.

  Und er erwiderte den Kuss. Unter dem Gejohle seiner Kumpels umschloss er ihr Gesicht ebenfalls mit den Händen und senkte die Lider. Sie schienen nie mehr damit aufhören zu wollen.

  Meine Welt wurde an den Rändern ein bisschen unscharf, bis Dana mich in die Hand zwickte. »Corey«, sagte sie mit leiser Stimme. »Atmen!«

  Was allerdings nicht so einfach war, weil es sich anfühlte, als steckte mein Brustkorb in einem Schraubstock.

  »Sollen wir nicht lieber gehen?«

  Ich zwang mich dazu, nur noch Dana anzusehen. »Nein.«

  Es wäre viel zu auffällig, wenn ich jetzt aufstand und zur Tür hinausschoss. Viel lieber wäre ich im Erdboden versunken.

  Dana nahm die Zeitung und blickte angestrengt hinein. »Wir brauchen ein Wort mit drei Buchstaben, das etwas mit Booten zu tun hat. Fängt mit ›B‹ an.«

  »Hm.« Ich zwang mich, tief Luft zu holen. »Boje? Nein, das sind vier Buchstaben. Bug.«

  »Das ist es. Und das ›G‹ am Ende ist der erste Buchstabe von einer Griechischen Speise.«

  »Gyros«, sagte ich automatisch.

  »Jetzt hast du einen Lauf.«

  Ich griff nach meiner Kaffeetasse. »Hätte ich nicht gedacht.« Was ich damit eigentlich sagen wollte, war: Ich hätte nicht gedacht, dass es dermaßen wehtun würde.

  »Oh Süße«, sagte Dana. »Atme. Tief und gleichmäßig.«

  An Hartleys Tisch hatte man Stacia inzwischen einen Stuhl zurechtgerückt, und ich hörte ihre quengelnde Stimme. »Aber du hast versprochen, dass du mit mir zum Weihnachtsball gehst.«

  »Ja, und du hast versprochen, an meinem Geburtstag hier zu sein«, gab er belustigt zurück.

  »Interessant«, warf Bridger ein.

  »Du musst auch nicht tanzen«, sagte sie. »Nur einen Anzug tragen und gut darin aussehen.«

  »Na, wenn das so ist.«

  In seiner Stimme schwang derselbe halb amüsierte, halb geduldige Unterton mit, den ich schon herausgehört hatte, als er am Tag unseres Einzugs mit ihr geredet hatte. Er sprach mit ihr wie ein nachsichtiger Vater mit seiner kleinen Tochter. Ganz anders als mit mir.

  »Und, wo bist du gewesen?«, wollte er wissen.

  »Ich wollte von New York aus noch am Abend herkommen«, antwortete sie. »Aber Marco hatte Theaterkarten.«

  »Wer?«, mischte sich Bridger ein.

  »Meine Mitfahrgelegenheit.«

  »Interessant«, meinte Hartley. »Aber, weißt du, es gibt da eine Erfindung, die man Zug nennt.«

  »Daran habe ich auch kurz gedacht«, seufzte sie. »Aber ich hatte so viel Gepäck.«

  »Na, das glaube ich gerne«, gluckste Hartley.

  Mir gegenüber schüttelte Dana den Kopf. »Die böse Hexe gewinnt.«

  »Okay«, sagte ich, indem ich die Hände fest gegen den alten Holztisch drückte. »Jetzt würde ich wirklich gerne gehen.«

  15

  Wenn das Jahr dir seinen Hintern zeigt

  Corey

  Als ich Dana gesagt hatte, ich sei bereit zu gehen, war das kein Scherz gewesen. Ich musste einen bedeutenden Abstand zwischen Hartley und meinem leidenden Herz herstellen. Zum Glück würden mir die Weihnachtsferien die perfekte Entschuldigung dafür liefern. Aber erst standen die Prüfungen an. Ich hatte mich schließlich nicht aufs College geredet und gebettelt, um gleich im ersten Semester durchzurasseln.

  Also schuftete ich in den nächsten zwei Tagen bis zum Umfallen in der Bibliothek. Von meinem Studienplatz tief zwischen den Bücherregalen aus war es unmöglich, Hartleys Stimme auf dem Gang zu hören oder mich zu fragen, ob er jemals wieder auftauchen würde, um RealStix mit mir zu spielen. Ich ernährte mich von Salaten zum Mitnehmen aus dem Coffeeshop und lernte wie eine Verrückte. Sogar meine Hoffnungsfee sprang mir bei, flatterte zwischen den Kapiteln meines Mathebuchs herum und platzte immer mal wieder mit dem ein oder anderen Lehrsatz heraus. Die Kleine setzte dazu eine winzige Brille auf und thronte auf dem Rand meines Coffee-to-go-Bechers. Und das Beste daran war, dass sie Herzklopf-Hartleys Namen kein einziges Mal in den Mund nahm. Ich gab meine Hausarbeiten frühzeitig ab und konzentrierte mich anschließend ganz auf Wirtschaft.

  Als ich am Morgen der Prüfung in den Vorlesungssaal kam, fühlte ich mich so gut vorbereitet, dass es mich nicht mal allzu sehr aus der Ruhe brachte, als sich Hartley neben mich setzte. Noch vor Ablauf der Zeit hatte ich alle Fragen beantwortet.

  Als ich aus dem Prüfungsraum rollte, blickte er auf. Doch weil es zu wehtat, ihn richtig anzusehen, winkte ich ihm nur flüchtig zu. Dann war ich draußen.

  Eine Viertelstunde später schickte er mir eine SMS.

  Zur Feier des Tages Mittagessen in der Mensa? Bin gerade dahin unterwegs.

  Doch ich blieb ihm eine Antwort schuldig, weil ich in diese
m Moment mit meiner Mutter telefonierte.

  »Alles in Ordnung?«, fragte sie atemlos.

  Nein, eigentlich war es das nicht. Aber das würde ich im Leben nicht zugeben.

  »Mir geht’s gut. Ich bin schon mit meinen Prüfungen durch und hab deshalb mein Flugticket umgetauscht.«

  »Und was ist mit dem Weihnachtsball? Den fand dein Bruder immer ganz toll.«

  »Tja«, sagte ich, »so wie es aussieht, bleiben nicht alle deshalb hier.«

  »Na gut, Schatz.« Ihrer Stimme nach zu urteilen machte sie sich Sorgen, sagte aber nichts weiter, sondern ließ sich von mir nur die neue Flugnummer und Ankunftszeit geben.

  Anschließend ging ich in mein Zimmer und packte meine Sachen. Und als der Weihnachtsball losging, befand ich mich bereits im Himmel über den Großen Seen.

  Die drei Wochen zu Hause waren stinklangweilig, doch Langeweile war genau das, was mein gebrochenes Herz benötigte. Zum Glück überschüttete mich meine Mutter nicht mit derselben Fürsorge wie im vergangenen Sommer. Wahrscheinlich lag es daran, dass nicht nur ich mich daran gewöhnt hatte, wieder allein zurechtzukommen, sondern sie inzwischen mehr als drei Monate in ihrem verlassenen Nest ohne mich zugebracht hatte.

  Ich achtete sorgsam darauf, stets freundlich zu lächeln und meinen Eltern zu erzählen, wie gut alles auf dem College für mich lief. Außerdem bemühte ich mich, nicht in dumpfes Brüten zu verfallen. Ich meldete mich sogar freiwillig zum Plätzchenbacken mit meiner Mutter, um endlich einmal die ganzen barrierefreien Umbauten auszunutzen, die meine Familie nach dem Unfall in der Küche vorgenommen hatte. Doch sobald ich allein war – in meinem neuen Zimmer, das im Erdgeschoss lag, oder auf der Rückbank des Familienautos, von wo ich aus dem Seitenfenster starrte –, schweiften meine Gedanken jedes Mal zu Hartleys Geburtstag ab. Dann erlebte ich aufs Neue die sinnlichen Berührungen seiner Lippen und seiner Zunge, die ich am ganzen Körper gespürt hatte.

  Wie konnte es sein, dass er mich so geküsst hatte, ohne es noch einmal tun zu wollen? Offenbar hatte er nichts dabei gefühlt. Ich zwang mich, mir Stacias Wiedererscheinen noch einmal vor Augen zu führen und mich daran zu erinnern, wie leidenschaftlich er sie geküsst hatte. Ich rechnete mir sogar aus, wie viele Stunden zwischen dem Moment, in dem er in meinem Bett vor Lust gekeucht hatte, und dem Zeitpunkt vergangen waren, als er ihr seine Zunge in den Hals gesteckt hatte. Vierzehn. Mehr oder weniger.

  Immer wieder schoss mir das Wort »Lähmung« durch den Kopf. Sein Herz glich offenbar meinen gefühllosen Zehen. Mir waren Hartleys Berührungen unter die Haut gegangen, während er meine überhaupt nicht gespürt hatte.

  Meine Eltern schenkten mir zu Weihnachten einen neuen Laptop – ein kleineres, leichteres Modell –, und ich hatte eine Menge Spaß mit der Einrichtung aller Funktionen. Obwohl das Ganze natürlich nicht ohne Belehrung seitens meiner Mutter vonstattenging.

  »Die Therapeutin sagt, du sollst häufiger mit den Beinschienen gehen. Wir dachten, dann hast du an dem neuen Laptop nicht so schwer zu tragen.«

  »Danke«, sagte ich mit einem Seufzen.

  »Ich hab für die Zeit, die du hier bist, sieben Stunden im River Center gebucht.«

  »Mom! Kann ich vielleicht auch mal Ferien machen?«

  »Jedenfalls nicht von der Physiotherapie«, gab sie zurück. »Aber wenn du magst, kannst du die Stunden statt in der Halle im Pool nehmen. Damit ein bisschen Abwechslung ins Training kommt.«

  Ich stampfte mit dem sprichwörtlichen Fuß auf. »Nein! Nein, und damit basta!«

  »Corey, du benimmst dich vollkommen unvernünftig.«

  Da ich mich nicht mit ihr streiten wollte, rollte ich kurzerhand aus dem Zimmer.

  Mein Vater machte es mir auch nicht viel leichter. Er befand sich mitten in der Hockeysaison, die ich online mitverfolgte. Die Mädchen schlugen sich dieses Jahr ziemlich gut, nur dass er nicht mit mir darüber reden wollte. Als ich ihn darauf ansprach, erntete ich lediglich einsilbige Antworten.

  »Dad«, brach ich eines Abends das Schweigen, als wir alle zusammen halbwegs ungezwungen vor dem Fernseher saßen. »Hast du schon mal RealStix gespielt?«

  »Das Videospiel? Nein«, antwortete er. »Du?«

  »Das macht wirklich richtig Spaß. Mein Nachbar – der Typ mit dem gebrochenen Bein – hat es mir beigebracht.«

  »Adam Hartley?«, fragte meine Mutter. »Ich erinnere mich an ihn. Ein ziemlicher Hingucker.«

  »Marion!«, rief mein Vater lachend.

  »Ich sag’ nur, wie es ist«, erwiderte Mom, und ich musste lachen. Zum ersten Mal seit dem Unfall wirkte meine Mutter nicht angespannt.

  »Egal, wir sind befreundet«, sagte ich. »Und wir spielen jede Menge Bildschirm-Hockey. Schließlich können wir beide zurzeit nicht wirklich selbst aufs Eis.«

  Da. Jetzt war es raus.

  Mein Vater nahm die Fernbedienung und schaltete den Fernseher aus. Dann wandte er sich mir zu und betrachtete mich eine Weile schweigend.

  »Und das Spiel macht dir wirklich Spaß?«

  Ich nickte.

  Er zögerte, dann fasste er einen Entschluss. »Gut, und wo bekommt man es?«

  Wir fuhren noch am selben Abend zu Best Buy und kauften RealStix. Ein klarer Hinweis darauf, dass es bei uns daheim immer noch reichlich schräg zuging. Meine äußerst sparsamen Eltern hatten seit meinem Unfall haufenweise Geld ausgegeben. Sie hatten das Haus umgebaut und mir jedes Gerät und jede Ablenkung gekauft, auf die ich auch nur mit einem Finger gezeigt hatte. Und auch jetzt schob mein Vater kommentarlos seine Kreditkarte über den Tresen und bezahlte für eine teure Spielekonsole, obwohl gerade erst Weihnachten gewesen war.

  Natürlich wurde auch Coach Callahan im Nu ein RealStix-Fan. Und als mein Bruder Damien über das lange Neujahrswochenende nach Hause kam, spielte auch er mit. Aber ich schlug beide mit Leichtigkeit. Schließlich hatte ich vom Meister gelernt.

  Verdammt, ich dachte doch schon wieder an Hartley. Das musste aufhören.

  Hartley

  Am Silvestermorgen wachte ich nackt in etwas auf, das sich anfühlte wie eine Wolke. In Wahrheit handelte es sich jedoch nur um das riesige Gästebett im Ostflügel von Stacias hochherrschaftlichem Wohnsitz. Ich war allein, denn wie immer, wenn ich in Greenwich weilte, hatte man mir ein Einzelzimmer zugewiesen. Stacias Eltern waren nicht blöd, vermutlich war ihnen klar, dass wir miteinander schliefen. Trotzdem lag ihnen offenbar viel daran, diese Tatsache möglichst glaubhaft zu ignorieren. Ich nahm es nicht persönlich. Wenn sie so tun wollten, als würde ihr kleines Mädchen niemals den Whirlpool in ihrem Badezimmer füllen und sich langsam und gekonnt vor mir ausziehen, dann war das ihr gutes Recht. Nur gut, dass sie es am vergangenen Abend so lange auf der Dinnerparty, zu der sie eingeladen gewesen waren, ausgehalten hatten.

  Die Laken im Gästezimmer bestanden aus geradezu lächerlich weicher Baumwolle. Einmal hatte ich Stacia und ihre Mutter über die Fadenzahl diskutieren hören. Aber in Anbetracht des Umstands, dass ich einundzwanzig war und einen Schwanz besaß, war es absolut nicht infrage gekommen, einer derartigen Unterhaltung aufmerksam zuzuhören. Auch wenn ich zugeben musste, dass ihre Besessenheit von europäischer Bettwäsche etwas für sich hatte.

  Da man mir einen Tag vor Weihnachten den Gehgips abgenommen hatte, wachte ich an diesem Morgen tatsächlich splitterfasernackt auf. Die Laken strichen über meine Morgenlatte, während sich meine Füße nach Lust und Laune darin verhedderten. Vorzüglich.

  Meine Gedanken gingen auf Wanderschaft. Ich hatte mich inzwischen weitgehend erholt. Zwar tat mir das Bein am Ende des Tages noch weh und mein Aktionsradius hätte auch deutlich größer sein können. Dennoch machte ich Fortschritte. Außerdem hatte ich eine Nachricht von der Zimmervergabestelle des Colleges erhalten, in der man mir mitgeteilt hatte, dass ich im neuen Jahr kein Zimmer im Beaumont House zugewiesen bekommen würde. Mein extragroßes Einzelzimmer samt eigenem Bad und Doppelbett würde mir also vorerst erhalten bleiben.

  Als ich an McHerrin House dachte, fiel mir auch Corey ein. Was bedeutete, dass ich nackt und mit eine
m Steifen an sie dachte, was unglücklicherweise nicht zum ersten Mal passierte. In den letzten beiden Wochen hatte ich immer wieder unversehens an die Nacht in ihrem Bett und an das Gefühl ihrer Haut an meiner denken müssen. Als ich sie berührt hatte, hatte sie den erotischsten Laut von sich gegeben, den ich in meinem ganzen bisherigen Leben gehört hatte. Es war hart, ein solches Detail zu vergessen. Bretthart, um die Wahrheit zu sagen. Und wenn ich so richtig Lust hatte, mich selbst zu quälen, dann stellte ich mir den intensiven Moment früher an jenem Abend vor, als sie sich über mich gebeugt hatte und … Verflucht, das war mir durch und durch gegangen wie kaum etwas anderes zuvor. Das war dafür, dass du mich Schisser genannt hast, hatte sie gesagt. Angesichts des Feuers, das in diesem Moment in ihren Augen gelodert hatte, hätte ich beinahe den Verstand verloren.

  Warum konnte ich nicht aufhören, daran zu denken? Im Ernst, so viel war doch gar nicht passiert. Nur ein kleines Abenteuer, weiter nichts. So was machten die Leute ständig, oder? Um eine schnelle Nummer im Suff hatte es sich zugegebenermaßen allerdings nicht gehandelt. Corey bedeutete mir viel, aber das war nur zum Teil der Grund gewesen, warum ich den Stein ins Rollen gebracht hatte. Was sie mir über ihre Probleme erzählt hatte, war mir nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Deshalb hatte ich sie mehr als alles andere wissen lassen wollen, dass sie zu hundert Prozent sexy war. Und da ich mir sicher gewesen war, in der Lage zu sein, es ihr zeigen zu können, hatte ich nicht lange gezögert – nur dass ich es uns beiden gezeigt hatte.

  Da lag ich also, hart wie ein verdammtes Brett, im Haus meiner Freundin und dachte daran, wie mich ein anderes Mädchen angefasst hatte. Und weil ich noch nie im Leben mit irgendwas einfach so davongekommen war, flog im nächsten Moment die Tür auf und Stacia kam hereingeschlendert. Sie trug bereits eine enge schwarze Hose und einen weichen, kostspielig aussehenden Pullover.

  Ich räusperte mich. »Hey heißer Feger.«

  »Hey.« Sie schloss die Tür und schenkte mir ein samtenes Lächeln.

  Und da war es wieder. Das Gefühl, das mich jedes Mal überkam, wenn ich in diese luxuriösen Laken gebettet dalag und die Prinzessin von Greenwich mich ansah, als wäre ich der appetitlichste Happen, den sie in ihrem ganzen Leben gesehen hatte. Das Gefühl, dass sich das Jahr gelohnt hatte. Ihre Haselnussaugen labten sich an mir, dem Punk vom Arsch der Welt, auf dessen Geburtsurkunde kein Vater eingetragen war und dessen Kontostand höchstens die nächsten fünf Monate Pizza und Bier abdeckte. Stacias Interesse bedeutete mir etwas, worüber ich lieber nicht sprechen wollte.

 

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