Breathturn into Timestead

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Breathturn into Timestead Page 21

by Paul Celan


  lang vor der Zeit,

  laß ich die Gläserwelt – und nicht nur sie –

  Revue passieren

  und roll mich in ein steifes Segel, mastenstark,

  die Enden tief im Hohlzahn eines Ankers,

  und leg mir einen Nabel zu, zwischen den Mitten,

  aus unter fetten Sternen

  in der gerunzelten Flut,

  die sie um-eist,

  rotgehurtem

  Kork.

  * * *

  SCHIEF,

  wie uns allen,

  sitzt dir die Eine

  Hörklappe auf,

  frei,

  und das Gehörlose an dir,

  drüben, beim Schläfenfirn,

  blüht sich jetzt aus, mit Narren-

  schellen an jedem

  Kelchblatt.

  * * *

  DIE HERZSCHRIFTGEKRÜMELTE Sichtinsel

  mittnachts, bei kleinem

  Zündschlüsselschimmer.

  Es sind zuviel

  zielwütige Kräfte

  auch in dieser

  scheinbar durchsternten

  Hochluft.

  Die ersehnte Freimeile

  prallt auf uns auf.

  * * *

  UNVERWAHRT.

  Schräggeträumt aneinander.

  Das Öl rings –

  verdickt.

  Mit ausgebeulten Gedanken

  fuhrwerkt der Schmerz.

  Die koppheistergegangene Trauer.

  Die Schwermut, aufs neue geduldet,

  pendelt sich ein.

  * * *

  DAS UNBEDINGTE GELÄUT

  hinter all der gemanschten Tristesse.

  Hilfsgestänge, gedrungen,

  im zeitgeschwärzten Emblem.

  Frostfurchen der

  Devise entlang.

  All das bei halbem

  Muttermal-Licht.

  * * *

  DIE EWIGKEIT altert: in

  Cerveteri die

  Asphodelen

  fragen einander weiß.

  Mit mummelnder Kelle,

  aus den Totenkesseln,

  übern Stein, übern Stein,

  löffeln sie Suppen

  in alle Betten

  und Lager.

  * * *

  SPÄT. Ein schwammiger Fetisch

  beißt sich die Zapfen vom Christbaum,

  aufgerauht von

  Frostsprüchen

  hüpft ein Wunsch ihnen nach,

  das Fenster fliegt auf, wir sind draußen,

  nicht ebenzubringen

  der Hubbel Dasein,

  eine kopflastige,

  tiefenfreudige Wolke

  kutschiert uns auch darüber

  hin.

  * * *

  DIE SÄMLINGE – causa secunda – pachten

  das übergewisse

  pupillenhörige

  Nichts,

  das deine – warum nur? – auch heute

  hochzuckende Braue

  noch säumt, wenn ich hinseh,

  um des darunter

  veilleicht noch zu leistenden

  Augenschwurs willen.

  * * *

  DIE HÜGELZEILEN ENTLANG

  die niedlichen Streckfoltern zwischen

  Bäumchen und Bäumchen,

  geißblattumrankt,

  Dum-dum-Horizonte, davor,

  vertausendfacht, ja,

  dein

  Hör-Silber,

  Spinett,

  Tagnacht voll schwirrender Lungen,

  die

  entzweigten Erzengel schieben

  hier Wache.

  * * *

  KOMM, wir löffeln

  Nervenzellen

  – die Entengrütze, multipolar,

  der leergeleuchteten Teiche –

  aus den

  Rauten-

  gruben.

  Zehn Fasern ziehn

  aus den noch erreichbaren Zentren

  Halberkennbares nach.

  * * *

  ENTSCHLACKT, entschlackt.

  Wenn wir jetzt Messer wären,

  blankgezogen wie damals

  im Laubengang zu Paris, eine Augenglut lang,

  der arktische Stier

  käme gesprungen

  und bekrönte mit uns seine Hörner

  und stieße zu, stieße zu.

  * * *

  SEELENBLIND, hinter den Aschen,

  im heilig-sinnlosen Wort,

  kommt der Entreimte geschritten,

  den Hirnmantel leicht um die Schultern,

  den Gehörgang beschallt

  mit vernetzten Vokalen,

  baut er den Sehpurpur ab,

  baut ihn auf.

  * * *

  ANRAINERIN Nacht.

  Zwerg- und riesenwüchsig, je

  nach dem Schnitt in der Fingerbeere,

  nach dem,

  was aus ihm tritt.

  Überäugig zuweilen,

  wenn bikonkav

  ein Gedanke hinzugetropft kommt,

  nicht von ihr her.

  * * *

  MÖWENKÜKEN, silbern,

  betteln den Altvogel an:

  den Rotfleck am Unter-

  schnabel, der gelb ist.

  Schwarz – eine Kopf-

  attrappe führt es dir vor –

  wär ein stärkerer Reiz. Auch Blau

  ist wirksam, doch nicht

  die Reizfarbe machts:

  es muß eine

  Reizgestalt sein, eine ganze,

  komplett

  konfiguriert,

  ein vorgegebenes Erbe.

  . . . . . . . . . . . .

  Freund,

  teerübergoßner Sackhüpfer du,

  auch hier, auf diesem

  Gestade gerätst du

  beiden, Zeit und Ewigkeit, in die

  falsche

  Kehle.

  * * *

  IV

  IRISCH

  Gib mir das Wegrecht

  über die Kornstiege zu deinem Schlaf,

  das Wegrecht

  über den Schlafpfad,

  das Recht, daß ich Torf stechen kann

  am Herzhang,

  morgen.

  * * *

  DIE STRICKE, salzwasserklamm:

  der weiße

  Großknoten – diesmal

  geht er nicht auf.

  Auf der Schütte Seegras daneben,

  im Ankerschatten,

  neckt ein Name das

  entzwillingte

  Rätsel.

  * * *

  TAU. Und ich lag mit dir, du, im Gemülle,

  ein matschiger Mond

  bewarf uns mit Antwort,

  wir bröckelten auseinander

  und bröselten wieder in eins:

  der Herr brach das Brot,

  das Brot brach den Herrn.

  * * *

  ÜPPIGE DURCHSAGE

  in einer Gruft, wo

  wir mit unsern

  Gasfahnen flattern,

  wir stehn hier

  im Geruch

  der Heiligkeit, ja.

  Brenzlige

  Jenseitsschwaden

  treten uns dick aus den Poren,

  in jeder zweiten

  Zahn-

  karies erwacht

  eine unverwüstliche Hymne.

  Den Batzen Zwielicht, den du uns reinwarfst,

  komm, schluck ihn mit runter.

  * * *

  AUSGEROLLT dieser Tag:

  der vieltausendjährige Teig

  für den späteren

  Hunnenfladen,

  ein ebensoalter

  Kiefer, leicht verschlammt,

  gedenkt aller Frühzeit

  und bleckt gegen sie und sich selber,

  Huf-

  schläge des Vorgetiers zum

  Hefen-Arioso:

  es geht, fladenschön-singbares Wachstum,

  immer noch aufwärts,

  ein schatten-

  loser Geist, ent-

  einsamt, ein

 
; unsterblicher,

  bibbert

  selig.

  * * *

  ÖLIG still

  schwimmt dir die Würfel-Eins

  zwischen Braue und Braue,

  hält hier

  inne, lidlos,

  schaut mit.

  * * *

  IHR MIT DEM

  im Dunkelspiegel Geschauten,

  du Einer

  mit der erblickten

  stofflosen Leuchtspiegelfläche zuinnerst:

  durchs zehn-

  türmige Wüstentor tritt

  euer Boten-Selbst vor euch, steht,

  einen Dreivokal lang,

  in der hohen

  Röte,

  als wär das Volk in den Fernen

  abermals um euch geschart.

  * * *

  AUS ENGELSMATERIE, am Tag

  der Beseelung, phallisch

  vereint im Einen

  – Er, der Belebend-Gerechte, schlief dich mir zu,

  Schwester –, aufwärts

  strömend durch die Kanäle, hinauf

  in die Wurzelkrone:

  gescheitelt

  stemmt sie uns hoch, gleich-ewig,

  stehenden Hirns, ein Blitz

  näht uns die Schädel zurecht, die Schalen

  und alle

  noch zu zersamenden Knochen:

  vom Osten gestreut, einzubringen im Westen, gleich-ewig –,

  wo diese Schrift brennt, nach dem

  Dreivierteltod, vor

  der herumwälzenden Rest-

  seele, die sich

  vor Kronenangst krümmt,

  von urher.

  * * *

  DIE FREIGEBLASENE LEUCHTSAAT

  in den unter Weltblut

  stehenden Furchen.

  Eine Hand mit dem Schimmer des Urlichts

  wildert jenseits

  der farnigen Dämme:

  als hungerte noch

  irgendein Magen,

  als flügelte noch

  irgendein zu

  befruchtendes Aug.

  * * *

  KLEIDE DIE WORTHÖHLEN AUS

  mit Pantherhäuten,

  erweitere sie, fellhin und fellher,

  sinnhin und sinnher,

  gib ihnen Vorhöfe, Kammern, Klappen

  und Wildnisse, parietal,

  und lausch ihrem zweiten

  und jeweils zweiten und zweiten

  Ton.

  * * *

  DIE HOCHWELT – verloren, die Wahnfahrt, die Tagfahrt.

  Erfragbar, von hier aus,

  das mit der Rose im Brachjahr

  heimgedeutete Nirgends.

  * * *

  DIE BRABBELNDEN

  Waffen-

  pässe.

  Auf der übersprungenen

  Stufe

  räkeln sich die

  Sterbereien.

  * * *

  … AUCH KEINERLEI

  Friede.

  Graunächte, vorbewußt-kühl.

  Reizmengen, otterhaft,

  auf Bewußtseinsschotter

  unterwegs zu

  Erinnerungsbläschen.

  Grau-in-Grau der Substanz.

  Ein Halbschmerz, ein zweiter, ohne

  Dauerspur, halbwegs

  hier. Eine Halblust.

  Bewegtes, Besetztes.

  Wiederholungszwangs-

  Camaïeu.

  * * *

  NAH, IM AORTENBOGEN,

  im Hellblut:

  das Hellwort.

  Mutter Rahel

  weint nicht mehr.

  Rübergetragen

  alles Geweinte.

  Still, in den Kranzarterien,

  unumschnürt:

  Ziw, jenes Licht.

  * * *

  WIRF DAS SONNENJAHR, an dem du hängst,

  über den Herzbord

  und rudere zu, hungre dich fort, kopulierend:

  zwei Keimzellen, zwei Metazoen,

  das wart ihr,

  das Unbelebte, die Heimat,

  fordert jetzt Rückkehr –:

  später, wer weiß,

  kommt eins von euch zwein

  gewandelt wieder herauf,

  ein Pantoffeltierchen,

  bewimpert,

  im Wappen.

  * * *

  WEIL DU DEN NOTSCHERBEN FANDST

  in der Wüstung,

  ruhn die Schattenjahrhunderte neben dir aus

  und hören dich denken:

  Vielleicht ist es wahr,

  daß hier der Friede zwei Völker besprach,

  aus Tongefäßen.

  * * *

  ES IST GEKOMMEN DIE ZEIT:

  Die Hirnsichel, blank,

  lungert am Himmel,

  umstrolcht von Gallengestirn,

  die Antimagneten, die Herrscher,

  tönen.

  * * *

  LIPPEN, SCHWELLGEWEBE der Du-Nacht:

  Steilkurvenblicke kommen geklettert,

  machen die Kommissur aus,

  nähn sich hier fest –:

  Zufahrtsverbote, Schwarzmaut.

  Es müßte noch Leuchtkäfer geben.

  * * *

  V

  MÄCHTE, GEWALTEN.

  Dahinter, im Bambus:

  bellende Lepra, symphonisch.

  Vincents verschenktes

  Ohr

  ist am Ziel.

  * * *

  TAGBEWURF: die

  lichtdurchlässige Dorn-

  schläfe

  grapscht sich noch ein

  einziges taufrisches

  Dunkel.

  An der Herzspitze kommt

  eine Muskelfaser

  sinnend zu Tode.

  * * *

  REDEWÄNDE, raumeinwärts –

  eingespult in dich selber,

  grölst du dich durch bis zur Letztwand.

  Die Nebel brennen.

  Die Hitze hängt sich in dich.

  * * *

  VERWAIST im Gewittertrog

  die vier Ellen Erde,

  verschattet des himmlischen

  Schreibers Archiv,

  vermurt Michael,

  verschlickt Gabriel,

  vergoren im Steinblitz

  die Hebe.

  * * *

  BEIDER entnarbte Leiber,

  beider Todesblatt über der Blöße,

  beider entwirklichtes Antlitz.

  An Land gezogen von

  der weißesten Wurzel

  des weißesten

  Baums.

  * * *

  FORTGEWÄLZTER Inzest-Stein.

  Ein Auge, dem Arzt

  aus der Niere geschnitten,

  liest an Hippokrates Statt

  das Meineid-make up.

  Sprengungen, Schlafbomben, Goldgas.

  Ich schwimme, ich schwimme

  * * *

  ALS FARBEN, gehäuft,

  kommen die Wesen wieder, abends, geräuschvoll,

  ein Viertelmonsum

  ohne Schlafstatt,

  ein Prasselgebet

  vor den entbrannten

  Lidlosigkeiten.

  * * *

  DIE RAUCHSCHWALBE stand im Zenith, die Pfeil-

  schwester,

  die Eins der Luft-Uhr

  flog dem Stundenzeiger entgegen,

  tief hinein ins Geläut,

  der Hai

  spie den lebenden Inka aus,

  es war Landnahme-Zeit

  in Menschland,

  alles

  ging um,

  entsiegelt wie wir.

  * * *

  WEISS, weiß, weiß

  wie Gittertünche,

  reihn die Gesetze sich ein

  und marschieren

  einwärts.

  * * *

  UNBEDECKTE. Ganz und gar

  Brüstende du.

  Entflochten der Brodem vor dir,

  im Angesicht aller.

  Keines

  Atem wächst nach, Un-

  umkleidbare.

  Der Steinmützenkönig vorn<
br />
  stürzt von der Steineselskruppe,

  die Hände klamm

  vorm tittenbeschrieenen

  Antlitz.

  * * *

  DER SCHWEIGESTOSS gegen dich,

  die Schweigestöße.

  Küstenhaft

  lebst du dich fort

  in den Umschlaghäfen der Zeit,

  in Pistenpaar-Nähe,

  wo die kegelköpfige Eis-Crew

  die Abstellplätze behimmelt.

  * * *

  HAUT MAL

  Unentsühnte,

  Schlafsüchtige,

  von den Göttern Befleckte:

  deine Zunge ist rußig,

 

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