Breathturn into Timestead

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Breathturn into Timestead Page 22

by Paul Celan

dein Harn schwarz,

  wassergallig dein Stuhl,

  du führst,

  wie ich,

  unzüchtige Reden,

  du setzt einen Fuß vor den andern,

  legst eine Hand auf die andre,

  schmiegst dich in Ziegenfell,

  du beheiligst

  mein Glied.

  * * *

  DAS TAUBENEIGROSSE GEWÄCHS

  im Nacken:

  ein Denkspiel,

  mitrechnerisch-göttlich,

  für die Allonge-

  Perücke,

  ein Ort,

  zukunftsenthüllend,

  stahlfiberfroh,

  zur Erprobung

  des ein-

  maligen Herzstichs.

  * * *

  ANGEWINTERTES Windfeld: hier

  mußt du leben, körnig, granatapfelgleich,

  aufgeharscht von

  zu verschweigendem Vorfrost,

  den Schriftzug der Finsterung mitten

  im goldgelben Schatten – doch nie

  warst du nur Vogel und Frucht –

  der sternbespieenen

  Überschall-Schwinge,

  die du

  ersangst.

  * * *

  DRAUSSEN. Quittengelb weht

  ein Stück Halbabend von

  der driftenden Gaffel,

  die Schwüre,

  graurückig, seefest,

  rollen

  auf die Galion zu,

  eine

  Henkers-

  schlinge, legt sich die Zahl

  um den Hals der noch sicht-

  baren Figur.

  Die Segel braucht keiner zu streichen,

  ich Fahrensmann

  geh.

  * * *

  WER GAB DIE RUNDE AUS?

  Es war sichtiges Wetter, wir tranken

  und grölten den Aschen-Shanty

  auf die große Sonnwend-Havarie.

  * * *

  HEDDERGEMÜT, ich kenn

  deine wie Kleinfische wimmelnden

  Messer,

  härter als ich

  lag keiner am Wind,

  keinem wie mir

  schlug die Hagelbö durch

  das seeklar gemesserte

  Hirn.

  * * *

  KEIN NAME, der nennte:

  sein Gleichlaut

  knotet uns unters

  steifzusingende

  Hellzelt.

  * * *

  DENK DIR

  Denk dir:

  der Moorsoldat von Massada

  bringt sich Heimat bei, aufs

  unauslöschlichste,

  wider

  allen Dorn im Draht.

  Denk dir:

  die Augenlosen ohne Gestalt

  führen dich frei durchs Gewühl, du

  erstarkst und

  erstarkst.

  Denk dir: deine

  eigene Hand

  hat dies wieder

  ins Leben empor-

  gelittene

  Stück

  bewohnbarer Erde

  gehalten.

  Denk dir:

  das kam auf mich zu,

  namenwach, handwach

  für immer,

  vom Unbestattbaren her.

  Eingedunkelt

  BEDENKENLOS,

  den Vernebelungen zuwider,

  glüht sich der hängende Leuchter

  nach unten, zu uns

  Vielarmiger Brand,

  sucht jetzt sein Eisen, hört,

  woher, aus Menschenhautnähe,

  ein Zischen,

  findet,

  verliert,

  schroff

  liest sich, minutenlang,

  die schwere,

  schimmernde

  Weisung.

  * * *

  NACH DEM LICHTVERZICHT:

  der vom Botengang helle,

  hallende Tag.

  Die blühselige Botschaft,

  schriller und schriller,

  findet zum blutenden Ohr.

  * * *

  DEUTLICH, weithin, das offne

  Umklammerungszeichen,

  Entlassen die Liebenden,

  auch aus der Ulmwurzel-Haft,

  Schwarz-

  züngiges, reif, am Sterben,

  wird abermals laut, Beglänztes

  rückt näher.

  * * *

  VOM HOCHSEIL herab-

  gezwungen, ermißt du,

  was zu gewärtigen ist

  von soviel Gaben,

  Käsig-weißes Gesicht

  dessen, der über uns herfällt,

  Setz die Leuchtzeiger ein, die Leucht-

  ziffern,

  Sogleich, nach Menschenart,

  mischt sich das Dunkel hinzu,

  das du herauserkennst

  aus all diesen

  unbußfertigen, unbotmäßigen

  Spielen.

  * * *

  ÜBER DIE KÖPFE

  hinweggewuchtet

  das Zeichen, traumstark entbrannt

  am Ort, den es nannte.

  Jetzt:

  Mit dem Sandblatt winken,

  bis der Himmel

  raucht.

  * * *

  WIRFST DU

  den beschrifteten

  Ankerstein aus?

  Mich hält hier nichts,

  nicht die Nacht der Lebendigen,

  nicht die Nacht der Unbändigen,

  nicht die Nacht der Wendigen,

  Komm, wälz mit mir den Türstein

  vors Unbezwungene Zelt.

  * * *

  ANGEFOCHTENER STEIN,

  grüngrau, entlassen

  ins Enge.

  Enthökerte Glutmonde

  leuchten

  das Kleinstück Welt aus:

  das also warst du

  auch.

  In den Gedächtnislücken

  stehn die eigenmächtigen Kerzen

  und sprechen Gewalt zu.

  * * *

  EINGEDUNKELT

  die Schlüsselgewalt.

  Der Stoßzahn regiert,

  von der Kreidespur her,

  gegen die Welt-

  sekunde.

  * * *

  FÜLL DIE ÖDNIS in die Augensäcke,

  den Opferruf, die Salzflut,

  komm mit mir zu Atem

  und drüber hinaus.

  * * *

  EINBRUCH des Ungeschiedenen

  in deine Sprache,

  Nachtglast,

  Sperrzauber, stärker.

  Von fremdem, hohem

  Flutgang unterwaschen

  dieses

  Leben.

  * * *

  MIT UNS, den

  Umhergeworfenen, dennoch

  Fahrenden:

  der eine

  unversehrte,

  nicht usurpierbare,

  aufständische

  Gram.

  Lichtzwang

  I

  HÖRRESTE, SEHRESTE, im

  Schlafsaal eintausendundeins,

  tagnächtlich

  die Bären-Polka:

  sie schulen dich um,

  du wirst wieder

  er.

  * * *

  IHN RITT DIE NACHT, er war zu sich gekommen,

  der Waisenkittel war die Fahn,

  kein Irrlauf mehr,

  es ritt ihn grad –

  Es ist, es ist,

  als stünden im Liguster die Orangen,

  als hätt der so Gerittene nichts an

  als seine

  erste

  muttermalige, ge-

  heimnisgesprenkelte

  Haut.

  * * *

  MUSCHELHAUFEN: mit

  der Geröllkeule fuhr ich dazwischen,

  den Flüssen folgend in die ab-

  schmelzende Eis-

  heimat,

  zu ihm, dem nach wessen

  Zeichen zu ritzenden

  Feuerstein im

  Zwergbirkenhauch.

  Lemminge wühlten.
/>
  Kein Später.

  Keine

  Schalenurne, keine

  Durchbruchscheibe,

  keine Sternfuß-

  Fibel.

  Ungestillt,

  unverknüpft, kunstlos,

  stieg das Allverwandelnde langsam

  schabend

  hinter mir her.

  * * *

  MIT DER ASCHENKELLE GESCHÖPFT

  aus dem Seinstrog,

  seifig, im

  zweiten

  Ansatz, auf-

  einanderhin,

  unbegreiflich geatzt jetzt,

  weit

  außerhalb unser und schon – weshalb? –

  auseinandergehoben,

  dann (im dritten

  Ansatz?) hinters

  Horn geblasen, vor das

  stehende

  Tränentrumm,

  einmal, zweimal, dreimal,

  aus unpaariger,

  knospend-gespaltener,

  fahniger

  Lunge.

  * * *

  MIT MIKROLITHEN gespickte

  schenkend-verschenkte

  Hände.

  Das Gespräch, das sich spinnt

  von Spitze zu Spitze,

  angesengt von

  sprühender Brandluft.

  Ein Zeichen

  kämmt es zusammen

  zur Antwort auf eine

  grübelnde Felskunst.

  * * *

  IN DIE NACHT GEGANGEN, helferisch,

  ein stern-

  durchlässiges Blatt

  statt des Mundes:

  es bleibt

  noch etwas wild zu vertun,

  bäumlings.

  * * *

  WIR LAGEN

  schon tief in der Macchia, als du

  endlich herankrochst.

  Doch konnten wir nicht

  hinüberdunkeln zu dir:

  es herrschte

  Lichtzwang.

  * * *

  TRETMINEN auf deinen linken

  Monden, Saturn.

  Scherbenversiegelt

  die Umlaufbahnen dort draußen.

  Es muß jetzt der Augenblick sein

  für eine gerechte

  Geburt.

  * * *

  WER SCHLUG SICH ZU DIR?

  Der lerchengestaltige

  Stein aus der Brache.

  Kein Ton, nur das Sterbelicht trägt

  an ihm mit.

  Die Höhe

  wirbelt sich

  aus, heftiger noch

  als ihr.

  * * *

  ABGLANZBELADEN, bei den

  Himmelskäfern,

  im Berg.

  Den Tod,

  den du mir schuldig bliebst, ich

  trag ihn

  aus.

  * * *

  FREIGEGEBEN auch dieser

  Start.

  Bugradgesang mit

  Corona.

  Das Dämmerruder spricht an,

  deine wach-

  gerissene Vene

  knotet sich aus,

  was du noch bist, legt sich schräg,

  du gewinnst

  Höhe.

  * * *

  BAKEN-

  sammler, nächtlings,

  die Hucke voll,

  am Fingerende den Leitstrahl,

  für ihn, den einen an-

  fliegenden

  Wortstier.

  Baken-

  meister.

  * * *

  AUS VERLORNEM Gegossene du,

  maskengerecht,

  die Lid-

  falte entlang

  mit der eignen

  Lidfalte dir nah sein,

  die Spur und die Spur

  mit Grauem bestreun,

  endlich, tödlich.

  * * *

  WAS UNS

  zusammenwarf,

  schrickt auseinander,

  ein Weltstein, sonnenfern,

  summt.

  * * *

  II

  EINMAL, der Tod hatte Zulauf,

  verbargst du dich in mir.

  * * *

  BEILSCHWÄRME

  über uns,

  Gespräche

  mit Tüllenäxten im Tiefland –

  Inselflur du,

  mit der dich

  übernebelnden

  Hoffnung.

  * * *

  VORGEWUSST blutet

  zweimal hinter dem Vorhang,

  Mitgewußt

  perlt

  * * *

  BEI BRANCUSI, ZU ZWEIT

  Wenn dieser Steine einer

  verlauten ließe,

  was ihn verschweigt:

  hier, nahebei,

  am Humpelstock dieses Alten,

  tät es sich auf, als Wunde,

  in die du zu tauchen hättst,

  einsam,

  fern meinem Schrei, dem schon mit-

  behauenen, weißen.

  * * *

  WO ICH mich in dir vergaß,

  wardst du Gedanke,

  etwas

  rauscht durch uns beide:

  der Welt erste

  der letzten

  Schwingen,

  mir wächst

  das Fell zu überm

  gewittrigen

  Mund,

  du

  kommst nicht

  zu

  dir.

  * * *

  SEIT LANGEM bestiegener Schlammkahn.

  Ein ab-

  gesprungener

  Knopf

  tüftelt an jeder Ranunkel,

  die Stunde, die Kröte,

  hebt ihre Welt aus den Angeln.

  Wenn ich die Karrenspur fräße,

  wär ich dabei.

  * * *

  TODTNAUBERG

  Arnika, Augentrost, der

  Trunk aus dem Brunnen mit dem

  Sternwürfel drauf,

  in der

  Hütte,

  die in das Buch

  – wessen Namen nahms auf

  vor dem meinen? –,

  die in dies Buch

  geschriebene Zeile von

  einer Hoffnung, heute,

  auf eines Denkenden

  kommendes

  Wort

  im Herzen,

  Waldwasen, uneingeebnet,

  Orchis und Orchis, einzeln,

  Krudes, später, im Fahren,

  deutlich,

  der uns fährt, der Mensch,

  der’s mit anhört,

  die halb-

  beschrittenen Knüppel-

  pfade im Hochmoor,

  Feuchtes,

  viel.

  * * *

  SINK mir weg

  aus der Armbeuge,

  nimm den Einen

  Pulsschlag mit,

  verbirg dich darin,

  draußen.

  * * *

  JETZT, da die Betschemel brennen,

  eß ich das Buch

  mit allen

  Insignien.

  * * *

  EINEM BRUDER IN ASIEN

  Die selbstverklärten

  Geschütze

  fahren gen Himmel,

  zehn

  Bomber gähnen,

  ein Schnellfeuer blüht,

  so gewiß wie der Frieden,

  eine Handvoll Reis

  erstirbt als dein Freund.

  * * *

  ANGEREMPELT beim Wahngang

  von einem, der las:

  Grind und Schorf. Schorf und Grind.

  In die Schlafgrätsche gehn, o einmal.

  * * *

  WIE DU dich ausstirbst in mir:

  noch im letzten

  zerschlissenen

  Knoten Atems

  steckst du mit einem

  Splitter

  Leben.

  * * *

  HIGHGATE

  Es geht ein Engel durch die Stube –:

  du, dem unaufgeschlagenen Buch nah,

  sprichst mich

  wiederum los.

  Zweimal
findet das Heidekraut Nahrung.

  Zweimal erblaßts.

  * * *

  BLITZGESCHRECKT, unverwandelt, kaum

  gesträubt:

  Géricaults

  Pferd,

  schon

  von deinen Nadelblicken geheilt

  über und über.

  Noch hier in diesem

  Gewitter

  reitest du’s zu.

  Ein Trittstein, noch fern deinem Fuß,

  winkt mit der einen

  rötlichen

  Strähne aus meinem Bart.

  * * *

 

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