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Don't LOVE me (Die Don't Love Me-Reihe 1) (German Edition)

Page 2

by Kiefer, Lena


  Die Grundlage für den Campervan mit dem Namen Loki war ein Ford Kastenwagen gewesen, aber ich hatte ihn so verändert, dass viele das kaum noch erkannten. Nicht nur hatte ich ihn auf ein tiefes Mitternachtsblau umlackiert, sondern auch stylishere Scheinwerfer montiert, mit der Hilfe meines Dads Luken im Dach installiert und große Fenster eingebaut, vor allem in der Hecktür. So konnte man vor dem Einschlafen noch den Sternenhimmel bewundern und hatte Rundumsicht, wo immer man war. Auch den Innenausbau hatte ich selbst gemacht: Für die Arbeitsplatte in der Küche und die Akzente mit hauchdünnem Kirschholzfurnier, damit alles nicht zu schwer wurde und dennoch hochwertig aussah. Die Polster waren mit einem blattgrünen Strukturstoff bezogen, was perfekt zum Rest passte. Jedes Mal, wenn ich das Innere des Wagens sah, war ich neu verliebt.

  … und vergaß die Zeit. Schnell startete ich den Motor. Die Schule war nur zehn Minuten von der Firma entfernt, aber meine Schwester wartete bereits davor, als ich auf dem Seitenstreifen hielt.

  »Hey Leni«, sagte ich, als sie neben mir auf den Sitz sprang und mir zur Begrüßung einen Kuss auf die Wange drückte. »Sorry, dass ich zu spät bin.«

  »Macht nichts.« Eleni war gerade dreizehn geworden und damit noch in dem Alter, wo sie mich mochte und nicht für die böse große Schwester hielt, die ihr so spaßige Sachen wie Drogen nehmen oder nachts in versiffte Clubs gehen verbot.

  »Wie war deine Probe für das Theaterstück?«

  »Gut«, antwortete sie, zog dabei aber die Nase kraus.

  »Erzähl, was war los?« Ich blinkte, um mich in den Verkehr einzufädeln.

  »Ach«, seufzte sie und drehte sich eine Strähne ihrer blonden Haare um den Finger. »Unser Mister Darcy macht Probleme.«

  Ich unterdrückte ein Lachen, weil sie das so ernsthaft sagte, als wäre sie der CEO eines Multimilliarden-Unternehmens und nicht die Jane Bennet in einem Stück der städtischen Jugendtheatergruppe von High Wycombe. »Was für Probleme macht er denn?«

  »Er will Millie Monroe nicht küssen. Du weißt schon, das Mädchen, das die Elizabeth spielt. Er sagt, sie riecht nach Salami.«

  Nun musste ich endgültig lachen. »Im Ernst? Was hat er gegen Salami?«

  »Er ist Veganer«, murrte sie.

  »Veganer? Mit 13? Wow.« Manchmal fühlte ich mich wie eine alte Oma, wenn ich mitbekam, was Teenager für Ansichten hatten. Als ich 13 gewesen war, hatte ich mir über viele Dinge Gedanken gemacht, allem voran die Wahl der richtigen Klamotten und ob Foster O’Reilly mich auf meiner Geburtstagsparty endlich küssen würde, aber sicher nicht über moralisch einwandfreie Ernährung.

  »Japp«, sagte Eleni. »Und da Millie meint, nur wegen seiner Pflanzenfresserei würde sie bestimmt nicht aufhören, Salami zu essen, überlegen sie nun, ob ich Elizabeth spielen soll. Weil ich Salami ja gar nicht mag.«

  Ich hielt an einer roten Ampel und sah sie an. »Aber du willst das nicht?«

  »Ich weiß nicht. Jane ist eine gute Rolle. Ich mochte sie bei Stolz und Vorurteil immer am liebsten.« Sie machte ein unglückliches Gesicht und wirkte plötzlich sehr klein auf dem Beifahrersitz. Was eine Leistung war. Eleni und Willa, die zweite in unserer Reihe, waren ziemlich groß und äußerst schmal – während meine dritte Schwester Juliet und ich eher mit einer durchschnittlichen Körperlänge leben mussten, dafür aber immerhin den Ansatz von Hintern und Brüsten hatten. Schlank waren wir jedoch alle. Mussten die Gene sein, denn auf Essen standen wir mehr als die meisten.

  »Hm. Ich finde Elizabeth eigentlich cooler.« Ich fuhr wieder an.

  »Klar findest du das.« Eleni warf mir einen langen Blick zu. »Lizzy interessiert sich nicht für die Meinung von anderen und sagt immer, was sie denkt. So wie du.«

  »Ich bin nicht wie Lizzy Bennet«, widersprach ich. »Denn ich hätte diesen arroganten Idioten Darcy in die Wüste geschickt und ihn ganz sicher nicht geheiratet nach dem ganzen Mist, den er verzapft hat.«

  »Wir schreiben das Stück nicht um, egal, wie oft du mir das sagst«, grinste Eleni.

  »Schade eigentlich.«

  Sie seufzte. »Was denkst du darüber, Kenz? Soll ich Elizabeth spielen?«

  »Schwer zu sagen.« Ich lenkte mein Auto auf den Parkplatz des Supermarktes. »Du solltest dir überlegen, ob du gerne eine größere Rolle spielen möchtest. Und ob du Mister Darcy küssen willst, natürlich. Vielleicht riecht er nach Quinoa, ich weiß ja nicht, ob du das magst.« Ich sah grinsend zu ihr rüber und bemerkte die leichte Röte auf ihrem Gesicht. Ah, jetzt kommen wir der Sache näher. »Wer spielt ihn denn?«

  Sie druckste herum. »Du wirst das doof finden.«

  »Nein, werde ich nicht. Sag schon.«

  »Cameron.«

  »Cameron Harlow?«

  »Ja.«

  »Okay.« Ich atmete aus. Cameron war der jüngere Bruder von Miles, meinem Ex-Freund, den ich im letzten Winter abserviert hatte, nachdem er demonstriert hatte, dass man ihm weder trauen noch sich auf ihn verlassen konnte. Seither ignorierte ich ihn, wann immer wir einander in der Stadt begegneten.

  »Ich wusste, du findest es doof.« Eleni riss mich aus meinen Gedanken.

  »Das stimmt nicht. Cameron ist schließlich nicht sein Bruder. Wenn du ihn magst, ist das völlig in Ordnung für mich.« Ich drehte den Zündschlüssel und der Wagen ging aus. »Allerdings solltest du dir die Gelegenheit dann nicht entgehen lassen und die Elizabeth spielen. Denn es könnte ja sein, dass Cameron Millies Salamigeruch nur deswegen stört, weil er nicht ihr Mister Darcy sein will.«

  »Meinst du?« Die Röte wurde noch stärker.

  »Ja, meine ich.« Ich lächelte.

  »Er sagt, ich rieche nach Sommer«, hauchte Eleni leise.

  »Siehst du«, grinste ich, weil das echt kitschig war. »Er ist immerhin charmant. Das war sein Bruder nicht.« Ich packte den Griff der Tür. »Und jetzt auf zum Einkaufen. Was hältst du von Lasagne?«

  Eleni sah mich erschrocken an. »Bist du irre? Da ist Knoblauch drin! Ich habe morgen wieder Probe!«

  »Na und?«, fragte ich ungerührt und stieg aus. »Damit hat Cameron bestimmt kein Problem. Knoblauch ist schließlich vegan.«

  2

  Kenzie

  Unser Haus bebte unter den Bässen eines Songs, den ich bereits als neuestes Werk von Eminem identifizierte, bevor ich auch nur in die Nähe der Tür gekommen war. Meine Schwester Juliet hatte momentan eine sehr eigenartige Phase, was ihren Musikgeschmack betraf. Aber erst letzte Woche hatte ich noch darüber gelästert, dass sie Justin Bieber hörte. Vielleicht war ich also an dieser Kehrtwende schuld.

  »Wir sind zu Hause!«, brüllte ich ins Treppenhaus. Keine Reaktion. »Jules! Mach das leiser!« Wieder nichts. »Kannst du das einräumen?«, fragte ich Eleni, die gehorsam die Tüten in die Küche trug und den Kühlschrank öffnete. Ich schüttelte meine Sneakers von den Füßen und lief nach oben in den ersten Stock. Als ich die Tür aufriss, fiel meine Schwester fast von ihrem Stuhl.

  »Kannst du nicht anklopfen?«, maulte sie.

  »Als hättest du das gehört«, maulte ich zurück. Juliet war fünfzehn und damit anders als Eleni in dem, was die Leute ein schwieriges Alter nannten. Schon bei Willa hatte ich echte Kunststückchen aufführen müssen, um vor Dad zu verheimlichen, was sie so anstellte, aber Juliet toppte das noch. Erst letzte Woche hatte ich sie von einer Party im miesesten Viertel der Stadt abgeholt, und sie hatte so nach Gras gerochen, dass ich ihre Klamotten in die Mülltonne werfen musste. Sie bestritt zwar eifrig, selbst einen Joint geraucht zu haben, aber allein, dass sie mit Leuten rumhing, die das taten, machte mir Sorgen.

  »Was ist denn?«, fragte Juliet mich.

  »Du sollst die Musik leiser machen. Die Nachbarn kriegen sonst die Krise.«

  »Ist mir egal.«

  »Das ist schön, aber mir nicht. Oder Dad. Weil wir so etwas wie Rücksichtnahme kennen, okay? Mach es aus oder ich schmeiße den verdammten Laptop aus dem Fenster. Und ich öffne es vorher nicht.«

  Juliet verdrehte die Augen, warf ihr langes dunkles Haar zurück – ihre Protestgeste Nr. 1 – und schaltete die Lautstärke an ihrem Computer leiser.

  »Geht doch«, sagte ich. »Und jetzt geh runter, Leni
und du seid heute mit dem Kochen dran.«

  »Wieso kannst du das nicht machen? Du hast schließlich schon Ferien, während ich Aufgaben für diese dummen Zusatzkurse machen muss, zu denen du mich gezwungen hast.«

  Ich funkelte sie an. »Erstens gehst du in diese Kurse, weil du stinkfaul bist und deine Noten in Englisch und Chemie beschissen sind. Und zweitens habe ich keine Ferien, sondern arbeite bei Dad.« Meine Kurse im Kunst- und Designstudium am örtlichen College von Aylesbury waren tatsächlich seit zwei Wochen beendet, aber deswegen hatte ich trotzdem genug zu tun. Ich zeigte zur Treppe. »Du bist dran. Also Abmarsch nach unten. Sofort.«

  »Du bist eine blöde Sklaventreiberin!« Juliet schimpfte immer noch, als sie schon längst an mir vorbei war und hinunterstapfte. Ich atmete aus. Eigentlich kamen wir halbwegs miteinander aus, sogar in ihren schlimmen pubertären Phasen. Aber die Absage von Olsen hatte meinen üblichen Geduldsfaden aus Stahlseil zu einem dünnen Seidenfaserchen gemacht, das beim kleinsten Windhauch riss.

  Ich ging kurz in mein Zimmer, das ich erst im Frühjahr mit dunkelgrüner Tapete und ein paar neuen goldenen Deko-Accessoires ausgestattet hatte, und schaute aufs Handy, um der winzigen Hoffnung zu folgen, dass Olsen es sich anders überlegt hatte. Aber das Postfach zeigte mir nur zwei Newsletter und mein WhatsApp die Nachricht einer Studienkollegin, die gerade im Auslandssemester in Kapstadt war und Fotos von einer Party in die Gruppe unseres Jahrgangs stellte. Ich seufzte, fast ein bisschen neidisch. So etwas hätte ich nie machen können. Nicht, weil uns das Geld dafür fehlte – Dads Betrieb lief sehr gut. Aber ich konnte ihm meine Schwestern nicht allein überlassen. Willa war zwar gerade achtzehn geworden und damit aus dem Gröbsten raus, Juliet jedoch brauchte jemanden, der ihr Grenzen setzte, und Eleni jemanden, der sie davon abhielt, so zu werden wie Juliet. Da waren längere Abwesenheiten nicht drin.

  Ich löschte die Newsletter, dann schob ich das Telefon in meine Tasche und machte mich auf den Weg nach unten.

  »Was kann ich helfen?«, fragte ich, als ich an dem großen Küchenblock zum Stehen kam. Juliet bedachte mich mit einem finsteren Blick, aber Eleni zeigte auf den Salatkopf.

  »Kannst du den waschen?«

  »Die Zwiebeln sind nämlich längst fertig«, sagte Juliet bockig und mit roten Augen. Ich war in der Familie die Einzige, die beim Zwiebeln schneiden nicht heulen musste. Das war irgendein evolutiver Witz, ein Erbe meiner Mutter, das einen guten Partytrick abgab. Und mich grundsätzlich dazu verdammte, in der Küche für die Zwiebeln zuständig zu sein.

  Ich seufzte. »Jules, ich hatte einen Scheißtag, okay? Tut mir leid, dass ich dich so angefahren habe.«

  »Nein, war meine Schuld. Ich bin genervt von den Kursen, sorry.« Sie hob die Schultern und wir grinsten beide schief, das Zeichen, dass wieder alles in Ordnung war. Dann schnappte ich mir den Salat und kramte die Schleuder aus dem Schrank, bevor ich ihn zerteilte. Eleni schwitzte derweil die Zwiebeln an und Juliet holte die Auflaufform aus dem Vorratsraum.

  Wir Mädchen konnten alle kochen, eine Notwendigkeit, wenn der Vater einen Betrieb zu führen hatte und man nicht von Fertiggerichten leben wollte. Außerdem war Mum als Fotojournalistin auch vor ihrem Tod viel unterwegs gewesen und wir hatten uns arrangieren müssen. Mittlerweile war eine von uns vieren an einem festen Wochentag für die Mahlzeiten zuständig und Dad am fünften. Am Wochenende machten wir oft etwas zusammen oder gingen essen. Im Sommer waren wir zudem auch immer wieder campen, meist mit meinem Auto, in dem ich gemeinsam mit Eleni übernachten konnte – und dem großen Mercedes Actros von Dad, der mehrere Betten hatte.

  »Wieso hattest du einen Scheißtag?«, fragte Juliet irgendwann und sah mich über den Küchenblock hinweg an.

  »Ach, mein Job für den Sommer wurde kurzfristig abgesagt. Und jetzt weiß ich nicht, wie ich an interessante Projekte für meine Bewerbung kommen soll.«

  »Die Bewerbung für London?« Eleni drehte sich am Herd zu uns um.

  »Ja, genau.«

  »Was für ein Mist. Kannst du nicht einfach die Projekte bei Dad nehmen? Campingautos auszustatten ist schließlich auch Innendesign. Und der Schulbus oder dieser Food-Wohntruck letzten Herbst sind doch megacool gewesen.«

  Ich hob die Schultern. »Zur Not muss ich das so machen. Aber alle anderen, die zur UAL wollen, haben meist irgendwelche Praktika im Ausland gemacht. Deswegen wäre Olsen die beste Adresse gewesen, um halbwegs gleichzuziehen.«

  »Außerdem hätte Kenzie den Sohn vom Olsen klarmachen können«, sagte Juliet. »Der ist nämlich echt heiß.«

  Ich sah sie ungläubig an. »Woher weißt du das denn?«

  »Das weiß jeder. Der Typ ist der begehrteste Junggeselle unter 25 in ganz London. Und du bist doch echt hübsch, Kenz. Bestimmt gefällst du ihm.«

  »Ja, bestimmt«, lachte ich und sah an mir runter. Wie immer trug ich zerschlissene Jeans und dazu eines meiner langgeschnittenen schwarzen Shirts, das durch die vielen Wäschen längst ausgeblichen war und dessen kurze Ärmel genug Platz für mein Tattoo am Unterarm ließen. »Korrigiere mich, aber ich glaube nicht, dass reiche Schnösel auf Mädchen wie mich stehen.« Oder ich auf sie. Jungs in gebügelten Hemden und Lederschuhen waren für mich keine Kerle, sondern Ausstellungsstücke, bei deren Anblick meine Hormone komplett in Schockstarre verfielen. »Nein, danke. Ich verzichte.«

  »Ich würde ihn nehmen«, sagte Juliet versonnen. Offenbar hatte sie die Gossip-Websites sehr gründlich nach dem Olsen-Sprössling durchforstet.

  »Oh, er dich sicher auch, aber anders, als du denkst«, antwortete da Willa, die gerade zur Tür hereinkam und ihre Tasche abstellte. Sie jobbte, nachdem sie diesen Monat ihren Abschluss gemacht hatte, in einem Café in der Stadt und war oft als Letzte zu Hause – von Dad abgesehen.

  »Willy!«, rief Juliet empört. »Sag so was nicht!«

  »Wieso nicht, es ist doch wahr.« Willa runzelte die Stirn. Manchmal hätte ich den Leuten, die mich für undiplomatisch hielten, sehr gerne meine Schwester vorgestellt. Ihr fehlte jedes Gespür für vornehme Zurückhaltung. »Reiche Jungs in dem Alter wollen nicht mit dir in den Sonnenuntergang reiten, sondern nur reiten. Ohne Sonnenuntergang. Und ohne Pferd.«

  Ich warf einen besorgten Blick zu Eleni, aber die rührte zufrieden die Soße und hörte gar nicht richtig zu.

  »Das kannst du überhaupt nicht wissen«, murrte Juliet da.

  »Ach Schätzchen«, seufzte Willa und tätschelte ihre Schulter. »Du musst noch viel über Jungs lernen.«

  »Aber lass dir bitte Zeit damit«, sagte ich und warf den gewaschenen Salat in die bereitgestellte Schüssel. »Und tu mir einen Gefallen – mach einen Bogen um reiche Jungs. Ihr alle drei.« Auf Leute mit Geld war ich heute wirklich nicht gut zu sprechen. Vor allem, wenn sie Praktikumsplätze vor meiner Nase wegschnappten.

  Willa stibitzte sich ein Salatblatt und sah mich an. »Auch um reiche Mädels? Ich bin da noch nicht ganz entschieden.«

  »Auch um die. Und jetzt mach dich nützlich und deck den Tisch.« Damit scheuchte ich sie aus der Küche.

  Das Essen verlief an diesem Tag ohne größere Dramen. Wir feierten sogar ein bisschen, weil Dad den Unimog tatsächlich endlich verkauft hatte – an einen verrückten Schweizer, der bisher nicht einmal einen Führerschein dafür hatte, aber trotzdem im nächsten Jahr nach Ostasien fahren wollte. Allein an dem erfolgreichen Geschäft lag es jedoch nicht, dass mein Vater die ganze Zeit aussah wie ein kleines Kind, dem man gesagt hatte, Schokolade sei gesund. Als wir fertig waren, schaute er mich fast schon feierlich an.

  »Ich habe die Lösung für dein Problem.« Er strahlte stolz, als er sein Besteck zur Seite legte.

  »Echt?« Ein wenig skeptisch sah ich ihn an. Meistens waren seine Lösungen, wenn es um uns Töchter ging, eher absurde Ratschläge mit geringen Erfolgsaussichten. In der Firma war er ein Garant für unlösbare Probleme, aber vier Mädchen von dreizehn bis zwanzig waren keine Kunden und auch keine Campingautos.

  »Paula McCoy.« Mehr als diesen Namen sagte er nicht.

  »Paula McCoy?«, wiederholte ich. »Die Freundin von Mum?« Sie lebte noch in der Heimatstadt meiner Mutter oben in Schottland, mit ihrem Sohn Drew, der e
twas älter war als ich. Beide hatten uns öfter besucht, als Mum noch am Leben gewesen war, und Drew und ich folgten einander auf Instagram. Seit der Beerdigung hatte ich jedoch weder ihn noch seine Mutter gesehen.

  Mein Vater nickte. »Genau die. Du erinnerst dich vielleicht nicht, aber sie hat eine Agentur für Innendesign in Kilmore. Vielleicht kannst du ihr im Sommer über die Schulter schauen und ein paar interessante Projekte begleiten.«

  »Interessante Projekte? In Kilmore ?« Ich verzog das Gesicht. Die Heimatstadt meiner Mum war echt idyllisch, sie lag am Rande der Highlands direkt an einem See und hatte exakt den Charme, den man von einer schottischen Kleinstadt erwartete. Aber wenn Paula dort Aufträge hatte, dann nur das Aufhübschen eines Wohnzimmers oder die Ausstattung eines Ferienhauses. Das machte bestimmt Spaß, genau wie der Ausbau von Campern. Nur war es leider überhaupt nicht das, was ich für meine Mappe brauchte.

  Dad ließ nicht locker. »Das ist eine tolle Stadt, sehr geschichtsträchtig und es kommen viele Touristen. Du weißt doch, dass Mum und ich uns dort im Supermarkt kennengelernt haben, oder?«

  »Ich weiß«, lächelte ich. »Sie hat dich direkt vor den Kühlschränken mit den Getränken angesprochen und gefragt, wie schlecht dein Tag auf einer Skala von Cola bis Whiskey war.« Ich leierte die Worte herunter, weil ich sie schon so oft gehört hatte.

  Mein Dad lächelte liebevoll und gleichzeitig traurig. »Und damit hatte sie mich.«

  Es wurde kurz still am Tisch, und ich konnte förmlich sehen, wie sich Trauer über uns legte. Juliet schob die Reste ihrer Lasagne auf dem Teller herum, Eleni drehte ihr Wasserglas und Willa aß viel zu hastig die Salatschüssel leer. Weil ich diese stumme Melancholie hasste und sie nie lange aushielt, kam ich auf das ursprüngliche Thema zurück.

  »Ich glaube nicht, dass Paula die richtige Idee ist, Dad. Das sind doch eher kleinere Jobs da oben im Norden.« Wahrscheinlich telefonierte ich morgen mal die Agenturen in London ab, vielleicht war irgendwo jemand kurzfristig abgesprungen. Als ob.

 

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