Don't LOVE me (Die Don't Love Me-Reihe 1) (German Edition)
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»Du hast die Stadt vergessen, in der jeder Bewohner mich hasst.«
Was er sagte, kam ziemlich ernst heraus. Aber ich dachte nur daran, wie er vor seiner Cousine mit mir geredet hatte – und dass es mich so unglaublich wütend machte, wie ich auf sein nettes Getue hereingefallen war, als wäre ich ein dummes Huhn ohne Verstand.
»Schon mal überlegt, dass du das verdient hast?«, warf ich ihm an den Kopf.
Lyall zuckte zusammen, als hätte ich ihm eine schallende Ohrfeige gegeben. Er trat einen Schritt zurück.
»Ja«, sagte er bitter. »Wahrscheinlich habe ich das.«
Er ging zur Tür und hielt sie mir demonstrativ auf, ein unmissverständlicher Rauswurf. Ich nahm meine Sachen und stürmte hinaus.
Als ich halb auf dem Weg zum Aufzug war, hörte ich, wie sie hinter mir lautstark ins Schloss fiel.
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Lyall
Ich erledigte alle Aufgaben in den nächsten Tagen ohne Murren, schenkte dem Bürgermeister mein Sonntagslächeln – so wie jedem anderen in der Stadt – und sah keine Frau zwischen 18 und 80 länger als zwei Sekunden an. Doch es änderte nichts. Niemand behandelte mich zwar so offensichtlich unfreundlich wie Carson, aber das heimliche Getuschel und die vielen feindseligen Blicke begleiteten mich auf Schritt und Tritt. Bis zu einem gewissen Grad konnte ich das verstehen, schließlich hatte ich damals wirklich Mist gebaut. Aber dass sie so taten, als wäre ich der Inbegriff des Bösen, kotzte mich trotzdem an.
Irgendwie ging die erste von acht Wochen in Kilmore trotzdem herum, und als Samstag war, ließ es mich aufatmen, dass ich endlich mal niemandem begegnen musste. Ich würde einfach in meiner Suite bleiben, zeichnen und planen, später Sport machen und dann was zu essen aus der Hotelküche holen, um mir einen Film anzusehen.
»Lyall, bist du da?« Es klopfte. Ich wollte öffnen, aber da kam Fiona bereits herein, ein süffisantes Grinsen im Gesicht und eine Mappe in der Hand. »Mum lässt ausrichten, du sollst zu Gavina, um den Auftrag für die Wilson-Hochzeit in drei Wochen durchzugehen.«
Ich verdrehte die Augen und senkte den Blick wieder auf den Laptop mit den Plänen vor mir.
»Dann richte du doch deiner Mutter aus, dass Blumen nicht mein Ding sind und sie Gavina einfach anrufen soll.«
Fiona spitzte die Lippen. »Würde ich ja echt gerne, aber ich habe mitbekommen, dass Grandma morgen per Telefonkonferenz im Rat über dich sprechen will. Und sie würde doch wirklich total ungerne hören, wie wenig ernst du diese Ich-werde-ein-besserer-Mensch-Sache nimmst.«
Am liebsten hätte ich ihr den Hals umgedreht, aber stattdessen nahm ich ihr die Mappe aus der Hand. »Okay«, murmelte ich. Wenn der Rat über mich reden wollte, hatte ich keine andere Wahl. Schließlich war mein Ziel, so bald wie möglich Teil davon zu werden.
Fiona war aber noch nicht fertig.
»Oh, und was dieses Mädchen angeht, das neulich bei dir war …« Meine Cousine verzog das Gesicht. »Das ist hoffentlich nicht dein Ernst. Nicht einmal du kannst so dämlich sein, deine Zukunft für jemanden aufs Spiel zu setzen, der so gewöhnlich ist.«
Ich maß Fiona mit einem unterkühlten Blick, während es in mir kochte. »Wie ich dir schon sagte, sie war hier wegen ein paar Tipps zu ihrem Entwurf. Sonst nichts.«
Fiona lachte auf. »Ja, sicher. Ich habe vielleicht nicht so eine beeindruckende Statistik wie du, Cousin, aber ich erkenne trotzdem, wenn du ein Auge auf jemanden wirfst. Du hast niemanden mehr so angesehen, seit Ada –«
»Wehe, du sagst auch nur ein Wort mehr«, unterbrach ich sie drohend.
»Warum denn nicht?« Fiona sah mich interessiert an. »Weil du vergessen willst, was du getan hast? Oder weil du glaubst, diese Kenzie könnte dich davon heilen?«
Weder noch. Aber ich sagte nicht, dass ich nie vergessen würde, was passiert war. »Kenzie ist kein Thema für mich.« Nach unserer letzten Begegnung war das keine Lüge.
»Weiß sie das auch? So, wie sie dich angeschmachtet hat, bin ich mir da nicht so sicher. Ich habe ja erwartet, dass du keine acht Wochen durchhältst. Aber schon am dritten Tag, Lyall?« Fiona schnalzte mit der Zunge. »Sei mir lieber dankbar, dass ich vorbeigekommen bin und dich vor einer Dummheit bewahrt habe. Allerdings bin ich sicher, wir haben trotzdem bald das Vergnügen, dich aus dem Stammbaum zu streichen.«
Ich schnaubte. »Klar. Darauf wartest du doch nur. Schließlich musst du uns alle aus dem Stammbaum streichen, damit du die Klügste am Tisch bist.«
Fiona wurde rot vor Wut. Diese Sorte Anspielungen trieb sie immer zur Weißglut. »Irgendwann fliegt dir diese Sache mit Ada um die Ohren«, zischte sie. »Und dann werde ich in der ersten Reihe stehen und applaudieren. Was denkst du, wie toll es ist, wenn nicht einmal deine Schwester mehr mit dir reden darf?«
Ihr Zorn sprang bei der Erwähnung von Edina auf mich über wie ein Funke. Drohend machte ich einen Schritt auf sie zu, und obwohl Fiona eine beeindruckende Größe hatte, musste sie zu mir aufsehen.
»Vorsicht, Fi«, sagte ich schneidend, »es wird der Tag kommen, an dem du und ich herausfinden werden, wer von uns skrupelloser sein kann. Und glaub mir, wenn es so weit ist, wird niemand auftauchen, um dich zu retten. Nicht deine Mum. Nicht Grandma. Da werden nur wir beide sein, und du wirst feststellen, dass es eine richtig beschissene Idee war, dich mit mir anzulegen.« Das unsichere Flackern in Fionas Augen war Antwort genug, also trat ich zurück. »Verschwinde. Komm nie wieder in dieses Zimmer, ohne dass ich es dir erlaube. Und rede nie wieder über Ada.«
Fiona holte Luft, aber der Ausdruck in meinen Augen ließ sie verstummen. Wir Hendersons konnten gnadenlos sein, das galt für mich noch mehr als für sie. Und der Plan meiner Cousine war es zwar, mich zu ärgern, aber sicher nicht, mich zu ihrem Feind zu machen. Deswegen würde sie auch nichts über dieses Gespräch zu Moira sagen, da war ich sicher. Die Blöße, mich auf diese Weise zu verpfeifen, gab sie sich nicht.
Sie warf mir einen letzten tödlichen Blick zu und ging. Nachdem sie verschwunden war, trat ich ans Fenster, lehnte meinen Kopf dagegen und atmete durch. In dieser verfluchten Stadt zu sein, schaffte mich. Ich schlief schlecht, seit ich hier war, aber es war nicht nur, weil ich in Kilmore ständig daran denken musste, was mit Ada geschehen war – auch die Möglichkeit, in diesem Sommer auf mehr als eine Art zu scheitern, schnürte mir die Luft ab. Zwar arbeitete ich seit Jahren im Verborgenen daran, den Kurs dieser Familie zu ändern, aber die Anfeindungen in Kilmore setzten mir mehr zu, als ich erwartet hatte. Was, wenn ich es nicht schaffte, sie zu überzeugen? Wenn in sieben Wochen das Urteil fiel, dass ich meine Chance nicht genutzt hatte? Den Gedanken konnte ich kaum ertragen.
Und was Kenzie anging … Schon mal überlegt, dass du das verdient hast? Die Erinnerung an ihre Worte ließ gleichermaßen Zorn und Scham in mir aufsteigen. Unsere Auseinandersetzung geisterte ständig durch mein Hirn, ohne dass ich sie klären konnte. Denn auch wenn ein Teil von mir es wollte – es war die Gelegenheit, Abstand zwischen uns zu bringen.
Ich hatte den fatalen Fehler begangen, sie in meine Suite einzuladen. Beinahe hatte ich alles riskiert, nur weil mich dieses Mädchen so wahnsinnig anzog. Dieser Moment, als sie direkt vor mir gestanden und mich angesehen hatte … sie hatte wahrscheinlich keine Ahnung, wie verlockend ihr Blick, ihr Lächeln oder ihre leise ausgesprochenen Worte gewesen waren. Obwohl ich die Störung in dem Augenblick verflucht hatte, ich musste Domhnall dankbar sein – denn wenn er nicht aufgetaucht wäre, hätte ich garantiert nicht widerstehen können.
Mir war völlig klar: Das durfte nicht noch einmal passieren. So unerträglich Fiona war, sie hatte mich gerade wieder daran erinnert, dass hier viel mehr auf dem Spiel stand als nur meine Zukunft.
Mein Handy auf dem Schreibtisch klingelte. Als ich sah, wessen Gesicht auf dem Display zu sehen war, griff ich eilig danach.
»Edina«, seufzte ich aus tiefstem Herzen. »Kannst du Gedanken lesen?«
»Natürlich«, antwortete meine Schwester fröhlich. »Deswegen weiß ich auch, dass du dein Exil heute besonders scheiße findest, und dachte, ich rufe an, statt dir nur Bilder vom Strand zu schicken.«
Ich musste lachen. »Dein Feingefühl ist legendär
. Wie ist es auf den Bahamas?«
»Ach, du weißt schon. Sand, Palmen, blaues Meer, eine Mutter, die im Kreis rennt … das Übliche.«
»Ich dachte, ihr wolltet Urlaub machen.« Meine Schwester hatte gerade ihren Schulabschluss in Strathallan gemacht, und weil sie Jahrgangsbeste geworden war, hatte unsere Mutter versprochen, mit ihr zwei Wochen wegzufahren.
Edina schnaubte. »Du kennst doch Mum. Sie kann in keinem ihrer Hotels sein, ohne etwas zu arbeiten. Wenn es wenigstens dieser Barkeeper wäre, an den sie Hand anlegen würde –«
»Zu viel Info, Edie«, unterbrach ich sie.
»… dann wäre es ja okay.« Meine Schwester redete weiter, als hätte ich nichts gesagt. »Aber stattdessen sind es Kissen und Gemälde und Beistelltische. Und alles ist unmöglich arrangiert, wie können die nur, haben die denn überhaupt kein Gespür für Ästhetik, alles muss man selbst machen, blabla. Ich schätze aber, in ein oder zwei Tagen hat sie die Belegschaft genug in den Wahnsinn getrieben und kommt ein bisschen runter.«
Ich spürte, wie mein Herz leichter wurde, nur weil ich Edina am Hörer hatte. Normalerweise verbrachten wir unsere Sommer zusammen, aber dieses Jahr nicht. Der Familienrat hatte vorsorglich verfügt, dass weder meine Schwester noch mein Cousin Finlay längere Zeit in Kilmore sein sollten. Die Begründung war, dass es die Bewohner an frühere Ferien erinnern würde und ich es damit schwerer haben würde, sie vom Gegenteil zu überzeugen. Vielleicht stimmte das sogar, aber ich merkte, wie sehr mir die zwei fehlten. Wenn potenzielle Freunde die eigenen Geheimnisse am Ende doch an die Presse verkauften und die meisten Verwandten immer auch Konkurrenten waren, brauchte man Verbündete – und diese beiden waren genau das. Mit Edina hatte ich meine Kindheit verbracht, mit Finlay die Zeit danach, weil er mit mir in Eton gewesen war. Sie liebten mich, wie ich war, genau wie umgekehrt. Und oft brauchten wir gar nicht viel zu sagen, um einander zu verstehen.
»Du hast in den letzten Tagen nicht zufällig mit Fin gesprochen, oder?«, fragte ich meine Schwester.
»Wir reden nicht oft, das weißt du doch.« Sie klang plötzlich etwas weniger fröhlich. »Aber er wird einfach in New York bei seinem Praktikum so viel zu tun haben, dass er nicht dazu kommt. Hast du gar nichts von ihm gehört?«
»Er schickt mir manchmal Bilder von irgendwelchen Gebäuden, aber sonst nichts. Ich vermisse seine ellenlangen Sprachnachrichten fast ein bisschen.« Finlay neigte dazu, bei so etwas auszuschweifen.
»Na, er weiß ja, wo du bist. Das heißt, er wird sich bald melden.« Edina schwieg einen Moment, und ich ahnte, was jetzt kam. »Wie geht’s dir, Lye? Wie sehr setzen die dir zu?«
Ich antwortete nicht sofort. Sollte ich es herunterspielen, damit Edie sich keine Sorgen machte? Oder ehrlich sein, so wie sonst auch?
»Es ist auszuhalten«, wählte ich einen Mittelweg.
»Du meinst, solange du nicht in die Stadt musst oder Fiona vor deiner Tür steht?«
Mir entfuhr ein bitteres Lachen. »Die war vor fünf Minuten noch hier und hat genervt. Zum Glück ist sie lange nicht so tough, wie sie immer tut.«
»Hast du ihr gedroht? Sei lieber vorsichtig. Wenn sie zu Moira geht –«
»Keine Sorge, ich habe sie nur ein bisschen eingeschüchtert«, wiegelte ich ab. »Sie wird nicht petzen, dann müsste sie ja zugeben, dass sie nicht allein zurechtkommt.«
»Deswegen kann sie dich trotzdem hinter deinem Rücken sabotieren, Lyall. Und du kannst dir keine Feinde leisten. Wir können uns das nicht leisten.«
Edina klang nicht wie meine achtzehnjährige Schwester, sondern eher wie die Stabschefin einer Supermacht. Aber so weit entfernt war das gar nicht. Wenn unser Vorhaben gelang, würden wir in ein paar Jahren nicht nur das Sagen in unserer Familie, sondern auch in der Henderson Group haben. Für Edina war es fast noch wichtiger als für mich, dass sich etwas änderte. Deswegen war sie meine wichtigste Verbündete in diesem Krieg, der momentan noch im Geheimen stattfand.
»Ich kriege das hin«, sagte ich. »Vertrau mir.«
»Das tue ich. Aber ich weiß auch, dass du dazu neigst, dir Feinde zu machen. Und das ist in Kilmore eine echt schlechte Idee.« Edina holte Luft. »Was tut denn der fackeltragende Mob?«, fragte sie dann in leichterem Ton. »Sind sie schon vor dem Grand aufmarschiert und haben deinen Kopf gefordert?«
»Nicht öffentlich, nein. Aber die warten nur darauf, dass ich all ihre Vorurteile bestätige. Moira behauptet zwar dauernd, sie wollen eigentlich daran glauben, dass ich ein anderer bin, aber ich weiß es besser. Sie lauern förmlich auf eine Wiederholung. Oder ein Geständnis.« So nett die Bewohner von Kilmore waren – und das konnten sie wirklich sein – so unerbittlich zeigten sie sich, wenn man es sich mit ihnen verscherzte.
»Dann gib ihnen keinen Grund.« Edina war pragmatisch wie immer.
»Ich gebe mir alle Mühe.«
»Alle Mühe?«, horchte sie auf. »Was soll das heißen?«
»Gar nichts, Edie.« Klar, ich hätte ihr erzählen können, was Kenzie in mir auslöste – wie sie allein durch ihre bloße Anwesenheit etwas geweckt hatte, das sehr tief vergraben gewesen war. Aber warum hätte ich das tun sollen? Die Sache war erledigt.
»Ich glaube dir kein Wort«, holte mich meine Schwester aus den Gedanken. »Aber völlig egal, wer sie ist, lass die Finger von ihr. Du weißt, dass Grandma dich sonst bis ans Ende ihrer Tage dafür bestraft. Und sie wird in ihrem Testament verfügen, dass dich danach jemand anders bis ans Ende deiner Tage bestraft. Vermutlich die Ehefrau, die sie noch zu Lebzeiten für dich ausgesucht hat.«
»Mach dich locker«, bremste ich sie. »Ich arbeite seit über zwei Jahren an unserer Freiheit, okay? Ich werde das sicher nicht riskieren.«
»Gut so«, sagte sie. »Es sind schließlich nur acht Wochen. Jetzt sogar nur noch sieben. Und danach darfst du zurück nach Chicago und deine Durststrecke hat ein Ende. Wie heißt diese Brünette noch mal, mit der du die Laken zerwühlst? Sarah? Seila? Sienna?«
»Alles richtig«, sagte ich lapidar. »Seila ist allerdings nicht brünett. Zumindest glaube ich das.«
»Haha.« Meine Schwester klang sarkastisch. »Das ist so stereotyp, Lye.«
»Was soll ich machen, wenn Grandma mir keine Wahl lässt«, gab ich zurück. Wobei das nicht die ganze Wahrheit war. Es lag nicht an den Familienstatuten, dass ich mich von allem fernhielt, das Gefühle beinhaltete. Es lag vor allem an mir. An dem, was der letzte Versuch mit mir gemacht hatte. Ich gab das vor Edina nicht zu, aber ich hatte eine Scheißangst davor, dass es wieder so endete. Deswegen waren mir die gelegentlichen Bettgeschichten ohne Bedeutung nur recht. Man kam auf seine Kosten, ohne groß etwas investieren zu müssen.
»Das hat ja hoffentlich bald ein Ende. Noch drei Jahre, maximal vier, dann bin ich mit dem Studium fertig und wir können loslegen.« Meine Schwester sagte es wie ein Mantra. Ich wusste, wie sehr sie darauf hoffte, dass die aktuellen Herrschaftsverhältnisse sich änderten. »So lange müssen wir noch durchhalten.«
Ich nickte. »Das werden wir schon.« Dann fiel mir etwas ein, um das ich sie vor dem Urlaub gebeten hatte. »Hast du Mum eigentlich wegen Jamie gefragt?«
»Ja, gestern. Sie hat ein bisschen rumgedruckst, weil sie ihn schon vor einer Weile aus den Augen verloren hat. Moira hat Verdacht geschöpft, dass sie ihn sucht, und sie darauf angesprochen.«
»Fuck«, stieß ich aus. »Und weiter?«
»Nichts weiter. Mum hat sich rausgeredet, dass sie nur wissen wollte, ob Jamie noch lebt. Schließlich sei er ihr Bruder, und auch wenn sie keinen Kontakt zu ihm haben dürfe, mache sie sich trotzdem Sorgen um ihn. Du weißt, wie Mum reden kann, sie hat das geregelt. Aber seitdem ist es schwierig geworden, an Jamie dranzubleiben, weil Grandma ihr auf die Finger guckt.«
Ich seufzte. »Sobald Finlay sich meldet, rede ich mit ihm. Er hat sicher eine Idee, wie wir Jamie helfen können, ohne dass es jemand merkt.«
»Ja, mach das.« Edina sagte es neutral, fast schon unbeteiligt. Aber bevor ich fragen konnte, wie es ihr momentan ging, rief sie jemandem was zu und sprach dann wieder in den Hörer. »Mum hat sich doch tatsächlich von ihren Glasvasen losreißen können, dass ich das noch erleben darf. Kann ich dich
allein lassen?«
»Klar«, beruhigte ich sie. »Mach dir keinen Kopf.«
»Okay. Aber wenn nicht, dann ruf mich an. Oder fahr nach Edinburgh und reiß irgendwas auf.«
Ich lachte. »Das ist genau der Tipp, den meine kleine Schwester mir geben sollte.«
»Ach komm schon, seit ich dich im letzten Winter bei dem Benefiz-Turnier in St. Lucia mit dieser Tennisspielerin erwischt habe, ist mir nichts mehr heilig, Bruderherz. Du kannst froh sein, dass ich nicht schwer traumatisiert vom Anblick deines nackten Hinterns bin.«
»Oh ja, das war sicher schlimm für dich.« Ich musste grinsen. »Vor allem, weil du den nur gesehen hast, weil du selbst auf der Suche nach einem ungestörten Ort warst. Mit dem Verlobten einer anderen Spielerin, wenn ich das richtig erinnere.«
»Ich glaube nicht, dass die Beziehung sonderlich ernst war. Sie sollten mir dankbar sein, dass ich sie zerstört habe, bevor sie viel Geld für den Scheidungsanwalt ausgeben mussten.« Edina lachte.
»Du solltest eine Geschäftsidee daraus machen, so oft, wie das vorkommt.« Ich schüttelte den Kopf über die Vorliebe meiner Schwester für vergebene Leistungssportler. Dann erinnerte ich mich daran, dass unsere Mutter auf sie wartete. »Grüß Mum von mir, Edie.« Ich atmete aus. »Und danke, dass du angerufen hast.«
»Jederzeit, Lye. Ich hab dich lieb.« Damit legte sie auf.
Kaum war die Verbindung getrennt, schrieb ich Finlay eine Nachricht, denn das mit meinem Onkel Jamie machte mir Sorgen. Dann stand ich auf, tauschte Pullover und Jeans gegen meine neue Uniform aus Hemd und Anzughose und machte mich bereit für eine weitere Runde Wer-hasst-Lyall-am-meisten . Es half schließlich nichts, es aufzuschieben.
Die Stadt war mehr als belebt. Touristen schoben sich gemächlich durch die Sträßchen und die Bewohner machten ihre Besorgungen. Ich merkte, wie ich mit jedem Blick, der mich traf, angespannter wurde, aber ich hielt dennoch beharrlich auf die Tür von Gavinas Geschäft zu.