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Don't LOVE me (Die Don't Love Me-Reihe 1) (German Edition)

Page 11

by Kiefer, Lena


  Wie immer, wenn ich einen Laden betrat, wurde es still, so auch heute. Aber die Blumenhandlung war besonders schlimm, denn schließlich hatte sie in dem verhängnisvollen Sommer hier gearbeitet – Ada . Das Mädchen, wegen dem mir das kollektive Misstrauensvotum sicher war. Ich straffte die Schultern und bemühte mich um ein freundliches Lächeln.

  »Guten Morgen, Gavina.«

  »Hallo, Lyall.« Sie zwang sich ebenfalls zu einem Lächeln. Klar, kaum jemand hier wagte es, mich direkt und vor aller Augen abstrafen. Dazu hatte man zu viel Respekt vor dem, was mein Nachname in dieser Stadt bedeutete. Aber trotzdem war Gavinas Blick voller Unbehagen, vielleicht sogar Angst. Wenn ich daran dachte, dass sie mir früher immer Blumen für meine Mum geschenkt hatte … es machte mich traurig und wütend, wie schnell man ein Urteil über mich gefällt hatte, ohne die ganzen Fakten zu kennen.

  »Ich bin im Auftrag des Grand hier, wegen der Wilson-Hochzeit in drei Wochen«, sagte ich und hielt die Mappe in meiner Hand hoch.

  Gavina winkte rasch ab. »Nicht nötig, ich werde mit Moira einfach später telefonieren.«

  Ich unterdrückte ein Seufzen. »Gavina, können wir das bitte einfach durchgehen? Es dauert auch nicht lange.« Wenn ich ohne bestätigten Auftrag zurück ins Hotel kam, hieß es wieder, ich würde mich nicht genug anstrengen. Himmel, wie ich es hasste, von Moiras Wohlwollen abhängig zu sein. Oder die Rolle des in Ungnade gefallenen, nun geläuterten Prinzen zu spielen, der das Volk milde stimmen sollte. Ich war immer stolz darauf gewesen, authentisch zu sein. Aber nun war ich nur noch eine Spielfigur, von deren nächstem Zug alles abhing.

  »Hey, Henderson«, sagte jemand hinter mir drohend. »Sie hat gesagt, sie ruft deine Tante an. Hast du das nicht gehört?«

  Ich drehte mich um. »Das wird dich wundern, Delaney, aber meine Ohren funktionieren ausgezeichnet.« Natürlich war es Aaron Delaney, Sohn des örtlichen Immobilienmaklers und selbst ernannter Beschützer von Witwen und Waisen. Keiner außer ihm wäre so dumm gewesen, mich in aller Öffentlichkeit anzugehen.

  »Warum machst du dann nicht einen Abgang? Niemand will dich hier.«

  Oh, du hast keine Ahnung, wie gerne ich das tun würde. Einfach den nächsten Flug buchen und verschwinden, um diese ganze Scheiße hinter mir zu lassen. Aber das konnte ich nicht sagen. Ich durfte nicht unfreundlich sein. Und ehrlich schon gar nicht.

  »Musst du nicht zu irgendeiner Wohnungsbesichtigung, Delaney?«, fragte ich gelangweilt. Wieder ging das Getuschel los, leise und zischend, als würde irgendwo im Blumenladen ein Schlangenkorb stehen.

  »Nein, gerade nicht. Ich passe lieber auf, dass du dir kein neues Opfer suchst.«

  Ich sah ihn spöttisch an, mein Vorsatz, nicht unfreundlich zu werden, wackelte bedenklich. »Oh, ich bin sicher, Gavina ist sicher vor mir.«

  »Gavina vielleicht.« Aaron ließ nicht locker. Er verschränkte die Arme und baute sich vor mir auf, was lächerlich wirkte, weil er beinahe einen Kopf kleiner war und definitiv nicht oft zum Sport ging. Nur wusste er, ich würde ihn nicht angreifen. Nicht hier vor allen Leuten. »Aber andere nicht.«

  Als wäre es ein einstudiertes Theaterstück und kein Zufall, sah ich in diesem Moment durch das seitliche Schaufenster und entdeckte dort Kenzie auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Ich hatte keine Ahnung, was man in meinem Blick lesen konnte, aber als ich wieder zu Aaron schaute, war sein Gesichtsausdruck noch misstrauischer als vorher.

  »Glaub mir, ich habe kein Interesse an ihr.« Immerhin war Kenzie diesmal nicht dabei, als ich diese Worte sagte – zum wiederholten Mal, als würden sie wahr, wenn ich sie nur oft genug aufsagte.

  »Das will ich dir auch geraten haben«, antwortete Aaron abfällig. »Sie hat schließlich ihre Mutter verloren. Wenn sie etwas nicht brauchen kann, dann jemanden, der ihr auch noch den Rest ihres Lebens versaut.«

  Zustimmendes Gemurmel folgte diesen Worten, Wut sammelte sich in mir, aber ich drückte sie mit aller Gewalt weg. Selbst als ich Adas getuschelten Namen hörte, blieb ich stumm, obwohl alles in mir die Leute so gerne angebrüllt hätte, ob sie eigentlich wüssten, was die Wahrheit war. Aber stattdessen holte ich Luft und wandte mich in ruhigem Ton an die Blumenhändlerin. »Gavina, wir sollten jetzt wirklich den Auftrag durchgehen.« Dann konnte ich immerhin verschwinden, bevor die Situation eskalierte.

  Gavina widersprach nicht, offenbar spürte sie, dass es die beste Idee war, der Anspannung so schnell wie möglich zu entkommen. Ich trat an den Tresen und reichte ihr die Mappe. Da hörte ich in meinem Rücken, wie Delaney jemandem leise etwas zuflüsterte.

  »Wenn du mich fragst, sollte er im Knast sitzen. Oder in der Klapse. Da gehören Typen wie er nämlich hin.«

  Ich erstarrte und drehte mich dann langsam zu ihm um, fixierte ihn mit meinem Blick.

  »Sag das noch mal«, forderte ich ihn leise auf.

  Delaney sah mich an, in seinen Augen flackerte Angst. Trotzdem hob er das Kinn. »Ich sagte, Leute wie du gehören hinter Gitter.«

  »Ach ja?« Ich neigte nicht zu körperlicher Gewalt, mir reichten Worte meistens aus. Aber in diesem Moment wollte ich nichts anderes tun, als mich auf ihn zu stürzen und ihm seine dumme Visage zu vermöbeln. Ich hatte längst einen Schritt auf ihn zugemacht, um diesen Plan in die Tat umzusetzen, da ertönte die Türglocke.

  »Wow, das ist ja voll hier. Gibt es heute was umsonst?«

  Ausgerechnet Kenzies Stimme war es, was die zum Bersten gespannte Atmosphäre zerriss. Sie stand in der Tür, ein unbekümmertes Lächeln auf dem Gesicht – aber in ihren Augen sah ich genau, dass sie nicht zufällig hier reingekommen war.

  Es war einige Tage her, dass wir uns gesehen hatten, aber sie hatte nichts von ihrer Wirkung auf mich verloren. Auch jetzt reagierte mein Körper extrem auf sie, so als würde alles um uns herum verschwimmen, sobald sie in meiner Nähe war. Ich wusste nicht, warum, aber das war in diesem Moment auch vollkommen egal. Ich musste hier weg, so schnell wie möglich. Bevor irgendjemand es bemerkte.

  Blindlings stürmte ich aus dem Laden um die nächste Ecke und rannte dabei fast Schneider Evan um, der gerade in die Straße einbog. Eine gemurmelte Entschuldigung, ohne hinzusehen, dann lief ich weiter. Bis mich ein Ruf in meinem Rücken bremste.

  »Lyall!«

  Ich wollte weiterlaufen, aber die ehrliche Sorge in Kenzies Stimme hielt mich an Ort und Stelle, ohne dass ich daran etwas ändern konnte.

  »Alles in Ordnung?«

  Ich drehte mich um und sah sie an – und wusste, jedes einzelne Augenpaar dieser Stadt war im Moment auf uns gerichtet. Wenn etwas noch verbotener war, als uns im Hotel zu erwischen, dann war es, mit Kenzie hier gesehen zu werden, wo jeder Passant, Ladenbesitzer und Bewohner nur darauf lauerte, dass genau so was passierte.

  »Alles bestens«, sagte ich daher so abweisend wie möglich. »Kümmere dich einfach um deinen eigenen Mist, okay?« Dann drehte ich mich um und verschwand um die nächste Ecke.

  Ich begann zu rennen, beschleunigte, sobald ich auf dem Pfad abseits der Einkaufsstraße war, und lief wie der Teufel durch das Waldstück zum Hotel. Viele der Gäste saßen im Park, daher machte ich einen Umweg und ging über die Seitentür hinein. Vier Treppen, dann konnte ich die rettende Zimmertür hinter mir schließen. Wobei rettend relativ war – es würde keine halbe Stunde dauern, bis Moira hier auftauchte, um zu fragen, was zur Hölle passiert war. Also zog ich hastig meine Klamotten aus und Laufsachen an, machte mir nicht die Mühe, meine Sportschuhe zu öffnen, sondern schlüpfte einfach hinein, und war nach zwei Minuten wieder draußen vor der Tür.

  Ich war längst warm von der Flucht aus der Stadt, also legte ich an Tempo zu und lief von Kilmore weg in Richtung Wald, wo ein verschlungener Weg den Loch Lair entlangführte. Er war mein Ziel, wenn auch eher auf Umwegen. Denn das war es, womit ich mich am besten auspowern konnte: laufen und schwimmen. Glücklicherweise gab es dafür in Kilmore ideale Bedingungen, denn bis zum Loch waren es nur ein paar Hundert Meter, und die Laufstrecke am Ufer war nie besonders stark frequentiert. Keine Stadtbewohner, keine missbilligenden Musterungen, keine Erinnerungen an Ada, keine Kenzie, nur wilde Natur, mein Körper und mein Geist.

  We
nn ich mit dieser Runde fertig war, würde ich so erschöpft sein, dass mir alles egal war – sogar die Standpauke meiner Tante. Wenn ich nur lange genug lief und schwamm, mich so sehr anstrengte, bis ich all meine restliche Kraft dazu brauchte, um aufrecht zu stehen, dann endlich, endlich würden die Gedanken Ruhe geben.

  11

  Kenzie

  Es ist Samstag. Und ich habe frei.

  Das waren meine ersten Gedanken, als ich aufwachte und an Lokis Dachhimmel sah. Draußen war es sonnig, nach den letzten wechselhaften Tagen hatten sie gutes Wetter gemeldet, und ich musste weder den Großeinkauf erledigen noch für die Uni lernen, jemanden irgendwo hinfahren oder mir um das Abendessen Gedanken machen. Ich hatte einfach nur frei, das erste Mal seit Ewigkeiten. Ich konnte tun, was ich wollte – oder auch gar nichts. Wie himmlisch.

  Während ich mir einen Kaffee machte und mich mit etwas zu lesen wieder ins Bett verkrümeln wollte, fiel mein Blick auf mein Skizzenbuch, das ich auf der Arbeitsfläche abgelegt hatte … und ich dachte unweigerlich an Lyall.

  Es war mehrere Tage her, seit wir diese Auseinandersetzung gehabt hatten, und seither hatte ich Wut im Bauch und ein schlechtes Gewissen – abwechselnd oder auch gleichzeitig. Manchmal dachte ich, meine Worte wären die angemessene Antwort gewesen für Lyalls arrogantes Verhalten vor Fiona, aber eigentlich wusste ich, dass ich übers Ziel hinausgeschossen war. Das war nicht typisch für mich. Ich war zwar ehrlich und direkt, aber ich versuchte grundsätzlich, niemanden zu verletzen. Und ich hatte gewusst, dass es ihn verletzen würde, wenn ich ihm an den Kopf warf, dass er den Hass von Kilmore verdiente. Genau deswegen hatte ich es ja gesagt.

  Eigentlich klärte ich so etwas gerne. Aber wir waren uns seither nicht begegnet – und die Tatsache, dass er nicht weniger ätzend gewesen war als ich, hinderte mich daran, an die Tür seiner Suite zu klopfen. Vielleicht auch der Gedanke, dass ich immer in diese spezielle Gefahr geriet, wenn wir allein waren. Ich war hier, um mich auf mein Praktikum zu konzentrieren. Und Lyall bedeutete Ärger, so oder so. Deswegen hielt ich mich lieber fern, solange es ging.

  Meine Lektüre lenkte mich von den Gedanken an ihn ab, aber irgendwann hatte ich keine Lust mehr zu lesen, wenn draußen schönstes Sommerwetter auf mich wartete. Also schnappte ich meinen Duschbeutel und machte mich auf den Weg zu den Waschräumen. Da es an diesem Morgen nicht geregnet hatte, standen die nicht unter Wasser, und mit Drews endlosem Vorrat an Duschmünzen ging meine Morgentoilette fast als Wellnessbehandlung durch. Währenddessen machte ich mir einen Plan, was ich heute tun wollte. Neben nichts war da noch die Idee, den im Nachbarort gelegenen Scone Palace zu besichtigen – das Krönungsschloss der schottischen Könige und garantiert ein Hort an Inspiration für meine Entwürfe. Dann wollte ich meinen Schwestern in der Stadt noch etwas von dem leckeren Karamellkonfekt kaufen, das Paula mir diese Woche mitgebracht hatte, und endlich ein Care-Paket losschicken, das bereits ein paar Souvenirs, ein Outlander -Geschirrtuch und eine Miniatur von Nessi enthielt – Juliet mochte so etwas, obwohl sie es nie zugegeben hätte.

  Auf dem Weg zurück zu Loki grüßte ich die Morrisons, denen ich gestern meine Parzelle abgetreten hatte, um ihr beleidigtes Camperherz doch noch für mich zu erwärmen, und zog mich dann an. Endlich konnte ich eine meiner kurzen Shorts aus dem Fach befreien, dazu nahm ich ein locker fallendes Top ohne Ärmel. Wenn es mal über 20 Grad hatte, musste man das ausnutzen.

  In der Stadt war einiges los, und im Kilmore Sweets stand ich etwas an, bis ich an der Reihe war. Als ich den Laden schließlich verließ – diesmal ohne eine neue Geschichte über meine Mum, denn Ladenbesitzerin Annabeth war erst vor fünf Jahren hergezogen – überlegte ich, noch zum Buchladen zu gehen. Bestimmt hatte das Books in Love eine hübsche Schmuckausgabe von Stolz und Vorurteil , die ich Eleni schicken konnte.

  Auf dem Weg dorthin klingelte mein Handy und ich zog es aus der Tasche. Willa stand auf dem Display. Ich schob mir den Henkel der Einkaufstüte über die Schulter und nahm den Anruf an.

  »Willy? Ist etwas passiert?«

  Meine Schwester stöhnte genervt auf. »Kannst du nicht einmal mit einem ganz simplen Hallo drangehen, so wie normale Leute auch? Sei doch nicht so eine verdammte Glucke, Kenz.«

  Sie hatte recht. Ich war gerade mal eine Woche weg und hatte trotzdem ständig Angst, dass zu Hause alles den Bach runterging. »Hallo, Willy«, zwang ich mich zu einem zweiten Versuch. »Was gibt es?«

  »Geht ganz schnell. Eleni hat heute Dad gefragt, ob sie endlich die Reitstunden nehmen darf, die er ihr schon vor Monaten versprochen hat. Und er meinte, sie soll das mit dir abklären. Ich rufe nur deswegen an, weil sie Angst hat, dass du Nein sagst.«

  Jetzt hätte ich fast gestöhnt. Ich hatte gehofft, dass Eleni das längst vergessen hatte. Und warum Dad es ihr versprochen hatte, verstand ich bis heute nicht. Er wusste genauso gut wie ich, dass sie einfach keinen guten Gleichgewichtssinn hatte. Bei ihrem letzten Reitversuch vor ein paar Jahren war sie gestürzt und hatte danach einen Huf abgekriegt. »Die Angst hat sie zu recht, denn ich sage Nein. Sie soll sich irgendeinen anderen Sport aussuchen. Vorzugsweise einen, bei dem keine Fluchttiere beteiligt sind.«

  »Okay, richte ich aus. Stell dich aber auf ein paar bettelnde Textnachrichten ein. Ihre Freundin Clara reitet nämlich neuerdings auf einem Hof in Downley und will sie mitnehmen.«

  »Leni wird es überleben. Eigentlich stehen die Chancen dafür sogar besser, wenn sie sich nicht auf ein Pferd setzt.«

  »Ich sag’s ihr«, seufzte Willa. »Miles war übrigens neulich hier, als er seinen Bruder vorbeigebracht hat. Er wollte wissen, wie es dir geht und was du so machst.«

  »Oh, klasse.« Das machte er nur, weil er wusste, dass ich nicht da war. Sonst hätte er sich das niemals getraut. »Wenn er mal wieder da ist, kannst du ihm ausrichten, er soll in der Hölle schmoren. Nackt.«

  »Langsam muss ich mir Notizen machen«, sagte Willa sarkastisch.

  Ich wollte ihr gerade eine passende Antwort geben, als mein Blick auf den Blumenladen von Gavina fiel, der auf der anderen Straßenseite lag. Hinter der Scheibe entdeckte ich Lyall. Sofort ging mein Puls nach oben.

  »Kenz? Bist du noch dran?« Willas Stimme klang blechern aus dem Telefon in meiner Hand. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass ich es vom Ohr genommen hatte.

  »Ja, klar«, murmelte ich, während mein Gefühl mir sagte, dass da irgendetwas nicht stimmte. Bei Gavina war es selten so voll – und Lyall nicht gerade der Liebling der Stadt. Was machte er dort?

  »Starrst du gerade einen gut aussehenden Schotten im Kilt an oder hast du ein Einhorn gesehen?«, zog mich meine Schwester auf.

  »Er trägt keinen Kilt«, sagte ich automatisch und wusste sofort, ich hatte einen Fehler gemacht.

  »Ohh, du hast also keine Zeit vergeudet, finde ich gut«, sagte Willa begeistert. »Du solltest echt ausnutzen, dass dir gerade keiner von uns auf die Nerven geht.«

  Ich grinste. »Ihr geht mir nicht auf die Nerven, Willy.«

  »Ach komm, wir wissen beide, dass du lügst. Schließlich mache ich gerade deinen Job und die beiden Quälgeister nerven mich ganz furchtbar.« Willa lachte. »Erzähl mir was von dem ominösen Fremden. Ist er heiß? Hast du ihn schon im Kilt gesehen? Und wenn er jetzt gerade keinen trägt, bedeutet das, er ist nackt?«

  »Ja, nein und nein«, antwortete ich und behielt den Blumenladen im Blick. Lyall redete mit einem anderen Typen, der ebenso wenig freundlich dreinschaute wie er. »Und da läuft rein gar nichts, denn er ist zwar heiß, aber auch ein arroganter Idiot.« Von dieser unglaublichen Anziehung zwischen uns wollte ich Willa lieber nichts erzählen. Eigentlich redeten wir immer über Jungs, aber es war besser, wenn ich nicht weiter daran dachte, was Lyall Henderson in mir auslöste – in jeder Hinsicht.

  »Kenzie, so fangen die besten Liebesgeschichten an, das ist dir klar, oder?«

  »So fangen nur total dämliche Liebesgeschichten an«, murrte ich. »Und meine garantiert nicht.«

  »Schade. Sonst hättest du endlich rausfinden können, ob die Schotten was drunter tragen.«

  »Das weißt du längst, weil Mum es uns erzählt hat.« Das war eine sehr denkwürdige
Episode in unser aller Leben gewesen, als Willa mit elf Jahren am Esstisch erklärt hatte, sie hätte da eine wichtige Frage.

  »Ja, ich dachte nur, du könntest das mal verifizieren«, antwortete meine Schwester unschuldig. »Vielleicht bei diesem arroganten Idioten.« Sie betonte die Beleidigung, als wäre sie etwas Unanständiges. Wenn du wüsstest.

  »Sobald ich irgendeinen Mann im Kilt treffe, werde ich ihn lüften und dir dann Bescheid sagen.« Ich grinste, aber nur, bis ich mich wieder zu Gavinas Laden drehte, den ich aus den Augen gelassen hatte. Hinter den großen Scheiben konnte ich deutlich erkennen, wie Lyall mit wütendem Ausdruck auf den kleineren Typen zuschritt. Oh, verdammt. »Ich rufe wieder an«, beendete ich das Gespräch und lief dann eilig zur Tür von Gavinas Geschäft.

  »Wow, das ist ja voll hier«, sagte ich, als ich drin war, und lächelte, als hätte ich keine Ahnung, was vor sich ging. »Gibt es heute was umsonst?«

  Lyall fuhr in seiner Bewegung herum und sah mich an, in seinem Blick so viele verschiedene Regungen, dass ich keine Ahnung hatte, was gerade tatsächlich in ihm vorging. Aber bevor ich noch etwas sagen konnte, war er längst aus dem Laden gestürmt. Ich folgte meinem ersten Impuls und lief hinterher.

  »Lyall!«, stoppte ich ihn, als er schon an der Schneiderei vorbei war. »Alles in Ordnung?«

  Er blieb stehen, aber es war, als würde er es nicht freiwillig tun. Dann drehte er sich zu mir um. »Alles bestens«, sagte er unfreundlich. »Kümmere dich einfach um deinen eigenen Mist, okay?« Damit ließ er mich stehen und verschwand um die nächste Ecke.

  »Alles klar«, murmelte ich leise und sah ihm nach, maximal verwirrt. Eigentlich hätte ich diesen kurzen Wortwechsel als eindeutigen Hinweis verstehen müssen, keinen Gedanken mehr an ihn zu verschwenden. Aber selbst, wenn das möglich gewesen wäre … sein Gesichtsausdruck hätte es verhindert. Lyall hatte gehetzt ausgesehen, fast so, als habe er einen Geist gesehen. Es war beunruhigend gewesen, ihn, der nie etwas anderes als souverän auf mich gewirkt hatte, in einem solchen Zustand zu erleben. Und ich hätte unseren Streit für den Moment vergessen, um ihm zu helfen – wenn er mich gelassen hätte. Aber er war noch schneller verschwunden als vor ein paar Tagen, als ich ihm vor den Latz geknallt hatte, er würde den Hass dieser Stadt verdienen.

 

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