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Don't LOVE me (Die Don't Love Me-Reihe 1) (German Edition)

Page 29

by Kiefer, Lena


  Schweigen am anderen Ende, der Schlag saß. Ich wusste, Moira hatte die erzwungene Trennung von ihrem jüngsten Bruder nie wirklich verkraftet, auch wenn sie letzten Endes ihm dafür die Schuld gab. »Ich erwarte dich morgen zurück«, sagte sie weniger souverän als gewohnt. »Und kümmere dich um die Sache mit dem Mietwagen.« Dann legte sie auf und ich atmete aus. Gerade noch mal gut gegangen.

  Ich entschied mich für Schokoriegel und Chips, versenkte mein gesamtes Kleingeld in dem Automaten und kehrte dann vollbeladen zu Kenzie und ihren Schwestern zurück. Nur waren die nicht mehr allein: Bei ihnen stand ein großer Mann, dessen Gesichtszüge Ähnlichkeit mit denen von Willa hatten. Er erklärte seinen Töchtern gerade etwas mit ernster Miene und ich wollte schon den Rückzug antreten, als Kenzie mich entdeckte und heranwinkte. Ich ließ meine Einkäufe auf eine Sitzbank in der Nähe fallen und ging zu ihr.

  »Eleni geht es besser.« Sie strahlte und griff nach meiner Hand. Ich spürte, wie mein Magen sich auf die angenehmste Art zusammenzog. Scheißegal, wie wir das hinkriegen sollten, aber ich würde mir dieses Mädchen nicht aus dem Kopf schlagen. Niemals.

  »Das sind tolle Nachrichten. Aber was ist denn nun die Diagnose?«

  »Sie hat ein Schädel-Hirn-Trauma, aber sie wird wieder ganz gesund«, antwortete Kenzies Vater. »Ihre lange Bewusstlosigkeit wird in den nächsten Tagen noch untersucht. Aber sie kommt wieder völlig in Ordnung.« Dann streckte er die Hand aus. »Du musst Lyall sein. Ich bin Thomas, der Dad dieser verrückten Crew.«

  »Es freut mich, Sie kennenzulernen, Mister Stayton.« Ich ergriff die Hand von Kenzies Vater und ließ auch seine Musterung über mich ergehen. Als er lächelte, war mir jedoch klar, dass er nicht die Sorte Familienoberhaupt war, das die Jungs reihenweise von seiner Türschwelle verjagte. Das war beruhigend.

  »Und mich erst.« Sein Händedruck war kräftig, genau wie der seiner Tochter. »Stimmt es, dass ihr mit einem Privatflugzeug hergekommen seid?«

  Ich hob die Schultern. »Das ist keine große Sache, Sir.« Dann fiel mir auf, wie versnobt das klang. »Dieses Flugzeug wurde vermutlich schon für viele unsinnige Zwecke eingesetzt. Es hat sich bestimmt gefreut, mal etwas Gutes zu tun.«

  Mister Stayton lachte und klopfte mir auf die Schulter. »Ich hätte nicht geglaubt, dass es jemanden geben könnte, der meine Kenzie tatsächlich verdient. Aber wer einen Jet kapert, um sie hierher zu bringen, belehrt mich wohl eines Besseren.«

  Darauf wusste ich nun wirklich nichts zu sagen. Willa schon.

  »Wirst du rot?« Kenzies Schwester grinste mich an.

  »Niemals«, gab ich zurück und wusste, sie wollte mich nur aufziehen. Nach den Wochen in Kilmore, wo mir die Menschen nur Ablehnung entgegenbrachten, war es vollkommen ungewohnt, einfach akzeptiert zu werden. »Wolltest du nicht etwas essen?« Ich zeigte auf die Wartebank mit den Snacks.

  Willa sah erst mich, dann das Angebot aus ungesundem Kram und schließlich Kenzie an. »Du hast meine Erlaubnis, ihn zu behalten«, sagte sie dann und nickte gnädig in meine Richtung.

  Ihre Schwester lachte. »Gut zu wissen, Willy.«

  Eine Ärztin kam aus Elenis Zimmer und holte Mister Stayton zu einem Gespräch über die weitere Behandlung seiner Tochter, und Kenzies Schwestern stürzten sich auf Chips und Schokolade, entschieden aber dann, dass sie vorher noch eine Runde Kaffee besorgen wollten. Kenzie und ich waren die Einzigen, die zurückblieben. Sie seufzte.

  »Tut mir leid, meine Familie ist manchmal etwas anstrengend.«

  Ich legte die Arme um ihre Mitte. »Sie sind nicht anstrengend, sie sind herrlich normal. Eine Million Mal normaler als meine Familie. Außerdem sind sie dafür, dass du mich behältst, also mag ich sie.«

  Jetzt war es Kenzie, die tatsächlich rot wurde. »Was Willa da gesagt hat, nimm das bloß nicht so ernst.«

  Ich hob eine Augenbraue und lächelte. »Natürlich nehme ich das ernst. Ich hoffe nämlich auch darauf, dass du mich behältst.« Nach den letzten zwei Tagen gab es für mich keinen Zweifel mehr, dass ich mit Kenzie zusammen sein wollte. Nichts in meinem Leben hatte sich bisher so gut angefühlt wie alles mit ihr – das Reden, das Lachen, der Sex. Was immer noch auf uns zukommen würde, im Moment verdrängte ich es einfach. So gut es ging.

  Sie streckte sich und küsste mich sanft, fast schon zaghaft. »Dein Ernst?«, fragte sie leise.

  »Mein Ernst.« Ich nickte und küsste sie ebenfalls, nur viel weniger zaghaft. Aber als ich die Augen danach öffnete, fiel mein Blick auf einen Schatten am Ende des Flures. War dort jemand gewesen, der uns beobachtet hatte? Jetzt war niemand mehr zu sehen, trotzdem war ich alarmiert. Ich war zu oft von Fotografen verfolgt worden, um zu wissen, wie sie sich verhielten.

  »Was ist?«, fragte Kenzie.

  »Warte hier«, antwortete ich nur. Dann lief ich los, bog um die nächste Ecke … und stand auf einem leeren Flur. Komisch. Wahrscheinlich hatte ich mir das nur eingebildet.

  »Lyall?« Kenzie kam zu mir und sah mich besorgt an. »Alles okay?«

  »Alles bestens, ich habe nur Gespenster gesehen.« Ich lächelte beruhigend.

  »Wir dürfen jetzt zu Eleni. Kommst du mit? Ich weiß zwar nicht, ob sie so viel gutes Aussehen in ihrem Zustand verkraftet, aber … ich würde sagen, wir riskieren es.«

  »Solltet ihr das nicht allein machen? Sie kennt mich doch gar nicht.« So etwas war eine Sache für die Familie.

  »Ach was, wir Staytons sind da nicht so. Sie wird sich freuen, glaub mir. Jetzt, wo ich die offizielle Erlaubnis habe, dich zu behalten.« Sie grinste.

  »Okay. Dann los.« Ich küsste sie schnell, dann ließ ich mich von ihr mit zu der entsprechenden Tür ziehen. Aber bevor ich hindurchging, klingelte mein Telefon und ich sah meine Schwester auf dem Display.

  »Geh vor, ich komme nach«, sagte ich zu Kenzie, und mit einem besorgten Blick verschwand sie. »Edie, was gibt es?«

  »Wo bist du, Lye?« Sie klang todernst.

  »In London«, antwortete ich ehrlich. »Ist was passiert?« Bitte nicht. Wir hatten doch wirklich genug Stress für heute gehabt.

  Meine Schwester atmete tief ein. »Ich habe vorhin eine Nachricht von Grace McGregor bekommen, sie ist gerade in Paris auf einer Party und meinte, Finlay wäre auch dort.«

  »Wo ist das Problem? Fin ist ständig auf irgendwelchen Partys.« Er hatte nichts davon gesagt, dass er nach Paris wollte, aber oft genug entschied er so etwas spontan.

  »Ja, aber nicht so«, sagte Edina, und ich hörte die Sorge in ihrer Stimme. »Ich schick dir das Bild.«

  Ich nahm das Handy vom Ohr und wartete, bis das Foto da war, eine Aufnahme von besagter Party in einem Loft mit schwachem Licht. Ich hätte allerdings die Person darauf überall erkannt – selbst wenn sie wie auf diesem Bild über einen Tisch gebeugt war, vor sich mehrere Linien aus weißem Pulver. Mit einem Schlag war mir eiskalt.

  »Fuck.« Finlay schlug manchmal über die Stränge, aber Drogen waren nach dem, was mit Jamie passiert war, für uns alle ein No-Go. Wieso tat er das? Wieso jetzt?

  »Bitte, Lye, du musst irgendwas machen«, flehte mich meine Schwester an. »Ich würde selbst hinfliegen, aber ich glaube nicht, dass er … dass ich …«

  »Nein, keine gute Idee. Ich kümmere mich darum.« Was war das eigentlich für ein furchtbarer Tag, der eine Katastrophe nach der nächsten brachte? »Schick mir die Adresse. Ich bin mit dem Jet von Greg hier, er hat bestimmt nichts dagegen, wenn ich damit noch bis Paris fliege.«

  »Danke«, stieß Edina aus. »Und sag Fin … nein, sag ihm nichts. Aber melde dich, wenn du ihn da rausgeholt hast, okay?«

  »Mach ich.« Ich legte auf. Im gleichen Moment kam Kenzie aus Elenis Krankenzimmer.

  »Hey, wo bleibst du denn, wir …« Sie brach ab, musterte mich und schien meine Anspannung zu bemerken. »Du musst weg, richtig?«

  Ich nickte. »Finlay ist in Paris völlig abgestürzt und ich muss ihn abholen. Ist das in Ordnung?«

  »Natürlich.« Sie streckte die Hand aus und strich mir über die Wange. »Du hast dafür gesorgt, dass ich bei meiner Familie sein kann, jetzt kümmere dich um deine.«

  »Bist du sicher?« Ich hatte kein gutes Gefühl dabei, si
e allein zu lassen. Eigentlich konnte ich mir nach den letzten Tagen kaum vorstellen, nicht in ihrer Nähe zu sein.

  »Todsicher.« Sie grinste, weil sie sich daran zu erinnern schien, womit dieses Wort verknüpft war – mit deutlich besseren Erlebnissen als dem Herumstehen auf einem Krankenhausflur. Deutlich heißeren Erlebnissen.

  »Okay. Ich melde mich, sobald ich in Paris bin.« Ich küsste sie auf eine Weise, die verhindern sollte, dass sie mich bis zu unserem Wiedersehen vergaß. Dann war ich auch schon auf dem Weg zum Ausgang.

  »Hier ist es. Vielen Dank.« Ich reichte dem Taxifahrer einen Schein nach vorne und stieg aus, um die letzten beiden Straßen zu laufen. Mein Ziel lag mitten im 7. Arrondissement in Paris, einer der teuersten Gegenden der Stadt.

  Das exklusive Haus an der Rue Jean Nicot lag ruhig da, als ich es durch den Haupteingang betrat. Dem Portier musste ich meinen Namen nicht sagen, er fragte mich nur auf Französisch, ob ich zur Party wolle, und ließ mich dann nach oben. Ich fuhr mit dem Aufzug hinauf, betrat die Wohnung und versuchte, mich zu orientieren. Bässe vibrierten dumpf durch den Raum direkt in meinen Brustkorb, der charakteristische Mix aus teurem Parfüm, Alkohol und frischem Schweiß stieg mir in die Nase – und mir wurde klar, wie lange ich nicht mehr auf einer solchen Party gewesen war. In Chicago feierte ich zwar auch, aber das waren normale Studentenpartys, wo sich niemand dafür interessierte, wer man war und aus welcher Familie man stammte. Hier war das anders. Deswegen musste ich Finlay so schnell wie möglich wegbringen. Bevor irgendjemand der Presse verriet, dass er sich hier aufhielt und Kokain nahm.

  »Hey, das ist eine Privatparty.« Ein Typ mit britischem Akzent und einem 500-Pfund-Hemd rempelte mich an. »Kenne ich dich?«

  Ich konnte es ihm nicht verübeln, dass er fragte. In meinen Jeans und der Kapuzenjacke sah ich unter diesen Leuten in ihren teuren Outfits aus, als wäre ich einer der Penner, die es auf Paris’ Straßen zuhauf gab.

  »Ich bin Lyall Henderson«, sagte ich. Und jetzt lass mich durch, bevor ich dich dazu bringen muss.

  Wie erwartet, hob der Typ beide Hände und machte einen Schritt zurück. »Oh wow, Mann, ich hatte ja keine Ahnung, dass noch einer von euch hier auftaucht. Herzlich willkommen. Die Küche ist voll mit Alkohol und anderem Zeug. Bedien dich.«

  Ja, genau, anderes Zeug. Ich wusste, was das war. Denn auf dieser Sorte Partys gab es am Buffet Kokain, MDMA oder Amphetamine wie bei normalen Leuten Fingerfood und Mini-Desserts im Glas. Angst drückte mir die Kehle zu. Hoffentlich kam ich nicht zu spät, um Schlimmeres zu verhindern.

  Ich ließ die Küche links liegen und bahnte mir hastig einen Weg durch die Leute. Lange suchen musste ich nicht. Auf einer Couch, links und rechts ein Mädchen im kurzen Glitzerkleid im Arm, saß mein Cousin.

  »Heyyy, der Lyallinator ist da!«, jubelte er begeistert, als er mich sah. Sofort sprang er auf und umarmte mich überschwänglich. »Was machst du denn hier? Woher wusstest du, wo ich bin? Ach, ist ja auch völlig egal! Lass uns feiern!«

  Ich fasste ihn am Arm. »Die Party ist für dich vorbei«, zischte ich ihm zu und checkte eilig, ob ich irgendwelche Leute sah, die ihr Handy gezückt hatten, um etwas zu posten. Zum Glück waren diese Feiern sehr exklusiv und die Fotos immer gestellte Selfies, keine Skandal-Pics. Die Reichen lieferten einander nicht der Presse aus. »Wir gehen jetzt.«

  »Was? Nein!« Finlay machte sich los. »Wir fangen gerade erst an! Komm schon, bleib ein bisschen, Lye. Ich geb dir auch eine von den Ladies ab.« Er lächelte die beiden charmant an und sie nahmen daraufhin mich ins Visier. Okay, wir mussten hier weg. Schnell.

  Ohne ein weiteres Wort packte ich Finlay und nahm ihn mit in Richtung Tür. Er wehrte sich gegen meinen festen Griff, aber ich ließ ihn nicht los, bis wir im Flur waren. Das war mein Vorteil – ich war schon immer stärker gewesen als er. Aber dummerweise glaubten Leute auf Koks, sie wären unbesiegbar.

  »Lass mich los!« Finlays Faust traf mich am Kiefer, bevor ich reagieren konnte. Ich taumelte zurück, der Schlag hatte gesessen. Kurz war ich versucht, mich zu revanchieren, vielleicht half es ja. Dir oder ihm? Aber dann schob ich Finlay kurzerhand den Flur hinunter.

  »Abmarsch«, knurrte ich und drückte auf den Knopf für den Aufzug. Mein Cousin ließ sich davon nicht beeindrucken.

  »Was zur Hölle soll das, Lyall?«, schnauzte er mich an. »Du bist nicht meine Mum!«

  »Nein, denn deine Mum würde dich direkt einen Kopf kürzer machen, wenn sie das wüsste!«, brüllte ich. »Was soll diese Scheiße, Fin? Warum tust du das? Du weißt doch, was auf dem Spiel steht!«

  »Das geht dich nichts an! Es ist mein Leben, okay? Dein dämlicher Plan ist nur dein Ding, nicht meins!« Er drehte sich um und wollte zurück in die Wohnung, aber ich zerrte ihn einfach in den Aufzug und hielt ihn fest, bis die Türen sich schlossen. Kaum waren sie zu, sank Finlay in sich zusammen und ich sah, wie sein Blick etwas klarer wurde. Wahrscheinlich ließ die Wirkung des Kokains langsam nach. Er presste die Lippen aufeinander und sagte kein Wort mehr, bis wir unten ankamen. Aber er leistete auch keine Gegenwehr, als ich mit ihm das Haus verließ und in Richtung Seine ging. Die Luft war zwar nicht gerade frisch, schließlich waren wir in einer Großstadt und es war August. Aber das Laufen würde ihm guttun.

  »Willst du mir sagen, was los ist?«, fragte ich zwanzig Minuten später, die Finlay in der Dunkelheit schweigend neben mir hergestapft war. »Was bringt dich dazu, alles zu riskieren? Wenn jemand das irgendwo postet, dann bist du dran!« Er schwieg weiterhin und mir kam ein Gedanke. Ein Gedanke, der mich stocken ließ. »Moment … wolltest du das etwa?« Ich starrte ihn an und sah in seinen Augen, dass ich recht hatte. Am liebsten hätte ich ihm jetzt eine verpasst. »Du wolltest, dass sie dich erwischen? Warum, zur Hölle?«

  »Weil es dann vorbei wäre«, sagte er leise. »Wenn man mir den Kontakt zu euch allen verbietet, dann auch den zu ihr .«

  Die Hoffnungslosigkeit in seiner Stimme schnürte mir den Hals zu. Denn das Mädchen, von dem wir hier redeten, war niemand anders als Edina – meine Schwester und seine Cousine. Edina, die Finlay bereits seit über drei Jahren liebte, obwohl er es nicht durfte. Genau wie umgekehrt.

  Eine Beziehung zwischen ihnen war rechtlich nicht verboten, sie waren nicht in direkter Linie verwandt. Aber auch wenn Edina und Finlay nicht mal gemeinsam aufgewachsen waren, sich sogar kaum gesehen hatten, bis sie beide Teenager gewesen waren und sich ineinander verliebt hatten … die Familie verbot ihnen, zusammen zu sein, weil dieses Thema moralisch so aufgeladen war. Deswegen gab es keine Chance für die beiden. Zumindest momentan nicht. Aber vielleicht bald.

  »Ihr müsst nur noch ein bisschen durchhalten«, beschwor ich ihn. »In drei oder vier Jahren –«

  »Drei oder vier Jahre bringen uns nichts!«, rief er. »Selbst wenn alles so klappt, wie du es dir vorstellst … Dora wird niemals für uns stimmen!«

  »Woher willst du das wissen?«

  »Edina und ich haben den Rat um eine Entscheidung gebeten. Erst gestern. Wir hatten das vorher nie offiziell gemacht, weil alle so ausgerastet sind, als sie vor drei Jahren mitbekommen haben, wie es anfing. Aber wir dachten, vielleicht jetzt, wo ein paar Jahre vergangen sind und sie es nicht mehr als Teenagerkram abtun können, denken sie vielleicht anders darüber. Fehlanzeige. Sie haben abgelehnt. Einstimmig.«

  »Einstimmig?«, wiederholte ich tonlos. »Mum hat auch …«

  »Hat sie.« Finlay ließ die Schultern sinken.

  »Warum?«

  »Weil sie nicht will, dass ihre Tochter zur Zielscheibe für die Hetze der Medien wird. Sie meint es gut, Lye. Wahrscheinlich hat sie sogar recht. Fühlt sich nur ziemlich scheiße an.«

  Ich atmete aus. Das bedeutete, in Bezug auf die beiden würde sich auch nichts ändern, wenn wir den Rat erst übernommen hatten. Denn meine Mutter war der entscheidende Faktor in dieser Rechnung. Aber ich wollte noch nicht aufgeben. Mums Ansicht musste nicht endgültig sein. »Was sagt denn Edie?«

  Finlay lachte bitter. »Das ist das Schlimmste daran. Sie akzeptiert es.«

  »Sie tut was?« Überrascht sah ich ihn an.

  »Wir haben geredet, nachdem der Rat uns abgeschmette
rt hat. Und sie hat gesagt, das Beste wäre, wir würden uns das endlich aus dem Kopf schlagen. Weil es ja nun mal Fakt wäre, dass wir verwandt sind, und vielleicht alle Recht haben, wenn sie sagen, unsere Gefühle füreinander seien nicht normal.«

  »Das hat sie gesagt?« So etwas hatte ich von meiner Schwester nicht erwartet, aber andererseits passte es auch zu ihr. Edina war tough und steckte vieles weg, aber das mit Finlay setzte ihr schon seit Jahren zu. Wenn sie jetzt glaubte, dass er auf immer und ewig keine Option war, versuchte sie vermutlich nur, sich zu schützen.

  »Jedes Wort«, sagte Finlay bitter.

  »Sie meint es bestimmt nicht so.« Das klang lahm.

  Mein Cousin schüttelte den Kopf. »Doch, tut sie. Du hast sie nicht gehört, aber ich schon. Wir sind nicht richtig füreinander, Fin. Wird Zeit, dass wir das einsehen. Für sie ist das Ganze beendet. Endgültig.«

  Ich fragte mich, warum Edina mir nichts davon erzählt hatte. Früher wäre sie mit so etwas zu mir gekommen. Aber vielleicht hatte sie gedacht, dass ich mit meinem Zwangsaufenthalt in Kilmore genug zu tun hatte. Oder dass ich es ihr ausreden würde.

  »Deswegen also der Mist hier«, stellte ich fest.

  Er nickte. »Dämlich, ich weiß. Aber ich dachte, vielleicht … macht es irgendetwas besser.«

  Wir schwiegen einige Augenblicke. Dann sah ich ihn an. »Hast du daran gedacht, dass wir beide dann auch keinen Kontakt mehr haben dürfen?«

  »Ich schätze, ich hab’s verdrängt«, murmelte Finlay.

  »Ja, so siehst du auch aus.« Ich schüttelte den Kopf und stieß ihn dann an. »Komm, lass uns zum Flughafen fahren. Es ist besser, wenn uns niemand hier sieht.«

  30

  Kenzie

  »Und du bist echt mit einem Privatjet hergeflogen?« Eleni sah mich mit großen Augen an. Zwei Tage nach ihrem Unfall war sie bereits wieder ziemlich munter und ich deswegen schon seit dem Morgen bei ihr im Krankenhaus, bewaffnet mit einem großen Kaffee und Geschichten aus Kilmore, damit meiner Schwester nicht so langweilig war. Am meisten interessierte sie sich jedoch für alles, was mit Lyall zu tun hatte.

 

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