Scandal Love

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Scandal Love Page 15

by L.J. Shen


  »Um sieben bei mir zu Hause«, wiederholte ich und wies mit dem Kinn zu dem Haftzettel auf meinem Schreibtisch. »Sei pünktlich.«

  »Wieso glaubst du, dass ich kommen werde?«

  »Ich zahle gut.«

  »Wie gut?«

  »Wie viel verlangst du, damit du endlich aufhörst, mich im Auftrag deines Vaters auszuspionieren?« Ich verschränkte die Finger und stützte die Ellbogen auf dem Schreibtisch auf. Falls meine Freimütigkeit sie schockierte, ließ sie es sich nicht anmerken. Nicht die Spur eines Stirnrunzelns zeigte sich in ihrem Gesicht. Stattdessen lag noch immer ein Grinsen auf ihren schön geschwungenen Lippen.

  »Zwölftausend Dollar im Monat«, sagte sie, ohne mit der Wimper zu zucken. Ich hatte nicht mit einer spezifischen Summe gerechnet beziehungsweise damit, dass sie meine Frage überhaupt ernst nehmen würde.

  Ich lachte auf. »Dafür müsstest du aber viele Stunden babysitten.«

  »Tja, meinem Gefühl nach wirst du eine Menge Dates brauchen, bevor du jemanden findest, der bereit ist, dein Verhalten zu tolerieren«, konterte sie ungerührt.

  Ich mag dich, du sture kleine Gaunerin.

  Es gefällt mir, dass du so tust, als wärst du mir gewachsen, auch wenn du das nicht bist.

  Dass du ein böses Mädchen zu sein versuchst, obwohl dir nichts mehr Freude bereitet, als meine Tochter zum Lächeln zu bringen.

  Ich mag deine spitze Zunge und deinen Sarkasmus und alles, was du sonst noch aufzubieten hast, wenn wir streiten.

  »Um sieben«, sagte ich zum dritten Mal, in dem Bewusstsein, dass einzig und allein Edie Van Der Zee mir so viele Worte entlocken konnte – manchmal die exakt gleichen, dabei hatte ich es mir zum Prinzip gemacht, mich niemals zu wiederholen. »Ich zahle dir fünfzig Dollar pro Stunde, was deutlich über dem liegt, was du hier verdienst. Zusätzlich gebe ich dir einen großzügigen Bonus, falls du davon Abstand nimmst, Luna Limonade, Zucker oder Alkohol einzuflößen, während ich weg bin.«

  »Geh nicht«, insistierte sie. Ich hätte gern gewusst, wieso sie so beharrlich war, doch indem ich sie fragte, hätte ich zugegeben, dass ihre Meinung mir wichtig war. Und das sollte nicht so sein. Da mir nur zwölf Prozent an der gesamten Firma gehörten, war ich in einer heiklen Position. Jordan hielt neunundvierzig. Wenn ich nicht aufpasste, könnten meine Karriere, mein Leben, meine harte Arbeit wegen ihr in die Binsen gehen.

  Ich ignorierte ihre Bitte. »Ich werde Luna sagen, dass du sie heute Abend besuchst.«

  Sie seufzte.

  Ich war ein Mistkerl, aber ich rettete uns beiden damit den Arsch.

  KAPITEL 12

  EDIE

  Es war keine gute Idee.

  Diese Erkenntnis traf mich wie eine Ohrfeige, als er die Tür zu seinem Penthouse öffnete. Trent wohnte in einem der wenigen Wolkenkratzer der Stadt, einem absurd prunkvollen, an den Tobago Beach angrenzenden, maximal zwei Jahre alten Gebäude, das immer noch nach frischer Farbe roch, mit Springbrunnen und Pflanzen wie aus einem Katalog.

  Trent trug heute ein weißes Shirt mit V-Ausschnitt, dessen Ärmel sich um seine strammen Bizepse spannten, dazu dunkle Jeans und sündhaft teuer aussehende Sneakers. Er hätte sich gut in einer Armani-Werbung gemacht, mit seinen symmetrischen Proportionen, der braunen Haut. Den weichen Lippen, der markanten Kinnpartie. Seine Augen tasteten mich kurz ab, bevor er einen Schritt zurücktrat, um mich einzulassen. Anstelle einer Begrüßung rief er: »He, Luna, sieh mal, wer hier ist, um dich zu bespaßen.«

  Bespaßen. Die Formulierung ging mir gegen den Strich, auch wenn es dafür eigentlich keinen Grund gab. Es war nur Geplänkel, richtig? Ich trat ein und nahm zum ersten Mal seine häusliche Umgebung in Augenschein: industriell anmutende Regale, eine gigantische Heimkinoanlage, eine Wand, die den Anschein erweckte, als hätte jemand planlos dunkle Farbe dagegen geklatscht, eine nackte Ziegelmauer, dunkle Holzböden und Rohrlampen. Die Wohnung sah aus wie ein luxuriöses Crack-Labor. Trent mochte ein introvertierter Mensch sein, doch sein Zuhause offenbarte eine Menge über seine Persönlichkeit. Er war unangepasst. Eigenwillig. Einschüchternd.

  Luna tappte barfuß und mit einem gelben Schlafanzug angetan aus ihrem Zimmer. Ihre Haare waren nachlässig zu Zöpfen geflochten – wahrscheinlich von ihrem Vater, und ich rechnete es ihm hoch an, dass er sich bemüht hatte, während ich mir gleichzeitig vornahm, sie ihr neu zu flechten. Ich ging lächelnd in die Hocke und pikte sie in den Bauchnabel.

  »Hallo, Bazillchen.«

  Sie grinste mich an und rollte mit den Augen.

  »Bazillchen?«, fragte Trent hinter mir.

  »Ganz genau. Deine Tochter ist die reinste Bakterienschleuder. Außerdem bohrt sie gern in der Nase, darum habe ich sie ermahnt, mir nicht die Hand zu schütteln.«

  Lunas Augen weiteten sich vor Entrüstung. Anscheinend war sie es nicht gewohnt, dass man mit ihr herumalberte. Die Leute gingen ausnahmslos ernst mit ihr um, was wenig verwunderte. Sie wollten, dass sie gesund wurde. Allerdings übersahen sie dabei, dass ein Mensch sich zuerst einmal besser fühlen musste, bevor es ihm besser gehen konnte. Meine Mutter war der lebende Beweis.

  Man brauchte etwas, wofür es sich zu kämpfen lohnte.

  Ich würde Luna zum Lachen bringen, bis das alles hier endete – denn das würde es, und zwar böse.

  »Da Luna dieses Thema offensichtlich amüsant findet, werde ich es lieber nicht weiter vertiefen.« Trent griff sich seine Schlüssel und sein Portemonnaie von der schwarzen Kochinsel in der offen gestalteten Küche, und mir fiel wieder ein, weswegen ich hier war. Damit er zu einem Rendezvous gehen konnte. Meine Haut kribbelte. »Lunas Schlafenszeit beginnt um acht. Sie hat noch nicht zu Abend gegessen. Da ich nicht hier sein werde, darf sie heute mal über die Stränge schlagen. Im Kühlschrank sind Spaghetti und Frozen Yogurt.«

  »Sekunde mal.« Ich ließ meinen Rucksack auf den Fußboden plumpsen und trat mir meine Docs von den Füßen. »Nudeln und Joghurteis sind für dich Leckereien?«

  Er verschränkte den Blick fest mit meinem, unbeeindruckt. »Ganz richtig. Gib ihr nicht zu viel davon.«

  »Sag mal, bist du etwa auf C-R-A-C-K?«, fragte ich, das letzte Wort buchstabierend, und trat neben ihn an die Kücheninsel. »Oder bist du ein Verfechter des Sowjetregimes? Über die Stränge schlagen geht anders. Ich möchte Pizza bestellen.«

  Er zog sich sein Jackett über. »Nein, möchtest du nicht. Im Übrigen beherrscht sie das Alphabet.«

  Ich fragte mich, wieso ich eingeknickt war und ihm seine Bitte erfüllt hatte. Er war abscheulich zu mir. Unhöflich und arrogant. Kalt wie eine Hundeschnauze. Und ich verhielt mich ihm gegenüber genauso schlimm, indem ich ihn bestahl, ihn ausspionierte und in einer Tour bespitzelte. Die Antwort lag klar auf der Hand. Ich brauchte das Geld, und ich genoss es, Zeit mit Luna zu verbringen.

  Er warf einen Blick auf seine Rolex. »Es ist fünf nach sieben. Meine Nummer klebt am Kühlschrank, falls irgendetwas sein sollte. Darunter findest du außerdem die von Camila, meiner Mutter und von Sonya – Lunas Therapeutin. Sie muss vor dem Schlafengehen Zähne putzen, in ihrem Zimmer gibt es eine kleine Lampe, die die ganze Nacht anbleibt, und sie bekommt eine Gutenachtgeschichte vorgelesen, die sie sich in der Bibliothek neben ihrem Zimmer aussucht. Noch irgendwelche Fragen?«

  Sonya? Ich hatte eine Frage, aber sie hatte nichts mit Luna zu tun. Sie lautete: Heilige Scheiße, vögelst du allen Ernstes die Therapeutin deiner Tochter?

  »Bist du sicher, dass du ausgehen willst?« Zwischen den Zeilen fragte ich damit: Begehrst du mich wirklich nicht? Dumm. Armselig. Gedankenlos. Wieso sollte Trent Rexroth mich begehren, und inwiefern würde das einen Unterschied machen? Ich war eine Highschool-Absolventin mit einem verwundeten Herzen und Problemen, die mir mächtig über den Kopf wuchsen, und er war … das genaue Gegenteil dessen, was ich momentan brauchte.

  »Nenn mir einen triftigen Grund, warum ich es nicht tun sollte«, hielt er dagegen und starrte weiterhin auf seine Armbanduhr, während er seinen Geldbeutel und sein Handy in den hinteren Hosentaschen verstaute.

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sp; »Weil du es nicht willst.«

  »Du weißt nicht, was ich will.«

  »Weißt du es denn?«

  Er blickte auf und taxierte mich, dann grinste er. »Nur zu deiner Information, es gibt in dieser Wohnung mehr Überwachungskameras als dein Stecher Bane insgesamt an Tätowierungen, Piercings und Geschlechtskrankheiten hat, darum halt dich von meinen Sachen fern«, warnte er mich im Flüsterton, damit Luna es nicht hörte. Er ging zu ihr, küsste sie auf den Scheitel, sagte ihr, dass er sie lieb habe, und schlenzte aus der Tür.

  Mich ließ er sprachlos einfach stehen. Ich rührte mich nicht vom Fleck, während ich in dem köstlichen, dunklen Kraftfeld versank, das er hinterlassen hatte.

  Ich bestellte Pizza.

  Kleine, bedeutungslose Akte der Rebellion waren mein Markenzeichen. Oft fühlte ich mich wie ein Bürger des besetzten Europa während des Zweiten Weltkriegs. Wie jemand, der nicht mutig genug ist, um dem Widerstand beizutreten, sich aber gleichzeitig auch nicht vollständig dem Bösen unterwirft. Ich bezahlte die Pizza aus meiner eigenen Tasche, obwohl Trent für den Notfall ein paar Geldscheine auf dem Küchentresen hinterlassen hatte. Und ich erlaubte Luna, Limonade zu trinken.

  Weil es sie zum Lächeln brachte.

  Als wir Luftblasen in die Limo pusteten, kicherte sie sogar.

  Und als ich zum Besten gab, dass ich so voll sei, dass ich mich übergeben könnte, es aber schade um die gute Pizza wäre, strahlten ihre Augen ebenso wie ihr Lächeln.

  Nach dem Essen rührte ich eine halbe Tasse Zucker in das ungesüßte Bio-Joghurteis und trug es ins Wohnzimmer, wo wir zusammen Das Leben und Riley guckten. Ich war mir zu neunundneunzig Prozent sicher, dass die Sendung für Luna nicht altersgerecht war, aber wir fühlten uns beide gut unterhalten. Es war schon nach acht Uhr. Ich missachtete die Regeln, weil Trent sie als Erster verletzt hatte. Er hatte sie an dem Tag gebrochen, als er die teuren Louboutins meiner Mutter ruinierte. Oder indem er zustimmte, mich einzustellen. Und als er mich nötigte, in sein Auto zu steigen, obwohl ich mit Freunden herumhing, mir verbot, mit Bane zu schlafen, und noch so viel öfter, als ich zählen könnte.

  Nachdem die Sitcom vorbei war und wir uns langsam von unserer Fressorgie und dem Zuckerschock erholten, drehte Luna, die neben mir auf dem dunkelbraunen Ledersofa hockte, den Kopf in meine Richtung und beäugte grinsend mein Dekolleté.

  »Was ist los, Bazillchen?« Ich zog die Stirn kraus. Sie deutete auf meine Kehle, und ich schaute nach unten.

  »Das hier?« Ich tastete nach meiner Halskette, einem schwarzen Schuhband, an dem das Gehäuse einer Nadelschnecke hing. Es sah aus wie ein Dolch und fühlte sich auch so an. Luna nickte und klopfte auf ihren Schenkel. Sie wollte es anfassen. Ich nahm die Kette ab und legte sie in ihre Hand. »Aber sei vorsichtig. Es ist sehr stachelig.«

  Sie drückte die Fingerkuppe auf das spitze Ende und zog die Luft durch die Zähne.

  »Ich joggte eines Tages am Strand – es war brütend heiß, und ich hatte meine Flip-Flops im Auto gelassen, weil ich gern barfuß laufe –, als ich in etwas hineintrat. Es schnitt so tief in meine Ferse, dass ich die Sehne sehen konnte. Ich hob das gemeingefährliche Ding auf. Ich konnte nicht fassen, dass etwas so Hübsches mich ernsthaft verletzt hatte. Darum beschloss ich, es zu behalten. Denn manchmal bringt uns gerade das zum Weinen, was wir am liebsten haben.« Ihr skeptischer Gesichtsausdruck ließ mich schmunzeln.

  »Bist du jemals im Meer geschwommen?«, fragte ich, obwohl ich das Gefühl hatte, die Antwort bereits zu kennen. Sie zögerte kurz, bevor sie mit den Achseln zuckte.

  »Ich werte das als ein Nein.«

  Es war ohne Zweifel ein Nein.

  »Hättest du denn Lust dazu?«

  Luna zuckte abermals die Achseln, wenn auch auf eine völlig andere Weise. Beim ersten Mal waren ihre Schultern nach unten gesackt, enttäuscht und missmutig. Dieses Mal wirkte die Geste eher sehnsüchtig. Womöglich interpretierte ich zu viel hinein, aber ich klammerte mich an Zwischentönen fest wie an einer Rettungsleine. Manchmal waren sie das Einzige, was ich Theo entlocken konnte.

  »Würdest du dich trauen? Wenn ich dich mitnähme und … es dir beibrächte?«, hakte ich nach und spürte ihren intensiven Blick wie flammende Hitze auf meiner Haut.

  Sie nickte, dann riss sie den Kopf hoch, als fiele ihr plötzlich etwas ein. Indem sie ihre kleine Hand auf meinen Unterarm legte, bat sie mich zu warten, bevor sie vom Sofa sprang und den Flur hinunterlief. Dieses Mädchen wohnte direkt am Meer, trotzdem erlaubte ihr Vater ihr nicht mehr, als an Funny-Felix-Partys in dem trockenen öden Sand teilzunehmen, ohne auch nur die Zehen ins Wasser zu tauchen. Was für ein ignoranter Blödmann! Ob es wohl Abneigungen oder Vorlieben gab, die beide teilten? Ich blieb auf der Couch sitzen und ließ den Blick über die Wände schweifen. Eine stach besonders hervor, sie sah aus, als hätte irgendein angesagter Künstler sie absichtlich mit dunkler Farbe – Grau, Schwarz und Tiefviolett – verunziert. Es erinnerte halb an ein Graffiti und entsprach exakt der Art von Dekor, wie man es in einer Junggesellenbude erwarten würde. Nur dass Trent kein Junggeselle war, auch wenn es ihm an emotionaler Zugänglichkeit und einer Partnerin fehlte. Er hatte eine Tochter.

  Diese Wohnung war genau wie er.

  Düster. Schwermütig. Abweisend.

  Nicht wie Luna.

  Zurückhaltend. Neugierig. Freundlich.

  Sie kam mit einem großen flachen Kinderbuch zurück und legte es auf meine Beine, bevor sie aufs Sofa kletterte und darin herumblätterte, bis sie fand, was sie suchte. Sie pikte mit dem Finger auf das Bild.

  »Seepferdchen?« Ich zog die Stirn in Falten. Sie nickte und schaute mich erwartungsvoll an.

  »Oh, du möchtest wissen, ob ich beim Surfen schon mal Seepferdchen gesehen habe? Nein. Sie sind schwer zu finden. Meines Wissens sind es scheue Geschöpfe, die in Riffen und an anderen geschützten Orten leben.«

  Die Enttäuschung in ihrem Gesicht versetzte mir einen Stich ins Herz. Ich massierte meinen Nacken und blickte mich um. Trents Laptop stand auf dem Esstisch auf der gegenüberliegenden Zimmerseite. Ich wusste, dass es keine Nachlässigkeit seinerseits war. Er wollte, dass ich ihn sah. Mich daran vergriff.

  Es war ein Test, und ich war drauf und dran, ihn Luna zuliebe zu versemmeln – und den Plan meines Vaters in Gefahr zu bringen.

  »Hey, wir könnten auf Wikipedia mehr über Seepferdchen nachlesen. Und vielleicht gibt es auf YouTube einen guten Dokumentarfilm über sie.«

  Ihre Augen leuchteten wie Weihnachtskerzen, und allein das war den Anschiss wert, den Trent mir verpassen würde, sobald er es herausfand.

  »Ich würde mich damit dir zuliebe gewissermaßen über die Regeln hinwegsetzen. Wirst du mich verpetzen?«

  Sie zog die Nase kraus und schüttelte den Kopf, als wäre der bloße Gedanke eine Beleidigung. Ihre Mimik – dieses Naserümpfen – erinnerte so sehr an mich.

  Während der nächsten vierzig Minuten brachten wir alles Wissenswerte über Seepferdchen in Erfahrung. Wir beobachteten, wie ein männliches Exemplar Hunderte Babys gebar, und mussten lachen. Luna, weil es so viele waren. Ich, weil es aussah, als hätte der Kerl einen Samenerguss, nachdem er sich den schmutzigsten Porno aller Zeiten reingezogen hatte.

  Ehe wir’s uns versahen, war es zehn Uhr und das Schlafengehen nicht länger hinauszuschieben. Ich war mir nämlich ziemlich sicher, dass Trent mich an seinem Balkon aufknüpfen würde, wenn er uns beim Heimkommen dabei vorfinden würde, wir noch immer im Wohnzimmer herumlümmelten. Luna sträubte sich nicht dagegen, was mir ein bisschen spanisch vorkam, weil Theo immer Widerstand leistete. Er brüllte und bettelte und feilschte und versuchte, mich zu manipulieren – genau wie sein Vater.

  Ich deckte Luna zu, anschließend setzte ich mich auf den Rand ihres schwarzen Holzbetts. Das Zimmer war ansonsten in Blautönen gehalten, die Wände mit Postern von Seepferdchen und Muscheln geschmückt. Es entsprach ihrer Persönlichkeit, und plötzlich überkam mich das Bedürfnis zu weinen. Weil es nicht das erste Mal war, dass ich jemanden zu Bett brachte, in dem Wissen, das
s ich über kurz oder lang würde Abschied nehmen müssen.

  Ich hätte sie gern umarmt, tat es aber nicht. Ich konnte nicht.

  Dabei brannte ich sehnsüchtig darauf, verzehrte mich mit jeder Faser meines Körpers danach. Und aus genau diesem Grund war Zurückhaltung geboten. Ich konnte mich nicht in ihrem Leben einnisten, wohl wissend, dass es nicht von Dauer sein würde. Das wäre, als würde ich einen Samen einpflanzen, ihn gießen und von der Sonne küssen lassen, zusehen, wie er wächst, nur um den Trieb dann von den Wurzeln zu kappen. Luna war in der gleichen Situation wie ich, nämlich abhängig von einem launenhaften Mann – der ihr schon morgen früh jeden Kontakt mit mir verbieten könnte, wenn ihm der Sinn danach stand. Wer wusste schon, was Trent Rexroth wirklich wollte? Er war ein Buch mit sieben Siegeln, verpackt in einen todschicken Anzug.

  »Soll ich dir was verraten, Bazillchen?«

  Luna nickte, während ich sie behaglich einmummelte, indem ich die Bettdecke um sie wickelte. Das machte ich auch bei Theo so, wenn er es zuließ, was selten vorkam.

  »Ich hatte heute Abend sehr viel Spaß. Ich hoffe, du auch.«

  Sie nickte wieder, und ich lächelte, aber vielleicht war es zu dunkel, als dass sie es sehen konnte, denn auf das, was dann geschah, war ich absolut nicht gefasst.

  »Ich auch.«

  Heiser. Ungeübt. Wie ein Windhauch, der am frühen Morgen die Wellen streichelt.

  Ich blinzelte überwältigt. Luna hatte gesprochen. Mit mir! Ich fragte mich, ob sie hin und wieder auch etwas zu Trent oder Camila sagte, aber ich bezweifelte es – er war völlig aus dem Häuschen geraten, als sie nur genickt hatte. Ich wollte zum Telefon stürzen und ihn anrufen, aber ich musste kühlen Kopf bewahren. Wenn ich zu viel Aufheben darum machte, würde sie nur daran erinnert werden, dass sie anders war.

  »Das sagst du nur, weil du Pizza und Cola bekommen hast und ich so ziemlich jede Regel deines Dads gebrochen habe.« Ich grinste. Sie lachte. Mit wackligen Beinen stand ich auf und entfernte mich. Kein Kuss. Keine Berührung. Keine Liebkosung.

 

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