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002 - Someone Else

Page 15

by Laura Kneidl


  »Cassie?« Besorgt beugte sich Auri zu mir hinunter. »Ist alles in Ordnung?«

  Ich schüttelte den Kopf. »Unterzucker.«

  »Fuck.« Auri setzte sich neben mich. »Hast du was dabei?«

  »Ja.« Ich verließ das Haus niemals, ohne etwas zu essen, zumindest eine Tüte Gummibärchen oder Traubenzucker hatte ich immer dabei. Allerdings war es schon eine Weile her, dass mich mein Unterzucker so kalt erwischt hatte. Normalerweise hatte ich ein gutes Gespür dafür, da ich mich schon lange genug mit dieser Krankheit herumschlug, aber dieses Mal hatte mich mein Körper reingelegt.

  Ich griff in meine Handtasche und stopfte mir ein Stück Traubenzucker in den Mund. Ich hasste die Dinger abgrundtief, da ich mit ihrem Geschmack so viele negative und schwache Momente in meinem Leben in Verbindung brachte, aber sie waren für mich kleine Lebensretter.

  Auri sah mich verunsichert an. Situationen wie diese machten ihn immer noch nervös, obwohl er in den vergangenen Jahren schon drei oder vier davon miterlebt hatte.

  »Hast du noch etwas zu trinken?«

  »Nein, meine Flasche ist leer.«

  »Ich hol dir was.« Er sprang auf und eilte zu dem Wasserspender am anderen Ende des Raumes, während ich mich daranmachte, meine Blutwerte zu kontrollieren. Nachdem ich alles geprüft hatte und es mir gelungen war, den Traubenzucker runterzuwürgen, holte ich das Sandwich hervor, das ich mir eingepackt hatte.

  »Hier«, sagte Auri und reichte mir einen Plastikbecher mit Wasser.

  »Danke.« Ich stellte den Becher neben mich.

  »Ist es schon besser?«

  »Ein bisschen.« Ich hielt ihm die zweite Hälfte meines Sandwiches hin. »Willst du?«

  »Nein, iss du erst mal.«

  Ich nahm einen Bissen. Erst jetzt bemerkte ich, wie hungrig ich war. Das war wirklich dumm von mir gewesen.

  Schweigend saßen Auri und ich nebeneinander, während ich mein Erdnussbutter-Gelee-Sandwich aß. Es war nicht das Leckerste, was ich jemals gegessen hatte, doch bereits nach kürzester Zeit fühlte ich mich etwas besser. Froh darüber, dass Auri sie abgelehnt hatte, biss ich in die zweite Hälfte des Sandwiches.

  »Entschuldigen Sie«, erklang plötzlich eine Stimme in unserer Nähe.

  Ich blickte auf und entdeckte einen Mann in dunkelblauer Uniform, der mit langen Schritten auf uns zukam.

  »Was gibt’s?«, fragte Auri.

  Der Wachmann blieb vor der Bank stehen und blickte auf uns herab. »Sie dürfen hier nicht essen.«

  »Sie ist gleich fertig.«

  Der Blick des Aufsehers zuckte zu Auri. »Essen ist in den Ausstellungsräumen verboten«, erklärte er mit ausdrucksloser Stimme, als würde er den Satz von einem Schild ablesen.

  Ich wollte das Brot wegpacken, aber Auri stoppte mich mit einer Bewegung, ohne mich anzusehen, den Blick weiterhin fest auf den Wachmann geheftet. »Es ist nur ein Sandwich.«

  »Das tut nichts zur Sache«, erwiderte der Aufseher. »Regeln sind Regeln.«

  »Kommen Sie, Mann.«

  Die Augen des Aufsehers verengten sich, und seine zuvor gelangweilte Stimme nahm einen kühlen Tonfall an. »Packen Sie das Essen weg, oder verlassen Sie das Museum«, verlangte er streng.

  »Wir wollten gerade gehen, aber meine Freundin hat Unterzucker bekommen.«

  Der Wachmann sah mich an. Geringschätzig ließ er den Blick über meinen Körper wandern. Seine missbilligende Miene blieb unverändert. »Sie sieht nicht krank aus.«

  »Ich habe Diabetes«, erwiderte ich.

  »Natürlich.« Es war ihm eindeutig anzuhören, dass er mir nicht glaubte. Und wenn ich ehrlich war, wunderte es mich nicht einmal. Es war nicht das erste Mal, dass jemand versuchte, mir meine Krankheit abzusprechen, weil ich als junge, schlanke Frau nicht in das Bild passte, das man für gewöhnlich mit Diabetes assoziierte.

  Auri funkelte den Mann wütend an. »Das ist die Wahrheit.«

  Der Wachmann schüttelte den Kopf. »Glaubt mir, ich habe diese Ausreden alle schon gehört. Und jetzt verschwindet.«

  »Wir brauchen nur noch eine Minute«, drängte Auri.

  »Verstehst du meine Sprache nicht, oder was?«, keifte der Aufseher, dessen Kopf inzwischen eine leicht rote Farbe angenommen hatte. »Verschwindet. Oder ich rufe die Polizei und lasse euch entfernen.«

  »Auri, lass uns gehen«, bat ich und stand von der Bank auf. Ich wollte nicht, dass die Situation eskalierte. Nicht meinetwegen.

  Auri sah mich an. Sein Gesicht war wutverzerrt, aber sein Zorn beraubte ihn Gott sei Dank nicht jeder Vernunft. Er stand ebenfalls auf, wandte sich aber noch einmal zu dem Aufseher um. »Ich werde mich bei Ihrem Vorgesetzten beschweren.«

  Eine Drohung, für die der Wachmann nur ein müdes Lächeln übrig hatte. »Nur zu.« Er musterte Auri mit arrogantem Blick von oben bis unten. »Jemandem wie dir wird eh niemand glauben.«

  Auris Augenbrauen schossen in die Höhe. »Jemandem wie mir? Was soll das heißen?«

  Der Wachmann schnaubte. »Das weißt du ganz genau.«

  »Nein, sagen Sie es mir«, verlangte Auri und straffte die Schultern.

  Für einen kurzen Moment konnte ich so etwas wie Verunsicherung in den Augen des Aufsehers aufblitzen sehen.

  »Sagen Sie, dass mir niemand glauben wird, weil ich schwarz bin und Sie ein Arschloch sind.«

  Auris letzte Worte fegten die Verunsicherung aus dem Gesicht des Mannes. »Wie hast du mich gerade genannt?«

  Bevor Auri den Satz wiederholen oder etwas anderes sagen konnte, das ihn in Schwierigkeiten brachte, packte ich seine Hand. »Ich will gehen. Sofort«, erklärte ich energisch und zerrte mit so viel Kraft, wie ich aufbringen konnte, an seinem Arm.

  Zu meiner Überraschung leistete Auri keinen Widerstand und ließ sich ohne Gegenwehr von mir wegführen. Mein Herz raste, und kurz fürchtete ich, der Wachmann könnte uns folgen, aber er tat es nicht. Trotzdem blieb ich erst stehen, als wir den Ausgang des Museums erreicht hatten und in die pralle Mittagssonne hinaustraten.

  Ich ließ Auris Hand los und wirbelte zu ihm herum. Mein Schwindel war inzwischen vollkommen von dem Adrenalin vertrieben worden, das durch meinen Körper rauschte. »Was stimmt nicht mit dir?«, keifte ich wütend. »Was hast du dir dabei gedacht, diesen Aufseher als Arschloch zu bezeichnen?«

  »Er war ein Arschloch«, brummte Auri.

  »Ja, ein Arschloch, das dich hätte verhaften lassen können.«

  »Er war im Unrecht.«

  Ich stieß ein tiefes Seufzen aus. »Ich weiß, ich war dabei, aber was wäre passiert, hätte er die Polizei gerufen? Vermutlich hätten sie dir die Schuld zugeschoben und dich festgenommen. Und was dann? Womöglich würden sie dich aus dem Kurs schmeißen oder Schlimmeres. Das ist dieser Idiot nicht wert. Vergiss ihn.«

  Auri presste die Lippen so fest aufeinander, dass seine Kiefermuskulatur deutlich hervortrat. Seine Nase blähte sich auf, als er geräuschvoll ein- und wieder ausatmete, um sich zu beruhigen. »Ich hasse solche Menschen«, erklärte er mit einem enttäuschten Kopfschütteln und warf einen bösen Blick in Richtung Eingang zurück.

  Beschwichtigend legte ich eine Hand auf seinen Arm. »Ich auch, und er wird nicht ungestraft davonkommen. Du hast übermorgen einen Termin mit der Leiterin. Erzähl ihr von dem Vorfall. Sie wird dir zuhören.«

  Auri holte noch einmal tief Luft, dann nickte er.

  Ich lächelte ihn bestärkend an, auch wenn es mich einiges an Überwindung kostete, so ruhig zu bleiben. Innerlich tobte ich, aber das Letzte, was ich wollte, war, dass Auri meinetwegen festgenommen wurde. Wer wusste schon, was dann passieren würde? Fair wäre es gewesen, wenn man ihn anschließend schnell wieder freigelassen hätte; aber jeder, der die Nachrichten verfolgte, wusste, dass unser Rechtssystem so nicht funktionierte, zumindest nicht für jemanden mit Auris Hautfarbe. Und das machte mich wirklich wütend. Doch ich verbarg meinen Zorn hinter dem Lächeln, das ich Auri schenkte, um ihn zu beruhigen. Behutsam ließ ich meine Finger seinen Arm hinabgleiten, bis ich seine Hand in meiner hielt.

  Augenblicklich wurde sein Blick weicher und zuckte zu unseren miteinander verschränkten Fingern.

  »Lass uns zum B
astelladen gehen«, sagte ich, und das nicht nur, weil ich mich bereits den ganzen Tag darauf freute, sondern auch, weil ich wusste, dass es uns auf andere Gedanken bringen würde, wenn wir an unseren Cosplays weiterarbeiteten.

  »Es war total nett von der Verkäuferin, uns einen Rabatt zu geben«, sagte Auri, als wir den Laden verließen.

  »Ja, sie war wirklich lieb.« Ich blieb stehen und fischte meine Sonnenbrille aus der Handtasche.

  Fast zwei Stunden hatten wir damit verbracht, die Auslagen zu durchstöbern. Wir hatten einige Sachen für unsere Cosplays gefunden, aber auch für unsere LARP-Kostüme waren wir fündig geworden. Allerdings würde es noch eine Weile dauern, bis unsere Gruppe wieder zusammenkam, da die meisten Studierenden die Semesterferien bei ihren Familien verbrachten. Und nur mit der halben Gruppe zu spielen, machte keinen Spaß.

  »Wo wollen wir als Nächstes hin?«, fragte Auri und sah sich auf der Straße um.

  Wir waren in der Innenstadt, und anders als im Museum war es hier ziemlich voll. Die Menschen erledigten ihre Samstagseinkäufe, bummelten an den Schaufenstern vorbei oder genossen einen kühlen Eiskaffee. Es war ein idyllischer Anblick, der bei mir allerdings Herzrasen verursachte, vor allem nach dem Zwischenfall mit dem Aufseher. Mir reichte es für heute.

  »Ich möchte gerne nach Hause.«

  Fragend sah Auri mich an. »Sicher?«

  Ich nickte. »Ich bin durch.«

  »Und was wollen wir zu Hause machen?«

  »Ich weiß nicht … Wir könnten an unseren Kostümen arbeiten«, schlug ich das Offensichtliche vor. »Oh, und dabei könnten wir uns das Witcher -Let’s-Play von TR anschauen. Oder kennst du das schon?«

  »Ich glaube nicht.«

  »Super.« Begeistert von meinem eigenen Vorschlag klatschte ich in die Hände.

  Auri erhob keine Einwände. Vorher wollte er sich allerdings noch einen Salat mit Hähnchenbrust von seinem Lieblings-Deli holen.

  Als ich mit einem Blick durch das Schaufenster feststellte, dass der kleine Laden vor Menschen beinahe überquoll, beschloss ich, vor dem Eingang zu warten. Während Auri sich seinen Salat besorgte, schrieb ich eine Antwort auf Luciens Nachricht, die er mir bereits vor einer Stunde geschickt hatte. Er hatte mich gefragt, ob es okay wäre, wenn er Amicia und Brooklyn zum Sommerfest von Bright Canopy begleitete. Ich schickte ihm Julians Nummer, damit er ihn fragen konnte. Zwar waren Eltern und andere Familienmitglieder auf dem Fest erwünscht, aber ich wollte mich lieber noch einmal rückversichern.

  »Hey«, hörte ich plötzlich jemanden neben mir sagen.

  Ich sah auf und entdeckte Colby ein paar Schritte von mir entfernt. Beinahe hätte ich ihn nicht erkannt, denn er hatte das Cap mit dem Logo seiner Footballmannschaft tief in die Stirn gezogen.

  »Hey.«

  »Du bist doch Maurice’ Mitbewohnerin … Clara«, sagte er, ziemlich überzeugt, und kam näher. In den Händen hielt er mehrere Einkaufstüten, die aus den verschiedensten Klamottenläden stammten.

  »Cassie«, korrigierte ich.

  »Ah, natürlich. Sorry. Bist du alleine unterwegs?«

  »Nein, Auri ist gerade da drin und besorgt uns was zu essen.« Ich machte eine Kopfbewegung in Richtung Deli.

  »Auri? Ist sie eine Freundin von dir?«

  »Was? Nein.« Ich schüttelte den Kopf. »Auri … Maurice.«

  Colby runzelte die Stirn, doch kurz darauf trat ein breites Grinsen auf sein Gesicht. »Auri«, wiederholte er säuselnd. »Natürlich. Das ergibt Sinn.«

  Ich nickte verhalten und hoffte, dass der Kerl bald wieder verschwand. Ich mochte ihn nicht. Mit seinen blonden Haaren und den blauen Augen sah er vielleicht aus wie der Schwiegersohn, den sich jede Mom wünschte, aber er hatte etwas Schmieriges an sich, das mir nicht gefiel.

  Colbys sah auf die Tasche in meiner Hand. »Wart ihr shoppen?«

  Ich wollte ihm gerade antworten, als ich unterbrochen wurde.

  »Colby, mit wem redest du da?«, rief eine Frau, die aus dem Schmuckladen neben dem Deli getreten war. Sie hatte langes braunes Haar und war in Colbys und meinem Alter. Seine Freundin, vermutete ich, nicht zuletzt aufgrund des prüfenden Blicks, mit dem sie mich von oben bis unten musterte.

  »Mit niemandem. Ich komme«, gab Colby zurück und fügte an mich gewandt hinzu: »Ich muss los. Grüß Auri von mir.«

  »Mach ich«, erwiderte ich mit einem verkniffenen Lächeln und sah Colby nach, wie er hörig zu seiner Freundin rannte. Diese musterte mich ein letztes Mal über ihre Schulter hinweg, ehe sie etwas zu Colby sagte, das ihn heftig den Kopf schütteln ließ. Aus irgendeinem Grund brachte mich das zum Schmunzeln.

  »War das Colby?«, fragte Auri, als er kurz darauf aus dem Deli kam.

  »Ja, er wollte nur eben Hallo sagen.« Ich lächelte. »Hast du deinen Salat bekommen?«

  Auri nickte, und wir machten uns auf den Weg nach Hause.

  15. Kapitel

  »Ich geh jetzt!«, rief ich in den hinteren Teil des Tattoostudios.

  Das Surren der Maschinen verstummte, und die anderen wünschten mir einen schönen Feierabend.

  Ich lächelte und schob den Riemen meiner Tasche auf der Schulter zurecht, ehe ich das Crooked Ink verließ. Kurz überlegte ich, den Bus nach Hause zu nehmen, entschied mich dann aber dafür zu laufen. Ich war voller Energie und noch immer beflügelt von meinem Wochenende mit Auri. Es war fantastisch gewesen. Wir hatten auf der Couch rumgelümmelt, an unseren Cosplays gearbeitet und vor allem viel geredet – über Filme, Bücher und Musik, aber auch über unser Studium und unsere Familien. Ich hatte Auri sogar dazu überreden können, mich die Leseprobe des Buches lesen zu lassen, dessen Cover er zierte. Zuerst war er nicht allzu begeistert gewesen, aber am Ende der Leseprobe hatten wir beide vor Lachen geweint. Es war das perfekte Wochenende gewesen, und ich hoffte sehr, dass Auri und ich am Abend daran anknüpfen konnten. Ich war unheimlich froh, dass wir über den Zwischenfall am See geredet hatten, und auf eine merkwürdige Art und Weise hatte ich das Gefühl, dass uns das Gespräch einander noch näher gebracht hatte. Aber womöglich lag das auch an den eigenartigen Geschichten, die wir miteinander geteilt hatten.

  Ich sperrte die Haustür auf und stieg die Stufen zur Wohnung hoch. Bereits im zweiten Stock hörte ich einen Chor aus tiefen Stimmen. Ein ungutes Gefühl beschlich mich, und wie befürchtet führte mich das Gelächter geradewegs vor meine Wohnungstür.

  Auri hatte Teamkollegen mit nach Hause gebracht.

  Meine Vorfreude auf den Abend verpuffte. Ich hatte nichts gegen Auris Freunde, aber ich kam nicht gut mit ihrer Art zurecht. Bestimmt waren sie, wenn man sie besser kannte, ganz nette Typen, aber was ich bisher von ihnen mitbekommen hatte, machte sie nicht gerade zu der Art Mensch, mit der ich gerne Zeit verbrachte. Und das Grölen, das bis ins Treppenhaus hinaus erklang, bestätigte mich nur einmal mehr in meiner Ansicht. Anscheinend schauten sie sich irgendein altes Footballspiel an.

  Kurz überlegte ich, bei Micah zu klopfen und mich bei ihr zu verstecken, bis Auris Freunde weg waren, aber ich wollte mich von ihnen auch nicht aus meiner eigenen Wohnung vertreiben lassen. Also wappnete ich mich innerlich und schloss die Tür auf.

  »Was für ein Drecksack, dem sollte man die Eier abschneiden!«

  Obwohl ich mit dem Lärm gerechnet hatte, zuckte ich bei den harsch klingenden Worten zusammen.

  Wie erwartet, lief gerade ein Spiel. In der Luft lag eine Geruchsmischung aus Pizza, Bier und etwas Herbem, Pflanzlichem. Hatte einer der Jungs gekifft?

  Sie waren zu fünft. Zusammengequetscht saßen sie auf der Couch und den Sesseln. Jeremy Preston, der Quarterback der Mannschaft, Colby, zwei andere Typen, die ich noch nie gesehen hatte, und ein schlecht gelaunt dreinblickender Auri.

  »Hey«, begrüßte ich die Jungs.

  Sie wandten die Köpfe in meine Richtung.

  Bildete ich mir das ein, oder wurde Auris Gesichtsausdruck bei meinem Anblick tatsächlich noch düsterer?

  »Hey, Cas«, erwiderte Colby mit einem schiefen Grinsen.

  »Ich hoffe, es ist okay, dass ich ein paar der Jungs eingeladen habe«, sagte Auri.

  »Klar.« Was hätte ich auch sonst sagen
sollen? Diese Wohnung gehörte Auri ebenso wie mir. Außerdem waren seine Freunde schon da, und ich würde sie ganz bestimmt nicht einfach so rausschmeißen.

  »Meine Mitbewohnerin Cassie«, stellte mich Auri vor. »Das sind die beiden Neuen, von denen ich dir erzählt habe. Bridger«, er deutete auf den weißen Kerl mit der Glatze und dem silbernen Nasenring, »und Zayn.« Zayn hatte braune Haut und dichte schwarze Wimpern, die seine grünen Augen perfekt einrahmten.

  Schüchtern hob ich die Hand zum Gruß. »Hey. Freut mich, euch kennenzulernen.«

  »Bist du nicht die Kleine aus der Sportsbar? Von vor ein paar Monaten?«, fragte Jeremy. Er war ein beeindruckender Typ mit kantigen Gesichtszügen und einem unglaublich muskulösen Körper.

  Ich nickte, sagte aber nichts. Das war ein Abend, an den ich mich nur ungern zurückerinnerte. Eigentlich hatten Auri und ich auf unser erstes Date gehen wollen, das Micah arrangiert hatte. Es war das einzige Mal gewesen, dass Auri und ich wirklich zugegeben hatten, dass wir beide nicht nur an einer platonischen Beziehung miteinander interessiert waren. Doch das Date hatte mit einer anderen Frau auf seinem Schoß und mir auf Luciens Couch geendet, und wir hatten nie wieder darüber gesprochen. Und das würde ich jetzt gewiss nicht ändern.

  »Magst du dich zu uns setzen?«, fragte Zayn. Seine Einladung klang aufrichtig freundlich.

  Ich schüttelte den Kopf, da ich weder das Verlangen verspürte, mit diesen Typen abzuhängen, noch, ein altes Footballspiel zu sehen. Außerdem empfing ich komische Schwingungen von Auri, die ich mir nicht erklären konnte. Als wir uns am vergangenen Abend Gute Nacht gesagt hatten, war noch alles in Ordnung gewesen, doch in diesem Moment betrachtete er mich mit einer Mischung aus Zorn und Verdruss; aber vermutlich galten diese Gefühle nicht mir.

  »Lieber nicht.«

  »Ach komm schon«, drängte Colby, vor dem bereits zwei leere Bierflaschen standen. Außerdem hatte ich das Gefühl, dass der Grasgeruch von ihm ausging. »Du wohnst seit zwei Jahren mit unserem Auri zusammen, und wir kennen dich kaum. Schnapp dir eine Flasche, und mach es dir gemütlich.«

 

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