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002 - Someone Else

Page 14

by Laura Kneidl


  Ich sah zu Auri, der wieder neben mir auf der Couch saß und ebenfalls merkwürdig fasziniert von seiner Bierflasche war. Er merkte nicht sofort, dass ich ihn ansah, und so blieb mir ein kurzer Moment, in dem ich ihn ungestört betrachten konnte, bevor er seinen Kopf in meine Richtung drehte.

  Fragend hob er die Augenbrauen.

  Ich lächelte, um die Sorge aus seinem Blick zu vertreiben. »Wir müssen reden.«

  13. Kapitel

  Mit einem Klicken fiel die Tür hinter mir ins Schloss, und ich war mit Auri alleine.

  Wir müssen reden.

  Ich weiß , hallte seine Antwort noch immer in meinen Ohren nach.

  Wir hatten uns nicht sofort von den anderen verabschieden können, da Micah auf eine Revanche bestanden hatte. Nicht in Form einer weiteren Runde Scharade, sondern eines Kartenspiels, das Adrian und sie als Kind oft gespielt hatten. Doch ich hatte mich kaum mehr auf die Karten konzentrieren können, denn meine Gedanken waren bereits bei dem Gespräch gewesen, das mir bevorstand.

  Ich holte tief Luft und wandte mich zu Auri um, der etwas verloren in unserem Wohnzimmer stand. Er hatte die Hände in die Taschen seiner Shorts geschoben, als wüsste er nicht, was er sonst damit tun sollte.

  »Hey«, sagte ich unbeholfen.

  »Hi«, gab er ebenso hilflos zurück, wobei ein angedeutetes Lächeln an seinen Mundwinkeln zog.

  Ich seufzte. »Das ist echt scheiße.«

  Auri lachte verlegen. »Ja.«

  Ich wusste nicht, wie ich anfangen sollte. Auri und ich hatten schon viele ernste Gespräche geführt, aber noch nie war es dabei um uns gegangen. Wir hatten über Anthony, Auris älteren Bruder, geredet, als er den dritten Job innerhalb eines Jahres verloren hatte, und über meine Mom, nachdem der Frauenarzt einen Knoten in ihrer Brust ertastet hatte, was sich Gott sei Dank als Fehlalarm erwiesen hatte. Wir hatten über schlechte Klausuren, gescheiterte Freundschaften und zerbrochene Beziehungen geredet, aber nie über uns.

  »Willst du noch etwas trinken?«, fragte ich, um Zeit zu gewinnen.

  Auri nickte. »Ein Wasser.«

  Ich lief zum Kühlschrank und ließ mir Zeit damit, die Flaschen zu öffnen. Die eine behielt ich, die andere schob ich über die Kücheninsel in Auris Richtung. Er griff danach und nahm einen gierigen Zug, mit dem er die halbe Flasche leerte, während ich nur nervös am Etikett rumzupfte. Mein Hals fühlte sich wie zugeschnürt an.

  Schließlich holte ich noch einmal tief Luft und heftete meinen Blick an die Decke, um mich zu sammeln. Während des Kartenspiels bei Micah hatte ich mir genau überlegt, was ich zu Auri sagen wollte, aber die Worte zu denken, war leichter gewesen, als sie nun auszusprechen.

  Mein Herz pochte wie wild, und ich zwang mich dazu, Auri anzusehen, was es irgendwie leichter und schwerer zugleich machte. »Ich muss mich bei dir entschuldigen«, setzte ich an und umklammerte meine Wasserflasche so fest, dass ich befürchtete, sie könnte unter dem Druck platzen. »Was ich im See gesagt habe, war dumm von mir. Du bist mein bester Freund. In der Vergangenheit hatten wir unsere Ausrutscher, die besser unerwähnt bleiben sollten. Ich habe nicht nachgedacht und damit eine Situation provoziert, die uns beiden geschadet hat.«

  Auri starrte mich mit großen Augen an. Er blinzelte, dann nickte er langsam. »Es stimmt. Du hättest nicht sagen sollen, was du im See gesagt hast«, pflichtete er mir bei. Er stellte seine Flasche ab und stützte sich auf den Tresen. »Aber was zwischen uns passiert ist, ist genauso meine Schuld wie deine, Cassie. Ich bin keine vierzehn mehr. Ich habe mich gehen lassen, obwohl ich mich eigentlich besser unter Kontrolle haben sollte.«

  Ich lächelte schwach. »Na ja, ich habe mich auch ziemlich fest an dich geklammert.«

  »Trotzdem, ich hätte dich früher loslassen können, anstatt …« Auri brach ab und schüttelte den Kopf, als brächte er es nicht über sich, die Worte auszusprechen.

  »Meinen Hals zu küssen?«, beendete ich den Satz für ihn.

  Ich wollte nicht um den heißen Brei herumreden, auch wenn die bloße Erinnerung an seine Lippen meine Haut zum Kribbeln brachte. Seine Liebkosungen waren so unendlich zart gewesen, so seicht wie die Wellen, die unsere Körper umspült hatten.

  »Genau«, antwortete Auri. Er senkte den Blick und räusperte sich. »Ich habe mich hinreißen lassen.«

  »Und ich habe es geschehen lassen.«

  »Wir sind also beide schuld«, schlussfolgerte er und sah wieder auf.

  Ich nickte. Mir fiel ein riesengroßer Stein vom Herzen.

  »Also sind wir wieder Freunde?«

  »Wir waren immer Freunde«, erwiderte ich, ohne zu zögern. »Das war nur eine kleine Unebenheit, über die wir gestolpert sind.«

  »Stimmt. Und mal ehrlich, wer kann es uns verdenken? Wir sind das Material, aus dem Pornofantasien gemacht sind«, sagte Auri mit neckender Stimme. Es war eine Anspielung auf all die Leute, die ihre Gedanken nicht beherrschen konnten, wenn sie Auri und mich zusammen sahen. Sie wussten es nicht, aber oft sah man es ihren Gesichtern an.

  Ich verdrehte die Augen. »Haha, sehr witzig.«

  »Du weißt, dass es stimmt, und deshalb ist es witzig.«

  »Okay«, gestand ich und nippte an meinem Wasser. »Vielleicht ein bisschen witzig, aber auch etwas frivol.«

  »Frivol?« Auri hob die Augenbrauen. »Manchmal steckt auch in dir eine achtzigjährige Frau.«

  »Womit wir bei der nächsten Pornofantasie wären.«

  »Iiih.« Angewidert verzog Auri die Lippen. »Alte-Menschen-Pornos sind eklig.«

  »Hast du schon mal einen angeschaut?«

  »Nein. Du etwa?«

  Ich schüttelte entrüstet den Kopf. »Nein, natürlich nicht.«

  Auri nickte und trank den Rest seines Wassers aus, wobei die ganze Zeit über eine Falte zwischen seinen Augenbrauen ruhte, als hätte ich ihm Bilder in den Kopf gepflanzt, die er lieber früher als später losgeworden wäre. »Okay, anderes Thema. Erzähl mir etwas nicht Frivoles über dich.«

  »Dieses Wort wirst du mir jetzt für immer vorhalten, oder?«

  Er zuckte mit den Schultern. »Vielleicht. Also, was kannst du über dich erzählen, was ich noch nicht weiß?« Neugierig lehnte er sich über die Kücheninsel und sah mich erwartungsvoll an.

  Ich überlegte kurz. Er wusste noch nichts von dem Schokoladenvorfall. Ich hasste die Geschichte, aber meine Mom gab sie immer gerne zum Besten, daher war es vermutlich sowieso nur eine Frage der Zeit, bis Auri davon erfuhr. Und besser er hörte die nüchterne Version von mir als die ausgeschmückte meiner Eltern.

  »Versprich mir, dass du mich niemals mit dem aufziehen wirst, was ich dir jetzt erzähle.«

  Auri schnaubte. »Sorry, das kann ich nicht versprechen.«

  »Von mir aus, du kannst mich aufziehen, aber du darfst es niemandem sagen.«

  »Geht klar. Also, lass hören.«

  »Als Kind habe ich Schokoladendrops über alles geliebt«, begann ich. »Nachdem meine Mom mir keine mehr geben wollte, hat mir mein älterer Cousin erzählt, dass ich im Garten welche finden kann. Ich bin rausgegangen und habe danach gesucht, wie es wohl jedes Kind tun würde. Und ich habe die Drops gefunden. Sie waren braun und knackig und … hatten viel zu viele Beine.« Ich kniff die Augen zusammen und schauderte vor Ekel.

  Auri starrte mich mit offen stehendem Mund an. »Du hast Käfer gegessen?«

  Ich nickte verlegen. »Meine Mom hat mich gefunden, als ich gerade eine Kellerassel gesnackt habe.«

  »Oh mein Gott.« Auri begann lauthals zu lachen. »Das ist Gold wert.«

  »Ja, mach dich ruhig lustig über mich, aber ich war noch ein Kind.« Es fühlte sich für mich wichtig an, das noch einmal zu betonen. Ich konnte mich selbst gar nicht an den Tag erinnern, sondern kannte die Geschichte nur aus den Erzählungen meiner Eltern.

  Auri lachte noch immer. »Ich war auch mal ein Kind, und ich hab keine Käfer gegessen.«

  »Heute ist das voll angesagt«, sagte ich mit so viel Überzeugungskraft, wie ich aufbringen konnte. »Käfer sind voller Proteine und supernachhaltig in der Zucht. Ich war sozusagen ein Trendsetter.«

  Auri gab ein Brummen von sich. Er glaubte m
ir kein Wort. »Red dir das gerne ein, wenn du dich dann besser fühlst.«

  Ich verschränkte die Arme vor der Brust. »Was ist mit dir?« Ich funkelte Auri an. »Erzähl mir etwas über dich, das ich nicht weiß. Ich wette, deine Vergangenheit ist auch nicht frei von Schandflecken, Remington.«

  Auris Lachen verstummte augenblicklich, und sein Gesicht wurde etwas blass, als reichten alleine meine Worte aus, um eine unangenehme Erinnerung in ihm heraufzubeschwören.

  Bingo!

  »Es gibt eine Sache über mich, die niemand in Mayfield weiß«, sagte Auri leise. »Wirklich niemand.«

  Ich grinste. »Das klingt vielversprechend.«

  Auri schnalzte mit der Zunge und schüttelte gleichzeitig den Kopf, als könnte er selbst nicht glauben, was er mir gleich erzählen würde. »Bevor ich hierhergezogen bin, habe ich eine Anfrage von einem Fotografen bekommen, der Stockfotos verkauft. Du weißt schon, diese willkürlichen Bilder von Fremden, die auf Zahnarztbroschüren oder so verwendet werden. Er wollte mich als Model, und ich brauchte das Geld, also hab ich zugestimmt, ohne zu wissen, worauf ich mich einlasse. Ich war dumm und naiv und habe keinen Gedanken daran verschwendet, wofür die Fotos möglicherweise verwendet werden könnten.«

  »Oh.« Ich verzog den Mund. »Ich ahne Schlimmes.«

  »Vor einem Jahr habe ich herausgefunden, wer meine Fotos gekauft hat«, erklärte Auri und atmete tief ein, bevor er weiterredete, als müsste er sich wappnen. »Es war eine Autorin, die sehr spezielle Erotikromane verfasst … in denen möglicherweise Dinosaurier eine wichtige Rolle spielen.«

  Ich schnappte nach Luft. »Nein! Und du bist auf dem Cover?«

  Auri nickte.

  Ich konnte nicht anders und prustete los. Als jemand, der viel im Internet unterwegs war, wusste ich natürlich, dass diese Art von Büchern existierte, aber ich hatte mir nie etwas dabei gedacht. Nun, da ich wusste, dass Auri eines der Cover zierte, war mein Interesse geweckt. Das war einfach zu gut!

  »Wie heißt das Buch?«

  »Vergiss es, das sag ich dir nicht.«

  »Bitte!« Flehend legte ich die Handflächen aneinander. »Ich muss es wissen.«

  Auri schüttelte den Kopf. »Nein.«

  »Komm schon.«

  »Nur über meine Leiche.«

  »Biiiiitte.« Ich sah ihn mit großen Augen an.

  »Nein«, antwortete Auri erneut, doch ich konnte seine Entschlossenheit bröckeln sehen.

  Ich änderte meine Taktik. »Bist du dir sicher? Ich werde dieses Buch so oder so finden, und wenn das passiert, zeige ich es Micah. Wenn du mir den Titel verrätst, dann bleibt das unser kleines Geheimnis. Was sagst du?«

  Auri verengte die Augen zu Schlitzen. »Du siehst vielleicht süß aus, aber in Wahrheit bist du durch und durch böse.«

  Ich grinste. »Ist das ein Ja?«

  Statt mir zu antworten, zückte Auri sein Handy. Er tippte etwas ein und hielt mir das Display entgegen.

  Meine Augen weiteten sich. »Oh. Mein. Gott!«

  Ich riss ihm das Gerät aus der Hand und begann erneut zu lachen. Das Buchcover zeigte tatsächlich Auri. Oben ohne, damals noch ohne Tattoo. Er stand in einem tropisch aussehenden Regenwald, hinter ihm war ein Dinosaurier positioniert. Es war das Verstörendste und gleichzeitig Witzigste, was ich jemals in meinem Leben gesehen hatte. Vor Lachen traten mir bereits Tränen in die Augen. Eilig blinzelte ich sie weg und scrollte durch die Seite. Die Inhaltsangabe war einfach nur lächerlich, ebenso wie die drei Rezensionen, die das Buch bekommen hatte. Auri hatte wirklich Glück, dass das Buch anscheinend nicht viral gegangen war, anderenfalls hätten es seine Teamkollegen und Fans garantiert schon gefunden.

  »Das ist noch viel besser als mein Schokoladenvorfall«, erklärte ich und wollte gerade die Leseprobe öffnen, als Auri mir das Handy aus der Hand riss und es sich eilig in die Hosentasche steckte.

  »Genug davon«, erklärte er mit bemüht störrischer Miene, doch ich konnte seine Mundwinkel zucken sehen. Er kämpfte selbst gegen das Lachen an. »Jetzt hast du es gesehen, und wir werden nie wieder darüber sprechen, verstanden?«

  »Verstanden«, erklärte ich mit einem Schmunzeln, heilfroh darüber, wieder normal mit Auri reden zu können.

  14. Kapitel

  Ich hatte keine Ahnung, was ich mir gerade ansah. Die verschiedenen Rottöne auf der Leinwand erinnerten mich an eine Szene aus dem Horrorfilm, den ich gemeinsam mit Amicia angeschaut hatte. Doch ich bezweifelte, dass das örtliche Kunstmuseum Zeichnungen von hervorquellenden Innereien ausstellte.

  Allerdings musste ich diese Meisterwerke auch nicht verstehen. Ich war nur Auris Begleitung. Er und seine Kommilitonen hatten die Aufgabe gestellt bekommen, sich eine Marketingkampagne für das Museum auszudenken. Die beste Präsentation würde dann tatsächlich umgesetzt werden, was sich in jedem Lebenslauf ziemlich gut machen würde.

  Neben mir ertönte ein Klicken, als Auri auf den Auslöser der Kamera drückte. Es war ein teures professionelles Gerät, das er sich vom MFC hatte ausleihen dürfen.

  Er betrachtete die Bilder auf dem Display. »Ich habe wirklich keine Ahnung, was das sein soll.«

  »Damit bist du nicht alleine«, sagte ich und neigte den Kopf, um noch einmal einen anderen Blickwinkel zu bekommen, aber das änderte rein gar nichts. Ich sah nur blutige Eingeweide. »Vielleicht hättest du besser Micah mitbringen sollen. Sie ist die Künstlerin in unserer Gruppe.«

  Auri grummelte unzufrieden. »Ich werde ihr heute Abend mal die Fotos zeigen.«

  »Und wo willst du als Nächstes hin?«

  »Lass uns noch mal zu den Skulpturen gehen. Danach will ich kurz schauen, ob ich einen Mitarbeiter oder womöglich sogar die Leiterin des Museums erwische. Wir haben zwar einige Unterlagen bekommen, aber ich würde auch gerne persönlich mit jemandem reden.«

  Ich nickte, und wir folgten der Beschriftung auf dem Boden zu dem Atrium mit den Skulpturen, in dem lokale wie internationale Künstler ausgestellt wurden.

  Ich schlenderte gelangweilt durch die Gänge, während Auri seine Fotos machte. Eigentlich hatte ich überhaupt kein Interesse an dem Museum, aber Auri hat mich gefragt, ob ich mitkommen wollte, um anschließend in den Laden für Bastelbedarf zu gehen. Wie hätte ich da noch Nein sagen können? Außerdem war es im Museum wirklich erträglich. Bei dem Wetter und ohne die Schulkinder, die jetzt Ferien hatten, wirkte es wie ausgestorben. Dumpf hallten meine Schritte von den hohen Steinwänden wider. Kein Wunder, dass Auris Kurs eine Marketingkampagne auf die Beine stellen sollte, um mehr Besucher anzulocken.

  »Wie läuft es eigentlich im Tattoostudio?«, fragte Auri, während er sich auf den Boden kniete, um eine der Skulpturen von unten zu fotografieren. »Du hast noch nicht viel erzählt.«

  Ich zuckte mit den Schultern. »Da gibt es nicht viel zu erzählen. Ricky und die anderen sind sehr nett, aber ich hab nicht viel mit ihnen zu tun. Sie sind meistens mit Kunden beschäftigt. Ansonsten sitz ich rum und warte darauf, dass das Telefon klingelt oder jemand reinkommt.«

  »Und der Kontakt zu den ganzen fremden Leuten macht dir keine Probleme?«

  »Nein, solange sie keinen Small Talk erwarten, ist alles gut. Was ist eigentlich aus deinem Vorhaben geworden, dir noch ein Tattoo stechen zu lassen?« Ich hatte Auris Worte und seine »Drohung«, mich das Motiv aussuchen zu lassen, nicht vergessen.

  »Das steht noch«, sagte Auri und rappelte sich auf, um weitere Fotos aus einer anderen Perspektive aufzunehmen. »Ich bin bisher nur noch nicht dazu gekommen, das Crooked Ink während deiner Arbeitszeiten zu besuchen.«

  »Du weißt, dass die anderen Aushilfen dir ebenso gut einen Termin geben können.«

  »Ich will dich aber in Aktion sehen.«

  »In Aktion?« Ich schnaubte. »So würde ich das nicht nennen, aber von mir aus.«

  »Wann bist du das nächste Mal dort?«

  »Ich schick dir meinen Dienstplan.«

  »Cool.« Auri stemmte die Hände in die Hüfte. »Ich glaube, ich bin hier fertig. Möchtest du dort auf der Bank warten, während ich versuche, die Leiterin dieses Friedhofs zu finden? Es sollte nicht lange dauern.«

  »Klar. Bis gleich.« Ich ho
ckte mich auf die Bank, die zwischen zwei Skulpturen aus Draht stand, und holte mein Handy hervor, um Auri den Plan direkt zu schicken.

  Ich wollte gerade das Mailprogramm öffnen, als ich entdeckte, dass ich einen verpassten Anruf von einer nicht eingespeicherten Nummer hatte. Dennoch wusste ich augenblicklich, wer der Anrufer war, ich kannte die Ziffern auswendig. Sie hatten sich bereits vor Jahren in mein Gedächtnis eingebrannt. Kurz überlegte ich, sofort zurückzurufen, aber dafür war später noch immer Zeit.

  Ich schickte Auri meinen Dienstplan und öffnete anschließend Instagram. Gedankenverloren scrollte ich durch meine Chronik, während ich wartete. Lucien hatte drei Bilder von meinem blutigen Teufelsgesicht hochgeladen, und Aliza hatte ein riesiges Gewinnspiel gestartet, bei dem man ein Set High-End-Kochtöpfe gewinnen konnte. Auri hatte ebenfalls ein neues Bild von sich gepostet, wie er bei Nacht auf dem Footballfeld stand und einem seiner Mitspieler ein High five gab. Hinter ihren Rücken leuchteten die Scheinwerfer hell wie strahlende Monde. Es war ein schönes Foto, aber es sah genauso aus wie Hunderte andere zuvor. Allerdings schien das seine Fans nicht zu stören. Sie hatten es begeistert kommentiert und feierten, dass er wieder am Training teilnehmen konnte.

  »Da bin ich schon wieder«, hörte ich Auri sagen.

  Ich blickte von meinem Handy auf. »Hast du die Leiterin gefunden?«

  »Ja, ich hab übermorgen einen Termin bei ihr.«

  »Wir können also gehen?«, fragte ich hoffnungsvoll.

  »Yep.«

  »Cool.« Ich steckte mein Handy weg und wollte gerade aufstehen, als ich bemerkte, dass etwas nicht stimmte. Meine Hände zitterten, und mein Herz schlug viel zu schnell, als hätte ich gerade etwas wahnsinnig Aufregendes erlebt, anstatt in einem langweiligen Museum zu sitzen. Dunkle Flecken begannen vor meinem Sichtfeld zu tanzen, und ich ließ mich zurück auf die Bank plumpsen.

 

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