«Es wäre kein Geschenk, David, wenn dass das Problem sein sollte. Sie würden bis zum Semesterbeginn für mich arbeiten. Mit meiner Tochter.»
«Verstehe.» Okay, jetzt bricht mir der Schweiß aus. Ich stoße hart den Atem aus und wische mir über die Stirn. Vierundzwanzigtausend Dollar für knapp acht Wochen Arbeit? Vierundzwanzigtausend Dollar, um den hübschen Hintern seiner Tochter zu massieren und ein bisschen Krankengymnastik mit ihr zu machen? In der Welt, in der er lebt, verliert man offenbar jeden Sinn für Realität.
«Wann könnten Sie anfangen? Haben Sie eine Kündigungsfrist, oder sind Sie bereits für Dienste eingeteilt, die Sie nicht absagen können?»
Scheiße, ich habe doch noch gar nicht zugesagt. Denkt er wirklich, er muss nur mit einem Scheck winken und bekommt sofort, was er will? Ich kann das nicht machen. Ich kann unmöglich für Hayden arbeiten. Nicht mal, wenn es die Lösung für sämtliche finanziellen Probleme ist. Ich kann ihm dann nicht mehr aus dem Weg gehen. Ich wäre in seinem verdammten Haus. Ich müsste Jane noch mehr Lügen auftischen als ohnehin schon. «Nein, Sir», höre ich mich sagen. «Ich habe nur einen Aushilfsvertrag.»
«Perfekt», sagt Hayden.
Ich versuche krampfhaft, mich auf die Stimme in meinem Bauch zu konzentrieren, die mir sagt, dass ich dieses Jobangebot auf keinen Fall annehmen kann. Wegen meiner Mom und wegen Jane. Und weil das alles eine einzige Heuchelei wäre. Wenn ich diesen Job mache, kann ich auch gleich über ein Minenfeld tanzen oder auf einen brodelnden Vulkan klettern. Nur flüstert mir die Stimme in meinem Kopf das genaue Gegenteil ein. Das würde meine Geldsorgen auf einen Schlag wegwischen. Unsere Geldsorgen. Jane hat gesagt, dass wir uns überlegen müssen, wem wir unsere Seele verkaufen, und ich wäre im Traum nicht auf die Idee gekommen, dass ich meine ausgerechnet Hayden vor die Füße werfe. Aber wenn ich ehrlich zu mir bin: Es gibt nichts zu überlegen. Ich muss das machen, weil es die einzige Möglichkeit ist, weiter zu studieren. Weil es mein einziger Ausweg ist.
Offenbar merkt Hayden, dass ich mit mir kämpfe, denn er redet weiter auf mich ein. «Mir ist klar, dass die Therapie meiner Tochter für Sie keine Herausforderung darstellt. Aber Sie schaffen es auch, sie zu motivieren und aufzubauen. Und das ist nicht weniger wichtig als ihre physische Konstitution.»
«Das ist richtig, Sir.»
«Heißt das, Sie denken darüber nach?»
Wahrscheinlich schaufle ich mir gerade mein eigenes Grab. Ich schiebe Mom in den hintersten Winkel meines Bewusstseins und auch Jane. Ich versuche, nicht daran zu denken, dass ich Abbi mehr mag, als gut für mich ist, und dass ich auch sie wochenlang werde anlügen müssen. Verdammt. «Ich muss nicht darüber nachdenken, Sir. Ich nehme den Job.» Jedes Gefühl aus meinem Bauch verdrängend, halte ich ihm die Hand hin, und Hayden schlägt sofort ein.
«Wunderbar, Mr. Rivers. Dann ist es abgemacht. Meine Frau und ich werden in den nächsten drei Wochen wenig zu Hause sein, deshalb geht es mir auch darum, dass Abbi nicht die ganze Zeit allein ist.»
Hat sie keine Freunde? Was ist mit Willow? Aber klar, für das Geld spiele ich auch gerne ein Animationsprogramm ab, ist kein Ding. Fast hätte ich das laut gesagt. «Also kein neun bis fünf, wollen Sie das damit sagen?»
«Mir wäre es am liebsten, wenn Sie die Zeiten mit Abbi selbst absprechen. Machen Sie ihre Therapie, motivieren Sie sie und begleiten Sie sie zum Arzt, wenn sie einen Termin hat. Ich werde Professor Muller bitten, in den nächsten Tagen nach Abbi zu sehen, um den Heilungsverlauf zu prüfen und mit Ihnen den weiteren Verlauf zu besprechen.»
«Ist das der Arzt, der sie operiert hat?»
«Ja, das ist er. Er wird wahrscheinlich erst abends kommen. Sie werden an diesem Tag länger bleiben müssen, um ihm Fragen zu Abbis Therapie zu beantworten.»
«Natürlich, das ist kein Problem.» Der gute Freund der Familie also. Der mir allein dadurch wahnsinnig sympathisch ist, dass er eine junge Frau behandelt hat, als wäre sie ein Soldat im Afghanistaneinsatz und ihm bei der OP gerade das verdammte Narkosemittel ausgegangen. Was für ein Dreckskerl. «Wann soll ich anfangen?»
«Übermorgen, wenn Sie einverstanden sind. Ich lasse Ihnen von meinem Büro den Papierkram übermitteln.» Er reicht mir seine Visitenkarte mit den Kontaktdaten. «Es wird ein Vertrag aufgesetzt, und Sie müssen eine Verschwiegenheitsklausel unterzeichnen, aber das sollte selbstverständlich sein.»
Ich schlucke den sauren Geschmack in meinem Mund runter. Mit Verschwiegenheitsklauseln kennt er sich aus. Verdammt, ich fass es nicht, dass ich mich darauf einlasse. Wie kann ich für ihn arbeiten, nachdem ich weiß, was er mit Mom abgezogen hat? «Ja, Sir.» In den nächsten Wochen werde ich mich ans Runterschlucken gewöhnen müssen. Ich werde verdammt viel zu verdauen haben, aber ich mache das für uns. Für Jane und mich, damit wir das irgendwie hinkriegen, auch ohne Mom. «Um wie viel Uhr soll ich morgens da sein?»
«Kommen Sie an Ihrem ersten Tag um zehn, und sprechen Sie dann mit Abbi. Wenn sich das in den letzten Wochen nicht signifikant geändert hat, ist sie keine Frühaufsteherin.»
«Sie hat Schlafstörungen», sage ich. «Seit dem Unfall hat sie eigentlich keine Nacht richtig durchgeschlafen, ich würde sie also nicht früher als nötig wecken.»
Einen Moment starrt er mich irritiert an. «Ist das normal?» Er klingt besorgt. «Und wieso weiß ich davon nichts?»
«Ich schätze, weil es nur im Pflegebericht steht. Wenn Abbi Ihnen nichts davon erzählt hat …»
«Aber Sie wissen davon.» Es ist keine Frage.
«Na ja. Ich lese alles. Nicht nur das, was im Arztbericht steht. Und dass man Schlafprobleme hat, ist relativ häufig nach einem Trauma dieser Größenordnung. Abbi war zwar nicht lebensbedrohlich verletzt, aber die Kombination der Verletzungen …»
«Mr. Rivers», unterbricht er mich. «Ich bin mir absolut sicher, dass Sie der richtige Therapeut für meine Tochter sind.»
Und ich bin mir absolut sicher, dass ich diesen Tag noch verfluchen werde.
Hayden erklärt mir, dass er den Vertrag von einem Kurier in die Klinik bringen lässt und ich auch von ihm alles Weitere erhalte: Schlüssel fürs Haus, den Code für die Einfahrt, eine Liste mit Telefonnummern, als wäre seine Tochter drei und ich der verdammte Babysitter.
Ich nicke nur und schwanke zwischen Verzweiflung und Erleichterung. Ich werde viel Geld verdienen, keine Frage, aber ich werde auch für den Mann arbeiten, der meine Mutter mit einem kranken Kind im Stich gelassen hat. Scheiße, ich fühle mich, als würde ich gerade ungebremst auf eine Schlucht zurasen.
12. Kapitel
David
Drei Dinge in meinem Leben muss ich gerade dringend angehen: Das Loch in meinem Magen beseitigen, Jane beibringen, ihr verdammtes Frühstücksgeschirr selber abzuwaschen, und mir überlegen, wie ich die nächsten acht Wochen bei den Haydens überstehen soll. An der ersten Sache bin ich dran. Ich habe die Bohnen aufgesetzt, Zwiebeln und Knoblauch kleingehackt und bin nun dabei, das Ganze in einer Pfanne anzubraten. Die zweite Sache ist grundsätzlich zum Scheitern verurteilt, denn Jane übersieht solche Dinge wie schmutziges Geschirr einfach. Und Nummer drei …
Die verdammte Visitenkarte und der Schlüssel von Haydens Haus brennen mir fast ein Loch in die Hosentasche. Dass ich den Arbeitsvertrag und die Verschwiegenheitsklausel unterschrieben habe, sorgt dafür, dass ich bald durchdrehe. Aber am Dienstag hätte ich einen Termin bei der Bank, den ich jetzt nicht mehr brauche, und daran klammere ich mich. Wenn ich die nächsten Wochen hinter mich bringe, kann ich das letzte Jahr an der Uni durchziehen und danach Jane unterstützen. Ich werde nach diesem Job wieder in der Klinik arbeiten und Jane im Diner. Wir werden eine Zukunftsperspektive haben. Also ist Abbi Hayden meine Rettung. Oder mein Untergang, wer weiß das schon.
Sobald Abbi gesund ist, werde ich sie nie wiedersehen und kann anfangen, die Existenz dieser Familie zu verdrängen. Der Gedanke sollte mich erleichtern. Warum tut er das dann nicht?
Ich wische meine feuchten Finger am Küchenhandtuch ab und ziehe die Karte aus der Tasche. Exklusivstes Papier der Hayden Paper Group. Die Karte wirkt äußerst stabil. Die Oberfläche fühlt sich ähnlich an wie das Blatt, das i
ch Abbi geklaut hatte. Die Schrift ist blau. Demokratenblau. Und der Name ist nicht einfach nur aufgedruckt, sondern wurde in das Papier geprägt.
Ich knülle die Visitenkarte zusammen und stopfe sie im Mülleimer unter Janes Pizzareste von gestern, damit sie die Karte nicht zufällig findet. Adresse und Telefonnummer habe ich sowieso in meinem Handy abgespeichert. Die Haustür wird geöffnet und knallt eine Sekunde später zu. Jane ist da. Gott sei Dank keine Minute zu früh. Hoffentlich hören meine Gedanken jetzt endlich auf, Rodeo zu reiten.
Sie kommt in die Küche, schnuppert demonstrativ und verzieht dann das Gesicht. «Es riecht … gesund.»
«Chili sin Carne.»
«Bitte sag mir, dass du vorhast, zusätzlich noch zwei Tassen ekelhaft fettigen, fertig geriebenen mexikanischen Käse drüberzustreuen.»
Ich schnaube. «Ganz sicher nicht.»
«David!» Sie lässt sich auf einen der drei Küchenstühle fallen. «Du machst mich fertig mit deinem Gesundheitstick. Ich hatte so eine beschissene Schicht im Diner, ich brauche unbedingt was Fettiges.»
Ich gebe nach, weil ich das echt gut verstehen kann. So viel ungesundes Zeug, wie ich nach diesem Tag bräuchte, könnte ich gar nicht essen. «Da ist noch ein Rest Sour Cream. Im Kühlschrank.»
Sie seufzt. «In der Not nehme ich auch die. Wie lange dauert es noch?»
«Wenn ich die Linsen und Chilis dazugetan habe, muss es nur noch etwas einkochen. Maximal fünfzehn Minuten. Du hättest den Studienplatz nicht absagen sollen.»
«Das würde auch nichts daran ändern, dass ich nebenbei im Diner arbeite und Studenten mit Poloshirts bediene.»
Gott sei Dank quatscht Jane nur über ihren alltäglichen Kram. Das kann ich gerade gut gebrauchen. «Was hast du gegen Poloshirts?»
«Grundsätzlich nichts. Nur in der Kombination mit Chinohosen, Slippern und einem arroganten Studenten in den Polos finde ich sie scheiße.»
Ich schneide schnell noch zwei Tomaten und eine Paprika klein, rühre einmal um und lege den Kochlöffel über den Rand, so wie Mom das immer gemacht hat. Dass ich ständig daran denken muss – Mom hat das so oder so oder so gemacht –, nervt mich langsam selbst. Deshalb nehme ich den Kochlöffel wieder runter und lege ihn neben der Pfanne ab. «Woher weißt du, dass es ein Student war? Es ist Sommer, vielleicht war es auch ein Gebrauchtwarenhändler.»
«Sah nicht nach Klamotten von Walmart aus. Das Shirt war von Ralph Lauren. War an der Stickerei auf der Brusttasche zu erkennen. Die kosten neunzig Dollar, habe ich im Onlineshop nachgeguckt. Neunzig Dollar für ein verdammtes T-Shirt! Außerdem hatte er Bücher auf dem Tisch liegen.»
Sie kickt ihre Turnschuhe von den Füßen und schiebt sie unter den Tisch. Da werden sie garantiert noch morgen früh liegen. Jane wird sie suchen und mich anmotzen, dass ich ihre Schuhe verschleppt habe. Ich weiß jetzt schon, dass ich mich zwingen muss, sie dort liegen zu lassen.
«Grausam», sage ich. «Ein Typ, der Bücher liest, geht gar nicht.»
«Idiot.» Sie steht auf, rempelt mich von der Seite an und klaut mir ein Stück von der rohen Paprika. «Es waren Bücher über Statistik und Politikwissenschaften. Ich bin schon eingeschlafen, bevor ich die Buchtitel zu Ende gelesen habe. Können wir vor dem Fernseher essen?»
«Du weißt genau, dass Mom das …» Okay, jetzt könnte ich mir selbst in den Arsch treten. «Ach, vergiss es. Mach, was du willst, aber schalt wenigstens nicht so einen Müll ein.» Ich habe schon Tomatenmark in der Pfanne verteilt und hacke noch ein paar Kräuter klein, während Jane das Besteck aus der Schublade holt.
«Ich habe ein Jobangebot bekommen.» Und wieder einmal rede ich, ohne vorher nachzudenken. Verdammt, warum kann ich nicht einfach die Klappe halten?
«Was für ein Job denn?» Jane zieht die Kühlschranktür auf und holt die Sour Cream und eine Wasserflasche heraus. «Ich dachte, du suchst jetzt nichts Zusätzliches mehr. Wir waren uns doch einig, dass ich im Diner arbeite und du an deinen freien Tagen in Ruhe lernst.»
«Es wäre nicht zusätzlich. Ist ein Fulltimejob, bei dem ich mich nur um einen einzigen Patienten kümmern muss. Und das auch nur befristet bis zum Semesterstart.»
«So ein schlimmer Pflegefall?»
«Nein, gar nicht. Eigentlich ist es lächerlich, sich dafür einen Therapeuten ins Haus zu holen. Das sind einfach Leute mit zu viel Geld, die die beste Behandlung für ihre Tochter wollen.»
«Aber das klingt doch gut. Warum siehst du dann aus, als solltest du für die nächsten zwei Monate Rückbildungsgymnastik für Mütter anbieten?»
Gute Frage, Jane. Ich versuche, sie möglichst knapp zu beantworten. «Ich kann sie einfach nicht ab.»
«Die Patientin?»
«Nein, die ist in Ordnung. Aber ihre Eltern sind das Letzte. Ihre Mutter ist total fordernd und meint, ihre Tochter, die einen schweren Autounfall hinter sich hat, mache seit Wochen eigentlich bloß Wellnessurlaub. Und ihr Vater ist … speziell. Vordergründig nett, aber in Wirklichkeit ein Dreckskerl. Das versteckt er nur hinter einer ziemlich guten Maske.»
«Und das hast du so schnell durchschaut?» Sie klemmt sich die Wasserflasche unter den Arm und verschwindet durch die Tür, ohne auf meine Antwort zu warten. Als sie zurückkommt, habe ich die Tortillas aus dem Ofen geholt.
«Und was müsstest du machen? Bei dieser Patientin, meine ich. Sitzt sie im Rollstuhl?»
«Sie ist eigentlich schon wieder recht fit. Sie muss sich nur mehr zutrauen. Muskelaufbau vor allem vom Trizeps, damit sie vernünftig auf Krücken gehen kann. Massage, Dehnübungen beim Hüftbeuger, weil sie durch das viele Sitzen zusätzliche Schmerzen hat. Langsam die Belastung ihres Knies erhöhen. In ein paar Wochen wird sie wieder normal laufen und zur Uni gehen können.»
«Aber das klingt supereasy. Kann ich das nicht machen? Wir tauschen. Du bedienst die Poloshirt-Idioten, und ich mache Sport mit deiner Patientin. Wie heißt sie eigentlich?»
«Abbi.» Scheiße. Bin ich eigentlich bescheuert? Ich muss völlig durchgeknallt sein, Jane so viel von ihr zu erzählen. Ich unterdrücke einen Fluch und stelle schnell den Herd aus.
«Okay, ich kümmere mich gerne um Abbi, wenn sie mich dafür bezahlen. Das bisschen Krankengymnastik kannst du mir bestimmt beibringen. So schwer kann das ja nicht sein.» Sie streckt mir die Zunge raus.
Davon lasse ich mich nicht provozieren und hebe nur eine Braue an. «Nur bist du für diesen Job leider nicht vertrauenswürdig genug. Das Wichtigste ist diesen Leuten ihre Privatsphäre, und das ist etwas, was du nicht kennst.»
«Haha. Trotzdem wäre ich dafür besser geeignet als du, denn zumindest habe ich keine Vorurteile gegen Reiche.»
«Klar. Ich sag nur Poloshirt-Idioten.»
«Erwischt.» Sie lacht und schlägt sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. «In der Beziehung ist wohl keiner von uns ein Heiliger. Eigentlich sollten wir es besser wissen. Man kann doch nicht zwangsläufig davon ausgehen, dass Reiche unmoralisch sind, nur weil sie es zu Reichtum gebracht haben.»
«Ja», knurre ich. Allerdings weiß sie auch nichts über William Hayden. «Man kann mit seinem Geld auch verdammt viel Gutes tun, wenn man kein Arschloch ist.»
«Eben.»
«Darüber kannst du ja das nächste Mal mit dem Poloshirt-Typ mit den Politik-Büchern diskutieren.»
«Da rede ich lieber mit einem einfachen Pfleger wie dir.»
«Einfacher Pfleger, klar.» Ich wasche mir noch schnell die Hände an der Spüle und werfe das Küchenhandtuch dann auf die Theke, um nicht auf die Idee zu kommen, sie damit zu erwürgen. «Du hättest deinen verdammten Studienplatz nicht aufgeben sollen, Jane.»
«Und du solltest diesen Job annehmen, wenn es so leicht verdientes Geld ist.»
Okay, jetzt kommt der haarige Teil. «Ich habe ihn schon angenommen.»
«Wirklich? Wie viel wollen sie dir zahlen?»
«Zu viel.»
Jane fängt schallend an zu lachen. «Wie kann man jemandem bitte zu viel zahlen?»
«Ganz einfach.» Ich nehme Jane einen der leeren Teller ab, die sie mir hinhält, und häufe etwas von dem Chili auf eine Tortilla. «Wenn man so viel Geld bietet, will man damit viel mehr k
aufen als bloß eine Arbeitsleistung.»
«Du spinnst, David. Sie wollen nicht deine Seele, sondern nur deine Hände. Und die auch nur für ein paar Wochen. Ich wette, am Ende wird es dir gefallen, weil du halt so nett bist und mit jedem gut auskommst. Du kannst sowieso nie nein sagen, wenn dich jemand um Hilfe bittet.» Sie schwirrt mit ihrem Teller durch die Tür.
Ich starre ihr nach und bleibe noch eine Minute lang stehen, weil sich das, was sie gesagt hat, scheiße anfühlt. Ich kann es mir nicht leisten, nein zu sagen. Und für William Hayden zu arbeiten, ist, als würde ich unsere Mutter verraten. Allein bei dem Gedanken dreht sich mir der Magen um.
Und wenn Jane wüsste, dass der Mann, von dem ich gesprochen habe, ihr Erzeuger ist, der ihr als Kleinkind jede Unterstützung und Hilfe verweigert hat, würde sie mich umbringen.
Ich kann nicht mehr zählen, wie oft ich mir vorgestellt habe, ihn damit zu konfrontieren. Das alles öffentlich zu machen, würde Hayden vielleicht sogar die Kandidatur kosten. Eine verdammt befriedigende Phantasie.
Weil du halt so nett bist …
Sieht Jane mich wirklich so? Als wäre ich irgendein rückgratloser Typ, mit dem man alles machen kann? Dann hier einmal zum Mitschreiben: Bin ich nicht!
Aber das hier betrifft nicht nur mich. Ich habe mir geschworen, Jane zu beschützen, und William Hayden könnte uns das Leben zur Hölle machen. Er könnte Jane das ganze Leben kaputtmachen. Ich wäre ein Idiot, das zu riskieren.
***
Nach dem Essen verschwindet Jane in ihrem Zimmer, und ich krame die Ordner mit Moms Unterlagen noch einmal raus. Weil ich es einfach nicht in den Kopf kriege, dass Hayden mal eben so ein Vermögen für die Therapie seiner Tochter auszugeben bereit ist, Jane damals aber mit keinem Cent unterstützen wollte.
Verdammt, es war ein Fehler, mir die Behandlungskosten noch einmal genauer anzusehen, das weiß ich jetzt. Der Ordner liegt auf meinem Schoß, und ich sitze im Schneidersitz auf dem Fußboden mit dem Rücken an Moms altes Bett gelehnt. Wenn ich mich bisher noch gefragt habe, wieso Mom so viel gearbeitet hat und wir trotzdem nie genug Geld hatten, dann kenne ich nun die Antwort.
Ever – Wann immer du mich berührst Page 14