Ever – Wann immer du mich berührst
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Innerhalb von zehn Minuten habe ich geduscht und mich angezogen. Diesmal ein weites flaschengrünes T-Shirt mit überschnittenen Ärmeln und kurze Jeansshorts. Meine noch nassen Haare binde ich zu einem Knoten hoch. Ich überlege tatsächlich, ob ich etwas Make-up auflegen soll, aber wie auffällig wäre das? Ganz abgesehen davon, dass David mich nur ungeschminkt kennt, Lorraine würde es mit Sicherheit auffallen, und da sie kein Blatt vor den Mund nimmt, kann das für mich nur peinlich ausgehen.
Ich packe meine beiden Krücken und gehe damit bis zur Treppe, wo ich mich am Handlauf abstütze. Die Küchentür steht offen, und leise Musik dudelt aus der Bluetoothbox, die Lorraine überall mit hinschleppt. Sie ist wahrscheinlich der größte Elvis-Presley-Fan außerhalb von Tennessee und spielt ununterbrochen seine Songs ab. Ich höre da schon gar nicht mehr hin, das ist für mich wie Fahrstuhlmusik.
«Lorraine, was muss ich tun, um auch eine Tasse Kaffee zu bekommen?», höre ich David sagen.
Lorraine ist schlecht gelaunt. «Zum nächsten Coffeeshop fahren», blafft sie.
Wie bitte? Ich schnappe nach Luft und kralle mich am Geländer fest.
Aber Lorraine ist noch nicht fertig mit ihm. «So ein mit Milch aufgeschäumtes aromatisiertes Zeug, wie ihr jungen Leute das heutzutage trinkt, gibt es bei mir nicht. Willst womöglich noch Karamellsirup, was?» Sie stößt einen angewiderten Laut aus.
Oh Mist. Ich bin an Lorraines rauen Charme gewöhnt, aber dass sie David gegenüber so barsch ist, kann ich nicht fassen. Ich beeile mich, die Stufen runterzukommen, aber leider bin ich nicht so schnell.
«Nicht wirklich», antwortet David ungerührt. «Mit Milch aufgeschäumtes aromatisiertes Zeug ist nämlich das Letzte, was ich trinken würde. Ich stehe auf stinknormalen Filterkaffee.»
«Es sind nur zwölf Meilen bis zum nächsten Starbucks.»
Ich bin kurz davor, etwas die Treppe runterzurufen. Das kann sie doch nicht bringen!
«In Ordnung, Ma’am. Sie wollen nicht irgendeinen dahergelaufenen Kerl in Ihrer Küche sitzen haben, verstehe ich. Außerdem wollen Sie bestimmt in Ruhe Ihre Musik hören und Ihren Job machen. Das haben wir beide gemeinsam. Ich will auch nur meinen Job machen. Aber ich hatte heute noch keinen Kaffee, und für eine Tasse von Ihrem würde ich fast alles tun.»
Ich muss grinsen, als ich endlich die letzten Stufen erreicht habe. David ist aber noch nicht fertig.
«Ich könnte Ihnen was von Elvis vorsingen. Nur bin ich echt kein guter Sänger. Aber für einen Kaffee würde ich es darauf ankommen lassen.»
«Hnh», erwidert Lorraine.
«Und ich höre erst auf, den King zu geben, wenn ich von Ihnen diesen Kaffee kriege. Ich trinke ihn auch draußen, wenn Ihnen das lieber ist. Bitte schwarz, Ma’am.»
Ist das sein Ernst? Geschockt bleibe ich auf der untersten Stufe stehen.
«Na gut», höre ich sie antworten. «Ich gebe dir eine Chance.»
«W-was?» David klingt nicht so, als hätte er diese Antwort erwartet.
«Wenn du gut genug bist, bekommst du von mir eine Tasse. Aber wenn nicht, dann schiebst du deinen frechen Hintern ohne Widerworte aus meiner Küche.»
«Scheiße.»
«Solche Kraftausdrücke will ich hier nicht hören, junger Mann.»
«Verzeihung, Ma’am.» David atmet geräuschvoll aus. «Okay.» Wieder geräuschvolles Ausatmen. «Welcher Song?»
«Fever», sagt Lorraine ungerührt, und als ich mich vorbeuge, kann ich durch die leicht geöffnete Tür sehen, wie sie herausfordernd mit ihren breiten Hüften wackelt. Schnell ziehe ich mich zurück.
«Manche finden das Original von Little Willie John besser», sagt David. «Ich gehöre natürlich nicht dazu, aber seine Stimme ist wirklich unglaublich.»
Ich kann mir seinen Gesichtsausdruck dazu gut vorstellen. Ganz sicher lachen seine Augen.
«Jetzt werd nicht blasphemisch!»
Ich könnte etwas sagen. Ich sollte jetzt etwas sagen. Lorraine soll ihm einfach den blöden Kaffee einschenken. Aber … andererseits … Wäre es schlimm, einfach noch eine Minute an der Treppe stehen zu bleiben? Schließlich muss ich meine Krücken erst noch sortieren. Es dauert nur wenige Sekunden, bis aus der Bluetoothbox gemächlich der Kontrabass zu hören ist und Lorraine rhythmisch mit den Fingern schnippst. Der Song ist simpel, aber weil der Bass so dominant ist, wirkt er doch ziemlich genial, muss ich zugeben. Ich verstehe zwar vom Cello mehr, aber ich höre immerhin c-Moll heraus.
Doch dann kommt Elvis’ Einsatz, und David fängt sofort an mitzusingen.
«Never know how much I love you, never know how much I care. When you put your arms around me I get a fever that’s so hard to bear. You give me fever …»
Oh wow. Seine Stimme ist tief und ein kleines bisschen kratzig, und es stimmt eindeutig nicht, dass er kein guter Sänger ist. Jetzt beginnt er auch noch, seine Hüften kreisen zu lassen und Lorraine anzutanzen. Ich sehe nur einen Teil von ihm durch die Tür, aber der genügt, um mir das Herz in die Hose rutschen zu lassen.
Lorraine sieht völlig verzückt aus, lässt zu, dass David ihre Hand ergreift, sie damit auf der Stelle dreht und anschließend zum Tanzen an sich zieht. Er raunt ihr den Song ins Ohr, und ich könnte schwören, dass Lorraine rot anläuft.
«… when you kiss me, fever when you hold me tight. Fever in the morning, fever all through the night …»
Ich kann nicht glauben, dass die beiden miteinander tanzen. Morgens um zehn in unserer Küche. Eigentlich sollte es witzig sein, aber statt einem Lachen bildet sich ein Kloß in meinem Hals. Lorraine ist fast siebzig und hat schon für meinen Grandpa gearbeitet. Ich kenne sie mein ganzes Leben, aber so habe ich sie noch nie gesehen. Und David singen zu hören … Ich liebe es, wie er den Song auf diese sexy Art interpretiert. Am liebsten würde ich ihnen einfach weiter zusehen. Nein, das stimmt nicht. Eigentlich würde ich viel lieber selbst mit David tanzen und mir das Lied von ihm ins Ohr raunen lassen. Ich schlucke.
Aber ich will Lorraine den Moment auf keinen Fall kaputtmachen, und wenn sie mich bemerkt, wird sie garantiert zu tanzen aufhören.
So leise wie möglich, und ohne meine klappernden Krücken zu benutzen, hüpfe ich deshalb auf einem Bein an der Küche vorbei zum Büro meines Dads und schließe dort geräuschlos die Tür hinter mir. Nur gedämpft höre ich noch Davids Stimme, und einmal lacht Lorraine rauchig auf. Doch irgendwann wird es still. Falls sie sehen, wie ich aus Dads Büro komme, muss ich eine gute Erklärung dafür haben, überlege ich.
Na ja. Ich habe einfach etwas gesucht. Aber was?
Ich gehe zu Dads Schreibtisch, lehne eine Krücke dagegen und fahre mit der Hand über die Arbeitsplatte. Einen Locher? Einen Radiergummi? Klar, ich brauche morgens zum Frühstück ganz dringend einen Radiergummi, logisch. Ich will die oberste Schublade öffnen, aber sie ist abgeschlossen. Ich ziehe die darunter auf, aber da sind nur Register drin, deshalb schiebe ich sie direkt wieder zu. Für einen Moment setze ich mich auf den Schreibtischstuhl. Er ist aus Leder und fühlt sich kalt an meinen Oberschenkeln an. Wenn ich noch etwas länger hierbleibe, wirkt es vermutlich unverdächtiger und nicht so, als hätte ich darauf gewartet, dass sie fertig werden. Reichen zwei Minuten?
Mit den Fingerspitzen trommle ich auf die Arbeitsplatte. Und dabei höre ich immer noch den Song in meinem Kopf.
He gives me fever with his kisses, fever when he holds me tight. Fever, I’m his misses, oh daddy, won’t you treat him right.
Dad hat ein paar völlig unlesbare Post-its auf der Schreibtischunterlage kleben, und links lugt darunter Papier mit dem Firmenlogo der Hayden Paper Group heraus. Eigentlich bin ich nicht zwanghaft neugierig, aber allein, um mich abzulenken, ziehe ich es nun heraus.
Es ist nur ein Vertrag. Ich will ihn zurücklegen, da fällt mir ganz oben der Vertragsgegenstand ins Auge.
Physiotherapeutische Begleitung von Abigail Hayden.
Das muss die Vereinbarung sein, die mein Vater mit David getroffen hat. Meine Güte, das sind bestimmt sechs Seiten. Ich überfliege die Kontaktdaten und die ersten Abschnitte.
Die Vertragspartner verpflichten sich …
Bla, bla …
… nach bestem therapeutischem Wissen …
… ausnahmslos nach ärztlicher Anordnung …
… unter Berücksichtigung des Heilungsverlaufs …
Ich halte inne, als ich zum nächsten Absatz komme.
… in der der physische Kontakt ausschließlich basierend auf die therapeutische Zielsetzung erfolgt. Jegliche körperliche Interaktion, die nicht in direktem Zusammenhang mit einer kurativen Behandlung steht, ist strikt zu vermeiden. Der Vertragspartner verpflichtet sich, die Grenzen der physiotherapeutischen Zusammenarbeit jederzeit einzuhalten …
Das ist ja lachhaft. Fehlt eigentlich nur noch, dass aufgelistet wird, welche Stellen meines Körpers David nicht anfassen darf. Kein Wunder, dass er zusammengezuckt ist, als ich gestern aus Versehen an sein Knie gestoßen bin. Nach dem Wortlaut dieses dämlichen Vertrags dürfte er mir nicht mal die Hand schütteln, weil das keinen therapeutischen Zweck hat. Deswegen hat er sich bestimmt auch geweigert, mit mir zusammen in den Pool zu gehen. Oh mein Gott, was haben Dads Anwälte sich denn bitte dabei gedacht?
Am Ende des Vertrags folgt noch eine Verschwiegenheitsklausel, die David quasi untersagt, außerhalb dieses Grundstücks auch nur die ersten drei Buchstaben meines Vornamens auszusprechen. Er muss uns für paranoid halten. Mit einem unguten Gefühl klemme ich die Unterlagen wieder unter die Ablage. Als ich aus dem Büro komme, bin ich seltsam ernüchtert. Und ich habe ganz vergessen, mir ein Alibi auszudenken, was mir aber erst klar wird, als Lorraine mich in der Halle anspricht.
«Was hast du denn im Büro deines Vaters gemacht? Du weißt doch, er kann es nicht leiden, wenn du dir Sachen leihst. Nachher heißt es wieder, ich hätte beim Staubwischen alles durcheinandergebracht.»
«Ich … ich habe nur etwas zurückgebracht. Guten Morgen, Lorraine.»
Sie wird ein bisschen rot. «Guten Morgen. Geh in die Küche, ich mach dir dein Frühstück. Du bist ganz blass, brauchst bestimmt mehr Vitamine.»
David sitzt am Küchentisch, als ich reinkomme, und hat eine Tasse dampfenden Kaffee vor sich, deshalb muss ich lächeln. Ziemlich breit lächeln, befürchte ich, und das scheint ihn zu verunsichern. «Hey.» Er fährt sich mit der Hand in den Nacken. Das macht er öfter. Eigentlich immer, wenn er verlegen ist. Und das macht mich auch verlegen. Oder es liegt daran, dass ich gerade seinen Körper abgescannt habe und plötzlich darüber nachdenke, dass er jetzt wahrscheinlich wieder Unterwäsche trägt. Ich summe leise vor mich hin. Aber um diese Bilder aus meinem Kopf zu vertreiben und die Erinnerung an seine Stimme zu übertönen, müsste ich schon einen Death-Metal-Song brüllen.
Ich humple zum anderen Ende des Tischs, möglichst weit weg von ihm, weil mir die Vertragsklauseln immer noch durch den Kopf schwirren. Lorraine stellt mir einen Moment später ein Tablett vor die Nase.
«Danke.» Abwesend greife ich nach einem Löffel und fülle aus jedem Glas, das darauf steht, die gleiche Menge in eine Schale. Haferflocken, Trockenfrüchte, Nüsse. Alles wie immer, wie vor meinem Unfall. Lorraine gießt mir einen großen Schluck warme Mandelmilch auf die Mischung, und ich rühre gedankenverloren um.
«Vitamine, Abbi», erinnert Lorraine mich, und gehorsam greife ich nach einem Apfel, schneide ihn klein und verteile die Stücke über mein Essen.
«Machst du immer genau das, was man dir sagt?», fragt David, und als ich überrascht aufblicke, wird mir klar, dass er mich schon eine Weile beobachtet.
«Nein, eigentlich …» Ich starre auf meine Müslischale. «Na ja, manchmal. Eigentlich habe ich noch gar keinen Hunger.»
«Ich frühstücke auch nie.»
«Bring mir das Mädchen nicht auf dumme Ideen!» Lorraine schlägt David mit der Zeitung auf den Arm, gerade als er trinken will, und etwas von dem heißen Kaffee schwappt ihm über die Finger. Er unterdrückt einen Fluch und schüttelt seine Hand aus.
Um meinen Mundwinkel zuckt es. Jetzt weißt du, warum, sagt ihm mein Blick.
David legt den Kopf schräg. Hab’s kapiert.
Seine Augen lächeln dabei, und ich senke den Kopf, um etwas von meinem Müsli zu essen und Lorraine dadurch zufriedenzustellen.
Nach dem Frühstück gehen wir raus in den Garten. David hat einige Sachen aus der Klinik mitgebracht. Nur ausgeliehen, wie er sagt. Darunter eine zweite Matte, eine Faszienrolle – und einen Gymnastikball. Ich hasse Gymnastikbälle. Liegt vermutlich daran, dass ich als Kind mal von einem runtergefallen und auf dem Steißbein gelandet bin. Deshalb betrachte ich das blöde Ding kritisch.
Aber David hockt sich erst mal auf den Boden und weist mich an, mich flach auf den Rücken zu legen. Das mache ich auch, aber weil der Haarknoten unangenehm drückt, ziehe ich das Gummi heraus und streife mein Haar in meinem Nacken nach oben.
David sieht etwas irritiert aus, aber dann fängt er an, mein Knie zu massieren, wie ich das schon kenne. Nur … kann ich mich nicht wirklich entspannen wegen dem, was ich eben in diesem Vertrag gelesen habe. Jetzt mache ich mir viel zu viele Gedanken.
«Ich lege nun deinen Fuß auf meine Schulter, Abbi.»
Er wartet darauf, dass ich nicke, dann hebt er mein Bein hoch. Seine Finger an meinem Knöchel sind warm, und ich halte den Atem an. Und dann denke ich, dass ich das auch selber machen kann, habe aber zu viel Schwung, und mein Fuß streift seinen Hals.
«Tut mir leid», lache ich auf. «Ich wollte dich nicht k.o. schlagen oder so.» Ich will den Fuß wegziehen, aber David schüttelt den Kopf und legt wieder seine Hand darauf.
«Ist schon okay», murmelt er. Doch ich glaube, das ist es nicht. Weil sein Daumen meine Fußsohle berührt und das irgendeine Nervenbahn trifft, die durch meinen ganzen Körper jagt. Weil seine Hände mich nicht festhalten, sondern viel zu leicht über meine Haut streichen, sodass es eigentlich mehr ein Streicheln ist. Es ist nicht okay, weil mein Herz so schnell schlägt, dass es jetzt irgendwo in meiner Kehle festhängt. Zumindest fühlt es sich so an, und ich fasse mir ganz automatisch an den Hals.
Als David das sieht, presst er die Lippen zusammen. Er verschränkt seine Finger oberhalb meines Knies miteinander und fährt damit über meinen Oberschenkel. Das macht er mehrmals, dann lockert er das Gelenk, indem er mit den Fingerspitzen seitlich hineindrückt.
«Ich dehne dein Bein jetzt in die Extension. Wegen der Verletzung hast du es immer noch zu oft angewinkelt, und das wird dir ganz schnell weitere Probleme bereiten.» Er drückt gegen mein Knie, bis es durchgestreckt ist, und das zieht ganz schön.
«Alles gut?»
«Ja.»
Seine Hände fahren meine Kniekehle entlang nach oben bis zu meinem Oberschenkel. Und jetzt muss ich schlucken, weil das, was mir gerade durch den Kopf geht, nichts mehr mit der Therapie zu tun hat. Vielleicht liegt es daran, dass mein Fuß immer noch auf seiner Schulter ruht, vielleicht aber auch an seinen Händen. In diesem Moment will ich David auf mich ziehen. Zwischen meine Schenkel. Der Gedanke ist so plötzlich da, dass ich von mir selbst überrascht bin und Adrenalin meinen Körper überschwemmt. Mein Puls rast los, und ich versuche unwillkürlich, ein Stück zurückzuweichen.
Was David natürlich merkt.
Er sieht mich einen Moment stirnrunzelnd an, und ich bin kurz davor, in Panik auszubrechen, als er sagt: «Okay, weißt du was, wir nehmen vielleicht doch lieber den Ball.» Langsam setzt er mein Bein wieder ab, steht auf und holt den Gymnastikball. Obwohl ich das Teil hasse, bin ich jetzt erleichtert.
Ich soll den Fuß meines operierten Beins auf den Ball legen, und weil der Ball was bei mir guthat und ich auf dem Boden liegend schlecht fallen kann, tue ich es.
«Du ziehst ihn mit der Ferse zu dir ran. Einfach vor- und zurückrollen. So weit beugen, wie es für dein Knie noch okay ist.»
Mittlerweile kann ich das Knie schon ziemlich weit knicken, stelle ich fest. David lässt mich das eine ganze Weile wiederholen, danach auch mit dem anderen Bein.
«Jetzt probieren wir das mit der Streckung. Leg beide Füße auf den Ball, stütz dich mit den Handflächen auf dem Boden ab und drück den Hintern hoch.»
«Ist das nicht zu viel Belastung für mein Knie, wenn ich mein ganzes Gewicht in der Luft halten muss?»
/> «Nein, du benutzt bei dieser Übung vor allem die Muskeln in deinem Hintern. Die Glute Bridge stärkt aber auch die gesamte Rumpfmuskulatur. Deswegen empfehle ich die Übung, auch wenn manche sie nicht gern machen, weil sie … na ja, etwas unanständig aussieht.»
Wie meint er das denn?
Ich hebe meine Füße auf den Gymnastikball, stütze mich mit den Händen seitlich am Boden ab und hebe den Po an. Meine Hüfte bewegt sich hoch und runter. David grinst schief, und mein Gesicht glüht auf. Okay, ich glaube, jetzt habe ich kapiert, wie er das meint. Schnell lenke ich meinen Blick woandershin. Irgendwohin, nur weg von diesen grauen Augen. Mit den Fersen schiebe ich nach Davids Anweisung den Ball so weit weg, dass meine Beine fast ausgestreckt sind, danach rolle ich ihn wieder zurück und winkle die Beine an. Dabei mit dem Hintern nicht den Boden zu berühren, ist ganz schön anstrengend.
«Danke für die Papierblume», sage ich, als ich nach ein paar Wiederholungen eine Pause einlege, um Luft zu holen. «Sie ist wunderschön, ich habe sie in meinem Zimmer auf die Fensterbank gelegt.»
«Mmh. Keine Pause, Abbi. Mach das noch zehnmal.»
Ich stemme den Hintern in die Höhe und ziehe den Ball zu mir, David lässt meine Beine nicht aus den Augen, und ich hypnotisiere hochkonzentriert den nächsten Baum.
«Ich wollte nur, dass du weißt, dass ich schon da bin. Deshalb die Blume. Zieht das in der Leiste?»
«Es geht.»
David rollt eine zweite Matte mit einigem Abstand zu mir aus und legt sich hin, um mir vorzumachen, wie ich weitere Dehnübungen für meine Leiste machen kann.
Dass er jede meiner Bewegungen so genau beobachtet, macht mich wahnsinnig. «Du musst das nicht mitmachen», sage ich deshalb. «Ich hab verstanden, wie es geht. Kannst du nicht einfach … keine Ahnung … neben mir ein paar von deinen Calisthenics-Übungen machen?»
Er hält inne und starrt mich überrascht an. «Ich bin nicht hier, um meinen Sport zu machen, also …»
So langsam macht er mich wütend. Ja, er ist Profi, ich hab’s begriffen. «Es würde mich entspannen, wenn du nicht den ganzen Tag jede noch so kleine Bewegung von mir analysierst. Kannst du nicht einfach irgendwas machen? Ich schaffe diese Übung alleine, okay?»