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Der Himmel wird beben

Page 26

by Kiefer, Lena


  »Was ist damit?«

  »Damit werden doch sicher Daten übertragen, oder?«

  »Davon gehe ich aus, ja.«

  »Also könnte ich darüber mit Amber Island kommunizieren, damit sie mir gibt, was ich will. Zum Beispiel einen DataPod aus dem Lagerbereich.« Wir hatten bisher nur überlegt, wie wir dort reinkommen konnten. Aber vielleicht funktionierte es auch umgekehrt.

  »Unmöglich«, sagte Lucien. »Das Transportsystem wird nur in Gang gesetzt, wenn die Autorisation von allen Regierungen vorliegt.«

  »Vielleicht kann ich die Berechtigung vortäuschen.«

  Lucien blieb skeptisch. »Du erinnerst dich aber schon an diesen Moment, als die Killerdrohne aufgetaucht ist, oder? Ich möchte das eigentlich ungern wiederholen.«

  Damit sprach er etwas Wahres an. Der Scouter war zerstört worden, weil er was versucht hatte, das er nicht durfte. ­Gleiches galt auch für mich, wenn ich mich in Amber Islands System einhackte. Aber das bedeutete nicht, dass ich es nicht tun konnte.

  »Ich war unvorsichtig«, sagte ich. »Das wird auf keinen Fall wieder passieren. Außerdem bin ich kein Teil des Systems und sie kann mich nicht orten. Sollte sie also bemerken, dass ich drin bin, muss sie erst mal nach mir suchen. Also?« Unsere Energiereserven fielen mit jeder Minute, die wir untätig blieben.

  »Dachte, du wärst längst dabei«, gab Lucien zurück.

  Ich baute mit dem Anzug über die Datenleitung eine drahtlose Verbindung zu Amber Island auf und wurde sofort wieder hinausgeworfen. Ich versuchte es mit einer anderen Signatur, das gleiche Ergebnis. Als Nächstes tarnte ich den Verbindungsaufbau komplett, kam damit aber auch nur bis zur ersten Barriere. Immerhin konnte ich damit in die Strukturen des Lagerbereichs schauen.

  »Es gibt fünf Ebenen. Der DataPod liegt auf C-X-356-C7.« Das hatten Costards Informationen uns verraten. »Also ist er auf Ebene C – der dritten.« Ich klinkte mich in die Listen der Gegenstände ein, die dort lagerten. Bei vielen gab es nur kryptische Bezeichnungen, aber manche Kürzel sagten mir trotzdem etwas.

  »Chemische Waffen, Nuklearsprengsätze, Strahlenkanonen, DNA-Rescripter, Mutatoren … sieht so aus, als säßen wir auf dem größten Waffenlager der Welt.«

  »Beruhigend, nicht wahr?«, fragte Lucien sarkastisch.

  Wieder flog ich aus dem System. Ich fluchte.

  »Versuch es, indem du die Zugangsschlüssel rotieren lässt«, schlug er vor.

  Ich sah ihn überrascht an.

  »Was denn? Hast du gedacht, ich hätte davon keine Ahnung?« Er klang belustigt.

  »Nein, ich … keine Ahnung, was ich gedacht habe.« Ich kam mir dumm vor. Agenten mussten oft allein arbeiten, natürlich kannte Lucien sich mit Technologie aus.

  »Das ist allerdings ungewöhnlich für dich«, meinte er lapidar. Ich antwortete nicht.

  Sein Tipp war gut, er brachte mich bis zu der Steuerung für das Lagersystem. Dummerweise sperrte mich die Insel aber trotzdem aus, als ich an der Steuerung etwas ändern wollte. Wieder und wieder. Und wieder. Ich kam nicht einmal zu dem Versuch, eine Zugangsberechtigung vorzutäuschen.

  »Ich komme nicht ins System!« Zu gerne hätte ich mir den Schweiß aus dem Gesicht gewischt. »Hast du noch mehr Ideen?«

  »Nein, an dieser Stelle endet leider meine Genialität.«

  »Siehst du, genau jetzt bräuchte ich meine Kapseln.« Ich seufzte genervt. »Dann wüsste ich, wie ich Amber dazu bringen kann, dieses Teil auszuspucken.«

  »Nein, brauchst du nicht.«

  Ich drehte mich zu Lucien um, der mich ernst ansah. »Hör auf, dich auf dein verbessertes Gehirn zu reduzieren. Du bist einer der intuitivsten Menschen, die mir je begegnet sind.«

  »Du bist intuitiv«, widersprach ich. »Ich bin verkopft.«

  »Das glaubst du, weil man es dir immer wieder gesagt hat. Genau, wie man mir gesagt hat, ich wäre zu impulsiv, zu emotional, zu wenig fokussiert. Irgendwann glaubt man das, auch wenn es Quatsch ist.« Er fasste mich an den Schultern. »Befrei dich davon. Du bist viel mehr als das, was andere über dich denken.«

  Ich konnte mich noch weniger konzentrieren, wenn er so dicht vor mir stand. Aber er hatte recht: Ich wollte nicht nur das sein, was andere von mir erwarteten. Ich hatte einige Rollen in meinem Leben gespielt – das Wunderkind, das Opfer der Abkehr, die Widerstandskämpferin, die Attentäterin. Aber jetzt war ich nur noch ich. Und ich wollte, dass wir lebend hier rauskamen.

  »Okay.« Ich löste mich von Lucien und zählte auf. »Wir können ihr nicht sagen, dass wir alle Regierungen dieser Welt sind, weil die Zugangsschlüssel zu komplex sind. Also können wir das Transportsystem nicht dazu bringen, uns den DataPod zu geben. Wir haben lediglich Zugriff auf die Interieurliste und die Sicherheitsberechtigungen des Lagerbereichs. In denen sind die Befehle für die Klimakontrolle, für Evakuierungsszenarien und Fehlermeldungen enthalten. Vielleicht …« Mein Gehirn arbeitete ungewohnt schnell, trotz HeadLock. Es ging flink unsere Optionen durch, kombinierte, verwarf, kombinierte neu. Schließlich funkte es.

  »Ich weiß, wie wir es machen.« Ich drehte mich zu Lucien um. »Wir schalten die Kühlung für den Sektor ab, in dem der DataPod lagert. Amber Island wird dann versuchen, alles in einen anderen Trakt zu verlegen, damit nichts zerstört wird oder hochgeht.«

  »Und wenn sie den Sektor räumt, muss sie alles durch das Transportsystem schicken?«

  »Genau.« Die Hoffnung kam zurück. »Wenn sie den DataPod verlegt, fangen wir ihn ab.«

  »Fragt sich nur, wo.« Lucien machte ein nachdenkliches Gesicht. »Ich erinnere mich an die Pläne von diesem Lagersystem. In der Mitte unterhalb des ReachCenters ist ein Schacht mit einer Art Aufzug, der den Kram transportiert. Wenn wir einen Zugang dazu finden, könnten wir reinsteigen und uns den Data­Pod holen.«

  Ich runzelte die Stirn. »Dummerweise sind alle Zugänge verschlossen.«

  Lucien verengte die Augen und grübelte. Plötzlich hellte sich sein Gesicht auf. »Dann nehmen wir etwas anderes.«

  »Was denn?«

  »Siehst du die waagerechten Markierungen auf den Plänen? Der Schacht hat Öffnungen über der obersten Ebene. Wenn wir Glück haben, sind sie nicht zusätzlich gesichert.«

  »Und wir haben ja so viel Glück zurzeit«, sagte ich.

  »Etwas mehr Optimismus, wenn ich bitten darf.«

  Wir stiegen in dem Transportschacht weiter nach oben, auf die nächste Ebene, dann auf die übernächste und immer so weiter. Als wir endlich dort ankamen, wo Lucien hinwollte, hatten wir laut Anzeige in meinem Helm fast dreißig Meter überwunden. Jetzt mussten wir oberhalb der Lagereinheiten sein.

  Lucien kletterte voran in einen Ventilationstunnel. Ich wartete am Einstieg, scrollte währenddessen immer noch durch die Protokolle. Wir hatten nur eine Chance. Die durfte ich nicht versauen, indem ich etwas übersah.

  »Und? Ist er gesichert?«, rief ich in den Tunnel.

  »Nein!«, hallte es zurück. Ich stieg hinein und kroch bis zu Lucien. Der Tunnel war niedrig, aber breit genug, dass wir nebeneinander Platz hatten.

  »Hoffentlich ist unser Glück damit nicht aufgebraucht.« ­Lucien steckte den Kopf durch die Öffnung in die Dunkelheit. Ich hörte es zischen, als er Leuchtkapseln gegen die Wände schoss, dann wurde es heller. Langsam schob ich mich neben Lucien und warf einen Blick nach unten. Was ich sah, verschlug mir den Atem.

  »Ich fürchte, es ist aufgebraucht.«

  26

  In den achteckigen Schacht vor uns war eine gigantische Stahlkonstruktion eingelassen. Sie war über Verbindungsstreben an den Mauern befestigt und reichte vom Boden bis zu einer riesigen Luke an der Decke. Die Streben des Stahlskeletts waren weit genug auseinander, dass etwas Großes hindurchpasste, und an allen acht Eckpunkten des Schachts befanden sich senkrechte Führungsschienen mit Robotern, die daran hoch- und runterfahren konnten. Es sah aus wie ein besonders tödliches Fahrgeschäft auf dem Pier von Brighton – die Sorte, die man nur besteigt, wenn man ein bisschen lebensmüde ist.

  Lucien spähte neben
mir hinunter. Die Leuchtelemente, die er mit seiner Waffe an die Wände geschossen hatte, erhellten den Schacht bis zum dreißig Meter tiefen Grund.

  »Ich weiß nicht, was du hast«, meinte er. »Sieht doch nach Spaß aus.«

  »Noch mehr Spaß als der Absturz mit dem FlightJack?«, fragte ich.

  »Viel mehr.«

  »Na, dann bin ich ja froh, dass ich mich für diese Mission gemeldet habe.«

  Die Angst hatte mich fest in ihren Fängen und schlug langsam in Hysterie um. Wir hatten noch knapp zwei Stunden und keine Ahnung, ob das hier klappen würde. Wenn uns nur ein Fehler unterlief, waren wir hier gefangen und damit tot.

  »Die Frage ist, wie schnell das Ding die Sachen transportiert.« Lucien betrachtete das Gerüst abschätzend. »Es ist ein geschlossenes System, die Objekte sind also in genormten Behältern, werden gegriffen und erst am Zielort wieder ausgecheckt. Während des Transports sind sie fest am Roboter verankert.«

  »Das bedeutet?«, fragte ich.

  »Es bedeutet, wir haben nur eine Möglichkeit: Ich sprenge den Behälter mit dem DataPod darin ab, während er transportiert wird. Dann fällt er runter, ich hole ihn und bringe ihn wieder rauf.«

  Das hysterische Lachen in meinem Hals kämpfte sich nach oben. »Ist das dein Ernst? Wie willst du an den Behälter rankommen, um ihn abzusprengen?«

  »Indem ich warte, bis er vorbeikommt«, antwortete Lucien ungerührt.

  »Bis er vorbeikommt? Wir können nicht darauf warten und von hier oben einfach mit Sprengladungen um uns werfen.« Schließlich hatten wir nur noch drei davon.

  »Ich weiß. Deswegen werde ich weder hier oben sein noch mit etwas werfen.«

  Langsam verwandelte sich das Lachen in Atemnot. »Du willst …?«

  »Runterklettern, auf den Behälter springen, dann mit ihm nach oben fahren und derweil die Ladungen anbringen? Genau.«

  »Kommt überhaupt nicht in Frage!«, widersprach ich heftig. »Du hast selbst gesagt, dass wir nicht wissen, wie schnell sich das ganze Ding bewegt. Ich weiß nicht einmal, welche der acht Schienen benutzt wird. Du könntest zerquetscht werden oder abstürzen oder –«

  »Oder in diesem verfluchten Tresor sterben, weil uns der Sauerstoff ausgeht«, unterbrach er mich. »Ja, genau. Aber ich für meinen Teil warte extrem ungern, vor allem auf den Tod.«

  »Wie willst du von dem Behälter wegkommen, bevor der Sprengstoff hochgeht?«

  »Genauso, wie ich draufgekommen bin.«

  »Luc –«, begann ich erneut.

  »Nein, Ophelia.« Sein Tonfall war unerbittlich. »Wir haben keine Zeit für Diskussionen.«

  »Gut, dann komme ich mit. Zwei Versuche sind besser als einer.«

  »Abgelehnt.«

  »Warum tust du das?«

  »Warum tue ich was?«

  »Mich raushalten.«

  »Tue ich nicht. Ich treffe nur Entscheidungen.«

  »Entscheidungen, die dich umbringen können!«, rief ich. »Ich mache mir Sorgen, okay? Meinetwegen stecken wir in diesem ganzen Mist. Wenn du dabei draufgehst –«

  »Hör auf damit!«, fuhr er mich an. »Wenn ich dabei draufgehe, dann nur deshalb, weil ich ein Schakal bin. Glaubst du, das ist mein erster lebensgefährlicher Einsatz?«

  »Nein, aber –«

  »Dann hör auf, so einen Bullshit zu reden! Du hast ein schlechtes Gewissen? Zu Recht, verdammt. Aber bist du schuld daran, dass ich hier meinen Hals riskiere? Nein! Also lass mich meinen Job machen und erledige du deinen.« Seine Augen funkelten mich an, und ich sah wieder die bekannte Frustration, gemischt mit Wut. »Sorg dafür, dass Amber Island den Sektor evakuiert, und sag mir Bescheid, wenn der DataPod in den Transport geht. Ich erledige den Rest.«

  Ich nickte und schluckte meine Worte herunter. Ich hätte weiterstreiten können, aber er würde sowieso nicht auf mich hören. Außerdem hatte er recht, wir hatten keine Zeit. Eigentlich hatten wir für gar nichts Zeit.

  Lucien überprüfte eilig den Sitz seines Helms, seiner Handschuhe und Stiefel. Dann stieg er in den Schacht.

  »Ich sage dir Bescheid, wenn ich bereit bin.«

  Ich nickte. »Bitte pass auf dich auf.«

  »Mach ich immer, Stunt-Girl.«

  Als er meinen Spitznamen benutzte, machte meine Angst urplötzlich einen doppelten Salto. Am liebsten hätte ich Lucien wieder in den Tunnel gezerrt und angefleht, mit mir von hier zu verschwinden. Aber ohne den DataPod konnten wir die OmnI nicht aufhalten. Also ließ ich ihn gehen.

  Lucien kletterte in eine Aussparung, die sich zwei Meter unter uns befand. Dort prüfte er die Stabilität der Verankerung, bevor er sich daran in Richtung des Gerüsts in der Mitte hangelte. Ich beobachtete, wie er dort ankam und die Füße auf die Strebe darunter stellte. Erleichtert stieß ich die Luft aus.

  »Man könnte meinen, du wärst hier unten«, sagte er in meinem Helm.

  »Wenn du einen Partner willst, dem es egal ist, ob du abstürzt, dann such dir jemand anderen.« Ich wollte wütend sein, klang aber eher zittrig.

  »Beim nächsten Mal vielleicht.« Ich hörte ihn atmen und sah, wie er weiter nach unten stieg. Es war nicht einfach, auf den glatten Streben einen festen Stand zu finden, aber er schaffte es mit beeindruckender Geschwindigkeit bis auf die dritte Ebene hinunter.

  »Ich bin auf Position. Du kannst anfangen.«

  »Du weißt, dass ich nicht kontrollieren kann, welcher der acht Roboter etwas transportiert?«

  »Das hast du schon erwähnt.« Er klang ungeduldig. »Leg einfach los, okay?«

  »Okay.« Ich wendete den Blick von der Gestalt unten im Schacht ab und konzentrierte mich auf das Display vor meinen Augen. Ich hatte es mit einem hochkomplizierten, durch mehrschichtige Codes geschützten System zu tun. Ich durfte mich jetzt nicht um Lucien sorgen, sonst würde ich es nicht schaffen, es zu knacken.

  Mehr als zehn Umgehungsmanöver waren nötig, damit Amber Island mich nicht entdeckte. Ich arbeitete mich vor, überbrückte die Steuerung für die Klimakontrolle und schaltete sie ab. Nichts passierte.

  »Was ist los?«, fragte Lucien.

  »Keine Ahnung. Die Kälteaggregate sind aus. Ich weiß ni-«

  Ein tiefer Signalton brüllte mich nieder, laut und durchdringend. Sofort schirmte die Automatik des Anzugs die Lautstärke ab. Ich wusste nicht, warum auf einer Insel ohne menschliche Wesen überhaupt Alarm gegeben wurde. Aber vielleicht reagierten manche der technischen Wartungseinheiten auf das akustische Signal.

  »Es geht sicher gleich los«, meldete Lucien aus dem Schacht. »Gib Bescheid, wenn der DataPod rausgeholt wird.«

  Ich beugte mich vor, um etwas zu sehen. Lucien stand zwischen zwei Führungsschienen auf dem Gestänge und wartete. Es war ruhig, gespenstisch ruhig. Aber dann brach plötzlich die Hölle los. Es ging so schnell, dass ich gar nicht wusste, wo ich hinsehen sollte.

  Das ganze Gerüst bewegte sich um seine eigene Achse. Schnell und hart rotierte es ein paar Positionen nach rechts, dann wieder zurück. Die Transportroboter kamen in Gang, erst einer, dann drei, dann alle acht. Die Gegenstände glitten in Behältern aus dem Zugangsschacht, wurden übergeben, drehten sich nach innen, sausten nach oben und wurden dort auf Ebene A entgegengenommen. Der ganze Vorgang dauerte nicht länger als ein paar Sekunden.

  »Ganz schön fix, die Dinger«, kommentierte Lucien.

  »Fix?«, keuchte ich.

  »Achte auf die Daten, okay?«

  »Wir müssen abbrechen!«, rief ich. »Schon allein der Versuch ist Irrsinn!«

  »Wie gut, dass Irrsinn mein Spezialgebiet ist.« Lucien klang nicht gerade gelassen, aber auch nicht so beunruhigt wie ich. Hatte ihm sein Anzug eine Dosis PXI gespritzt?

  »Komm wieder rauf! Wir finden einen anderen Weg, die OmnI mit einem Virus zu infizieren und auszuschalten.«

  »Das geht nicht.«

  »Warum nicht?«

  »Das ReachCenter mit dem Zugang zu den Shuttles ist von innen nicht regulär zugänglich. Man kommt nur rein, wenn man einen der
Gegenstände dabei hat.«

  Ich schnappte nach Luft. »Seit wann weißt du das schon?«

  »Seit ich weiß, wie das Transportsystem aufgebaut ist. Ohne den DataPod kommen wir nicht von hier weg. Wir müssen ihn kriegen.« Jetzt klang er doch ein bisschen gehetzt. »Bleib bei der Sache, Stunt-Girl. Ich brauche den richtigen Behälter.«

  Ich wollte ihm den Anschiss seines Lebens verpassen, aber es war sinnlos. Er war da unten und wir kamen anders nicht raus. Also konzentrierte ich mich auf die Daten meines Displays. Die Zahlen und Statusmeldungen rotierten blitzschnell, unter mir wurden kleine und größere Behälter umgeschichtet. Wenn sie klein waren, reichte ein Roboter, wenn sie größer waren, wurden sie an zweien verankert und hochgezogen. Einer dieser ­Kolosse erwischte Lucien beinahe, als er nach innen schwenkte. Er wich in letzter Sekunde zur Seite aus. Ich rief erschrocken seinen Namen.

  »Es ist alles gut, konzentrier dich«, erinnerte er mich.

  Ich starrte auf die Zahlenkolonnen, die sich permanent verschoben. Endlich wurde die Nummer des DataPod auf in transit gesetzt.

  »Er kommt!«, rief ich, obwohl ich wusste, dass Lucien mich auch so gut hören konnte. Ich schaute runter, um zu erkennen, welcher der vielen Behälter es war. Sie hatten Nummern auf dem Deckel, aber die konnte Lucien in der Eile nicht entziffern. Also musste ich verfolgen, wann in den Daten die Übergabe vom Zugang zum Gerüst stattfand. Noch nicht, noch nicht, noch nicht …

  »Jetzt!«

  Das Gerüst drehte sich erneut zwei Positionen weiter und mit ihm auch Lucien. Damit war er zwei Schienen von der Kiste mit dem DataPod entfernt und musste springen. Ich krallte meine Finger ineinander, als er sich vom Gestänge abstieß. Wie in Zeitlupe flog er durch den Innenraum des Gerüsts, direkt auf den Behälter zu. Beim Aufprall seiner Stiefel auf dem Kunststoff knallte es laut. Die Verankerung hielt.

  Ich konnte nicht genau sehen, was Lucien tat. Aber der Transportroboter bewegte sich nicht langsamer, nur weil er zusätzliches Gewicht zu transportieren hatte: Er sauste rasend schnell nach oben, Lucien kam näher, hantierte immer noch an dem Behälter. Noch zehn Meter bis zu Ebene A. Noch fünf. Noch zwei.

 

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