001 - Wild like a River
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Selbst ich muss mir über meine Jeans und T-Shirts hin und wieder dämliches Gewitzel anhören, welchem Obdachlosen ich heute die Klamotten geklaut hätte. Eine Zeitlang war es ein echter Kampf, Cayden davon abzubringen, mir Klamotten zu kaufen, bis ich ihm erklärte, ich würde ausziehen, wenn er nicht damit klarkäme, dass meine T-Shirts keine zweihundert Dollar kosten – einer der seltenen Momente, in denen Cayden nachgab.
Sollte ich Haven gegenüber erwähnen, dass ihre Sachen etwas … unmodisch sind? Es würde sie verunsichern, das steht fest, und ich will mich auch nicht versehentlich so dämlich ausdrücken, dass sie am Ende noch denkt, ich hätte ein Problem damit.
«Okay, dann bis morgen», sagt sie in diesem Augenblick.
Verblüfft starre ich sie an. Wir sind vor Carolines Haus angekommen, und Haven hat sich gerade von mir verabschiedet. Es ist nicht einmal halb sieben – ich bin davon ausgegangen, den Abend mit ihr zu verbringen.
«Wir sehen uns dann morgen in der Mensa, oder?», fügt sie hinzu.
«Oder wir sehen uns jetzt noch ein wenig länger», erwidere ich und lege meine Arme locker um ihre Hüften.
«Um sieben gibt’s Abendessen.»
«Haven.» Ich muss lachen. «Deine Tante geht garantiert nicht davon aus, dass du dich jeden Abend pünktlich um sieben an den Tisch setzt – lass uns einfach irgendwo was essen gehen. Es muss ja nicht so ein Laden wie gestern sein.»
«Nein, ich glaube … ich hätte vorher wenigstens Bescheid sagen müssen. Caroline kocht doch.»
«Und danach? Ich könnte dich in einer Stunde abholen.»
«Ich weiß nicht …»
Zum ersten Mal wird mir wirklich klar, was es bedeutet, eine Frau zu daten, die über keinerlei Erfahrungen verfügt, wenn es um Beziehungen geht, und die zudem seit gerade einmal zwei Tagen so etwas wie ein gewöhnliches Familienleben erlebt, inklusive kleinem Bruder und zickiger Schwester. Haven will alles richtig machen – und deshalb hat sie jetzt keine Ahnung, wem sie auf die Füße treten soll, mir oder ihrer Tante.
«Okay», lenke ich ein. «Dann sehen wir uns morgen in der Mensa. Frag deine Tante, ob du morgen Abend ausgehen darfst. Wir könnten uns das Fotoalbum weiter ansehen.»
Die Ironie in meinem Satz überhörend, antwortet Haven darauf ganz ernsthaft. «Okay, mach ich.»
Ein schneller Kuss, dann windet sie sich mit einer geschickten Drehung aus meinen Armen und läuft durch den Vorgarten zum Haus. Zehn Sekunden später hat sich die Tür hinter ihr geschlossen.
Ich fühle mich plötzlich, als sei ich wieder siebzehn. Fehlt eigentlich nur noch, dass die Gardinen am Fenster sich bewegen, weil Havens Eltern einen neugierigen Blick hinauswerfen, um zu überprüfen, mit welchem Kerl ihre Tochter sich trifft.
Natürlich bewegen sie sich nicht. Und hier wohnen auch nicht Havens Eltern.
Während ich die Autoschlüssel aus der Jackentasche ziehe, fällt es mir trotzdem schwer, das Gefühl, wieder ein Teenager zu sein, abzuschütteln. Meine letzten Beziehungen sind anders abgelaufen. Da würde ich mich jetzt auf einen gemeinsamen Abend freuen, der vermutlich im Bett enden würde.
Ich setze mich in meinen Wagen und starre einige Sekunden zur Windschutzscheibe hinaus.
Mit Haven ins Bett gehen … nein. Es ist zu früh. Und ich glaube , es liegt nicht einmal an der Tatsache, dass quasi alles, was Haven mit mir erlebt, ein erstes Mal ist.
Eine rote Katze huscht über die Straße, hebt kurz den Kopf, als wüsste sie, dass ich ihr nachsehe, und verschwindet in der Hecke gegenüber.
Es ist einfach … keine Ahnung, was es ist.
Vielleicht sollte ich gar nicht so viel darüber nachdenken.
Habe ich eigentlich noch Kondome? Sollte ich wohl mal besorgen. Nur für den Fall. Denn wenn der Moment irgendwann einmal gekommen ist, kann ich mir nicht vorstellen, dass Haven an so etwas denken wird.
Ich sehe sie vor mir, wie sie sich zu mir hochreckt, um mich mit geschlossenen Lippen zu küssen, und atme einmal tief durch, während ich unfreiwillig grinsend den Motor starte. Bisher habe ich es noch nicht einmal gewagt, ihr auch nur das Shirt hochzuschieben.
Scheiße, es ist wirklich, als sei ich wieder siebzehn.
19
HAVEN
C aroline hat mir am Montagmorgen ein kleines Geschenk auf den Nachtschrank gelegt. Es ist das Erste, was ich beim Aufwachen sehe, und ich bin wirklich gerührt. Ich packe eine bis zum Rand gefüllte Schachtel mit Süßigkeiten aus, und auf dem gefalteten Zettel zwischen Schokolade und Fruchtgummi steht: Viel Erfolg und vor allem viel Spaß!
Auch Dad hat sich gemeldet, wie ich sehe, als ich nach meinem Handy greife.
Ich wünsche dir einen schönen Tag, Dad
Noch bevor ich ins Badezimmer gehe, das ich mir mit Lucy teile, tippe ich ein Dankeschön. Kurz darauf steige ich angezogen die Treppe hinunter, um eine Kleinigkeit zu essen. Ich bin allein im Haus, Lucy und Samuel sind schon in der Schule, und auch Caroline öffnet ihre Praxis bereits um acht. Meine erste Vorlesung beginnt um Viertel nach zehn, und ich bin ganz froh darüber, alleine frühstücken zu dürfen. Nicht, dass es nicht auch nett wäre, gemeinsam mit Caroline, Samuel und Lucy am Tisch zu sitzen … na ja, mit Lucy nicht unbedingt.
Gestern Abend hat Caroline sie gebeten, ihr Smartphone am Tisch beiseitezulegen.
«Müssen wir jetzt seit neustem alle einen auf Familie machen, oder was?», meckerte Lucy.
«Lucy! Es ist doch wohl nicht zu viel verlangt, wenn du einmal am Tag beim Essen auf das Telefon verzichtest, oder?», erwiderte meine Tante scharf, woraufhin Lucy ihr Handy mit verkniffenem Gesicht neben ihren Teller legte und nach fünfminütigem Herumgestochere in ihrem Zimmer verschwand.
Um ehrlich zu sein, bin ich erleichtert zu wissen, dass Lucy mir in der Uni nicht begegnen wird.
Heute schafft es nicht mal der Gedanke an Jackson, meine Nervosität zu mildern. Ich bin aufgeregt, und in der Sekunde, in der ich die Haustür hinter mir schließe, geht mein Puls durch die Decke. Carolines Erklärungen, wie ich mit dem Bus das Rutherford erreiche, habe ich mir gestern Abend noch sorgfältig notiert und mir sogar einen Teil des Straßenplans ausgedruckt, trotzdem fühle ich mich in diesem Moment, als startete ich eine Expedition. Meine Tante hat mir angeboten, mich am ersten Tag zu fahren, und auch wenn der Vorschlag verlockend war, bin ich nicht darauf eingegangen – ich werde es ja wohl schaffen, eine nicht einmal zwanzigminütige Strecke allein zu bewältigen.
Dachte ich.
Es fängt damit an, dass ich meine Station verpasse. Statt aufzupassen, starre ich auf Häuser, Menschen, Gärten, wie die blöde Touristin, die ich gar nicht sein will, und als ich endlich kapiere, dass ich zu weit gefahren bin, springe ich hektisch beim nächsten Halt aus dem Bus und laufe zurück. Allerdings muss ich mir schließlich eingestehen, dass ich durch blindes Drauflosstürmen garantiert nicht dort ankommen werde, wo ich hinwill.
Einen Moment lang fühle ich mich völlig verloren. Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich es fertiggebracht, mich zu verirren. Die Straßen und Häuser sind mir fremd. Menschen schieben sich an mir vorbei, die keine Ahnung haben, wer ich bin oder wohin ich will, und es würde sie auch nicht weiter interessieren, wüssten sie es.
Das hier ist nicht im Entferntesten vergleichbar mit meinem Wald, nicht einmal mit Jasper, wo es eher gemütlich zugeht.
Frag einfach jemanden. Vermutlich weiß jeder außer mir, wo das Rutherford ist. Ich müsste jetzt bereits da sein, um noch pünktlich zu meiner allerersten Vorlesung zu kommen.
Google Maps! Herrgott, natürlich, warum fällt mir das jetzt erst ein?
Sekunden später weiß ich, wo ich bin und welchen Weg ich nehmen muss, um zum Universitätsgelände zu gelangen. Im Laufschritt eile ich die Straßen entlang und habe keinen Blick mehr für meine Umgebung übrig. Irgendwann fällt mir ein, dass es vermutlich geschickter gewesen wäre, mit dem Bus zurückzufahren, doch zu diesem Zeitpunkt bin ich bereits fast da.
Das Rutherford ist ein modernes, langgestrecktes Gebäude mit viel Glas, Stahl und harmonisch geschwungenen Fronten. Der Haupteingang befindet sich direkt an einer vierspurigen, von Bäumen gesäumten Straße, und
als ich die riesige Eingangshalle betrete, ist es dort drin so hell, als würde ich noch immer im Freien stehen. Ratlos sehe ich mich um.
Wieso dachte ich nur, eine lächerliche Raumnummer würde ausreichen, um den richtigen Vorlesungssaal zu finden?
Von hier aus führen Gänge und Treppen in jede Himmelsrichtung. Es gibt Hinweisschilder mit Buchstaben- und Zahlenkombinationen, die mir absolut nicht weiterhelfen. Und Google Maps kann ich hier wohl auch vergessen.
Es dauert trotzdem einige Minuten, bis ich mir endlich ein Herz fasse, und zwei Studentinnen anspreche, die in diesem Moment an mir vorbeigehen.
«Entschuldigung? Ich suche einen Raum, K2211 – wisst ihr vielleicht, wie ich dort hinkomme?»
Die beiden bleiben stehen und mustern mich interessiert. «K?» Die Größere der beiden, eine junge Frau mit kurzen, dunkelbraunen Haaren und Sommersprossen im Gesicht, wirft einen Blick auf den Zettel, den ich ihr hinhalte. «Du bist im falschen Gebäude. K ist nicht im Haupthaus, du muss hier wieder raus, dann rechts, bis du den Seitenflügel erreichst. Da rein und dann in den zweiten Stock.»
«Danke.»
«Gern geschehen.»
Die beiden laufen weiter, und noch während ich ihnen hinterhersehe, dreht sich die zweite Frau noch einmal zu mir um und wendet sich schnell wieder ab, als sie meinem Blick begegnet.
Der Weg zum Seitenflügel ist länger als gedacht, und als ich ihn endlich erreiche, gelingt es mir nicht gleich, den Eingang zu finden. Mit Sicherheit ist die unauffällige Tür, die ich schließlich öffne, nicht der Haupteingang des Gebäudes, doch immerhin bin ich drin. Einen Gebäudeplan hätte ich mir mal ausdrucken sollen.
Über eine Treppe gelange ich ins zweite Stockwerk, und dort angekommen hängt neben der ersten Tür, die ich näher in Augenschein nehme, ein Schild mit der Nummer K2015.
Die Tür daneben trägt die Nummer K2016, und ich wähle diese Richtung. Am Ende des Ganges habe ich das Schild mit der Nummer K2031 passiert und keine Ahnung, ob ich nach links oder nach rechts abbiegen muss. Verflixt!
«Brauchst du Hilfe?»
Der Typ, der mich anspricht, ist groß, hat verwuschelte blonde Haare, die mich an Sam erinnern, und sieht nett aus. Dankbar halte ich einmal mehr meinen Zettel in die Höhe. «Ich suche Raum K2211.»
«Da bist du hier nicht richtig. Das ist auf der anderen Seite, und von diesem Stockwerk aus kommst du da nicht hin. Du musst noch mal runter ins Erdgeschoss und dann …» Er unterbricht sich mitten im Satz. «Du kennst dich hier nicht aus, oder? Komm mit, ich bring dich hin.»
Ohne meine Antwort abzuwarten, läuft er los, und dankbar folge ich ihm. Ich habe inzwischen schon die Hälfte meiner Vorlesung verpasst. Ich werde mich unauffällig reinschleichen und mich auf den erstbesten Platz setzen. Hoffentlich falle ich dabei nicht so auf.
«Ich bin Jon, eigentlich Jonathan, aber nenn mich ruhig Jon.»
«Ich heiße Haven.»
Sein Lächeln tut mir gut. Es mildert das Gefühl, den Einstieg ins Uni-Leben gleich mal völlig vermasselt zu haben.
«Du hast gerade erst angefangen mit dem Studium, oder?»
«Nein, ich … also doch, aber … ich habe bisher ein Fernstudium gemacht», bringe ich den Satz zumindest halbwegs logisch zum Ende. «Das ist heute mein erster Tag an einer richtigen Uni.»
«Was studiert du denn?»
«Umweltwissenschaften.»
«Ich auch. Netter Zufall.» Er grinst mich an, und ich lächle zurück.
Wir sind zwei Treppen hinuntergestiegen, haben einen endlos langen Gang auf mattschwarzem Steinboden durchquert und sind an dessen Ende wieder zwei Treppen hinaufgestiegen. Jetzt nähern wir uns einer einsamen Tür gleich zu Beginn des nächsten Gangs, und bereits von hier aus kann ich erkennen, dass die Nummer auf dem Schild daneben stimmt.
«Was für eine Vorlesung läuft da drin?», will Jon wissen.
«Ökotoxikologie.»
«Ah, bei Professor Swan, die hatte ich schon.» Er grinst mich an. «Wenn du mal bei irgendwas Hilfe brauchst … soll ich dir meine Nummer geben?»
«Okay», erwidere ich überrascht. «Danke, das ist nett.»
«Kein Problem.» Jon diktiert mir seine Nummer, und als ich sie eingespeichert habe, fügt er hinzu: «Ruf mich doch kurz an, um sicherzugehen, dass alles stimmt.»
Sekunden später summt sein Telefon. Noch immer grinsend klickt er den Anruf weg und steckt es in seine Hosentasche zurück. «Also dann, Haven … hat mich gefreut, dich kennenzulernen. Viel Spaß bei deiner ersten Vorlesung.»
«Danke schön.»
Ich sehe ihm hinterher, als er den Gang entlangläuft und über die Treppe nach unten verschwindet, dann wende ich mich der Tür in meinem Rücken zu. Mein Herz schlägt so schnell, als sei ich den ganzen Weg von Carolines Haus bis hierher gerannt. Teilweise stimmt das ja sogar. Der Türgriff fühlt sich in meiner eiskalten Hand beinahe warm an. Leise drücke ich ihn hinunter und stecke vorsichtig den Kopf in den Saal.
Der Hörsaal erstreckt sich über unzählige enge Reihen hinweg nach unten. Das Licht ist gedimmt, und der Professor, dessen Stimme mit Hilfe eines Mikrofons bis in den letzten Winkel hallt, würde mich vermutlich selbst dann nicht bemerken, würde ich unbekümmert hineinpoltern.
Trotzdem husche ich so leise wie möglich zum nächsten freien Platz. Während ich den hölzernen Klappsitz herunterdrücke, nicke ich der Studentin zu, die zwei Plätze weiter sitzt. Sie nickt zurück und richtet ihre Aufmerksamkeit dann wieder auf die Vorlesung.
Im Gegensatz zu ihr bekomme ich nicht viel davon mit. Ich zähle die Reihen bis ganz nach unten – es sind achtzehn –, und dann die Sitzplätze.
Jeweils vierzig Sitzplätze und achtzehn Reihen. Das sind siebenhundertzwanzig Plätze, und fast alle sind besetzt. In einer einzigen Vorlesung. Fast siebenhundertzwanzig Leute, die wahrscheinlich alle dasselbe studieren wie ich. Mag sein, dass wir ansonsten nichts gemeinsam haben, doch dieses Interesse teilen wir offenbar, und ich fühle mich all diesen Menschen seltsam verbunden, obwohl sie mir völlig fremd sind.
Das Gefühl hält an, bis das Licht im Saal aufleuchtet und der Professor seinen Computer ausschaltet. Benommen blinzele ich in die plötzliche Bewegung, die sich im Saal auszubreiten beginnt.
«Darf ich mal?»
Die Studentin, die mir zugenickt hat, steht neben mir und sieht mich auffordernd an. Ich habe nichts ausgepackt, weshalb ich jetzt nur aufspringe und den Weg freigebe.
«Danke.»
Sie drückt sich an mit vorbei, gefolgt von einer ganzen Reihe weiterer Leute. Es sind so verflixt viele – ich zwinge mich, jeden anzulächeln, der mir im Vorübergehen einen Blick zuwirft. Nur wenige lächeln zurück, aber das kann ich wohl auch nicht erwarten. Sie kennen mich ja noch gar nicht.
Meine nächste Vorlesung beginnt in einer halben Stunde – besser, ich beginne gleich damit, den Raum zu suchen.
Damit, dass Jon an der Wand gegenüber der Tür lehnen und mich angrinsen würde, als er mich entdeckt, habe ich nicht gerechnet.
«Hi.» Er geht auf mich zu und bleibt direkt vor mir stehen. «Ich dachte mir, ich mach heute mal den Quasi-Erstsemester-Führer.»
JACKSON
D ie Mensa des Rutherfords erstreckt sich über zwei Stockwerke – ich hätte mit Haven einen konkreten Treffpunkt vereinbaren sollen.
Schon zweimal habe ich versucht, sie zu erreichen, doch beide Male sprang direkt die Mailbox an. Wieder lasse ich meinen Blick über die Köpfe der Leute schweifen, die an den Tischen sitzen oder in der Schlange vor der Essensausgabe warten – umsonst. Havens rotes Haar würde auf jeden Fall herausstechen. Gerade, als ich es ein drittes Mal auf ihrem Handy versuchen will, entdecke ich sie bei der breiten Treppe, die in der Mitte des Saals nach oben auf die zweite Ebene führt. Ich halte mich erst gar nicht damit auf, mich durch Rufen bemerkbar machen zu wollen, und drängele mich zu ihr durch, ohne sie aus den Augen zu lassen. Kurz bevor ich sie erreiche, werde ich langsamer. Sie ist nicht allein. Ein blonder Typ steht neben ihr und gräbt sie so offensichtlich an, dass ich mich in der nächsten Sekunde bereits wieder beeile.
«Hey», sage ich, neben den beiden angekommen.
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Haven dreht sich zu mir um, und obwohl sie mir nicht um den Hals fällt, wie ich gehofft habe, freut sie sich so offensichtlich, mich zu sehen, dass der Typ neben ihr mir einen prüfenden Blick zuwirft. Jawohl, Kumpel. Meine. Verzieh dich.
Schön, dass meine Gedanken nicht in einer Sprechblase über meinem Kopf auftauchen. Ich gebe ungern den Neandertaler, doch entgegen meinen sonstigen Gewohnheiten bin ich sehr erpicht darauf, hier glasklare Verhältnisse zu schaffen.
«Jackson, das ist Jon. Jon, Jackson.»
Leider fügt Haven nicht hinzu, dass es sich bei Jackson um ihren Freund handelt, weshalb ich ihr einen Arm um die Schultern lege und Jon mit meinem besten Du-kommst-leider-zu-spät-Grinsen die Hand hinhalte.
Dass Haven mich verwundert ansieht, bekomme ich aus den Augenwinkeln mit. Wichtig ist mir in diesem Moment allerdings nur, dass Jon begriffen hat. Etwas verkniffen lächelt er zurück.
«Ohne Jon hätte ich heute wahrscheinlich keinen einzigen Raum gefunden», sagt Haven. «Er hat mir auch den Weg zur Mensa gezeigt.»
«Ah», erwidere ich. «Ihr habt euch in der Vorlesung kennengelernt?»
«Nein, auf dem Flur. Er hat mir den ersten Vorlesungssaal gezeigt und mich dann netterweise von dort wieder abgeholt.» Haven schenkt dem edlen Jon einen dankbaren Blick. Der grinst mir jetzt fast schon wieder ein wenig zu breit.
«Wie war es denn?», will ich wissen. «Die Vorlesung, meine ich.»
«Davon habe ich kaum etwas mitbekommen. Ich kam viel zu spät, und es war alles … na ja, einfach etwas überwältigend. Aber die zweite war sehr interessant, oder, Jon?»
Jon nickt. «Hat sich gelohnt.»
Das klingt ein wenig zweideutig.
«Ist ja ein Zufall, dass du dieselbe Vorlesung auf dem Programm hattest», sage ich, woraufhin Jon mir mit seinem Lächeln quasi den Mittelfinger zeigt.