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Breathturn into Timestead

Page 25

by Paul Celan


  FÜR ERIC

  Erleuchtet

  rammt ein Gewissen

  die hüben und drüben

  gepestete Gleichung,

  später als früh: früher

  hält die Zeit sich die jähe

  rebellische Waage,

  ganz wie du, Sohn,

  meine mit dir pfeilende

  Hand.

  * * *

  WER PFLÜGT NICHTS UM?

  Er. Diesmal.

  Unverackert

  steht sein Land in den Sinn seiner Sonnen-

  nächte.

  Er nennt uns.

  Ja, er kätnert.

  Ja, er heißt gut, er belehmigt,

  was du verhüttest

  vor Ort,

  hinter Ort,

  über Ort, brach,

  gegen die Erze,

  zuunterst,

  lebendig.

  * * *

  LEVKOJEN, katzenbemündigt.

  Beweibt

  rechts von dir dieser Rasen.

  Stab- und Mondsichel-Patt.

  Du sollst nicht, so, gleich dir, hinterm Gitter, damals,

  der

  maltesische Jude, groß-

  lippig – ihn

  sprang der Knochen an, jäher

  als dich, der Knochen,

  den ein schon Morgiger warf –,

  du

  sollst nicht

  aufsehn zum Himmel, du ließest

  ihn denn, wie er dich,

  im Stich, neben-

  lichtig.

  . . . . . . . . . . . . . . .

  Schwester Kastanie, Vielblatt,

  mit deinem blanken

  Hiedrüben.

  * * *

  DU DURCHKLAFTERST

  Farbenstoß, Zahlwurf, Verkenntnis,

  viele

  sagen:

  du bists, wir verwissens,

  viele verneinen sich an dir,

  der du sie dir einzeln

  erjast,

  aufständisch wie

  der dem Handgesagten geschenkte

  Steinmut,

  der sich hinhob zur Welt

  am Saum des gewendeten Schweigens

  und aller Gefahr.

  * * *

  FÜR ERIC

  In der Flüstertüte

  buddelt Geschichte,

  in den Vororten raupen die Tanks,

  unser Glas

  füllt sich mit Seide,

  wir stehn.

  * * *

  DEIN BLONDSCHATTEN, auf

  Schwimmtrense gezäumt,

  schwenkt die Wasserschabracke,

  – auch du

  hättest ein Recht auf Paris,

  würdest du deiner

  bitterer inne –,

  dein Hankenmal, farblos

  skizziert es die halb-

  nahe Levade.

  * * *

  DIE ABGRÜNDE STREUNEN: Summkies –:

  dem kommst du bei

  mit Taubheitsgefühlen

  und Unschlaf,

  und kämen – die Lockstoffe geistern

  den Fahnenmast hoch –,

  kämen auch hier

  die Albembleme geflattert,

  du wärst, dich erplündernd,

  gebieterisch-gleich

  ihr Entzwei.

  * * *

  DEIN MÄHNEN-ECHO

  – ihm wusch ich den Stein aus –,

  mit Rauhreif beschlagen,

  mit entsiegelter

  Stirn beleu-

  mundet

  von mir.

  * * *

  IV

  DAS IM-OHRGERÄT treibt eine Blüte,

  du bist ihr Jahr, dich beredet

  die Welt ohne Zunge,

  das weiß

  jeder sechste.

  * * *

  DER HALBZERFRESSENE Wimpel

  frißt alle Länder vom Meer fort,

  alle Meere vom Land,

  ein weiterer Name

  – du, du beleb dich! –

  muß eine Ziffer

  dulden,

  Unzählbarer du:

  um ein Un-

  zeichen

  bist du ihnen allen

  voraus.

  * * *

  EIN BLATT, baumlos,

  für Bertolt Brecht:

  Was sind das für Zeiten,

  wo ein Gespräch

  beinah ein Verbrechen ist,

  weil es soviel Gesagtes

  mit einschließt?

  * * *

  PLAYTIME: die Fenster, auch sie,

  lesen dir alles Geheime

  heraus aus den Wirbeln

  und spiegelns

  ins gallertäugige Drüben,

  doch

  auch hier,

  wo du die Farbe verfehlst, schert ein Mensch aus, entstummt,

  wo die Zahl dich zu äffen versucht,

  ballt sich Atem, dir zu,

  gestärkt

  hält die Stunde inne bei dir,

  du sprichst,

  du stehst,

  den vergleichnisten Boten

  aufs härteste über

  an Stimme

  an Stoff.

  * * *

  AUS DER VERGÄNGNIS

  stehen die Stufen,

  das ins Ohr Geträufelte

  mündigt die Vorzeit darin,

  Fjorde

  sind Dochte,

  nüchtern Erzähltes

  träumt,

  du berührst es, ein Tag-

  verschworner.

  * * *

  OFFENE GLOTTIS, Luftstrom,

  der

  Vokal, wirksam,

  mit dem einen

  Formanten,

  Mitlautstöße, gefiltert

  von weithin

  Ersichtlichem,

  Reizschutz: Bewußtsein,

  unbesetzbar

  ich und auch du,

  überwahr-

  heitet

  das augen-, das

  gedächtnisgierige rollende

  Waren-

  zeichen,

  der Schläfenlappen intakt,

  wie der Sehstamm.

  * * *

  AUS DEM MOORBODEN ins

  Ohnebild steigen,

  ein Häm

  im Flintenlauf Hoffnung,

  das Ziel, wie Ungeduld mündig,

  darin.

  Dorfluft, rue Tournefort.

  * * *

  HOCHMOOR, uhrglas-

  förmig (einer hat Zeit),

  soviel Ritter, sonnentausüchtig,

  aus dem

  Lagg

  stehen die Sabbatkerzen nach oben,

  Schwingmoor, wenn du vertorfst,

  entzeigere ich

  den Gerechten.

  * * *

  ERZFLITTER, tief im

  Aufruhr, Erzväter.

  Du behilfst dir

  damit,

  als sprächen, mit ihnen,

  Angiospermen

  ein offenes

  Wort.

  Kalkspur Posaune.

  Verlorenes findet

  in den Karstwannen

  Kargheit, Klarheit.

  * * *

  EINKANTER: Rembrandt,

  auf du und du mit dem Lichtschliff,

  abgesonnen dem Stern

  als Bartlocke, schläfig,

  Handlinien queren die Stirn,

  im Wüstengeschiebe, auf

  den Tischfelsen

  schimmert dir um den

  rechten Mundwinkel der

  sechzehnte Psalm.

  * * *

  MIT REBMESSERN, bei

  Gebethub,

  alle Marssegel spleißen,

  herkämpfend, stehend, hinter

  der Wimper, im Ölrock,

  von Güssen gesalbt,

  den Kalmengürtel schnüren

  um deine Ulkspake, Beiboot

  Welt.

  * * *

  LÖSSPUPPEN: also

  hier steints nicht,

  nur Landschneckenhäuser,

  unausgeblasen, />
  sagen zur Wüste: du

  bist bevölkert –:

  die Wildpferde stoßen

  in Mammut-

  hörner:

  Petrarca

  ist wieder

  in Sicht.

  * * *

  V

  STAHLSCHÜSSIGER SEHSTEIN, umstirnter,

  dies hier:

  die Palmfarne, jetzt,

  in Castrup: ein

  metallischer Vortrupp

  des nächsten

  Urjahrhunderts,

  eine Flughaut, lippig,

  du

  durchstößt sie,

  die bildersüchtige blanke

  Rolltreppe

  kann dich nicht spiegeln.

  * * *

  UND KRAFT UND SCHMERZ

  und was mich stieß

  und trieb und hielt:

  Hall-Schalt-

  Jahre,

  Fichtenrausch, einmal,

  dein Typhus, Tanja,

  die wildernde Überzeugung,

  daß dies anders zu sagen sei als

  so.

  * * *

  MITERHOBEN

  von den Geräuschen,

  forderst du – Glas

  feindet an, was immer

  undurchdringlicher dein ist –,

  forderst du alles

  in seine Aura,

  das Quentchen Mut

  bittert sich ein,

  wachsam:

  es weiß, daß du weißt.

  * * *

  STEINSCHLAG hinter den Käfern.

  Da sah ich einen, der log nicht,

  heimstehn in seine Verzweiflung.

  Wie deinem Einsamkeitssturm

  glückt ihm die weit

  ausschreitende Stille.

  * * *

  ICH SCHREITE deinen Verrat aus,

  Fußspangen an

  allen Seins-

  gelenken,

  Krümelgeister

  kalben

  aus deinen gläsernen

  Titten,

  mein Stein ist gekommen zu dir,

  selbstentgittert, du inwendig

  Ottern-

  befrachtete,

  du verhebst dich

  an meinem leichtesten Schmerz,

  du wirst sichtbar,

  irgendein Toter, ganz bei sich,

  setzt Lee über Luv.

  * * *

  LEUCHTSTÄBE, deren

  Gespräch,

  auf Verkehrsinseln,

  mit endlich beurlaubten

  Wappen-Genüssen,

  Bedeutungen

  grätschen im aufgerissenen Pflaster,

  das Küken

  Zeit, putt, putt, putt,

  schlüpft in den Kraken-Nerv,

  zur Behandlung,

  ein Saugarm holt sich

  den Jutesack voller

  Beschlußmurmeln aus

  dem Klöten-ZK,

  die Düngerrinne herauf und herunter

  kommt Evidenz.

  * * *

  EIN LESEAST, einer,

  die Stirnhaut versorgend,

  eine Lichtquelle, von dir

  schläfrig geschluckt,

  passiert das hungrige

  Wirtsgewebe,

  Sehhilfe, streifig,

  über mondbefahrene

  Rückstreu-Sonden. Im großen: im kleinen.

  Erden, immer noch, Erden.

  Hornhautüber-

  zogner Basalt,

  raketengeküßt:

  kosmisches

  Umlauf-Geschau, und doch:

  Binnenland-Horizonte.

  Terrestrisch, terrestrisch.

  Ein Leseast, einer,

  die Stirnhaut versorgend – als schriebst du

  Gedichte –,

  er trifft auf den Kartengruß auf,

  damals, vorm

  Blutklumpenort, auf der Lungen-

  schwelle, jahrhin, aus Pilsen,

  jahrüber,

  zeitwild von soviel

  Leisegepreßtem:

  Bon vent, bonne mer,

  ein flackernder

  Hirnlappen, ein

  Meerstück,

  hißt, wo du lebst,

  seine Hauptstadt, die

  unbesetzbare.

  * * *

  ZERR DIR den Traum vom Stapel,

  pack deinen Schuh rein,

  Rauschelbeeräugige, komm,

  schnür zu.

  * * *

  KALK-KROKUS, im

  Hellwerden: dein

  steckbriefgereiftes

  Von-dort-und-auch-dort-her,

  unspaltbar,

  Sprengstoffe

  lächeln dir zu,

  die Delle Dasein

  hilft einer Flocke

  aus sich heraus,

  in den Fundgruben

  staut sich die Moldau.

  * * *

  ES SIND SCHON die Kabel gelegt

  zum Glück hinter dir

  und zu dessen

  munitionierten

  Bereitstellungslinien,

  in den Entlastungs-

  städten,

  dir zugewandt,

  wo sie Gesundheitserreger versprühen,

  melden melodische

  Antitoxine

  den Rennfahrerspurt

  durch dein Gewissen.

  * * *

  IN DEN EINSTIEGLUKEN zur Wahrheit

  beten die Spürgeräte,

  bald kommen die Mauern geflogen

  zu den Verhandlungstischen,

  die Embleme palavern

  sich Blut ab,

  eine Krähe setzt

  ihren halbgesichtigen

  Peil-Flügel auf

  halbmast.

  * * *

  UND JETZT, bei strategischer

  Großlage, klauen-

  signiertes

  Gesinnungs-Lametta,

  eine Wortlitze, rot-

  gefüttert,

  näht sich den Mündern

  gesamtbarock in die

  wund-

  geschwiegene

  Kommissur.

  Schimmelbrothelle

  eckt an,

  abgekämpfte

  Gedanken, was sonst,

  stellen sich quer.

  * * *

  SCHNELLFEUER-PERIHEL.

  Reite dein Staubkorn zu,

  ihr müßt mit,

  mahnt das Flugblatt.

  (Du, Akosmische, als ich.)

  Eines Knödels Trabanten, klug,

  auf den Geister-Pawlatschen.

  * * *

  WIR ÜBERTIEFTEN, geeinsamt

  in der Gefrornis.

  Jedes Hängetal karrt eine Wimper

  an den Augenabdruck

  und seinen Steinkern

  heran.

  * * *

  HINTER SCHLÄFENSPLITTERN,

  im notfrischen

  Holzwein,

  (der Ort, wo du herkommst,

  er redet sich finster, südwärts),

  dahlienfürchtig bei Gold,

  auf immer heiterern

  Stühlen.

  * * *

  BERGUNG allen

  Abwässerglucksens

  im Briefmarken-Unken-

  ruf. Cor-

  respondenz.

  Euphorisierte

  Zeitlupenchöre behirnter

  Zukunftssaurier

  heizen ein Selbstherz.

  Dessen

  Abstoß, ich wintre

  zu dir über.

  * * *

  DAS GEDUNKELTE Splitterecho,

  hirnstrom-

  hin,

  die Buhne über der Windung,

  auf die es zu stehn kommt,

  soviel

  Unverfenstertes dort,

  sieh nur,

  die Schütte

  müßiger Andacht,

  einen

  Kolbenschlag von

  den Gebetssilos weg,

  einen und keinen.

  * * *

  DIE EWIGKEIT hält sich in Grenzen:

  leicht
, in ihren

  gewaltigen Meß-Tentakeln,

  bedachtsam,

  rotiert die von Finger-

  nägeln durchleuchtbare

  Blutzucker-Erbse.

  Zeitgehöft

  I

  Wanderstaude, du fängst dir

  eine der Reden,

  die abgeschworene Aster

  stößt hier hinzu,

  wenn einer, der

  die Gesänge zerschlug,

  jetzt spräche zum Stab,

  seine und aller

  Blendung

  bliebe aus.

  * * *

  Gehässige Monde

  räkeln sich geifernd

  hinter dem Nichts,

  die sach-

  kundige Hoffnung, die halbe,

  knipst sich aus,

  Blaulicht jetzt, Blaulicht,

  in Tüten,

  Elend, in harten

  Trögen flambiert,

  ein Wurfsteinspiel

  rettet die Stirnen,

  du rollst die Altäre

 

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