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Der Himmel wird beben

Page 22

by Kiefer, Lena


  Ich nickte. »Sie hat uns allen das Leben gerettet. Zwischendurch habe ich daran gezweifelt, aber inzwischen weiß ich, dass es genau so war.«

  »Wann hast du das erfahren?«

  »Das ist schon eine Weile her, während meiner Ausbildung in Maraisville. Du erinnerst dich an den Auftrag, als Tatius danebengeschossen hat?« Jye nickte stumm und ich seufzte. »Ich war das. Ich habe Leopold an dem Abend gerettet.«

  »Du? Warum?«

  »Ich hatte es jemandem versprochen«, entgegnete ich vage. »Jedenfalls durfte ich danach mit Leopold sprechen und er hat mich in einiges eingeweiht. Es ist zu kompliziert, um es dir zwischen Tür und Angel zu erklären, aber eins ist sicher: Wenn er die Abkehr nicht ausgerufen hätte, dann wären wir jetzt nicht hier. Keiner von uns.«

  Jye sah mich an. »Also war das Attentat nur eine Erfindung, um dich hier einzuschleusen?«

  »Nein, leider nicht.« Ich seufzte. »Knox hat dir sicher gesagt, dass ich mich dort in jemanden verliebt habe.«

  »Er hat es angedeutet.«

  »Es ist die Wahrheit. Aber dann hat mir die OmnI gesagt, dieser Jemand wäre nur auf mich angesetzt gewesen und hätte mir die ganze Zeit etwas vorgemacht. Da hat mein Verstand ausgesetzt.«

  »Verstehe. Aber trotzdem ist er hier, oder?«

  »Hier?«, echote ich erstaunt. Eigentlich hätte es mich nicht wundern dürfen. Jye hatte oft bewiesen, dass sein Verstand wesentlich schärfer war als meiner.

  »Lucien de Marais.« Jye sah nach draußen, wo »Emile« auf und ab ging. »Ich war vorhin unten, als ihr euch ausgerüstet habt, und habe ein bisschen was von eurem Gespräch aufgeschnappt. Ziemlich unvorsichtig von dir, seinen Namen auszusprechen.«

  »Verdammt«, stieß ich aus. »Wirst du …?«

  »Nein. Es war der letzte Beweis, den ich gebraucht habe. Denn selbst wenn der König dich für verzichtbar halten würde, seinen eigenen Bruder wohl kaum.« Jye schüttelte den Kopf. »Es hat aber außer mir niemand mitgehört, und ich werde es keinem sagen. Und wenn ich euch helfen kann, lass es mich wissen.«

  »Danke. Ich komme darauf zurück.«

  Der UnderTrans tauchte am Ufer auf und Jye erhob sich.

  »Soll ich mit euch kommen?«

  »Ich glaube nicht, dass du gerade in der richtigen Verfassung bist.« Ich lächelte und strich ihm sanft über die Wange.

  »Aber wenn ich irgendetwas tun kann, sag es mir.«

  »Beerdige deinen Freund«, sagte ich leise und umarmte ihn fest. »Wenn wir zurück sind, kümmern wir uns um den Rest. Vielleicht können wir sogar Knox überzeugen.«

  Als ich Jye losließ, hatte ich Tränen in den Augen. »Du bist der beste Freund, den man auf der Welt haben kann. Ich habe dich definitiv nicht verdient.«

  »Hör auf, sonst muss ich wieder heulen«, sagte Jye und seine Wangen waren feucht.

  »Ophelia?« Lucien stand in der offenen Tür. »Wir müssen los.«

  »Ich komme.« Schnell drückte ich Jye noch einmal an mich, dann lief ich zum Ufer.

  22

  Lucien und ich schwiegen, während wir aufs Festland fuhren und dann die Strecke zum FlightUnit-Landeplatz hinter uns brachten. Je näher wir kamen, desto mehr Sorgen machte ich mir. Wir hatten nicht geschlafen, bisher kaum Zeit für Absprachen gehabt – und die Sache zwischen uns war alles andere als geklärt. Denkbar schlechte Voraussetzungen für eine solche Mission. Ich konnte nur hoffen, dass Maraisville uns helfen würde.

  Die FlightUnit wartete an der gleichen Stelle wie am Tag zuvor. Wir hielten mit dem Wagen in der Nähe und stiegen die Rampe hinauf.

  »Uns wurde gesagt, es würde nur eine Person fliegen.« Der Flugbegleiter der Unit, ein Mittvierziger in schwarzer Kluft, musterte Lucien misstrauisch. »Exon Costards Anweisungen waren unmissverständlich.«

  »Das interessiert mich nicht«, sagte ich kühl. »Wenn Costard glaubt, dass ich das allein machen kann, ist er wahnsinnig oder überschätzt mich. Emile ist dabei oder ich bleibe hier.«

  »Ich muss das abklären.« Der Flugbegleiter nickte widerwillig. »Bitte wartet hier.« Als er ging, wechselten wir einen Blick und Lucien legte wie zufällig zwei Finger an seine Schulter. Das war die Schakal-Geste für Wir werden beobachtet. FlightUnits hatten eigentlich kein Überwachungssystem, aber mir war schon bei meinem gestrigen Flug aufgefallen, dass Costard aufgerüstet hatte. Also warteten wir im Inneren der Unit und sprachen nicht, bis der Flugbegleiter zurückkam.

  »Costard hat grünes Licht für Bayarri gegeben. Wir können starten.«

  »Wohin werden wir fliegen?« Soweit ich wusste, änderte sich die Position von Amber Island ständig – unmöglich zu erfassen oder zu verfolgen. Wie Costard trotzdem an die Daten gekommen war, konnte ich nicht einmal erahnen.

  »An die iberopäische Küste. Wir werden etwa eine Stunde dafür brauchen.« Er deutete auf die Sitze im hinteren Teil der Unit.

  »Sonst nichts? Keine Informationen?« Ich sah ihn an.

  »Jetzt noch nicht. Ich habe meine Anweisungen.« Er hob die Schultern und ging. Lucien und mir blieb nichts anderes übrig, als uns zu setzen und anzuschnallen.

  »Wir sollten schlafen.« Lucien ließ den Gurt einrasten. »Eine Stunde ist besser als nichts.«

  »Schlafen? Jetzt?«

  »Ja, jetzt.« Er schien sich wie zufällig umzuschauen, aber ich wusste, dass er abschätzte, wie empfindlich die Überwachung war. Dann brachte er seine Lippen nahe an mein Ohr. »Wir können hier nicht reden. Je weniger wir ihnen geben, desto besser.« Ein Schauer rann meinen Rücken hinab, aber da lehnte er sich schon wieder zurück. Als wir starteten, schloss Lucien die Augen.

  Ich betrachtete sein Gesicht, während er in den Schlaf glitt. Es war wie ein Fenster in die Vergangenheit, derart deutlich, als hätte ich ihn erst gestern so gesehen – entspannt und verwundbar. Ein vertrautes Stechen durchfuhr meinen Magen. Es gab einiges, das ich inzwischen bedauerte, vor allem das Attentat auf den König. Aber noch mehr bereute ich, dass ich Lucien verloren hatte. Ich hatte es mir nicht eingestehen wollen, solange ich ihn für einen Lügner und Betrüger hielt, aber nun erfasste mich die Erkenntnis umso heftiger: Ich vermisste ihn und die Nähe zwischen uns so sehr, dass es mir körperlich wehtat. Nie in meinem Leben hatte ich mich vollständiger, beschützter und echter gefühlt als bei ihm – doch jetzt war da nur noch ein tiefer, schwarzer Abgrund. Und ich konnte nicht einmal die OmnI dafür verantwortlich machen, Troy oder alle beide. Die einzige Person, die das verschuldet hatte, war ich selbst.

  »Schlaf jetzt, Ophelia«, murmelte Lucien, ohne die Augen zu öffnen. Ich fühlte mich ertappt und schloss meine eigenen.

  Zum Glück konnte er keine Gedanken lesen.

  Lucien weckte mich, als wir uns der Atlantikküste näherten. Ich sah aus dem Fenster. Das Meer wirkte wie eine blaugraue Masse aus scharfkantigen Felsen, so sehr wurde es vom Wind aufgewühlt. Das Land davor war braun und grün – Felder und dahinter ein schmaler Streifen Strand. Alle Häuser hatten abgedeckte Pools und leere Terrassen. Im Herbst verirrte sich kaum jemand in die Ferienorte an der Küste.

  Wir landeten zwischen zwei Häusern und verließen die FlightUnit. Ich wollte fragen, wie wir nach Amber Island gelangen sollten, da tauchte die Antwort aus dem Frachtraum der Unit auf: Der Flugbegleiter lud ein kleineres Fluggerät aus. Es erinnerte von der Form an einen Rochen, hatte die Größe einer TransUnit, aber nur vier Sitzplätze. Dazu wirkte es weder sehr stabil noch besonders wehrhaft. Und damit sollten wir zu einer Hochsicherheitsfestung fliegen? Großartig.

  Der Pilot zeigte auf das Fluggerät. »Der FlightJack hat Ortungs­tech­no­logie für Amber Island an Bord, so könnt ihr sie finden. Hier sind Informationen über die Insel selbst.« Er drückte uns ein Pad in die Hand. »Ihr habt zwölf Stunden Zeit, die Mission zu erfüllen, dann seid ihr außer Reichweite. Ich werde morgen früh um 10 Uhr an dieser Stelle landen. Wenn ihr nicht da seid, gehe ich davon aus, dass ihr es nicht geschafft habt.«

  Damit tippte er sich an die Schläfe und verschwand. Wenige Minuten später hob die Unit
ab und war bald außer Sicht.

  »Mitarbeiter des Monats wird der nicht«, murrte ich. »Was ist das denn für eine Ansage? Hier habt ihr was zum Fliegen, viel Spaß?«

  Lucien atmete aus. »Immerhin sind wir jetzt allein.«

  Früher hätte ich diesen Satz wohl anders verstanden. Jetzt bedeutete er nur, dass wir offen reden konnten.

  »Was ist der Plan?« Ich fühlte mich komplett unvorbereitet und so schutzlos wie selten. Auch das Pad in meiner Hand half nicht. Ich hatte nur kurz durch die Unmengen an Dateien geblättert: Wir hatten niemals die Zeit, das alles zu lesen.

  »Maraisville wird uns briefen.« Lucien öffnete eine unserer Taschen und suchte etwas. »Was weißt du über Amber Island?«

  »Nicht viel. Nur, dass es eine schwimmende Tresorinsel ist, die sich nicht orten lässt. Und dass dort ein DataPod liegt, den ich besorgen soll. Die OmnI sagte, auf Amber Island würde eine Menge gefährliche Technologie aufbewahrt.« Ich wählte absichtlich den Begriff, für den die OmnI mich getadelt hatte. Es fühlte sich gut an, gegen sie zu rebellieren.

  »Dort lagert nicht einfach nur gefährliche Technologie«, korrigierte Lucien mich. »Es ist tödliche Technologie. Amber Island ist vollgestopft mit Komponenten, die auf keinen Fall in die Hände von irgendeinem Wesen fallen dürfen, ob nun menschlich oder künstlich.«

  Ich runzelte die Stirn. »Warum hat man das ganze Zeug dann nicht einfach zerstört?«

  »Paranoia.« Lucien verdrehte die Augen. »Manche glaubten, dass der Tag kommen könnte, an dem so etwas wie der DataPod oder ein paar Atomwaffen das sind, was uns retten kann. Und dass es dann blöd wäre, ohne dazustehen.«

  »War Leopold auch dafür, diese Komponenten zu behalten?«

  »Er war zumindest nicht dagegen. Aber wer eine geheime OmnI hat, ist wohl auch nicht in der Position, die Moralkeule zu schwingen.«

  Ich hörte einen eigenartigen Unterton. »Ist alles in Ordnung zwischen euch?« Wahrscheinlich war ich die Letzte, die so etwas fragen durfte. Aber manchmal reagierte mein Mund schneller als mein Hirn.

  »Nein. Aber das spielt jetzt keine Rolle.« Lucien richtete sich auf und sah sich um. »Dufort und Phoenix wollen uns die wichtigsten Informationen auf die EyeLinks übertragen. Wir sollten in eines der Häuser gehen, um darauf zu warten.« Er lehnte sich in das Cockpit des Fluggerätes und bediente dort das Steuerungspanel. Kurz darauf passte sich die schwarze Metall­ober­fläche seiner Umgebung an und wurde nahezu unsichtbar.

  »Weißt du, wie man so etwas fliegt?«, fragte ich, während wir losliefen.

  »Klar. Das lernt man in der Ausbildung.« Lucien hob die Schultern und sah mich nicht an. Schweigend gingen wir auf das Haus zu, einen Sandsteinbau mit Bogenfenstern, vor dem eine blaue Fahne im Sturm flatterte. Die Tür ließ sich ohne große Probleme aushebeln und Lucien deaktivierte das Alarmsystem. Als wir in dem zweckmäßig eingerichteten Wohnzimmer unsere Sachen ausbreiteten, hielt ich inne.

  »Warum tun wir das überhaupt?«

  »Warum tun wir was?«

  »Warum erledigen wir diesen Auftrag? Wenn wir den DataPod nicht beschaffen, kann die OmnI sich nicht vernetzen und das Problem hat sich erledigt. Außerdem riskieren wir dann nicht unsere Leben. Das wäre doch ein netter Nebeneffekt.« Ich lächelte schief, als Lucien mich ansah. Nie hatte ich mich in seiner Gegenwart unsicherer gefühlt.

  »Du denkst wie so oft nicht weit genug.« Es war nicht Lucien, der mir antwortete. Es war Phoenix über die EarLinks. »Wir wollen den DataPod, um die OmnI zu deaktivieren.«

  Ich brauchte nur eine Sekunde, um zu schalten. »Sie wollen ihr eine Art Virus unterjubeln?« Wenn man den DataPod damit infizierte, würde er die OmnI angreifen, sobald sie sich mit ihm verband. Es musste ein sehr ausgeklügelter Virus sein, aber es war theoretisch möglich.

  »So ist es.« Phoenix klang so selbstgefällig, dass die Idee von ihm stammen musste. »Du siehst also, wieso wir den DataPod brauchen. Wenn wir ihn haben, kann es uns egal sein, wo die OmnI ist: Rankin wird die Deaktivierung für uns übernehmen und die Ortung gleich mit. Wir müssen dann nur noch die Hardware einsammeln.«

  »Wie ein trojanisches Pferd«, murmelte ich. Es war eine brillante Idee. Riskant zwar, aber brillant.

  »Der Trick hat schon immer funktioniert.« Phoenix wirkte siegessicher. »Es wäre also sehr schön, wenn du dieses Mal nicht versagen würdest.«

  Ich sah an Luciens Reaktion, dass er Phoenix ebenfalls hörte – bei dem Wort versagen zuckten seine Augenbrauen für eine Sekunde nach oben. War es Zustimmung? Ich konnte es nicht erkennen.

  »Außerdem hätte ich gern meinen ehemals besten Agenten zurück«, sprach Phoenix weiter. »Wer weiß, vielleicht findet er zu seiner alten Form, wenn du verschwunden bist.«

  Da reichte es mir. »Ach, halten Sie den Mund«, fauchte ich. »Ich weiß, dass Sie Gefühle für eine Schwäche halten. Aber am Ende sind sie der einzige Grund, um überhaupt zu leben.«

  »Oh, wie pathetisch. Ich sollte dich als königliche Redenschreiberin engagieren«, sagte Phoenix abfällig. »Aber du liegst falsch. Ohne Gefühle hätte es kein Attentat gegeben und auch nicht dieses Chaos, das du angerichtet hast. Im Gegensatz zu dir ist Lucien das bewusst. Nicht wahr?«

  »Sicher.« Lucien stand mit dem Rücken zu mir, deshalb konnte ich sein Gesicht nicht sehen. Aber seine Stimme war wie mit dem Lineal gezogen, emotionslos und ruhig. Gab er Phoenix in Bezug auf mich recht? Ich spürte einen tiefen Stich.

  Dann waren die Informationen für uns bereit und Dufort klinkte sich ein.

  »Es tut mir leid, euch das mitteilen zu müssen, aber: Amber Island ist uneinnehmbar«, sagte er. »Die Insel wurde entwickelt, um jede Bedrohung von vornherein abzuwehren, egal ob aus der Luft oder vom ­Wasser.«

  Lucien und ich sahen uns an. Das konnte ja heiter werden.

  »Die Insel misst knapp 800 Meter im Durchmesser, ist 80 Meter hoch, inklusive 30 Meter Tiefgang«, betete Dufort herunter. Ich sah eine schematische Zeichnung über die EyeLinks und erkannte ein achteckiges Bollwerk, das aussah wie eine schwimmende Hightech-Festung mit Türmen an allen Ecken und einem zen­tra­len oktogonalen Gebäude in der Mitte der Plattform. »Sie verfügt über jede nur erdenkliche Sensorik für die Annäherung von Objekten und besitzt sowohl Lang- als auch Kurzstreckenwaffen. An jeder der acht Ecken sind Geschütztürme installiert. Sie sind hauptsächlich mit Partikelwaffen ausgerüstet, aber die eine oder andere Projektil- und Lenkwaffe dürfte auch dabei sein. Man kann ohne Berechtigung nicht auf der Oberfläche landen oder auch nur deren Nähe. Versucht man es doch, vaporisiert sie in einem Rundumschlag alles in zwei ­Kilo­me­tern Umgebung. Außerdem schaltet sie bei einem Angriff auf Stealthmodus und lässt sich für drei bis fünf Tage auf den Grund des Meeres sinken.«

  »Großartig.« Die Insel schien gegen alle Eventualitäten gerüstet zu sein. Wie sollten wir da eine Chance haben?

  Dufort ignorierte meinen Einwurf.

  »Der FlightJack, den Costard euch zur Verfügung gestellt hat, kann relativ nah heranfliegen, aber sobald ihr in Sicht kommt, hilft das nicht mehr. Amber Island erkennt jedes physische Objekt und schießt es ab, bevor es dort ankommt.«

  Lucien runzelte die Stirn. »Gibt es auch gute Nachrichten, Cas?«

  »Nicht viele.« Dufort klang besorgt, aber das galt sicher nicht mir. Lucien und er waren schließlich seit Jahren befreundet. »Imogen hat versucht, euch Zugang zu verschaffen, aber ohne Erfolg. Man kann Amber Island nur mit Zustimmung aller beteiligten Regierungen betreten. Wenn wir also nicht zugeben wollen, dass es die OmnI gibt, können wir das vergessen.«

  Es war eine sehr kluge Idee, eine solche Sicherung einzubauen. Nur machte sie unseren Auftrag unmöglich.

  »Das ist ein Himmelfahrtskommando«, stellte ich fest. »Sag doch gleich, dass diese Mission scheitern wird und wir dabei draufgehen. Das wäre wenigstens ehrlich.«

  »Es ist schwierig, aber nicht unmöglich«, widersprach Dufort. »Sonst würde Lucien es nicht versuchen.«

  Da war ich mir nicht so sicher. Luciens Blick w
ar derart verschlossen, dass er mich beinahe an die gruselige Lügenversion von sich erinnerte, die mir die OmnI gezeigt hatte.

  »Wir werden eine Möglichkeit finden«, sagte er in ruhigem Tonfall. »Wie kommen wir rein, wenn wir dort sind?«

  »Das ReachCenter, das Gebäude im Zentrum der Oberfläche, wo bei einer autorisierten Landung die Regierungsvertreter empfangen werden, ist keine Option – es ist elektronisch und mechanisch gesichert und außerdem in Reichweite der Geschütze. Aber es gibt acht große Ballast­tanks mit Flutventilen außen an der Insel. Wenn Amber Island abtaucht, werden sie geöffnet und das Wasser wird hineingepumpt. Diese Ventile sind nicht speziell gesichert, soweit wir wissen. Und in den Tanks gibt es Wartungsschleusen, durch die man dann ins Innere der Insel gelangen kann.«

  Ich holte Luft, um nachzufragen, aber Lucien war schon beim nächsten Punkt.

  »Was, wenn wir drin sind?«, fragte er weiter. Ich sah ihn irritiert an, aber er erwiderte den Blick nicht. Wollte er nicht wissen, wie zur Hölle wir überhaupt erst einmal auf der Insel landen sollten?

  »Dann wird es einfacher«, sagte Dufort. »Amber Island hat nach unserem Wissen keine Abwehrsysteme im Inneren, nur Wartungsdrohnen und Reparatureinheiten, die euch wahrscheinlich nicht angreifen werden.«

  »Wahrscheinlich?«, fragte ich alarmiert. »Was soll das denn heißen?«

  »Wir haben keine Kenntnis davon, wie die Insel innen aufgebaut ist – niemand hat das. Beim Bau wurde keine Regierung voll eingeweiht. Das Lagersystem ist von den Asiaten, der Beförderungsmechanismus von den Amerikanern und die Wartungstechnik von den Afrikanern. Da die ursprünglichen Pläne von Achill de Marais stammen, wissen wir über die prinzipielle Struktur und die Abwehrmaßnahmen Bescheid. Mehr nicht.«

  Ich warf einen Blick zu Lucien, um herauszufinden, ob er mehr beisteuern konnte. Wenn sein Vater die Insel konzipiert hatte, gab es sicher alte Aufzeichnungen darüber, die er vielleicht kannte. Aber sein Blick war starr und unergründlich. Ich konnte nichts daraus lesen.

 

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